02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970910022
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
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Aber der Fürst hatte bei seinem Urtheil nicht allein die conservative Partei des Reichstages im Auge, sondern anch die des preußischen Abgeordnetenhauses. Für das, waS da geschehen ist, sind die sächsischen (Konserva tiven nicht verantwortlich, um so weniger, jr mehr sie im eigenen Landtage beweisen, daß zwischen ihnen und ihren preußischen College» ein nicht unwesentlicher Unterschied be steht, der besonders bei ihrer Stellung zu den National liberalen hervortritt. Hätten sie die Führung der conscr- vativen ReichstagSfraction oder übten sie wenigstens einen größeren Einfluß in dieser aus und erhielten dadurch auch einen gewissen Einfluß auf die conscrvativc Fraction des preußischen Abgeordnetenhauses, so würde wahr scheinlich im Reichstage sowohl, wie in der zweiten preußischen Kammer gar manches, was dem Fürsten Ursache zum Miß fallen giebt, anders beschaffen und ausgefallen sein. Sicherlich wird gar mancher sächsische Conservative dem zustimmen, was der „Schwäb. Merk." über die Berechtigung des Fürsten zu seinem Urtheile sagt: „Fürst Bismarck hat gemeint, es komme ihm zuweilen so vor, als ob die Conservativen selbst nicht wühle», was sie conservircn wollen. Wer auf die Haltung dieser Partei in den letzten Jahren zurückblickt, kann kaum eine treffendere Bezeichnung dafür finden, konservativ sein heißt im heutigen Deutschland vor Allem: die großen nationalen Errungenschaften der sieb ziger Jahre erhalten, schützen und befestigen. Daß diese Aufgabe unter Verhältnissen, wie sie seit Jahren be stehen, nicht in befriedigender Weise gelöst wird, darüber kann man auch in der constryativcn Partei nicht im Unklaren sein. Die ungünstige» Verhältnisse bestehen hauptsächlich in einer schwanken den, des inneren Zusammenhangs und der Folgerichtigkeit ent behrenden Re-gierung und in einem Reichstag, in dem die jenen nationalen Errungenschaften mehr oder weniger grundsätzlich gegcnüberstehendcn Parteien die Mehrheit bilden. Das Letztere ist zum großen Thcil die Ursache Les Ersteren. Weil die Re gierung meint, mit einer im nationalen Sinne schlechterdings unzuverlässigen Mehrheit auskommen zu müssen, darum be fleißigt sic sich einer tastenden, springenden und widerspruchs vollen Politik, die den Eindruck der Zerfahrenheit und Grundsatz losigkeit machen muß. Dem gegenüber ist cs Sache einer national- conservativen Partei, der Regierung vollkommen selbstständig gegenüberzustehen und andererseits ans die Neubildung einer für eine nationale Reichspolitik schlechterdings zuver- lässigen parlamentarischen Mehrheit bedacht zu sein. Die heutige conservative Partei hat das gerade Gegen theil gethan. Sie hat sich in Preußen im letzten Jahr zusammen mit der Regie rung in ein durchaus planloses Abenteuer gestürzt, dessen einzige mit Sicherheit vorauSzuschende Wirkung die gegenseitige Entfremdung und Entzweiung derjenigen Elemente war, ohne deren festes Zusammenhalten eine zuverlässige nationale Parlamentsmehrhcit nicht denkbar ist. Was ist die Absicht der Conservativen bei diesem Abenteuer gewesen? Entweder haben sie wirklich die Einführung einer politischen Reaction im Sinne gehabt, die die Gemäßigtliberalcn auf die Tauer in die Opposition treiben mußte, oder es ist ihnen daraus angekommen, die Gelegenheit zu benutzen, um den Einfluß derNationalliberalen zu brechen. Tie tendenziöse Anzweiflung der staatserhaltenden Natur der nationallibcralen Partei unter gleichzeitiger überschwänglicher Versicherung des eigenen Vertrauens zur Regierung läßt über das Letztere keinen Zweifel. Die indirccte Wirkung dieser Stellungnahme konnte auf jeden Fall nur die Befestigung der Centrums herrschaft, die Verewigung der unbefriedigenden Ver hältnisse iin Reiche sein. Und das macht ja allem Anscheine »ach der conservativen Parteileitung anch gar keine Beschwer. Tie „Kreuzzeitung" wenigstens kann nicht Gründe genug stiiden, um Len Gedanken einer Sammlung der iiationalgcsinntcn Ele mente nach Weise des ehemaligen Cartells als Utopie und die Hegemonie des Ccntrums im Reichstage als unerschütterlich dar- zustellcn. Sie und ihre Hintermänner wollen sich lieber das Joch des CentrumS anserlcgen lassen, als ans die Mittelparteien Rücksicht nehmen müssen. Wem soll eine solche Politik Zecher „deutsch conservativen Partei" Bewunderung abzwingen? tVyrg Bismarck ist als Mann von streng conservativen Anschauungen ins öffentliche Leben eingetretcu. Wie hätte er jein gewaltiges Werk schaffen und ausbaucn können, wenn er nach Art der „Kreuzzeitung" die feste Zusammenschließung aller Nationalgesinnten als eine ver dammungswürdige Mischmaschpolitik von sich gewiesen hätte! Wollen die Conservativen das Werk ihres grüßten Parteigenossen erhalten helfen, so wird ihnen allerdings enie „eingehende Sclbstpriifnng" sehr noth thun." Auö dem Hinweis auf daS „planlose Abenteuer" der Vereinsgesetznovelle in Preußen beweist der Verfasser, daß auch er ganz wesentlich die preußischen Conservativen im Auge hat. Allerdings hat die sächsische conservative Presse dieses Abenteuer gleichfalls unterstützen zu sollen geglaubt; daß sie sich dabei in Uebereinstiuiinuug mit den einsichtigeren conservativen Parteiführern in Sachsen befunden habe, ilt aber um so unwahrscheinlicher, je mehr diese Führer sonst im Sinn- des Fürsten Bismarck auf den Zusammenschluß aller Nationalgesinnten hinwirken. Statt das Urtheil des Fürsten zu bemäkeln und sich dadurch mit den preußischen Conservativen zu idenlificiren, sollten daher die sächsischen Conserralivcn und ihre Presse aus Beachtung dieses Urtbeils und zugleich darauf hinzuwirkeu suchen, daß das bessere sächsische Beispiel in Preußen wirksamer werde, als der un selige Einfluß der „Krcuzzlg." und ihrer Hintermänucr. Kaum hatte ein findiger Neuigkeitenversertiger einen neuen Candidaten für den Reichskanzlerposten ausgewittert, so be hauptet ein anderer, Fürst Hohenlohe sei zur Zeit dem Kaiser unentbehrlich. Auf Grund angeblicher Informationen ausden „maßgebendenRegierungskrciscn" schreibt dieser kundige Thebaner: „Die Reise des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe an das kaiserl. Hoslagcr in Homburg dürfte zu Unrecht mit der Frage der Militair- strasgerichlsordnung in Verbindung gebracht worden sein. Da der Blindesrath erst im Octobcr wieder seine Arbeite» ausnimmt, wird bis dahin auch die Angelegenheit der Militairstrasreform wenigstens in der Instanz ruhen, in der sie sich zur Zeit befindet. Etwas Anderes ist es, ob nicht der Kaiser und der Prinzregcnt von Bayern bei ihrem öfteren Zusammensein in den letzten Tagen Veranlassung genommen haben möchten, sich über gewisse grundlegende Fragen des vielberufenen Entwurfs auszuspreche». Wenn manche Blätter mit einen: Aus scheiden des Fürsten Hohenlohe aus dem activen Dienste bestimmt zum Herbste rechnen zu können glauben, so ist demgegenüber der vollste Zweifel durchaus am Platze. Es mag richtig sein, wenn behauptet wird, der Fürst selber sei amtsmüde. Für die hohe Stelle aber, welche hier an: meisten in Betracht kommt, muß der Wunsch, daß der Fürst seinen Posten »och weiter innebehalte, um jo näher liegen, als die auswärtige Politik ein sehr schwieriges Gebiet ist und es als sehr schwerwiegend angesehen werden muß, ob jetzt Fürst Hohenlohe Reichskanzler bleibt, der ein Maß von Ansehen und von Vertrauen bei den auswärtigen Regierungen ge nießt, Las nur durch eine lange verdienstvolle Thätigkeit erworben werden konnte, oder ob ein neuer Mann an die Spitze der Reichs geschäfte tritt, der sich dieses Vorzugs nicht erfreut. Aber auch die Verhältnisse im Innern weisen schwierige Puncte genug auf, die das Verbleiben eines so besonnenen Staatsmannes, wie es Fürst Hohenlohe ist, im Amte höchst erwünscht erscheinen lassen." Wahrscheinlich aus derselben O.uelle will der „Berl. Loc.-Anz." erfahren haben, Fürst Hohenlohe habe zngcsagt, die Geschäfte vorläufig fortzufübren und seinen Rücktritt inö Privatleben zu vertagen. Unmöglich ist daS ebensowenig wie daS Gegenthcil. Aber ganz abgesehen davon, daß es Les Fürsten Art ebensowenig ist, wie die des Kaisers, über derartige Dinge zu plaudern, erscheint uns besonders der Stetigkeit unserer auswärtigen Politik halber das Verbleiben des Fürsten Hohenlohe zu wünschenSwcrlh, als daß wir uns ent schließen könnten, fest daran zn glauben. Es ist wohl kein Zufall, daß seit dem Weggange des Fürsten Bismarck, also seit dem Aufhören der Stetigkeit der Leitung der deutschen Politik, Oesterreich sich Rußland angenähert hat, daß sich weiter eine Annäherung zwischen Frankreich und Italien seit mehr als Jahresfrist vollzieht und daß, was die Hauptsache ist, Laö Büudniß zwischen Frankreich und Rußland zur Wirk lichkeit geworden ist, während auf der Gegenseite der bekannte Rückversicherungövertrag zwischen Deutschland und Rußland aufgehoben ist und die Beziehungen zwischen Deutschland und England sich verschlechtert haben. Es versteht sich von selbst, daß nicht gesagt werden soll, alte diese Ereignisse seien lediglich durch den Sturz des Fürsten Bismarck veranlaßt worden; cs ist ferner höchst wahrscheinlich, Laß auch dieser große Meister der Slaatsknnst nicht all' das hätte verhindern können. Aber das wäre doch sicher vermieden worden, daß Deutschland in den letzten sieben Jahren in Bezug aus Büudniß- und Freundschaftsverhältnisse lediglich auf dem Verlustconto etwas zu buchen hat und nichts auf dem Gewinnconto. Deutschland ist der naturgemäße Mittelpunct des Dreibundes durch feine geographische Lage, durch seine militairischen Machtmittel, durch seine gesunden Finanzen und nicht zuletzt durch das Hobe Ausekcn, das es sich in dem Menschenalter der Bismarck'schen Regierung erworben hat. Wer aber den Stützpunkt für Andere bilden soll, muß aus besonders festen Füßen stehen, weil die Anderen sonst das Vertrauen in seine Festigkeit verlieren. Dieses Vertrauen kann aber ein Staat nur dann genießen, wenn seine leitenden Staatsmänner sich in sicherer Position fühlen und in ihren Maßnahmen nicht durch den Gedanken gehemmt werden, daß der Nachfolger vielleicht Alles wieder umwerfen könnte. Man kann also das Verbleiben des Fürsten Hohenlohe nur dringend wünschen — aber, wie gesagt, gerade deshalb wagt man nicht recht daran zu glauben. Nach osficiöscr Meldung soll der österreichische Reichs rath am 23. September zusammentrelen. Dies deutet darauf hin, daß die Regierung und die Parteien nun doch schlüssig darüber geworden sind, wie der Widerstand der Deutschen gebrochen werden soll, doch wird das Mittel, wie dies zu bewerkstelligen sei, vorausgesetzt, daß eine solches Mittel über haupt gefunden worden ist, noch geheim gehalten. Man fährt nur fort, zu behaupten, daß eine Verständigung mit den Parteien der Rechten erzielt sei, und daß letztere unter einander einig seien. Sollte dies der Fall sein, dann müßten die anderen Parteien der Rechten sich mit den Forderungen der Tschechen einverstanden erklärt haben und die Regierung diese zu erfüllen geneigt sein. Noch auf dem soeben in Prag gehaltenen tschechischen Städtetag verkündete aber der Abg. Herold als Programm der Tschechen, das; die Selbstständigkeit der Länder der böhmischen Krone verlangt werde. Unverblümter können die fördera- lislischen Bestrebungen nicht zum Ausdruck gebracht werden. Wie diese aber, da für diesen Fall auch die Ungarn be reits ihre Einsprache ankündigen, verwirklicht werden sollen, erscheint unerfindlich. Daß wir an ein langes Vorhalten der Einigkeit unter Badeni's Majorität nicht glauben, haben wir neulich schon bemerkt. Badeni wird, wen» er nicht abdankeu will, nicht nur der tschechischen Forderung nach Ausdehnung der Sprachenverordnniig auf Schlesien, sondern auch der am Tschechisirung der Verwaltung und Justiz in Böhmen und Schlesien und Anderem ernstlich näher treten müssen. In der katholischen Volkspartei glaubt man Grund zu der An nahme zu haben, Badeni habe nach dieser Richtung bereits ein Sonderabkommen mit den Tschechen getroffen, zeigt sich darüber sehr unwillig und erblickt darin einen Bruch der Convention. An der Spitze einer compact geschlossenen und in harmonischer Einigkeit leicht lenkbaren Mehrheit wird Graf Badeni also keinesfalls vor den Rcichsrath treten. Deutscherseits ist man entschlossen, den Widerstand fortzusetzen, und von deutsch-nationaler Seite wird bereits die Einbringung eines Antrags auf Versetzung mehrerer Minister in den Anklagezustand wegen der Vorgänge in Eger und Asch und wegen Verletzung der Verfassung und der Immunität der Abgeordneten angekündigt. Eine liberale römische Zeitung hat kürzlich die Nachricht gebracht, daß der Pupst gegenwärtig an einer Encyklika über die christlich-sociale Bewegung arbeite, in welcher er, wie das betreffende Blatt gleichfalls zu melden wußte, in ent schiedener Weise zu Gunsten der Forderungen der Cbristlich- Socialen Stellung nehmen werde. In den vatikanischen Kreisen wird diese Nachricht als unrichtig bezeichnet und erklärt, es sei wohl möglich, daß der Papst ein Schriftstück über die bezeichnete Frage veröffentlichen werde, gänzlich falsch sei cs jedoch, anzunehmen, daß Leo XHI. damit die Christlich Socialen der verschiedenen Länder in ihren Bestrebungen ermuthigen werde. Ferner verlautet aus vaticanischer O.uelle, daß der Papst kürzlich einigen französischen Bischöfen gegenüber, die er ur Audienz empfing, in eingehender Weise erklärt hat, daß er über den revolutionairen Charakter, welchen die christlich-sociale Bewegung in einigen Ländern, besonders in Frankreich, angenommen hat, sehr beun ruhigt sei. Auf dem letzten Katholikentage in Freiburg hat übrigens der Erzbischof von Nancy, Msgr. Turinaz, gleich falls die Erklärung abgegeben, daß er die Namen jener drei französischen Bischöfe kenne, zu welchen sich der Papst hin sichtlich der Christlich-Socialen in dem angedeuteten Sinne geäußert habe. „Es ist", so wird der „Pol. Corr." ge schrieben, „wohl richtig, daß die Christlich-Socialen manchmal von römischen Cardinäien und selbst von Prälaten des Vaticans in ihren Bestrebungen gefördert werden, der Papst hat jedoch dieser Partei gegenüber stets große Reserve beobachtet. Jedenfalls ist es eine Entstellung der Wahrheit, wenn behauptet wird, daß die christlich-sociale Bewegung direct vom Papste ermuthigt werde. So hat beispielsweise das energische Vorgehen des Erzbischofs von Lüttich gegen den Führer dcr belgischen Christlich-Socialen, Abbö Daens, welch' letztercr bekanntlich mit Jnterdict belegt wurde, die volle Zustimmung des Papstes gefunden, woraus die wirkliche Stellungnahme Leo's XIII. gegenüber der mehrgenanuten Bewegung deutlich ersichtlich ist." Im Sndlitt hat sich eine bedeutende Aenderung vollzogen. Englischen Depeschen zufolge hat sich nämlich Osman Digma mit seiner Truppe von Berber in der Richtung auf Khartum zurückgezogen, um sich mit dem Emir FeniHeton, Götzendienst. öj Roman in zwei Theilen von Wold em ar Urbau. Nachdruck verboten. Er seufzte tief auf. Was hätte er in diesem Augenblicke darum gegeben, wenn der reizende Kopf Camillas mit den schönen munteren Augen und dem lieben trauten Blick auf den Schultern Felicia's gesessen oder der Neichthum Don Gracias' in der Hand Camilla'S gewesen wäre! Das heißt, gegeben würde er den: Schicksal für diese Gefälligkeit ver- muthlich nichts haben, denn er besaß ja nichts mehr, aber- lieb wäre es ihm doch gewesen. Als sich Gras Victor endlich zur Ruhe begab, um dem ganzen Wirrwarr, in dem sich seine Angelegenheiten befanden, auf einige Stunden wenigstens durch den Schlaf entrückt zu sein, war er so weit mit sich im Reinen, daß die Welt und ihr Wandel eine total verpfuschte und verkehrte Einrichtung sei, weil einige ihrer Kinder mit den Köpfen Anderer und wieder einige mit dem Geldbeutel noch Anderer Herumliesen. Er vertagte einfach seine Sorgen auf morgen und der neckische Gott deS Traumes, der sich bald auf seine Kissen herabließ, spiegelte ihm ungeheure Millionenzewinne vor, die er als glücklicher Spieler an der Bank gemacht habe. Ganze Berge von Gold und Banknoten thürmten sich vor ihm auf dem grünen Tische in die Höhe, und er kam geradezu in Verlegenheit, wie er den ganzen Segen Fortunas unter bringen solle. Am anderen Morgen freilich, als er erwachte, war gerade diese Verlegenheit sein geringster Knmmer. Kaum war sein Erwachen — es war kurz nach zehn Uhr — bemerkt worden, als sich auch schon der Kellner meldete. Graf Victor glaubte wegen der Rechnung, aber er täuschte sich; denn der kleine, blaffe, glattrasirte und befrackte Kerl betrug sich so ausgesucht höflich, als stünde er einem Millionair gegenüber. „Herr Gras", sagte er, indem er ihm auf einem Präsentir- teller eineZstsitenkarte überreichte, „em Herr wartet schon seit zwei Stunden auf das Erwachen des gnädigen Herrn Grafen und bittet um die Ehre, sogleich vorgelassen zu werden." „Der gnädige Herr Gras" und das „bittet um die Ehre", das klang ja beinahe, als habe der gnädige Herr Graf noch Trinkgelder von Zwanzig-Francsstücken zu vertheilen, während derselbe doch genau wußte, daß er nicht mehr so viel hatte, um sein Frühstück zu bezahlen nnd hungern mußte, wenn ihm nicht Jemand Essen und Trinken auf sein ehrliches Gesicht hin — borgte. Graf Victor nqhm die dargebotene Karte. „Uaul 6irurcket, Uockactour en clwt cko la Uovuo littoralo." Was wollte der Mensch von ihm? Wenn er etwa glaubte, auch von ihm etwas erpressen zu können, so kam er freilich an die unrechte Adresse. Im Gegentheil, der Mann mußte auf seiner Hut sein, um nicht vom Grafen Victor selbst angepumpt zu werden. Denn gerade dieser Gedanke lag jetzt dem gnädigsten Herrn Grafen am nächsten, mußte ihm am nächsten liegen. Graf Victor gerieth zusehends in eine Art Galgenhumor, dem derartig abenteuerliche Unternehmungen, einen Redacteur anzupumpen, durchaus nicht so unmöglich schienen. „Führen Sie den Herrn herein, Louis", befahl er dann. „Und befehlen Sie daS Frühstück ebenfalls hierher, .^err Graf'?" fragte der Kellner devot. „Nun — in Gottes Namen!" antwortete Graf Victor mit Resignation, und der Kellner verschwand eilig und ge räuschlos. Gleich darauf trat Herr Girardet in den kleinen Salon; er war in großer Toilette: Frack, Cylinder, weiße Cravatte und eben solche Handschuhe, sehr aufgeregt und von einer stürmischen Zärtlichkeit. „Mein theuerster Freund, gnädigster Herr Graf," rief er ekstatisch und reichte dem Grafen beide Hände bin; „wie freue. ich mich, der Erste zu sein, dem eS vergönnt ist, Ihnen meine herzlichsten, tiefgefühltesten Glückwünsche dar bringen zu dürfen." Der arme Mann ist über Nacht verrückt geworden, dachte Graf Victor. „Theuerster Freund'?" Er hatte den Redacteur ein- oder einige Male in Camillas Gesellschaft gesehen, aber von Freundschaft war dabei niemals die Rede gewesen, am allerwenigsten von „theuerster". Und obendrein „herzlichste, tiefgefühlteste Glückwünsche?" Bei seinem gestrigen Pech an der Bank! Eine derartige Un überlegtheit konnte wahrhaftig nur ein „Unheilbarer" zu Wege bringen. „Ich weiß in der That nicht, Herr Redacteur, auf was ich Ihre liebenswürdigen Glückwünsche zu beziehen habe", entgegnete Graf Victor kühl. Herr Girardet lachte laut und aufgeräumt. „Das ist sehr gut, ausgezeichnet", sprudelte er dann weiter, „die ganze Stadt — man kann mit Recht sagen, die ganze Stadt spricht davon und Sie, den die Sache doch schließlich allein angeht — Sie wissen nichts davon? Aus gezeichnet!" „Ja, aber wollen Sie nicht die Güte haben, mir vorerst zu sacken, wovon die ganze Stadt spricht?" „Nun, Herr Graf, es giebt nichts Anderes, von dem heute jeder anständige'Mann in Monaco sprechen kann, als den Weizenkönig de Melida, seine Ankunft in Monte Carlo, den Empfang, den er gestern Abend zurückgewicscn hat, weil er mit Ihnen, Herr Graf, conferirte, und das officiclle Festessen, das ihm die Stadtverwaltung zur Feier seiner Ankunft zu geben beabsichtigte, und das er ebenfalls ausgeschlagen, weil er Sic, Herr Graf, zu Tisch gebeten hat, Niemand anders als Sic. Daß es noch einige honette Leute giebt, die sich ver schiedene geheimnißvolle Geschichtchen erzählen von einem Rendez-vous, das noch gestern Abend zwischen Ihnen und Fräulein Felicia de Melida stattgefunden, und ähnliche Räuber geschichten nun, Herr Graf, das Alles wird Sie hier ¬ in Monaco, in einem so allgemein anerkannten Klatschnest, doch nicht wundern. Kurz und gut . . „Aber Herr Girardet, ich muß mir ganz entschieden ver bitten, diesen Zufälligkeiten eine Bedeutung beizumessen, die mir unbedingt unangenehm.." Herr Girardet lachte dazwischen wieder sein lautes, breites Lachen und fuhr dann unbeirrt fort: „Thun Sie mir gütigst den Gefallen, theuerster Freund, und verderben Sie mir meinen Artikel nicht, den ich im Begriffe bin, in der „Revue littoralc" zu veröffentlichen und auf den der Setzer seit zwei geschlagenen Stunden wartet. Deshalb nur bin ich hier. Ich beabsichtige Sie zn inter viewen; daher ans Werk!" Herr Girardet ließ sich ohne Weiteres auf einen Stuhl nieder; zog sein Notizbuch hervor, befeuchtete dann den Blei stift mit der Zunge und sab sein Gegenüber gespannt an. „Also vorwärts! Die Verlobung wollen Sie demzufolge Wohl noch nicht bekannt gegeben wissen. Aber ich darf doch so im Hintergründe versteckt andeuten, daß sie im Anzuge ist. Wie? Aber ich bitte Sie, Herr Graf, nur keine übel an gebrachte Bescheidenheit, nur keine falsche Scham! DaS Publicum erwartet diese Verlobung und hat ein unumstöß liches Recht, die Thatsache baldmöglichst in Erfahrung zu dringen. Ich würbe mich unzweifelhaft blamiren, ja meine Zeitung geradezu unmöglich machen, wenn ich darüber nichts bringen könnte. Verlassen Sie sich übrigens ganz auf meine Discrelion; ich werd: die Sache mit möglichster Delikatesse zu behandeln wissen, lind nun weiter!" Graf Victor hatte nicht übel Lust, dem Herrn Redacteur den Schädel einzuschlagen. „Aber wo stammt er her? So halten Sie mich doch um Gotteswillen nicht so lange auf, denn der Setzer wartet mit fieberhafter Ungevuld und hinter ihm die ganze elegante Welt von Monaco. Ei, zum Henker! nicht alle Tage haben wir einen Weizenkönig hier, und wenn unS nun einmal einer be ehrt, warum soll man nicht ein wenig Reclame machen? Wie? Aus Argentinien? Natürlich! — Gut. — Selbstver ständlich von armen Hirten geboren, in den wüsten Wäldern Pampas anferzogen macht sich nämlich famos in der Zeitung " Herr Girardet machte fleißig seine Notizen, wenngleich Graf Victor noch keinen Ton geäußert hatte. „Die PampaS, bester Herr, sind aber doch nichts als öde Steppen, in denen kein Baum sieht", erlaubte er sich jetzt etwas belustigt cinznwenden. „Mein Gott, das ist ja gleichgiltig, vollständig gleich- giltig; was wissen denn die Leute in Monaco von den Pampas! Gerade hier aber machen sich die Wälder- vorzüglich. Das Publicum denkt dabei an Palmen, tbnrmhohe Sykomorcn, undurchdringliche Schlinggewächse, Scblangen u. s. w. Aber fahren wir fort. Seine Ellern? Natürlich Indianer mit spanischer Mischung?" „Keine Spur von Indianern", warf Graf Victor aber mals ein. „Unsinn, Herr Graf. Indianer brauche ich aber in meinem Artikel, ohne sie wird die Sache farblos und matt. Ein todter Indianer ist jetzt in Europa bei Weitem inter essanter als die gesammte Socialdemokratie. Also echte Vollblntindianer. Kommt nach Europa, um sich zn vcr- hcirathen, nicht wahr?" „Er denkt nicht daran!" „Unsinn! Er muß daran denke» WaS soll denn sonst aus meinem Artikel werten? Irgend ein Roman mit einer deutschen Prinzessin. He? Deutsche Prin- zessinuen sind nämlich momentan vn v«>guo. Es giebt ibrer >a wie Sand im Meere. Macht sich vorzüglich. Gut, deutsche Prinzessin. Er schenkt ibr natürlich den Werth von zehn Herzogthümern als Morgengabc. Tas ist ja von vornherein auSgemacht. Weiter — die Kinder?" Herr Girardet machte nunmehr Notizen, obschon Graf
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