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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970908018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-08
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Lrößere Schriften laut unserem Preis, verzrichniß. Tabellarischer und Zif.ernsatz uach höherem Tarr/. Nytra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ob ne Poslbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vonnitiagi 70 Uhr. Marge n-NuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je «in halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. P olx in llelvzl^ 457 Mittwoch den 8. September 1897. 81. Jahrgang. Fürst üismlirck und die Flottenfrage. ES ist merkwürdig! Wenn Diejenigen, die stets treu zum Fürsten BiSmarck gestanden und an seiner gewaltigen Bedeutung nie herumgenörgelt haben, sich in der einen oder anderen Frage aus seine Autorität berufen, dann werden sie von d«n principiellen Gegnern de- großen Staatsmannes als urtbeilSlose Götzendiener verspottet. Wenn aber der Fürst einmal etwa- gesagt hat, was anscheinend die Auf fassung seiner sonstigen Gegner bestätigt, dann erkennen die selben Leute, die ihm bei seiner Entlassung das Attest auS- stellten, daß „ein mittelmäßiger Schutzmann die innere Politik Deutschlands nicht schlechter geleitet hätte", in ihm „den getreuen Eckart des deutschen Volke«". Ja, das ist Fürst Bismarck allerdings. Und gerade darum stimmt er tn der Flottenfraae, in der sich die Gegner der Entwickelung der deutschen Marine auf ihn berufen möchten, keineswegs mit jenen Männern überein. Ta aber diese Gegner durch AuSemanderzerrung und willkürliche Auslegung dessen, was er leytbin über die deutsche Marine gesagt hat, in ihrem Sinne für die nächsten Wahlen Capital schlagen möchten, so verlohnt eS sich, doch festzustellcn, daß der Fürst nichts gesagt hak, was nicht jeder Freund der Ent wickelung der deutschen Marine unterschreiben könnte. Fürst BiSmarck hat im Allgemeinen den an sich selbst verständlichen aber leider zu selten beachteten Grundsatz aus gestellt, daß bewilligt werden müsse, was nach dem Urtheile nüchterner Fachmänner notbwendig sei. Und er hat im Speciellen in Bezug auf die Streitfrage des vergangenen Winters gesagt, er glaube, daß neue Kreuzer nölhig seien. Gerade mit dem allgemeinen Satze aber hat er dar ausgesprochen, wogegen sich die parlamentarischen Doktrinäre, die sich jetzt aus ihn berufen zu können glauben, mit Händen und Füßen zu sträuben pflegen. Die Herren Lieber und Richter glauben der Autorität der Fachmänner entratben zu können. Weil der Eine mit dem Marineetat seit einigen Jahren sich beschäftigt und mit dem Admiral Hollmann eine Inspek tionsreise gemacht bat, und weil der Andere wenigstens ein großer Rechenkünstler ist, glauben sie, decrctircn zu können, was für die Marine des deutschen Reiches erforderlich ist, und hören nur mit Ungeduld an, was die uüchternen Fachmänner, denen man, wie Fürst BiSmarck sagt, bewilligen muß, waS sie sür notbwendig halten, ihnen auSeinandersetzen. Und Herr Hollmann war, wenn man auf dieses Wort den Nach druck legen will, ein nüchterner Fachmann» vielleicht ein zu nüchterner, denn seiner ungewandten Redeweise gelang es nickt, fortzureißen. Sein Nachfolger Tirpitz wirb vielleicht ein gewandterer Redner sein, aber auck er ist nach allem, waS man von ihm gehört hat, ein nüchterner Fachmann und phantastischen Plänen unzugänglich, wenn diese etwa, WaS wir aber nicht glauben, an hoher Stelle gehegt werden sollten. Solche Pläne müßten allerdings die Aussichten auf eine maßvolle Flotlenvermchrung untergraben, schon darum, weil sich ihnen auch die Freunde der Marineentwickelung widersetzen müßten. Denn über das Einzelne geht daS Ganze, über die Ent wickelung der Marine gehen die Gesammtinleressen des Vater landes. Und darin wird jeder ruhig denkende Patriot dem Fürsten BiSmarck Recht geben müssen, „daß die Basis nicht verrückt werden darf, auf der unsere Weh» kraft beruht". Die Fort entwickelung des deutschen Heeres muß unter allen Umständen immer in erster Linie im Auge behalten werden. Beiläufig sei freilich bemerkt, daß es eigenartig berührt, wenn auf diesen Satz deS Fürsten BiSmarck fick auch solche Kreise be rufen, die seit mehr als einem M-nschenalter sich regelmäßig jeder Erweiterung deS preußischen, später des deutschen Heeres widersetzt haben. Fürst BiSmarck wünscht eine maßvolle, ruhige Ent wickelung der deutschen Marine, keinen Stillltand, aber auch keine Ueberstürzung. In diesem Wunsche findet er sich in Uebereinstiminung mit der übergroßen Mehrheit Derer, die von den grundsätzlichen Gegnern jeder Entwickelung der deut schen Marine als „Flottenschwärmer", Anhänger „uferloser Flottenpläne" rc. verschrieen werden. Wenn Fürst BiSmarck in Rücksicht auf die Wenigen, die in der Thal vielleicht die Marine gleich in einer Weise vermehren möchten, die sich weder mit den finanziellen Verhältnissen, noch mit den Interessen der in der ersten Neide stehenden Landarmer, noch endlich mit den nolhwendigen politischen und wirthschaftlichen Interessen in Einklang bringen läßt, vor allen phantastischen Plänen warnt, so zeigt er damit nur, daß er jener gewissen hafte Politiker ist, der unerfreulichen Möglichkeiten rorbaut, auch wenn sie nur von geringer Wahrscheinlichkeit sind. Wir glauben dargethan zu haben, daß eine recht gewalt same Jnterpretirungskunst dazu gehört, wenn man die Autorität des Fürsten BiSmarck für die Anschauungen der Gegner der deutschen Floltenentwickelung in« Gefecht führen will. Diese Bemühungen müßten allerdings eigentlich schon an der Einsicht selbst der naivsten Menschen im Vaterlande scheitern, daß die Auffassungen des großen greisen Kanzler- nie mit denen solcher „Politiker" conform sein können, die in kleinlicher Knauserei die höchste Weisbeil sehen. „Alio keine Knauserei" sagte der Fürst gerade in Bezug auf die Flotten frage; dieses Wort wirb hoffeutlich vom deutschen Volke be herzigt werden. Oie Zunahme der Geisteskranken in Sassen. 6. Ein altes und vielgebrauchtes Wort sagt: „Zahlen beweisen"; aber Niemand weiß besser als der Statistiker, der Mann der Zahlen, daß die letzteren meist die Grundlage grober Irrt hü in er werden können. Deshalb begnügt sich die moderne Statistik auch nicht mit der bloßen Zahl, sondern sie fragt vor Allem: wie ist dieselbe entstanden? — Wer sich diese Frage nicht vorlegk, der geräth leicht in Gefahr, auS den Zahlen durchaus falsche Schlüsse zu ziehen. Da ist auch kürzlich einer Ziffer über die Geisteskranken in Sachsen begegnet. Durch viele Blätter ging vor wenigen Tagen die bisher unwidersprochene Mittheilung, die rasche Zunahme der Geisteskranken in Sacksen sei eine geradezu unheimliche Erscheinung. Ihre Zahl wachse viermal schneller als die Bevölkerung selbst. Die letztere habe in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts^ um 8,14 Proc.' zugenommen,' die Zahl der Geisteskranken sei dagegen um 35 Proc. ge stiegen. Wer diese nackten Zahlen betrachtet, der muß allerdings erschrecken. Dazu ist jedoch keine Ursache vorhanden. Aller dings ist es richtig, daß die Zahl der Geisteskranken steigt, aber es ist völlig falsch, diese Steigerung nach der erbebten Ziffer der Insassen der Irrenhäuser und ähnlicher Anstalten zu messen. Die Zahl der Geisteskranken läßt sich überhaupt statistisch nickt feststellen; weiß doch kaum die Psychiatrie zu sagen, wo die Vernunft aufhört und die Geistes krankheit beginnt. In jener Mittheilung hätte es beißen müssen, die Zahl der Insassen der Irrenhäuser und ähnlicher Anstalle» stieg um 35 Proc., nicht aber, „die Zahl der Geisteskranken". DaS ist ein sehr erheblicher Unter schied. Die Steigerung der Zahl der JrrcnhauSinsassen be weist für die Zunahme der Geisteskrankheiten gar nichts. Sie läßt aber in anderer Beziehung Schlüsse zu. Die größere Inanspruchnahme der Irrenhäuser und ähnlicher Anstalten in Sachsen und in anderen Ländern ist ein Beweis für den Fortschritt der wissenschaftlichen Psychiatrie und der Humanität. Es wird auch dem Laien bekannt sein, daß seil geraumer Zeit die Psychiatrie weit mehr als früher als ein wichtiger Zweig der Heilkunde, sowohl an deutschen Universitäten, wie in der ärztlichen Praxis, betrachtet wird. Tiefe größere Be deutung, welche man in der ärztlichen Wissenschaft der Psychiatrie, der Seelenbeilkunde, beilegt, macht ihren Einfluß auch bereits in den nicktärztlichen Kreisen bemerkbar. Auch der Laie zeigt beute mehr Verständnis; für geistige Krank heiten. Nicht nur der Arzt, sondern auch der Richter, der Wohlfahrts-und der Polizeibeamte erkennen heute da einen be- mitleidenswerthen Geisteskranken, wo sie früher nur den Ver brecher sahen. Tie Folge ist die Uebersührung in rin Irren haus, statt in ein Zuchthaus. Selbst dem einfachen Mann au« dem Volke ist derBlickfür die Erkennung von Geisteskrankheiten ge schärft, seit die ärztliche Wissenschaft nut Recht den Begriff derselben sehr viel weiter als früher gezogen hat. Schwer nervöse Kranke, deren Leiten früher einfach nicht erkannt wurde, suchen beute freiwillig oder unfreiwillig zu ihrer Genesung «ine Anstalt für Geisteskranke auf; weit mehr als früher werden gegenwärtig Alkoholiker, wenn sie von Säuferwahnsinn ergriffen wurden, ten Anstalten zugefübrt, ebenso Epileptiker, dis Tobsucht befällt. Weilman ihren Zustand nicht erkannte, wurden früher viele Irre in Zuchthäusern, Gefängnissen, Arbeitshäusern und Correctionsanslalten festgehalten. Sie batten dort häufig viel zu leiden, kenn die Aeußerungen ihrer Krankheit faßte man als bösen Willen und verbrecherische Neigung auf. Die höhere psychiatrische Erkenntniß überweist diese Personen jetzt den Irrenhäusern. In den Gefängnissen selbst entwickeln sich viele Psychosen, die dem Arzt und auck dem intelligenten Gefängnißpersonal be kannten „Ges Lngniß-Psychosen". Früher wurden dieselben als solche nicht erkannt; heute greift der Irren arzt ein, wo noch bis vor kurzer Zeit vielleicht barte Disciplinarmaßregeln zur Anwendung gelangten. Anch de- generirte, geistig anormale Kinder ließ man früher mehr als heute in den Familien einfach versimpeln und re»b öden. Kinder mit geistigem Dcfect, deren Handlungen man sonst auf sittliche Verwahrlosung zurücksührte, werden heute als Geisteskranke erkannt und häufiger den entsprechenden Anstalten überwiesen. Aus den Gerichtsacten geht ost her vor, daß manche Personen vor Jabrcn mit barten Strafen belegt sink, die beute al» längst geisteskrank erkannt werden. Auch die Conträr-Sexualen, welche früher in die Straf- anstalten wanderten, stellen sich vielfach als Irre heraus und werden den Heilanstalten überwiesen. Alle diese Thatsacken geben eine genügende Erklärung für das Anwachsen der Krankenzahl in den Irrenhäusern. Aber man soll sich, wie gesagt, düten, aus dieser Zahl einen Schluß auf die Zunahme der Geisteskrankheiten zu ziehen. Sic beweist nichts, als daß die Erkennung der Geisteskrank heiten eine bessere und als Folge dieser Erkenntniß und der gesteigerten Humanität die Beuntzuug der Irrenanstalten eine größere geworden ist. Die Reform des JrrenheilwesenS hat ganz erbeblick mit dazu beigeiragen, auch in der Bevölkerung die frühere Scheu vor den Jrrenheilanstalten zu überwinden. Namentlich hat aber Sachsen auf dem Gebiete der Reform des Jrreuheil- wesens Hervorragendes geleistet, wie von allen Psychiatern anerkannt wird. Deutsches Reich. Berlin, 7. September. Der in Tagesblättern befür wortete Arbeitsnachweis durck die Post wird in den beiden letzten Nummern der „Dtsck. Verk.-Ztg", dem Anschein nach von einem Fachmann, aussührlick besprochen und als undurchführbar bezeichnet. Die Kostenfrage würde in erster Linie dabei entscheidend sein. Bei dem kleinen Verkehr in Luxemburg habe daS vorbantene Beamteupersonal genügt, um die Nebenarbeit zu bewältigen. Bei den deutschen Post anstalten würbe dies — was auch glaubhaft erscheint — meist unmöglich sein, es müßten vielfach neue Schalter besetzt oder erst eingerichtet werten, weil die jetzigen bereits über lastet sind. AuS allen diesen und anderen voraussichtlich ent stehenden Ausgaben in Gegenüberstellung der Einnahmen aus allerdings niedrig bemessenen Gebühren der Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechnet die „Verk.-Ztg." ein Deficit von gegen 2 Millionen Mark jährlich heraus. Zur Deckung desselben müßten die Gebühren für jede Anmeldung ungefähr auf 80 estzcsetzt werden. Außerdem wird mit Recht gesagt, daß für die einfachen Verhältnisse des kleinen Luxemburger Arbeits marktes wohl ein einfacher Nachrichtendienst genügen möge, aber nicht auf den vielseitigen Wirlhsckastögebieten von der Ausdehnung des deutschen Reiches. Man würde lei nr.S doch der thatkräftigen Einwirkung sachverständiger Mittels personen nicht cntrathen können. Neben der einfachen Be- anntgabe der angemeldeten Stellen nnd deren Veröffent- ichung durch die Post müßte wohl immer noch eine wirkliche ArbeitSvermittelunz bergehen. * Berlin, 7. September. Herr Stöcker benutzt die ünzsten Auslassungen des Fürsten BiSmarck über di preußischen Conserva kiven als Anlaß, gegen letztere vom Leder zu ziehen; sein Organ, das „Volk", schreibt n. A.: „Wir vermeiden es, die Sacke nach der persönlichen Leite ter Dankbarkeit zu erörtern: wir bleiben zunächst in der Polst.l, und hier können wir den Versuch der „Kreuzztg.", die BiSinarct'icien Gorte so zu erklären, doch nicht sür richtig halten. ES seb.tt biober an allem Beweismaterial, daß der Fürst ein verärgerter ylrei» sei, der, dec Gegenwart entwachsen, schon mehr und,musst als bewusst, seinen bitteren Stimmungen Lust macke. Ter Fürst ist noch gerate jo klar wie er immer gewesen, hat auch an seiner Fädigkeit, sich zu beherrschen, kaum etwas rmgebüßt. Im Gegentbeil: er liebt und haßt noch mit der ttrast der Jugend. Und wenn er „zniällige" Bemerkungen über die Conservativen hinivirst, jo sind diese Worte nichts weniger als zufällig, sondern ebenso genau be rechnet, Ivie Alles, was er politisch ausipricht, und sollen ohne Zweifel einem Plane, Len er gefaßt hat, dienen. Der Fürst hat teuie Absichten. Es fragt sich nnr, welche. Wir glauben kaum, daß man irrt, wenn man den Ausfall des Fürsten mit dem kürzlich erfolgten Besuch der Herren vom Bund dec LayLwirihe in Ver bindung bringt. Dieter Besuch wird beim Fürsten die ttebeezengung, wenn nicht geweckt, doch bestärkt haben, daß in der agrarischen und Mitielstandsbemegnng jetzt viel mehr Lebenskraft sitzt, als im sinken den Eoniervatismus, und vielleicht stellt der Angrstf des Fürsten tie Gewährung einer erbetenen Hilfe dar. In Bezug auf polstst'cke Machlfactoren hat es der Fürst ja stet» mir der bekannt-u Maxime gehalten: „Für einen Leichnam bin ick n-ckt zu Hans, Mir geht eS, wie dec Katze mit dec Mans." Damit wollen wir nun unsererseits noch keineswegs das Unheil ausgesprochen haben, alS hielten wir die konservative Partei von heute auf morgen dem Untergang verfallen. Trotz aller Angriffe wird st ein erhebliches Terrain anch in der kommenden Wahl dr'.'.a"»''- Daß sie es aber durch zahllose Mißgriffe zu einem äußerste, Ostias; der Unbeliebtheit in weilen llkreiie» gebrockt bat, darüber sino Tänlchnngen kaum noch möglich. Und diese allgemeine Abneigung wurzelt besonders darin, Laß sie ihre stets vorhandene leidige Schwache, der Regierung in Allem zu folgen, jetzt io weit getrieben hat, selbst einem ganz plan- nnd ziellosen Ministerium auch auf dem Zickzack der Polizei-Reaetion, die Niemand haben will, blindlings zu folgen. Wann halten die Conservativen dec Regierung gegenüber aufrecht gestanden? Umgefallen sind sie hundertmal, wie die Bleisoldaten. Als Fürst Bismarck den Eulturtampf machte, machten sie mit; als ec sisiirr wurde, sislirten sie nut; als er wieder ousbrach, brachen sie mit aus. Als Kaiser Wilhelm christlich - sociale Reformen ankilndete, jubelten sie ihm zu; als christlich - social sür Unsinn erklärt wurde, stießen sie Stöcker ans der Partei ans und svlgten Stumm; als das Socialistengesetz gemacht wurde, fanden sie es nöthig, als e» ausgehoben wurde, überflüssig; und als vor Kurz-in die Aera Hohenlohe ganz aus Berschen — gewollt batte es ja eigentlich Niemand — wieder iu em Umsiurzgejetz hineintavpte, tappten die Eonicevativen mit . . . Tie Eonicrvativen sind um gefallen in der Haudwerkcrsrage, umgefallen selbst bei Len Handels verträgen, und so fort in iutinikum. Warum wir das sagen? Nickt um den Conservativen zu schaden, oder gar Propaganda iac die Pläne des Fürsten BiSmarck zu machen, die wir überdies nicht kennen und die jedenfalls ganz andere sind, als die unseren, sondern umAugesichtS der furchtbaren Zersplitterung aus der Rechten von Neuem die Frage zu stellen, ob sich nicht ans den verständigen Conservativen, die selbst mit der Führnng ihrer Partei zerfallen sind, aus den Deutsch-Socialen, aus Len Chrisilich-Locialen, aus den mancherlei Wilden, vielleicht auch aus einigen National- Fr« »He ton. Etwas über unsere gewöhnlichen Wespen. Nachdruck «erboten. Wir leben jetzt in der Obstzeit, aber auck in der Wespen zeit. DaS kann nicht auSbkeiben, denn Obst und Wespen gehören zu einander wie Fliegen und Spinnen. Im ersten Frühjahr, wenn man schon hin und wieder einen Citronenvogel oder eine Sommerkante zu Gesicht bekommt, wirst Du kaum eine Wespe gesehen haben, lieber Leser, daS will ich dreist behaupten. Woher kommt nun auf einmal im Hochsommer die gefährliche Menge der zudringlichen lascher? Man könnte denken, die Sache verhalte sich etwa wie bei den Stubenfliegen, daß fick nämlich ibre Anzahl von Generation zu Generation gesteigert habe. Tas wäre ja freilich daS Einfachste, aber so einfach liegt daS Ding eben nicht. Die Wespen gehören wie die Hummeln, Bienen und Ameisen zu den gesellschaftlichen oder staatenbildenden Immen oder Hautflüglern. Bei ihnen allen besteht der Staat auS dreierlei Individuen: Männchen, vollentwickelten Weibchen und Arbeitern oder sogenannten Geschlechtslosen, richtiger in der Entwickelung zurückgebliebenen Weibchen. Aber diese Staaten sind unter sich verschieden und bilden sich auf eine doppelte Weise. ES ist klar, auf irgend «ine Art und in irgend einer Gestalt müssen die Thier« bei uns den Wmter zubringen, wenn sie eS nicht, wie viele Vögel, verziehen, wegzuwandern. Tie Jnsecten mit sogenannter vollkommener Verwandlung, zu d neu auser Schmetterlingen, Fliegen und Käfern auch die Immen gehören, können al- Ei er, Larven, Puppen und im voll kommenen Zustande (»,- JmagincS) überwintern. Im letzteren Falle sind es mit seltenen Ausnahmen Mutter weibchen, die im nächsten Frühjahre Eier legen werden. So ist e- auch bei den Wespen und Hummeln, aber nickt bei den Bienen und Ameisen. Diese bilden vielmehr Dauer staaten, indem die Weibchen und Arbriter mehrer« Jahre, Vie Männchen aber nur wenige Tage leben, und bei ihnen überwintern Larven, Puppen und JmagineS. Die Staaten der Hummeln und Wespen gehen mit dem Eintritt des Winters zu Grunde, und ihre Bürger sterben auS, bis auf die Mutterweibchen, die gegen Ende des letzten Sommer- sich entwickelt hatten. An geeigneten Stellen, in der Mulmerde hohler Bäume, unter Moos rc. suchen sie sich Schlupfwinkel, in denen sie in Erstarrung verfallen und mit dicht an den gekrümmten Körper angezogenen Beinen, Fühlern und Flügeln die kalte Jahreszeit verschlafen. Im nächsten Frühjahre zu neuem Leben erwacht, macken sie sich an die Arbeit, und jede baut ein Nest mit wenigen Zellen, die sie mit Eiern belegt. Die auS diesen hervorgehenren Farven werden von der Mutter selbst bis zur Verpuppung ernährt und entwickeln sich zu Arbeitern, d. h. also zu unvollkommenen Weibchen, die nun der Mutter die Arbeit abnehmen, den Nestbau weiterfllhren und die auS den von ihr spälrrgelegten Eiern gekommenen Geschwisterlarven nussüttern. Während deS ganzen Frühlings und Sommers bringt die Mutter wespe nur weibliche Eier zur Welt. Die aus ihnen hervor gegangenen Larven werben nicht allzu reichlich gefüttert, so baß sie daS Maß vollster Entwickelung nicht erreichen und namentlich die Eierstöcke der JmagineS verkümmert und die Imagines selbst unfruchtbar bleiben. Erst siegen Ende deS SommerS werden einzelne dieser Larven reichlich gefüttert und liefern fortpflanzungssähige Weibchen. Zugleich werden auch männliche Eier gelegt, die, obwohl sie unbe fruchtet sind, sich dennoch, wie bei den Bienen, entwickeln. Jetzt gebt die Paarung vor sich, der Staat, dessen Bürger sämmllich Kinder einer Mutter sind, stirbt b>S auf die Multerwespen, die zu überwintern haben, auS. — So wieder holt sich der Vorgang in jedem Jahre. Selbstverständlich haben die Mutterwespen Tausende von Eiern bei sich. Dir vollkommen entwickelten Weibchen und die Arbeiter, oder richtiger die Arbeiterinnen haben einen mit einer Giftblase verbundenen Stachel, tie Männchen nicht. Sonst unterscheiden sich die einzelnen Individuen eine- staate- nur wenig von einander, abgesehen von der Größe. Bon den bei un- häufigen Arten beträgt die Länge (in mw) bri: Art Weibchen Männchen Arbeiter der Hornisse (Vespa cradro) .... 30 24 22 der mittleren Weipe (Vospn meäia) . . 2t 16 16 der gemeinen Wespe (Vespa vulgaris) . 18 16 11 der deutschen Wespe (Vespa xermavica) 19 17 13 Die Farben der eckten Wespen sind die österreichischen HauSfarben: Sckwarzgelb, bei manchen kommt noch etwas Braun hinzu. Diese Farbeuzusammenstellung, die übrigens bei Tbieren und Blumen keine seltene ist, macht die Wespen sehr ausfällig und von Weitem erkennbar, so daß Menschen und Tkiere gleich wissen, wen sie vor sich haben. Und das ist wichtig sür die Wespen. Sie sind durch den Besitz ihrer Giftwaffe sehr wehrhafte Tbiere, an die sich kein inseclenfressendes Säugelkier, kein Frosch, keine Kröte und bei uns vielleicht nur ein Vogel, der Wespenbussard, wagt, der aber auck blos die Brut der in der Erde bauenden auS- gräbt und frißt. Wären die Wespen nicht so bunt, so würden die Insektenfresser sie nicht erkennen als das, waS ie sind, würden sie verfolgen und fangen. Bekamen ie dann auch einen Stich weg und ließen die Wespe allen, so wäre eS für diese doch meist zu spät (wie es bei Bienen tbatsäcklick oft genug der Fall ist), sie würde zwar nicht gefressen, hätte wahrscheinlich aber doch einen Biß weg, der sie lebens- oder mindestens arbeitsunfähig gemacht haben würde. Solche bunte Farben finden wir öfters bei solchen Tbieren, die auS irgend einem Grunde für andere Tbiere ungenießbar, giftig oder gefährlich bewaffnet sind. Man nennt sie Schreck-, Warn- oder Ekcl- farben. Ich will nur auf zwei derartig gefärbte, ungenieß bare Tbiere verweisen (uniere Hcimath beherbergt hundert Arten von ihnen!), auf den Feuersalamander und auf die Raupe de» WolsSmilchsschwärmerS. Eine ganze Anzahl durchaus barmloser Jnseclen, Schmetterlinge (di: sog. Glasflügler oder Lrsien), viele Fliegen und verschiedene Bockkäfer (an- den Gattungen 6I)ckus — die Despenböcke schlechthin — ?aclivt», Strangalia, Vrammoptera rc.) äbneln den Wespen in Färbung und Zeichnung mehr oder weniger, werten von insekten fressenden Tbieren dafür gehalten und entgehen unter der Marke eine« gefährlichen Geschöpf- den Verfolgungen. — Wir wollen un» jetzt «inmal di« Ncster unserer vier staatenbildenden, deutschen Wespenarten etwas näher anseben. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß sie unter allen Um ständen auS einer Masse verfertigt werden, die aus sehr fem genagten Holztheilckeu besteht, die die Tbiere mit ihrem Speichel tränten. Ich habe mit dem Einsammelii von Bau stoff beschäftigten Wespen bcsontcrs oft an Telegraphen stangen zugeschcn. Sie schaben sehr emsig, wenden Las Ab geschabte zwischen ihren Kiefern hin und her, bis sic ein Bällchen oder Klümpchen von etwa l,5 »nn Turchmess r :u- sammengebracht haben, mit dem sie dann ncstwärts abflieaeii. Da nun da« Holz ungleichartig und besonders seine, der Witterung ausgesetzte, Oberseite verschieden gefärbt ist, so haben auch die Bällchen und die wieder auS diesen gefertigten Tbeile deS NesteS verschiedene Färbung. Ost erinnrrl be sonders da- Aussehen de« Mautels an die Asch« einer diese Asche gut haltenden Cigarre, dock ist der Zusammenhang deS Stoffes weit fester, papierartig. E- ist bekannt, daß der Entdecker des HolzpapierS, Friedrich Gottlob Keller, durch Beobachtung eines Wespennestes und de» Verfahrens seiner Bewohner, den Stoff, au- dem eS bestand, zuzubereilen, auf seine wichtige Entdeckung verfiel. Tie Hornissen, fürchterliche, aber Gott sei Dank! sparsam auftrrtende Jnsccien, bauen meist in hohle Baumstämme, in Dackkästen zerfallender, alter Garten- und Weinberg- bäuSchen, unter Holzbruckeu und an ähnlichen Stellen, selten io die Erde. Der Stoff, aus dem sie ibr Nest verfertigen, ist brüchiger und weniger papierartig als der ter Nester der anderen Wespeuartea, was daher rührt, daß mehr faules Holz dazu verarbeitet wird. Ein vollkommenes Nest kann die Größe eine- Maune-lopfe- er reichen und besteht auS mehreren etageuweise übereinander gelagerten horizontalen Waben, von deueu die oberste die älteste ist, und die die Vereinigungen regelmäßiger, sechsseitiger, nach unten offener Zellen sind. Tie einzelnen Etagen stehen etwa« von einander ab, so daß sich die Hornissen kriechend zwischen ihnen bewegen können, nnd sind durch kurze Stiele miteinander verbunden. Da- Ganze ist umgeben vou einer gemeinsamen blätterigen Hülle, dem Diantel, der unter oder neben der untersten, jüngsten Wabe eine Oeffnung, daS Flugloch, hat.
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