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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970910010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897091001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897091001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
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Classe, deren Vorsteher den Titel „Postdireclcr" führen und zu den höheren Beamten (in Preußen 5. bez. 4. Rangclasse) zählen. Von diesen Aemtern werden 133 in Preußen gelegene Aemter, d. i. mehr als der 6. Tbeil, grund sätzlich mit verabschiedeten preußischen Osficieren (Lieutenants, Hauptleuten rc.) besetzt. Die Einrichtung rübrt von Friedrich dem Großen her, der seine invaliden Osficiere möglichst ver sorgen wollte. Obwohl die postalischen Verhältnisse damals äußerst einfach lagen, müssen sie dem Interesse des Post dienstes nicht entsprochen haben, denn die Postverwaltung suchte die Anstellung invalider Ofsicicre stets einzusckränken, so daß Friedrich der Große seine hierauf bezüglichen Befehle wiederholt erneuern mußte. Wunderbare Blütheu hat die Ein richtung später, als der Verkehr sich immer mehr entwickelte und an die fachmännische Tüchtigkeit der Postbeamten fort während größere Anforderungen stellte, getrieben. ES wäre keine undankbare Aufgabe, eine Lese zu ver anstalten; wir wollen uns indessen hier darauf beschränken, die Einrichtung im Lichte der Gegenwart zu prüfen und dabei zu untersuchen, ob, bezw. inwieweit sie noch mit den Bestimmungen der deutschen Neichsverfassung im Ein klänge stebt. Die Eingangs gedachte Bestimmung der ReichSverfassnng kann unseres Erachtens nur dahin interpretirt werden, daß Aemter, zu deren ordnungsmäßiger Verwaltung eine be stimmte wissenschaftliche Bildung und bestimmte Fachkenntnisse notbwcndig sind, mit solchen Beamten besetzt werden sollen, welche diese Bildung und diese Fachkenntnisse besitzen und nachweisen, und daß bei den hiernach an die Qualifikation der Beamten gleicher Kategorie zu stellenden Anforderungen keine Verschiedenheit, sondern E i n h ei tli ch kei t herrsche, also mit demselben Maße gemessen werbe. Wenn wir davon Abstand nehmen wollen, zu behaupten, daß die Postbeamten der böseren Laufbahn im Allgemeinen eine höhere wissenschaftliche Bildung nachzuweisen haben als die Osficiere, so bleibt, da der Beruf Les Ossiciers selbst als eine Art Vorbereitung sür den Po st beruf nickt angesehen werden kann, nur die Frage zu erörtern, ob bezw. in welchem Umfange von den betreffenden Ofsicieren die Befähigung zur Verwaltung eines Postamts I. Elaste wirklich nachgcwicsen werben muß. Thatsache ist, daß die Osficiere, wenn sie auf ein Post amt rcslectiren, einem Poslanue I. Elaste behufs Erlernung des Dienstes auf ein Jahr zugewiefen werden, daß sie sich nach Ablauf dieser Frist einer Prüfung unterziehen müssen und baß ihnen nach dem Bestehen derselben bei eintretender Vacanz ein Postamt zunächst probeweise und dann endgiltig über tragen wirb. Was nun die Ausbildung betrifft, so erstreckt sie sich, wie versichert wird, auf den gesammtcn Post- und Tele graphendienst. Wer aber behauptet, daß es möglich sei, in einem Jahre den gesammten Post- und Telegraphendienst auch nur einigermaßen kennen zu lernen, muß wunder bare Anschauungen von der Lage der Dinge haben. Und wer sogar meint, man könne sich in einem Jahre für die Verwaltung eines Postamts I. Elasse genügend ausbilden, muß eben dem Grundsätze huldigen, daß der liebe Gott mit dem Amte auch deu genügenden Verstand verleihe. Der junge Mann, der als Postgehilfe eintritt, bat eine Ausbildungszeit von vier Jahren zu absolviren, bevor er zur Assistentenprüsung zugclassen wird. Und der junge Mann, der als Abiturient eines Gymnasiums oder Real gymnasiums sich der höheren Postlaufbahn widmen will, bat sich drei Jahre lang vorzubcreiten, bevor er sich der Secretairprüfung unterwerfen kann. Für den Ossicier soll nun aber ein einziges Iabr genügen, um sich sür die Verwaltung eines verantwortungsvollen, selbstständigen Postens des vollen Post- und Tctegraphenbetriebes tüchtig zu machen. Dabei kommt »och in Betracht, daß die Ausbildung der BernfSbeamten eine strenge ist, während die Ausbildung des Ossiciers mehr oder weniger von dessen wohlwollendem Entgegenkommen abhängt. Wir behaupten daher, ohne jede Einschränkung, daß die fachmännische Ausbildung des Ossiciers im Post- und Tcle- graphendienste während des sogenannten Probejahres eine ganz m i n d e r w e r t h i g e sei und auch nur eine solche sein könne. In Bezug auf die nack Ablauf der einjährigen Aus bildungszeit abzulegende Prüfung bemerken wir, daß sie sich auf die schriftliche Beantwortung einer Anzahl schriftlich ge stellter Fragen aus dem Post- und Telegraphendienste be schränkt. Einen Theil dieser Fragen wird jeder gewandte Kausmannslehrling, dem eine Zeit lang im Geschäfte die Expedition der Postsachen obgelegen hat, beantworten können, und im Ganzen reichen die Anforderungen, die in den Fragen an die postfackmänniscken Kenntnisse res Ossiciers gestellt werden, lange nickt an daS heran, was von dem Postgebiifen in der Assislentenprüfung verlangt wird. Die Prüfung ist in dem Sinne, daß es fick um die Fest stellung der Qualificalion zum Postdirector bandeln soll, gar nickt ernst zu nehmen. Inwieweit auch ihr Bestehen etwa nicht von der correcten Beantwortung der gestellten Fragen abhängt, kann unerörlert bleiben. Nur möge noch bemerkt werden, daß das Reglement über die Prüfung sorgfältig geheim gehalten wild und daß letztere selbst eines geheimniß- vollen Zaubers insofern nicht entbehrt, als die vom Reicks- Poslamte entworfenen Fragen von der Ober-Post-Tirection, bei welcher der Ossicier die „Prüfung" abzulegen Kat, als tbeures Gcheimuiß bewahrt bleiben müssen. Aber weiter. Während der Zeit zwischen der bestandenen Prüfung und dem Acte der Probeweifen llebcrtragung eines Postamts geben die erworbenen geringfügigen Fachkenntnisse natürlicherweise meistens verloren, so daß mir der „Ueber- tragnng" des Amts eigentlich wieder die Ausbildung von Neuem beginnt. Nun sind die Probenden sicherlich bemüht, sich in das Amt eiuzuarbeilen. Daß sie es aber zu einer wirklichen vollen Befähigung für dasselbe bringen, ist im Allgemeinen als ausgeschlossen zu betrachten, da es ihnen an ter erforderlichen Grundlage fehlt. Die Bestätigung im Amt kann daher auch nur eine Form sein; sie wird nur in ganz besonderen Fällen nicht erfolgen. Die Vorsteher der j Officiers-Postämler sind mit seltenen Ausnahmen während der Verwaltung des Amts oder doch für eine Reihe von Jahren auf die Sachverständigkeit der Nachgeordneten Be amten angewiesen, ein Verbäliniß, das als ein höchst un gesundes bezeichnet werden muß. Zur weiteren Jllustrirung der Sachlage wollen wir jetzt die Laufbahn eines Berufs-Postbeamten der höheren Elasse näher darlegen. Der Eleve hat, wie schon bemerkt, nach dreijähriger gründlicher Ausbildung sich der Postsecretairprüfung zu unterziehen, die in eine schriftliche und mündliche zerfällt und umfassende Kenntnisse in allen Zweigen des Post- und Telegraphcndienstcs, auf dem Gebiete der Gesetzeskunde und des Verordnungswesens rc. beansprucht. Nack bestandener Prüfung erkält er die Amtsbezeichnung „Postpraktikant"; leine Anstellung als Postsecretair erfolgt bei befriedigender Führung in der Regel nach Verlauf von 3 Jahren. Er hat, sofern er fick der höheren Verwaltungsprüfung nickt unter zieht, Aussicht, nach einer weiteren Reihe von Jahren in eine Ober - Post - Secretair- oder Poslmcisterstelle einzurücken, mit welchem Posten die Beförderung abgeschlossen ist. Will der aus der Elevenclasse bervorgegangene Beamte in die eigentlichen höheren Dienststellen einrücken, so bat er sich der erwähnten höheren Postverwaltungsprüfung zu unter ziehen, welche in drei Abtheilungen zerfällt und zwar: n. Ausführung eines praktischen Auftrages aus dein Ge biete des Post- und Telegraphenweseus. b. Anfertigung zweier schriftlichen Arbeiten: 1) einer theoretischen Ausarbeitung über eine wissen schaftliche Aufgabe aus den verschiedenen Zweigen der all gemeinen Verwaltung der Post und Telegraphie; 2) einer mit Schlußanträgen zu versehenden Darstellung auS geschlossenen Acten des Post- und Telegraphcndiensteö (meistens Aufgaben juristischen EbarakterS). o. Mündliche Prüfung. Diese erstreckt sich: 1) in ihrem allgemeinen Tbeile auf die Grundzüge der VolkSwirtbschast, der Finanzwissenschaft, des Staats- und Verwaltungsrechts und auf die beim Post- und Telegraphen wesen in Betracht kommenden Rechtögrundsätze und inter nationalen Verhältnisse; 2) in ihrem besonderen Tbeile auf den gesammten Umfang des Post- und Telegraphendienstes. Um den betreffenden Beamten (Praktikanten und Secretairen) Gelegenheit zu einer gründlichen Vorbereitung für die höhere Verwaltungsprüfung zu geben, werden in Berlin vom Reicks-Vostamt eingerichtete Lehrcurse in den betreffenden DiSciplinen abgcbalten. Nach Bestehen der Prüfung, die übrigens erst drei Jahre nach der Secretairprüfung abgelegt werden kann und vor dem bei dem Reichs - Postamts eingesetzten Prüfungsratbe erfolgt, erhält der Beamte in der Regel zunächst die Stelle eines Bureaubeamtcn 1. Elasse übertragen. In schwerer Arbeit bat er nunmehr Gelegenheit, sich die erforderliche er weiterte Ausbildung sür eine vielseitigere Geschäststbätigkeit zu erwerben und, losgelöst von dem eigentlichen praktischen Dienste, das Getriebe der leitenden, anordnenden Verwaltungs- tbätigkeit unmittelbar kennen zu lernen. In der Stellung als Obcr-Post-Directionssecrctair verbleibt er gewöhnlich drei Zabre: das weitere Avancement bildet die Stelle dcö Postcassirers bei einem größeren Verkekrsamtc I. Elasse, in welcher ibm die Verwaltung der Lasse und die Unterstützung des Amtsvorstehers in Leitung und Beaufsichtigung des Be triebes obliegt. Nach mehrjähriger Beschäftigung als Post- cassirer eröffnet sich endlich für ibn die Anwartschaft auf die Stelle eines PostinspectorS, Postdirectors u. s. w. Wie wir sehen, bilden sämmtliche Stellen vom Postcleven bis zum Postinspector Vorbereitungsposten sür die Uebernahme der Verwaltung eines Post amts erster Elasse, und alle diese VorbereitnngSposten können von einem Lieutenant, Hauptmann rc. durch ein Jahr mangelhafter Vorbereitung ab- solvirt werden. Wir verstehen das nicht, so aufrichtig wir jedem Ossicier, der seine Gesundheit im Dienste seines Vaterlandes geopfert hat, eine gesicherte Zukunft gönnen und wünschen. Der verewigte General-Postmeister vr. von Stephan war kein Freund der Einrichtung, und es ist zu beklagen, daß dieser große Mann es nicht vermocht bat, seiner Ansicht Geltung zu verschaffen. Wiederholt bat der Reichstag die Institution gerügt, ohne etwas Anderes zu erlangen als einen verschämten Widerspruch oder ein verschämtes Stillschweigen der Regierungsvertreter. Die Einrichtung muß als ein bittereS Unrecht von den BcrufS-Postbcamtcn empfunden werden; sie ist eine schwere Schädigung ihrer berechtigten Interesse». Warum überträgt man nickt lieber die 133 Ofsicierspost- ämtcr denjenigen aus der Elevenclasse hervorgegangenen Postmeistern und Ober-Post-Secretaircn, welche zwar die höhere Verwaltungsprüfung nicht abgelegt, fick aber gleich wohl als tüchtige Fachleute erwiesen haben? Wie kommt, so fragen wir, überhaupt die Reicks-Posi- verwaltung dazu, veraltete und nicht mehr existenzberecktigte Einrichtungen eines EinzelstaatS aufrecht zu erhallen? Nock dazu Einrichtungen, die, wie wir dargelegt haben, mit dem Grundgesetze des Reichs, der Verfassung, im Widerspruch stehen? Wir Kossen, daß Herr von P odbi elski bei seinen Studien die fragliche Bestimmung der Verfassung nicht übersehen, sondern alsbald Wandel schaffen werte. Wir glauben um so mehr diese Hoffnung hegen zu dürfen, als Herr von Podbielski ja nach seiner Aeußerung gegenüber einer Abordnung ter Berliner Poslsecretaire zufriedene Beamte haben will, die fragliche Einrichtung aber bislang nur bittere Unzufriedenheit erzeugt hat und solche auch ferner erzeugen würde. Deutsches Reich. >?. X. 6. Leipzig, 9. September. Tie freisinnige Volks Partei stellt im 23. städtischen Wahlkreise (Plauen (V., Mühltroff, Pausa) den Stadtverordneten Oscar Günther in Plauen auf, um gegen den seitherigen, erneut ausgestellten nationalliberalen Fabrikanten Kellner (Schönberg iV) zu Felde zu ziehen. Bei der im Jahre 1891 anläßlich ter NeichS- tagsersatzwahl in Plauen zu Tage getretenen Bedeutungs losigkeit des radikalen Freisinns, ter für seinen Eanditaten von Schwarze ganze 1999 Stimmen gegen 3961 Stimmen am 15. Juni 1893 auf die Beine brachte, ist ter Eandidatur Güntber letiglich agitatorische Bedeutung beizumessen, mit deren Verwendung sich die Leistungsfähigkeit ter Volkspartei noch immer erschöpft hat. Wenn tie „Freis. Ztg." die Eandidatur Günther damit zu begründen und zu empfehlen vermeint, raß ter bisherige und wieter aufgestellte Vertreter des Wahl- FsrtiHeton. Musen-Almanach Leipziger Studenten.*) Als im Vorjahre der Musen-Almauack Berliner Studenten das Liä>t der Kritik erblickte, stand man vor einer unerwarteten Enttäuschung. Unter den treiundtreißig Musensöhnen, die dort in die Schranken ritten, waren kaum drei, die das Zeug in sich hatten, der „Musen Roß" zn meistern, nur einer viel leicht, dem man die Anwartschaft auf einstigen Dichterruhm zu sprechen durfte. Was da als anspruchsvoller Appentix zu der famosen Eiubandövignette mit dem schmißsrchcn Bruder Studio aufgetischt wurde, war fast aus nahmslos ein Gemengsel saft- und kraftloser Gerichte, ohne Geschmack, ausgewärmle Kost, nur motern, mitunter craß modern, nach jüngst deutschem Necept garnirt, hier und da umwittert von dem Hautgout deS zur Neige gehenden Jahrhunderts. Nur Einzelnes war genießbar, nur manches erfrischend nnd crquickcud, einiges Wenige, wie Paul Victors großgedacktcs „Nolbkehlchen" und seine tief- und reinempfundene „Gewitternacht" von wirklicher dichterischer Bedeutung. Und nun der Leipziger Musen-Almanach? Eins unter scheidet ihn auf den ersten Blick sehr vortheilbast von seinem Berliner Vorgänger: er ist völlig frei von den Spuren erotischer Fäulniß, frei von der Manierirthcit unreifer Originalitäts- und Geniesuckt, die den mangelnden Inhalt an neuem Geist durch Nonchalance in der äußeren Gewandung, ja durch absolute Formlosigkeit, durch efscclirte Koketterie, Lurch prickelnde Sinnlichkeit und Obfcönitciten ersetzen zu können glaubt. Im klebrigen aber erweist sich auch der Leipziger Nach wuchs unserer Geistcü-Elite als dichterisch nicht besonders beanlagt. Ja wir sehen uns genöthigt, ibn noch um etwas niedriger zu taxiren als sein Berliner Eorrelat, denn er enthält noch weniger Spuren wahrhaft großer, originaler Be gabung. Und doch, wir fühlen unS befriedigter bei der Lectüre dieser Erstlingsversuche, die sich schlicht und bescheiden geben, als bei dem „Genuß" deS vielfach gigerldaft-blassirten Raffinements deS Berliner Almanachs. Zwar wandelt die Leipziger akademische Jugend in „Liebe und Leben", in „Glaube und Streben" ohne Ausnahme die alten ausgetretenen Gleise der Mond schein- und der Herz-Schmerz-Nomantik; mancher im glatten *) Redigirt von stuck, pbil. Carl Lr ebner, Verlag von August Hoffmann, Leipzig-Reudnitz 1897. Trab, weil sein Pegasus den nur allzubekannten Weg im Schlafe findet, mancher mühseligen Ganges, weil der feine lahmt, mancher schwankenden Schrittes, weil die noch un sichere Hand den Hippogrvpben störrisch macht; zwar auch hier ist Vieles herzlich unbedeutend, wenn auch gut gemeint, Nichts erbebt sich über das Maß normaler Mittelmäßigkeit und von genialer Ursprünglichkeit ist nichts zu spüren, vielfach mangelt es an burschikoser Frische und jugendlichem Feuer, an hinreißendem Schwung und kühner Phantasie und vor Allem an greifbarer Äntchaulickkeit und schöpferischer Gestaltungskraft — aber wir begegnen nicht so vielen völlig tauben Blütben, wie in dem anderen wirr zusammcngerafftcn Strauß, nur Weniges fällt unter das Mittelmaß herunter, während die Spuren, wenn auch nickt Großes, so doch Tüchtiges versprechender T a len t e häufiger sind, als in der Berliner Publikation. Die ansprechendsten Perlen in dem sicher nickt prunk vollen, aber doch gefälligen Kranz Kat G. Wustmann gespendet. Ihm eignet inniges Empfinden, Wohllaut der Sprache und eine unverkennbare Gewandtheit in der Form. In ibm entwickelt sich anscheinend ein beacktenswertbcs Talent, das am deutlichsten aus seinem anmuthvollen „Du" zu unS spricht: Du bist ein Licht, so golden und beständig, So wunderstill und doch so ganz lebendig, Schaut' ich Dich ewig, Hümnelsruhc sand' ich. Du bist ein Klang, der nur die Freude kündet, Der Allem sich in Harmonie verbindet, Der mitklingt, wo ein Wesen rein empfindet. Du bist ein Hauch, wie von des Frühlings Weben, Darein ich scheidend will die Seele geben. Um rein zum ewig Reinen zu entschweben. Auch das ernste, religiös-didaktisch angehauchte Gedickt gelingt dem jungen Theologie Studirendcu nickt übel. So mögen von seinem schlickt - ergreifenden „Einer Mutter" nur die Anfangszeilen als Empfehlung des Ganzen dienen: Wer will es denn eruussen, Was du getragen hast An Hoffen und Vergessen Und an verborgner Last. Ja, was an herbsten Schmerzen Raum bat in stiller Pein In einer Mutier Herzen, Tas weiß nur Gott allein. Ansprechende Töne schlägt auck Gustav Wilk clm («tnck. für.) in seiner „Ebarsreitagöbeickte" an, die anschau lich und beweglich schildert, wie ein jugendlicher Sünder, der in tollen Nächten und bei vollen Krügen, bei Weib, Wein und Gesang seine Zukunft sich verschüttet bat und nun allen Idealen entsagen soll, durch den Klang der EharfreitagS- glocken nach dem langzemiedcnen Gottcshause gezogen wird und dort Ergebung lernt: Tie Leute an des Gotteshauses Stufen Sie siarrn mich an, verwundert, unverwandt, Fast meine ich, sie würden zürnend rufen: „Hinweg von hier, denn hier ist heil'ges Land!" Ick weih, zum Kranz von Rosen und von Reben Paßt schleckt die ernste Blume der Passion, Doch auch sür meine Sünden hingegeben Ward an dem Kreuze beut' der Gottessohn. Und wenn dann, die Gerechten zu erquicken, Der Heiland durch die reinen Seelen zieht, Streikt er vielleicht mit seinem Gnadcnblick Tas süud'ge Weltkind, daS im Staube kniet. Wir können nicht das ganze Gedicht hierher setzen, aber diese wenigen Zeilen, welche in ergreifendem Conlrast, ein drucksvoll und koch so einfach die folternden, aber zugleich läuternden Qualen der Rene schildern, werden genügen, nm den Beweis zu erbringen, daß Gustav Wilhelm's dichterische Veranlagung zn schönen Hoffnungen berechtigt. Hier nur noch die Schlußstrophe der elegieartigcn schönen Dichtung: Ckarfreitag ist's. — Des Heilands Erdenwallen, Es leyrt auch mich Ergebung nnd Geduld. Charsieitag ist's. — Laßt auf das Stnie mich fallen Und beten „Herr vergiel) uns unsre Schuld!" ?tuck. philol. W. Iäneke bat im „Traum der Frühe" dem „kehren Sonnenjüngling" einen Hymnus gewidmet, dem cs an pbantasievollem Schwünge und temperamentvoller Kraft nickt fehlt: O, wie mich dürstet nach dir, Ursrischer Quell des ewigen Lichts! Ich trinke dich, du Feuertrunk . . . Ich küsse dich, dn sieghaft Auge . . . lind jugendhcißes Leben pulst durch meine Adern, Die trüben Erdeuncbel sind zerstoben. Lachend grüßt mich die leuchtende Welt. Hell flammt die Liebe auf und nach Liebe lechzend, Verjüngt reckt sich die Kraft in Kampjbegier. . . Und jauchzend stürz' ich wieder JuS ewig ringende Leben. Auch die Ballade bat in Herrn. Krüger'S («tust, philos.) „Zwei Propheten" („AmoS" nnd „Jesaja") einen nicht unbegabten Vctrctcr gefunden, der dramatisch zn schildern und sprachgewandt sich frei zu bewegen versteht. Man hört den kurzen, energisch-raschen Balladenschritt schon aus der ersten Strophe des „Amos" : Siegcshyiunen, Pialterlieder, Saitenspiel und Cymbelschlag! Alles jauchzt in wildem Jubel Heut an Jahwe'- großem Tagt „Jahwe half den Feind bezwingen, Und sein Schwert schlug niemals fehl. Trum lass' ihm Dein Lied erklingen. Freue Dich, Haus Israel!" Von W. Bruchmüller (stuck, pbik.) möchten wir bald weitere Proben seines ausgesprochenen Talentes sehen. AuS „Dem ersten Schneeglöckchen", dem „Maicnzauber" und der „Herbslstille" spricht Stimmung und unbefangene Beobachtung von Welt und Natur, mit einem Anklang ans Satirische, wenn eS auch noch an der reckten Abrundung fehlt. Aus einem Guß dagegen ist Bruchmüller'S „Brandenburger Lied": Herz der deutschen Lande, Brandenburger Mark, Zwilchen Sumvf und Sande, arm, doch treu und stark! Groß durch Leine Siege, theures Heimathland, Neuen Reiches Wiege, vorwärts unverwandt! Lasse dir nicht grauen deiner Feinde Schaar, lieber dir im Blauen schwebt der Zollernaar. Seiner Schwingen Rauschen schreckt den Erdenball, Seiner Stimme lauschen rings die Völker all! Ja, in deinem Lande hat er seinen Horst, Zwischen Sunips und Sande, zwischen See und Forst, Mögen doch sie schmähen kakl dich, ohne Zier, Deine Söhne stehen treu und fest zu dir! Ihrer Tbaten Größe ist dein Ehrenkleid, Deiner Arniuth Blöße blühend Ziergcschmeid, Herz der deutschen Lande, Brandenburger Mark, Zwischen Suinpf und Sande, arm, doch treu und stark! Das ist ein frischer, kräftiger Sang, voll energischen patriotischen Empfindens. Knapp in der Form, schlagend und treffend, könnte er in unsere vaterländischen Liederbücher übergeben, denen er gewiß nicht zur llnzicrke gereichen würde. Wir könnten noch einige wenige mittbeilenswertbe Proben ansprechender Lyrik aufzeigen, doch mag cS bei dem Besten, daS die Sammlung bietet, sein Bewenden haben. Jeden falls ratben wir dazu, den Musen-Almanach jedes Jahr er scheinen zu lassen. Nack dieser ersten Anregung ist zu er warten, daß die nächstjährige Auslese reichlicher, nach den Aeußernngen der Kritik, daß sie noch wertbvoller anSfällt. Bei dem immer markanter zu Tage tretenden realistischen Zuge der Zeit, der leider auch die Physiognomie unserer akademischen Hochschulen zu ihrem Nachtbeilc zu verändern droht, kann man es nur mit Freuden begrüßen, wenn in ihrem Sckooße die Poesie eine Pflegstätte findet und daS jugendliche Herz mit Idealen erfüllt, denen der Mann vergeblich nachstrebt, wenn sie der Jüngling ver schmäht hat. —p.
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