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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970909010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
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Neclam en unter dem Rebaction-strich (4ge« spalte») LO^j, vor den Famrliennach tchte, (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Prei^ verzeichniß. Tabellarischer und Zif>rnsatz »ach höherem Tarts. Srtra-Veilaaen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesorderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Attjeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pslx in Zeivzi» 91. JchüMg. Ford Salisbury's Noten. * Im internationalen diplomatischen Verkehr gilt als Regel, daß man über schwebende Negotiationen Aktenstücke nicht veröffentlicht. Fürst Bismarck hat eS einmal als Signal siir da- Eintreten sehr bedenklicher Situationen bezeichnet, falls in solcher Lage mit der Veröffentlichung von Actenstücken einer anderen Negierung begonnen werde. Thatsäcklich hat Fürst Bismarck sich ost genug auch dieses Mittels bedient; aber wenn Zwei dasselbe thun, so ist es nicht immer dasselbe, und so wirb Lord Salisbury einer anderen Bcurtheilung auch in diesem Stücke unterliegen als Fürst Bismarck. Ganz ungewöhnlicher Weise ist nämlich — sogar während der Parlamentsferien! — in London ein Blaubuch erschienen, in welchem Lord Salisbury seine an den Botschafter nach Berlin und an den Gesandten in Brüssel gerichteten Schreiben, durch welche die Kündigung der Handelsverträge zwischen Großbritannien und Deutschland resp. Belgien erfolgte, ebenso bekannt giebt, wie die daraus von der deutschen und belgischen Regierung ertheilten Antworten. Letztere können uns in Deutschland gleichgiltig sein; was aber die vom stellvertretenden Staatssecrelair deS Berliner Auswärtigen Amte?, Freiherrn von Roten Han, dem Sir F. Lascelles unter dem 31.Juli ertheilteAntwort anbetrifft,so verdient sie die vollste Anerkennung und den Dank der Vertreter des deutschen Erwerbslebens, insbesondere wegen der hochgradigen Kühle, mit welcher Herr v. Rotenhan die Schlußsätze der Depesche Lord Salisbury's ignoricke. In den Schlußsätzen seiner Note hatte nämlich der englische Premierminister seine Bedingungen forninlirt, unter welchen ein neuer, dem alten im Uebrigcn gleichender Ver trag abgeschlossen werden könnte. Tie großbritannische Ne gierung sei „gewillt, sofort in Verbandlungen wegen eines neuen Vertrages einzutreten, in welchem die Bestimmungen des Artikels VII fortzulassen nnv welcher, während er eine Clausel enthält, in welcher der fakultative Bei tritt der britischen, sich selbst regierenden Colo nien vorgesehen ist, in den übrigen Beziehungen dem soeben gekündigten Vertrage ähnlich sein soll. Ihrer Majestät Re gierung bat das Vertrauen, daß die kaiserlich deutsche Re gierung ihren Wunsch nach Abschluß eines neuen und gegen seitig befriedigenden Vertrages theilcn wird." Lord Salisbury will also auS dem geltenden Vertrage die einzige Bestimmung streichen, welche für Deutschland einen Wertb hat, will cs von den Entschlüssen der einzelnen englischen Colonien abhängig machen, ob sie einem etwaigen neuen Vertrage beitreten und Meistbegünstigung auf Gegen seitigkeit mit Deutschland üben wollen, aber das englische Mutterland soll die deutsche Meistbegünstigung ohne jegliche Gegenleistung auch ferner genießen, nachdem bisher eine zwar minderwerthige, aber doch immerhin eine Gegenleistung wenigstens im Artikel VII lag, durch welchen die Colonien vom Muttcrlande verpflichtet waren, die deutsche Provenienz mit der englischen gleich, also als meistbegünstigt zu behandeln. Herr v. Rotenhan nimmt in seiner Antwort gar keinen Bezug auf das der deutschen Regierung von dem edlen Lord ausgesprochene „Vertrauen", einen solchen Vorschlag, wie er ibn machte, acceptiren zu können. DaS deutsche Auswärtige Amt antwortet sogar nock über das Geschäftsmäßige kühl, „es wolle den von Lord Salisbury gemachten Vorschlag Eng lands, bezüglich der Vorbereit ung von Unterhandlungen wegen eines neuen Handelsvertrages zwischen Deutschland und Großbritannien der kaiserlichen Regierung zu ihrer Be rücksichtigung unterbreiten" — woblzemerkt: nicht den Vor schlag wegen Ersetzung des Art. VII durch die von Salisbury empfohlene Facultativclausel, sondern den Vorschlag, neue Unterhandlungen vorzubereiten! Im Uebrigen kennzeichnet die Note Lord Salisbury's dre riesengroße Verlegenheit, in welcher sich die Regierung Ihrer britischen Majestät zwischen den beiden Heubündeln der Interessen des Mutterlandes und denen der Colonien befindet. Der edle Lord muß sogar zu seltsamen Behauptungen greisen, wenn er durchaus gewöhnliche und in allen möglichen Ver trägen wiederkehrende Bestimmungen, wie sie Artikel VII enthält als „ganz ungewöhnlich in Handelsverträgen" bezeich net und dann fortfährt: „Die Archive dieses Departements (d. h. des Auswärtigen Amtes in London) enthalten keinen Bericht darüber, unter welchen Umständen dieser Artikel zur Annahme gelangte, oder was für Gründe Ihrer Majestät Regierung zu jener Zeit bewogen, in eine Verpflichtung von solcher Natur ein zugehen, und man könnte es für wahrscheinlich halten, daß die Einfügung dieser Worte aus Versehen ge schehen sei oder auS mangelnder Ueberlegung der genauen sich daraus ergebenden Folgen. Die deutsche Re gierung weiß, daß seit vielen Jahren die britischen sich selbst regierenden Colonien vollständige Tarifautonomie genießen, und daß in alle neueren, von Großbritannien geschlossenen Handelsverträge ein Artikel ausgenommen zu werden pflegte, der die sich selbst regierenden Colonien ermächtigt, nach Belieben dem Vertrage beizutreten oder nicht. In dem 1865 zwischen Groß britannien und dem Zollvereine abgeschlossenen Vertrage ist ein solcher Artikel nicht enthalten; die Folge davon ist, daß einige von den britischen Colonien, welche alle in seine Wirkung eingescklossen sind, sich durch den Vertrag zu einer Handelspolitik gezwungen sehen, die weder mit den Ansichten der verantwortlichen Minister der Colonien im Einklänge ist, noch den Bedürfnissen des Volkes entspricht. Darüber hinaus bilden die Bestimmungen des Artikels VII des Vertrages von 1865 eine Schranke gegen innere fiScalische Abmachungen des britischen Reiches, welche sich nicht mit den engen Banden des Handelsverkehres verträgt, die zwischen dem Mutterlande und den Colonien bestehen und befestigt werden sollen. Unter diesen Umständen fühlt sich Ihrer Majestät Negierung gezwungen, einen Ver trag aufzuheben, welcher nicht länger mit den allgemeinen Interessen des britischen Reiches zu vereinigen ist." DaS letztere zu thun, war ja offenbar ein gutes Recht der großbritannischen Negierung. Wenn diese aber um der „allgemeinen Interessen des britischen Reiches" und der Schwierigkeiten willen, in die sie mit den Colonien gerathen ist, einen Vertrag kündigt, der dem Muttert an de so große Vorth eile gewährte, dann wird auch wohl in England die handelspolitische und diplomatische Erkenntniß soweit fortgeschritten sein, daß man dort weiß, eine Er neuerung des Vertrages resp. des Meistbegünstigungsrechtcs nur durch äquivalente Concessionen erreichen zu können. Wie man aber solche bieten kann, ist und bleibt Sache Englands. Durch Noten aber, wie die Salisbury's und obendrein durch deren ungewöhnliche Veröffentlichung wird nur die arge Verlegenheit Ihrer britischen Majestät Negierung markirt, von der wir hoffentlich nach Kräften Nutzen ziehen werden. Deutsches Reich. Verkitt, 8. September. Wie bekannt ist, werden gegenwärtig in fast allen Einzelstaaten die Vorbereitungen für die Errichtung der Handwerkskammern in die Wege geleitet. Im Gesetze ist die Errichtung, sowie die Be stimmung über die Abgrenzung der Handwerkskammer bezirke den Landescentralbehörden übertragen, und diese suchen nun zunächst über die Anschauungen der Hand werkskreise, namentlich bezüglich der letzteren Frage Informationen zu erhalten. Sobald hierüber Klarheit geschaffen ist, wird von den Centralbehörden die Ein- theilung in die verschiedenen Handwerkskammerbezirke er folgen. CS ist vorauSzusehen, daß hier nickt nach einem Schema verfahren werden kann. Die regionalen Handwerks- Verhältnisse werden auf die Größe der einzelnen Bezirke ein- wirkcn. In Preußen werden Provinzen und Regierungs bezirke in Frage kommen, während andere Einzelstaaten ungetbeilt bleiben dürftest. So liegt es beispielsweise in der Absicht,fürElsaß-Lothringen eineHandwcrkskammerzu errichten, welche sich auf das ganze Land erstreckt. Zn diesen Fällen wird man Wohl, was nach dem Gesetze zulässig ist, die Bildung von Abtheilungen für einzelne Tbeile deS Landes in Aussicht nehmen. Für die kleineren Staaten wird außerdem die Zusammenlegung zu einer Kammer in Erwägung gezogen werden. Wenn aber die Abgrenzung festsleht, wird an die Wahl der Kammermitglieder herangegangen werden. Es ist kaum wahrscheinlich, daß dies schon in einer ganz nahen Zeit geschehen werde. Wahlberechtigt sind zur Hand werkskammer Innungen, Gewerbevereine und sonstige die Förderung der gewerblichen Interessen des Handwerks verfolgende Vereinigungen. Nun ist aber bisher die Mehr zahl der Handwerker in diesen Corporationen nicht vereinigt. Es würde sich also darum handeln, ob man gut thut, von ihnen allein die erste Wahl zu den Handwerkskammern vornehmen zu lassen. In Elsaß-Lothringen beispielsweise ist die CeNtralbehörde darauf bedacht, erst den Kreis der Wahl berechtigten zu erweitern, ehe diese Wahl vorgenommen wird. Dort liegen die Verhältnisse, da im Ganzen nur 12 Innungen mit etwa 400 Mitgliedern besteben, allerdings ziemlich anormal, indessen wird sick wobt keine Regierung ähnliche» Erwägungen verschließen können. Wenn aber erst einige Zeit hindurch die Wirkung der übrigen Bestimmungen der neuesten Gewerbevrdnungsnovelle abgewartet wird, dann werden die Handwerkskammern nicht so bald zusammengesetzt werden können. Jedenfalls darf man als ziemlich sicher aunehmen, daß im laufenden Jahre auch dieser Zweig der Handwerksorganisalion noch nicht zur Thätigkeit gelangen wird. Berlin, 8. September. Der Ceutralaussckuß für Volks- und Iugendfpiele in Deutschland hält seine diesjährige Tagung vom 24. bis 26. September in Altona ab. Auf seiner Tagesordnung stehen alle gegenwärtig in den Vordergrund der Bewegung tretenden Fragen und Puncte: 1) Sind Wettspiele zur Belebung des Zugcndspiels zu empfehlen? 2) Inwieweit sind die Klagen über die Be theiligung der Schüler an sportlichen Veranstaltungen berechtigt oder damit verbunden? 3) Sind Spielver einigungen an den höheren Schulen der Spiel bewegung förderlich? 4) Die Förderung der Bewegungs spiele an den Universitäten. 5) Besprechung über eine Organisation, betreffend eine Reform und Veredelung der örtlichen Volksfeste. Für jeden dieser Puncte sind zwei Berichterstatter bestimmt. Dazu treten 7 weitere Puncte der Tagesordnung von mehr internem Charakter. Für die ^cssent- lichkeit werden veranstaltet am Sonntag, Leu 26. September, Mittags 12 Uhr ein Vortrag des Hvgieinikers Professor Ur. Hueppe-Prag über: „Die Volksgesundung und ihre Hebung durck Volksspiele", sowie Spielvorführnngen im größer» Stile, am 25. und 20. September Nachmittags. An ihnen werden sich nicht nur die zehn Altonaer Volksschulen, die höheren Lehr-Anstalten und mehrere Vereine der Stadt betheiligen, sondern auch zahlreiche Kreise auS der Provinz Schleswig-Holstein, aus Hamburg und auS anderen Orten, wie beispielsweise Leipzig. Neben den Massen spielen kommen Wettspiele und Mustervorfübrungen zur Dar stellung. Die Zahl der angemeldeten activen Tbeilnehmer beläuft sich bereits auf über 5000. Außerdem ist von ter Leitung eine Ausstellung der Spielliteratnr, der Spielgeräthe und ter Spielkleitungen veranstaltet. Die städtischen Behörde» in Altona kommen dieser Tagung mit größtem Wohlwollen und Verständniß entgegen und haben einen namhaften Betrag hierfür bewilligt. Nähere Auskunft über die allgemeineren Verhältnisse des Central-Ansschusses geben sein Vorsitzender v. Schenckendorff-Görlitz und sein Geschäftsführer Director Professor Raytt-Leipzig, sowie über die örtlichen Ver anstaltungen in Altona Oberlehrer Ur. Schnell daselbst. * Berti», 8. September. Während diePariser Presse, mit Ausnahme eines einzigeii Blattes, einsichtig genug war, das Telegramm, das Herr Meline durch den „TempS" ver öffentlicht hatte, überhaupt nicht wieterzugeben, legt sich tie „Nepublique franxaise", deren früherer Leiter Herr Möliue ist, für den Schritt des Ministerpräsidenten jetzt noch be sonders inS Zeug und erklärt die Kundgebung für berechtigt und vollkommen correct. Die Anfrage eines Londoner Blattes, ob wegen deS Telegramms nicht von deutscher Seite Vorstellungen erhoben Worten seien, beantwortet das Blatt verneinend. Man thut Herrn Meline wohl nicht Unrecht, wenn man ihn als Inspirator auch dieser Veröffent lichung ansieht. Die Tactlosigkeit deS französischen Ministerpräsidenten wird deshalb noch gröber, und das Schweigen der deutschen Negierung auf die erste Provocation erscheint immer weniger angebracht. Wir haben Lieser Ansicht vor einigen Tagen Ausdruck gegeben; heute sinken wir in den „Münch. N. N." eine Auslassung, welche die Verstimmung nationaler süddeutscher Kreise über das Verhalten der zu ständigen deutschen Stellen deutlich widerspiegelt. Anknüpfeud an die von uns in Nr. 451 des „L. T." abgedruckte cfficiöse Note der „Köln. Ztg.", schreibt das genannte Blatt: „Daraus scheint hervorzugehen, daß man in Deutschland nicht die Absicht hat, den französischen Minister wegen seines gröblichen Verstoße- zu interpelliren. Das wird in den weitesten Kreisen weder Verständniß noch Billigung finden, und wenn die Franzosen darin nicht, wie die „Köln. Ztg." ein Zeichen selbst bewußter Kraft, sondern vielmehr das Gegentheil, das aus ängstlicher Sorge hervorgegangene Bestreben, nur Alles zu ver meiden, waS uns in Conflicte mit dem sortan wieder mächtig gewordenen Frankreich verwickeln könnte, erblicken, so werden sie auch in Deutschland außerhalb der osficiös bedienten Presse nur wenig Widerspruch begegnen. Wird die Möline'sche Frechheit ohne gebührende Rüge ge- lassen, so wird man darin allgemein eine kaum begreifliche Energie- losigkeit des Auswärtigen Amte-, die vom Grafen Münster be wahrte stoische Ruhe als einen weiteren Beleg dafür ansehen, daß unsere Vertretung in Paris bedenklich weit von der Höhe FeitiHetsn. Moderne Damenschuhe. Plauderei von Trilby. - NaLdruck vkrkotcn. Masurckweisen ertönen, klingend schlagen tie Sporen zusammen, und in raschen, bart absctzenden Schritten be wegen die beiden Colonnen sich auf einander zu. Nock ein paar schrill ausklingende Tacte, ceremoniöse Verneigungen hier wie dort, dann führen die Herren die Damen auf ihre Plätze zurück. Im Nebenzimmer knallen die Champagner pfropfen, abermals beginnt die Musik zu spielen, eine scharf accenluirte, schwungvolle Melodie. Die Sectgläser in der Hand, stürmen die Herren wieder in den Saal und stellen sich in der Mitte desselben auf. „llesrcro kolslca. vis rgillola"*) schallt eS vielstimmig mit stetig sich steigernder Begeisterung — einer Begeisterung allerdings, die mehr Temperaments- als Herzenssache ist. Der Wein bat sicherlich keinen Theil daran, denn obgleich die Sckaumperlen über den Rand des Glases fließen, so wird doch nur daran genippt. Ein oder der Andere trinkt wohl daS seinige leer und wirft eS dann schmetternd zur Erde, daß tie Sckerben aufspringen, die Meisten aber schreiten damit, es hoch in der Lust schwenkend, zur Dame ihres Herzens und lassen sich vor ihr auf ein Knie nieder. Anmuthig streckt sie den Fuß vor, ter Cavalier streift ihr den Schuh ab, füllt ihn mit dem schäumenden Naß und trinkt ihn mit einem Zuge leer. Ich habe die Scene nie beobachtet, aber mein Vater er zählte mir davon, und als er sie mit erlebte, im Anfänge der dreißiger Jahre, als die polnischen Insurgenten in seinem ostpreußiscken Heimathstädtcken Aufnahme fanden, da war er auch nock ein ganz, ganz kleiner Knabe. Ja, eS ist doch eine schöne Sache um die Begeisterung! Manch' ritterlicher Pole, der den Schuh seiner Erkorenen als theureS Liebeszeichen ausbewahrt, mag zwar späterhin bei seinem Anblick keinen Hauch mehr davon verspürt haben, aber dazumal, als er auf „ihr" Wohl ihn leerte, da war sie ihm doch die Schönste der Schönen, und jener Trunk däuchte ihm Lethe. Wer von uns Deutschen macht ihm daS nach? Wohl feuchten sich dem Greis beim Gedenken an verwehte Jugendliebe die Augen, seine Erinnerung ist treuer als *) „Noch ist Polen nicht verloren." die des Sarmaten — freilich oft auch eben nur tie Er innerung —, aber auS ibrem Schub hätte er doch nimmer getrunken. Vielleicht mischen sich in die ästhetischen Be denken, die ihn davon abhalten, auch noch andere Er wägungen, die der symbolischen Bedeutung dieses Toiletten stücks gelten. Dräuend schwebts über seinem Haupt, wenn er sich beim Biertisch verspätet, wenn er einen guten Freund unvorbereiteter Weise zu Tisch mit bringt und — ach, in noch vielen anderen Fällen, so vielen, daß sie sich hier nicht aufzählen lassen. Wer varf eS ihm da ver denken, wenn er daS zierliche Pantöffelchen — mag eS auch zu einem Ccndrillonfutz gehören — nicht mit allzu freund lichen Blicken ansieht, sondern ihm ganz verstohlen einen Tritt giebt I Ach, der Pantoffel! So viel wird über ihn gespöttelt und doch stattet man ihn so reizend aus. Nosenroth, himmelblau, Heliotropfarben, aus Atlas und Plüsch gefertigt, mit Pelz gefüttert und besetzt, stebt er im Schaufenster,- mit seiner buntscheckigen Pracht die salonfähigen Stiefeletten und Halbschuhe beschämend. Zwar bevorzugt die Mode auch für sie neuerdings die weiße, ja selbst die grüne Farbe, aber immerhin sind es doch nur die ganz reichen Leute, die sich solchen Luxus gestatten können. Denn zu einem weißen oder grünen Schuh gehört eine elegante Toilette, die in der Nüance und im Stil mit ihm übereinstimmt, er darf keine Dutzendwaare sein und ein erster Künstler seines Fachs muß ihn sabricirt haben. Und selbst wenn diese Be dingungen erfüllt sind, mag es dennoch ost genug Vorkommen, daß er einen nichts weniger als distinguirten Eindruck macht. Die Gesetze dafür sind eben gar zu streng, und wer kennt sie so genau? So muß der weiße Schuh z. B. mit einem etwas höheren Absatz auSgestattet sein, als der grüne, auch wird der letztere stet« abstechend gewählt — schwarz, gelb, bräunlich, hier und da sogar siegellackrotb. Seiner Farbe entsprechen auch Schnürbänder, Knöpfe, sowie etwaige Passe- poilirungen. Als der Gipfel der Vornehmheit erschien ein Paar Pariser Halbstiefel aus weißem chagrainirten Leder mit einer in Rvcocoschnörkeln ausgeschnittenen Lackspitze. Sänimtlicke Garniturtbeile wurden durch mehrfache goldiz-schimmernbe Steppstichrrihen stärker bervorgehoben; den Schluß vermittelte eine gelbeingesaßte, mit kleinen Kugelknöpschen befestigte Spange, von der auS sich ein gesticktes schleifenartizeS Stück über das Fußblatt legte. Ebenfalls gelb waren auch die, nahezu in Stöckelform gehaltenen Absätze. Grüne Schube dagegen, gleichviel, ob sie russisch-, reseta-, moos-, oder oliven grün sind, verziert man nie andersfarbig, höchstens gilt für die Straße ein schwarzer Lackbesay al« erlaubt. An hohen Schnür- und Knöpsstiefeln müssen selbst Knöpfe und Bänder mit dem Ton deö Leders barmoniren. Ursprünglich beabsichtigte man wohl, daß dieses Weiße und grüne Sckuhwerk das seit einigen Jahren beliebte braune, daS durch die billige Segeltuckwaare stark in Miß kredit gekommen war, ersetzen sollte. Doch eine Mode ent wickelt sich ja nie, wie ibre Erfinder eö wünschen, allerhand vorher unberechenbare Einflüsse treten dazu und macken etwas gänzlich Anderes auS ihr, als man gedacht. Wer sich berufsmäßig mit der Sache beschäftigt, kann daö fast in jedem Falle beobachten. So geschah es kenn auch hier. Erstens wandte sich das Blatt zu Gunsten des Segeltuches, das letzthin — namentlich zn festlicher SporlStracht — in weiß mit blaßgrünem und bläulich gewässertem Moirö- futter als hochckic gilt, und zweitens nabm das juchtenbraune Leder wieder seinen früheren bevorzugten Platz ein. Es zeigte fick eben, daß es von sämmtlichen couleurten und ge beizten Sorten das einzige war, daS sich gegen Nässe und Staub widerstandsfähig erwies. Demnach mußten die grünen Schube, an denen die Damen nun einmal festbalten wollten, lediglich die Rolle des Luxusartikels spielen. Hinsichtlich der weißen mübte man sich zwar noch mit verschiedenen Erperi- menten ab, die sie für den alltäglichen Gebrauch geeigneter macken sollte, indessen mit ziemlich schlechtem Erfolg. Am meisten bewährte sich noch dünne-, raub gegerbtes Schaf- oder Wildleder. Da die daraus gefertigten Schuhe durch häufiges Waschen die Faxen verlieren, so bestreicht man sie, wenn sie sckmutzig geworden, mit Kreide. Recht rein und weiß sehen sie dann freilick nicht aus, dock, was tbut'S — ibre Besitzerin macht doch wenigstens, ohne große Kosten die Mode mit. Wer sich von dieser Allherrscherin nickt gar zn sehr tyranni- siren lassen will und über keine reich gefüllte Börse verfügt, der thut sicherlich am besten, seine Schuhe in schwarz zu wählen. Sie sind dann ausnahmslos zu jeder Toilette zu tragen, und wenn sie sick dem Bau deS Fuße- gut an- sckmiegen, so nehmen sie sich auch zierlich und elegant auS. Denn der Grundsatz, demzufolge die äußere Erscheinung der Bekleidungsstücke zumeist von ihrem Sitz abbängt, gilt für keine so sehr, wie für das scheinbar so unwichtige und in Wahrheit doch für den Effect der ganzen Erscheinung überaus maßgebende Sckubwerk. Man beobachte nur, wie sehr ein fest anliegender hoher Knöpsstiefel mit möglichst einfach ge schnittenem Besatz von gleichem Material die Anmuth seiner Trägerin erhöbt! In der Erkenntniß, daß tie Form des Fußes am schönsten zum Ausdruck gelangt, wenn daS Auge durch kein tecorativeS Beiwerk, keine Naht rc. irritirt wird, hat man neuerdings ganz auS einem Stück gefertigte und hinten auf der Hacke geschloffene Schuhe bergestellt. Leiter nur geht es mit ihnen, wie mit den auf dem Rücken ge schnürten Taillen. Wenn sie nicht tadellos sitzen, sehen sie schlecht aus, im entgegengesetzten Falle erschienen sie allzu chic, d. h. auffallend. Alles, was ich bisher gesagt, hat für den Tanzschuh keine Bedutung. Bälle giebt eS zwar zur Zeit noch nicht, aber immerhin finden sich festliche Veranlassungen genug, bei denen tief au-gescknittene, verscbwenterisck geputzte, wie durch raffinirt ersonnene FaxonS sich auszeicknenke Sckuhe angezeigt sind. Bei diesen nun werden der Phantasie und dem individuellen Geschmack keine Grenzen gezogen. Alias, Surah, Stickereien, Straß, ja selbst echte Perlen und Steine — kurz Alles ist als Material dafür erlaubt. Mir lag kürzlich eine von Künstlerhand entworfene Farbenskizze mit entzückenden Modellen vor, von denen jedes Paar nur ein Mal ausgefübrt worden. Da sah ich Spangenschuhe auS altrosa dänischem Leder, über und über mir Alregrcvc- motiven in Silberfaden, KrauSgcspinnst und Cantille benäht, ferner sandalenartige, mit echten Spitzen überzogene über pfauenblauer Seidenunterlagc, sowie hochhackige, rnbinrothe, deren aus Federn hergestellte Rosetten mit bourbonischen Lilien in Reliefstickerei sestgeheftet waren. Ein Paar weiß atlassener Brautschuhe zeigte auf dem Blatt das diamantene Monogramm der glücklichen Besitzerin, indcß künstliche Myrtenguirlanden die Außenränder conturirten. Von brillanter Wirkung erschienen auch Stickereien aus stern-, täfel- und mondförmigen Glasplättchen über verschieden gefärbter Mctallunterlage, die vermuthlich foliirte Edelsteine imitiren sollten. Ein großer Fehler des modernen FußwerkS besteht in seiner allzu spitzen Form. Wenn der Schuh so nadelscharf zulausen soll, muß er ja nothwendig um ein Stück länger sein, als der Fuß, für den er gearbeitet ist! Wir spötteln über die Chinesen, welche die Füße ihrer Schönen verstümmeln, um sie kürzer erscheinen zu lassen — wir, die wir die unseren verlängern, machen unS Wohl kaum einer geringeren Tbor- keit schuldig. Die Dichter besingen ibre anmutkige Gestalt, sie vergleichen den Franenfuß, der sick in der Quelle batet, mit einer auf dem Grunde des Wassers ruhenden Rosen muschel — ob sie das wohl thäten, wenn die Natur ihn in der Mißbildung geschaffen, die uns heutzutage als Mode ideal vorsckwebt? Doch, wozu sich über dergleichen Unsitte ereifern! Zum Glück sorgt die Mode, die derartige Ge schmacklosigkeiten hervorzebracht, in ihrem raschen Wertstes auch am ehesten für ihre Abhilfe.
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