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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970911013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897091101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897091101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-11
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Mir scheint vor allem nothwendig, einmal darzulegen, was der jetzt gekündigte Vertrag denn eigentlich besagt und was die Engländer mit der Kündigung bezwecken. WaS wir darauf zu thun haben, das werden wir wohl, soweit wir dazu berufen sein sollten, am besten in aller Stille erwägen; die Karten von vornherein offenzulegen, empfiehlt sich doch nur unter besonderen Umständen, wie sie hier meines Erachtens nicht gegeben sind. Der Vertrag ist von ehrwürdigem Alter, er ist vor der Begründung des Norddeutschen Bundes von Preußen im Namen des Zollvereins geschlossen worden. Unterzeichnet wurde er in Berlin am 30. Mai 1865; an der Spitze der Unterzeichner steht auf deutscher Seite Otto von BiSmarck- Schönhausen, auf englischer Seite der außerordentliche Bot schafter Baron Francis Napier. Drei Jahre früher war der Vertrag mit Frankreich geschlossen worden als einer der ersten in dem „System" der westeuropäischen Handelsverträge. Aus diesem Anlaß hatte der Zollverein seinen Tarif einer wesentlichen Umarbeitung unterzogen, jetzt lag für weitere Aenderungen kein Grund vor. England hatte schon damals wie jetzt nur einige wenige Artikel mit Zöllen belegt: Wein, Branntwein, Bier, Kaffee, Cichorie, Rosinen, Cacao, Tabak, dazu bis 1893 noch den Thee — das ist so ziemlich der ganze Tarif; an Erlangung von „Tarifconcessionen" war also auch nach dieser Seite hin nicht zu denken. So be schränkte sich der Vertrag im wesentlichen auf die sogenannte Meistbegünstigung: keine höheren oder anderen Abgaben für die diesseitigen Staatsangehörigen, die sich in England aufbalten, als für die Angehörigen des am meisten be günstigten dritten Landes, und umgekehrt; keine höheren Ein *) Die in diesem Artikel entwickelte Ansicht über dke von Deutsch, land infolge der Kündigung des deutsch-englifchen Handelsvertrages zu ergreifenden Maßregeln weicht nicht unerheblich von der ab, die wir in früheren Artikeln in wesentlicher Uebereinstimmung mit den von Herrn Prof. vr. Hasse in den „Alld. Bl." dargelegten An- fchauungen vertreten haben. Bei dem Gewichte sowohl der Frage, als auch des Unheiles des Herrn Verfassers halten wir es jedoch für Pflicht, auch seine Darlegung wiederzugeben und dadurch zur Klärung der Meinungen beizutragen. Die Red. d. „Leipz. Tagebl." gangsabgaben; keine höheren oder anderen Ausgangszölle — dies einseitig, wir hatten damals noch den AuSgangszoll auf Lumpen, außerdem ein paar andere ähnliche Zölle, die mit dem 1. Juli 1865 fielen; keine Durchgangsabgaben; Aus dehnung jedes künftig einem dritten Staate einzuräumenden Vortbeils auf den andern vertragschließenden Tlieil; in Bezug auf Marken- und Musterschutz, den wir damals noch so gut wie nicht hatten, gleiche Behandlung mit den Inländern. Nun kommt aber die Hauptsache, Artikel 7: „Die in den vorstehenden Artikeln 1 bis 6 ge troffenen Bestimmungen finden auch auf die Colonien und auswärtigen Besitzungen Ihrer Britischen Majestät Anwendung. In diesen Colonien und Besitzungen sollen die Erzeugnisse der Staaten deS Zollvereins keinen höheren oder anderen Eingangs-Abgaben unter liegen, als die gleichartigen Erzeugnisse des Vereinigten Königsreichs von Großbritannien und Irland oder irgend eines anderen Landes, und es soll die Ausfuhr aus diesen Colonien oder Besitzungen nach dem Zoll verein keinen höheren und anderen Abgaben unter worfen werden, als die Ausfuhr nach dem Vereinigten Königreiche von Großbritannien und Irland." Dieser Artikel ist es, der jetzt für England den Stein des Anstoßes gebildet hat, um ihn werden sich die Verhandlungen drehen. Der Ruf nach tair traäs, d. h. Freihandel gegen Freihandel, aber Schutzzoll gegen Schutzzoll an Stelle deS einseitigen tree trsäe, ist zwar seit 1879 in England oft ge hört worden — daß die Regierung irgendwie ernstlich daran dächte, für Großbritannien und Irland ein Schutzzollsystem einzuführen, das brauchen wir vor der Hand nicht zu fürchten. Aber die Begründung eines engeren Zoll verbandes zwischen dem Mutterlande und den Colonien, das ist ein Ziel, welches die englische Regierung, ohne viel Aufhebens davon zu machen, seit Jahren eifrig und folgerichtig anstrebt — ein Ziel, dem wir, so unbequem es für uns ist, von ihrem Standpunct auS schwerlich die Be rechtigung absprechen können. Die Art, wie die Sache zunächst von Canada aus in Scene gesetzt und dann in London weiter behandelt wurde, war freilich nicht geeignet, uns Respect einzuflößen. Aber wir brauchen uns darob nicht zu grämen: die Lage ist dadurch für uns nur günstiger geworden. Auch ist sehr fraglich, ob sich die anderen Colonien dem Plane geneigt zeigen; vermnthlich werden sie sich verschieden dazu stellen je nach ihrer Lage, nach ihrem Bedarf, nach der Art ihrer Erzeugnisse, wohl auch nach ihrer Verfassung. Gleichviel: England will freie Bahn für Ver handlungen mit ihnen haben, daher die Kündigung der Verträge mit Deutschland und mit Belgien. Unter dem bestehenden Vertrag hat sich unser Verkehr mit England und seinen Colonien in einer früher nicht ge ahnten Weise entwickelt. Jedenfalls haben — insoweit ist dem Lord Salisbury Recht zu geben — die englischen Ver mittler eine solche Entwickelung nicht geahnt, während in Bismarck s Seele sicher ein Bild von Deutschlands künftigem wirtbsckastlichen Aufschwünge schon damals gelebt hat. Für 1895 beläuft sich unsere Einfuhr aus Großbritannien aus 578 Millionen Mark, aus Britisch-Ostindien und Australien auf 276, aus den übrigen Colonien auf 28 Millionen; Aus fuhr 678, bez. 68 und 30 Millionen. Im ganzen ist es rund ein Fünftel unseres gesamten auswärtigen Handels. Auck wenn wir in Anschlag bringen, daß ein erheblicher Tbeil unserer Ausfuhr nach den englischen Häfen für die Colonien und für anders Länder bestimmt ist, bleibt es wahr: England ist unser bester Abnehmer. Weitverzweigte und tiefgreifende Interessen sind eS, die hier in Frage kommen — auf beiden Seiten. Weder die deutsche noch die englische Negierung wird diese Interessen durch einen Zollkrieg leichtfertig aufs Spiel setzen wollen; zumal nach den Erfahrungen, die England mit seinem zwei schneidigen Markenschutzgesetz, wir mit dem spanischen und dem russischen Zollkrieg gemacht haben. In dieser Hin sicht dürfen wir ruhig sein. Immerhin ist die Lage ernst genug, schon die Unsicherheit, was auS der Sache werden wird, läbmt unvermeidlich den Unternehmungsgeist. Große industrielle und kaufmännische Unternehmungen bedürfen zu ihrer Vorbereitung und Ausführung oft Jahre; da muß man ter Bedingungen und Verhältnisse, unter denen sich nach menschlichem Ermessen die Geschäfte abwickeln werden, wenigstens einigermaßen sicher sein. Handel und Industrie wissen sich im Nothfall auch mit ungünstigen Verhältnissen abzufindcn, aber Unsicherheit können sie schlechterdings nicht vertragen. Deshalb ist vor allem zu wünschen, daß ein neues Abkommen mit England so bald wie möglich ge troffen werde. Für den Inhalt der Verhandlungen Vorschläge zu machen, fühle ich mich nicht berufen; am wenigsten würde ich es öffentlich thun. Aber einige orientirende Bemerkungen sind wohl am Platze. Da scheint mir denn zunächst die Frage wichtig: was beziehen wir hauptsächlich von England, was bezieht Eng land von unS? Was wir von England beziehen, daS sind zum größten Tbeile Rohstoffe und Halbfabrikate, die unsere Industrie braucht: Wolle, Jute; Eisen, Kupfer, Zinn, Stein kohlen; Ammoniak, Antbracen, Indigo, Palmkerne, Banm- wollensamen- und Leinöl, Talg u. s. w.; Häute und Felle; baumwollene, wollene und leinene Garne; sodann Maschinen. Erst in zweiter Reihe kommen Webwaaren und andere für den Verbrauch fertige Waaren, ferner Nahrungsmittel, wie Heringe und Kaffee. In unserer Ausfuhr spielen die Ganz abrikate eine verhältnißmäßig weit größere Rolle: Web waaren allein über 100 Millionen Mark, Kleider und Wäsche 28 Millionen, Papier und Papierwaarcn 27, feine Holz- uud Lederwaaren 34, Musikinstrumente 11 Millionen u. s. w. Ich will nur noch den Zucker mit etwa 140 Millionen Mark hervorheben, den wir bekanntlich den Engländern weit billiger liefern, als wir selbst, d. h. die deutschen Verbraucher, ibn bezahlen müssen. In Bezug auf die Einfuhr haben wir den Engländern bisher keine besonderen Zugeständnisse gemacht; im Gegentbeil, wir haben nach dem Abschlüsse des Vertrages, seit Ende der siebziger Jahre, unsere Zölle fast durchgängig erhöht und viele neue Zölle eingeführt, und wenn wir darin nicht noch weiter gegangen sind, so lag der Grund doch hauptsächlich darin, daß wir das nicht konnten, ohne unsere eigene Industrie zu schädigen. Derselbe Grund würde auch den etwaigen Versuch, einen autonomen Tarif mit sehr hoben Zöllen auszustelleu, schwerlich zur Ausführung kommen lasten. UnS von der englischen Vermittelung bei unserer Ein- und Ausfuhr immer mehr frei zu machen, ist seit zwanzig Jahren unser Streben. Wir sind auch darin, dank dem stattlichen Anwachsen unserer Handelsflotte, dem engeren Verbältniß zu den Hansestädten, den ostasiatischen Dampfer linien, der Ausbildung unseres Bankwesens u. s. w., schon ein gut Stück vorwärts gekommen. Von den 3 Millionen är Baumwolle z. B., die unsere Industrie jährlich verarbeitet, beziehen wir über England noch etwa 1 vom Hundert, von vou den 1„, Mill. 6/ Kaffee, die wir verbrauchen, nicht viel über 2 vom Hundert, von den 9 Mill, ckr Petroleum so gut wie nichts. Für einige andere Artikel ist der Bezug über England dadurch bedingt, daß London der unbestrittene Weltmarkt dafür ist. Eine surtaxe nach dem ohnehin sehr fragwürdigen französischen Vorbilds würde England sehr wenig treffen, dagegen würde sie die Rbeinlande von ihren natürlichen Bezugsquellen, Holland und Belgien, abdrängen — zu beiderseitigem Schaden. Nicht so günstig wie mit der Einfuhr steht es mit der Ausfuhr; hier kommen alte Verbindungen in Betracht, die nicht so leicht zu lösen oder zu umgehen sind. Genaue An gaben lassen sich natürlich über solche geschäftlich vertrauliche Vorgänge nicht machen, doch geben schon die oben mit- getheilten Zablen und andere Beobachtungen an die Hand, daß es hauptsächlich die englischen Colonien sind, zu deren Versorgung wir unS der Vermittelung ihres Mutterlandes bedienen — ein Verbältniß, das, unbefangen betrachtet, nichts Unnatürliches an sich hat. Unsere Industrie macht davon übrigens nur Gebrauch, soweit sie ihren Vortbeil dabei findet. Würden diese Verbindungen plötzlich zerrissen, so wäre das zweifellos ein Schaden für den englischen Handel, Graf Heinrich VI. von Neuß ii. Q, kursächsischer und kaiserlicher General-Feldmarschall. Ein Gedenkblatt zum 11. September, dem Tage der Schlacht bei Zentha im Jahre 1697. Nachdruck verboten. Noch immer finden die Helden deS Altertbums und des Auslandes, deren Thaten oft sagenhaft und daher uner wiesen sind, eine große Zahl Verehrer und Freunde, während wahrhaft eckte deutsche Helden, deren Thaten zur Genüge verbürgt sind, nock nicht die Würdigung und Wertschätzung erfahren, die sie verdienen. Zu einem dieser Helden gehört auch Graf Heinrich VI. von Neuß älterer Linie, dessen thaten- und ruhmreiches Leben aus Anlaß der zweihundertjäbrigen Wiederkehr des Schlackttages von Zentha, in welcher Schlacht die Türkenmacht im Osten Europas für immer vernichtet ward und an deren glücklichen Ausgange Graf Heinrich als hervorragendster Führer so rühmlichen Antbeil nahm, im Nachstehenden ins reckte Licht gerückt werden soll. Graf Heinrich VI. war der älteste Sohn deS Grafen Heinrich I., kaiserlichen Generalfeldwachtmeisters, eines uner schrockenen, kühnen Helden von gewaltiger Leibesstärke und Größe. Geboren ward Heinrich VI. auf dem oberen Schlosse zu Greiz am 7. August 1649, seine Mutter war Sibylla Magdalena, geborene Burggräsin von Kirchberg; bei der häufigen Abwesenheit des VaterS, der als kaiserlicher General feldwachtmeister wiederholt und längere Zeit gegen fränkische Raubsucht und Uebermuth zu Felde lag, siel ihr die Erziehung des stattlichen jungen Herrn fast allein zu. Mit dem 18. Jahre trat er zu seiner weiteren Ausbildung eine Reise durch Deutschland und Frankreich an und kam, mit feinem Anstande und Wcltkenntniß bereichert, gesund und frisch in seine Heimath zurück. Von seinem Vater hatte er nicht nur den riesenhaften Leib — er maß über sechs Fuß — sondern auch dessen kriegerischen Geist geerbt, den er von seinem zwanzigsten Jahre ab in den Dienst der deutschen Sache stellte. Zunächst trat er in kurbrandenburgische Dienste, dann in die des Bischofs vom Münster, als dieser aber wegen seiner Ver bindung mit Frankreich in ReichSacht erklärt ward, verließ er ihn und begab sich in die Heimatb. Durch sein würdevolles Auftreten, sein anmutkiges und leutseliges Wesen, sowie durch die strengste Gewissenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit — „deutsche Redlichkeit und Offenheit" war sein Wahlspruch — erwarb er sich bald die völlige Zuneigung aller derer, die mit ihm in Berührung kamen. Sein frommer gläubiger Sinn betbätigle sich dadurch, daß er nicht nur für das leibliche, sondern auch für daS geistliche Wohl seiner Unter gebenen getreulich sorgte und im Heere auf Zuckt und Gottesfurcht dielt. Im Jahre 1674 vermahlte er sich mit der Wittwe des Freiherrn Ferdinand von Biberstrin, einer geborenen Gräfin Reuß Lange genoß er nicht die trauliche Stille der Heimatb, ol der stets ländergierige Ludwig XIV. von Frankreich Holland zu erobern trachtete, trat er in holländische Dienste und zeichnete sich besonder- 1676 bei der Belagerung von Mastricht rühmlichst durch seine unerschrockene Tapferkeit aus. Bei der > Erstürmung dieser Festung ward fast sein ganzes Bataillon ausgerieben, eine Flintenkugel verwundete ihn am Kopfe, so daß er auf Lanzen als todt aus dem Kampfgetüminel ge tragen wurde; doch erholte er sich rasch und kehrte in den Kamps zurück und trug wesentlich dazu bei, daß die Franzosen geworfen wurden. Andauerndes Unwohlsein nöthigte ibn, dem Kriegslebcn einstweilen zu entsagen, in dieser Zeit widmete er sich in ernster Hingabe dem Wohle seiner Untertbanen, denen er alle Zeit ein freundlicher, leutseliger und freigebiger Herr war. Den Wohlstand suchte er dadurch zu fördern, daß er auS Frankreich um ihres Glaubens willen vertriebene Prote- tanlen in seinem Lande aufnahm und durch diese in Greiz die Tuckmacherei heimisch zu machen suchte. Im Jahre 1681 war sein Vater gestorben und Heinrich VI. übernahm mit seinen beiden jüngeren Brüdern gemeinschaftlich die Negierung des Landes, bald nach seinem Regierungs antritte trat er in kursächsische Dienste und fand bald Gelegenheit, sich 1683 vor Wien mit seinen Sachsen rühmlich auSzuzeichnen. In der Schlacht am Kahlenberge batten die Sachsen den ersten Ansturm der Türken auszuhalten, Graf Heinrich's Regiment legte eine besondere Tapferkeit an den Tag, sechzehn Stunden lang kam Heinrich an diesem Tage nicht aus dem Sattel, für die bewiesene Umsicht und Tapfer keit ward er selbst vom Obrist zum Generalmajor befördert, batte er doch wesentlich durch sein Verhallen zum Siege bei getragen. Das Jahr 1689 brachte Heinrich neue kriegerische Lorbeeren; 1688 unternahm Ludwig XIV. einen neuen Raubzug in die gesegnete Pfalz, der Kurfürst von Sachsen eilte mit 15 000 Mann der bedrängten Pfalz zu Hilfe, um den weiteren Ver heerungen und dem weiteren Verdrängen der Franzosen Einhalt zu thun, doch der einbrechcnde Winter ließ es zu weiteren erfolgreichen Unternehmungen nicht kommen. Erst nachdem der Winter zu Ende gegangen und im Frühjahr 1689 sich unter Karl von Lothringen ein Heer von 60 000 Mann gesammelt, konnte man daran denken, das vom Kurfürsten von Mainz freiwillig überlieferte Mainz wieder zu nehmen. Zu dem Zwecke ward die Stadt regelrecht ein geschlossen und belagert. Am 10. August unternahmen die Belagerten einen Ausfall gegen die Belagerer, der sich hauptsächlich gegen die Sachsen richtete. Heinrich VI. warf an der Spitze seines Regimentes den Feind wiederum in die Stadt zurück, wobei er durch einen Streifschuß am Kopse verwundet ward. Bei dem Sturme auf die Citadelle, an dem er trotz der Kopfwunde lebhaften Antbeil nahm, zerschmertterte eine Gewehrkugel Heinrich's linken Oberarm. Kurfürst Max Emanuel von Bayern, der dies gewahrte, eilte sofort herbei, riß ein Tuck von seinem Halse, um damit Heinrich s Wunde zu verbinden. In Folge dieser schweren Verwundung und deS großen Blutverlustes konnte er an dem weiteren Sturm nickt theilnebmen, die Ver wundungen waren so schwere, daß man für seine Leben besorgt sein mußte. Für dieses rühmliche Verhalten und für den bewiesenen, anspornenden Eifer ehrte Kurfürst Johann Georg den verwundeten Helden dadurch, baß er diesem vor dem feierlich ausgerücktcn sächsischen Heere den Commantzostab des Generallieutenants überreicht; in seiner rotben Uniform» den linken Arm nock in einer schwarzen Binde tragend, empfing Heinrich diese hohe Auszeichnung. Wenige Jahre später sollte Heinrich's Sieges- uud Nuhmes- kranz in noch hellerem Lichte erstrahlen. Als Kurfürst Friedrich August von Sachsen 1695 den Oberbefehl über die kaiserliche Armee gegen die Türken übernahm, befehligte Heinrich VI. als Generalseldmarschall die sächsischen Truppen und machte 1696 die Schlackt bei Temesvar mit, trotzdem Heinrich von Gicht und Fieber geplagt ward, wich er an diesem Tage trotz der Abmahnung seines Herrn nickt von seinem Posten und behauptete seine Stellung siegreich gegen den Feind. Unter Prinz Eugen von Savoyen ward Heinrich Oberbeseblshaber der sächsischen und brandenburgischen Hilfstruppen. Bei Eugen hatte Heinrich's Stimme im Kriegsrathe eine besondere Geltung, seiner ge wichtigen Stimme war eS insonderheit zu danken, daß Eugen trotz des Abrathens einiger älterer Generäle beschloß, die Türken in ihrem wohlverschanzten Lager bei Zentba an der Theiß am 11. September 1697 anzugreifen. Die an rückenden kaiserlichen Truppen wurden von den Türken mit einem fürchterlichen Geschützfeuer empfangen. Allen voran stürmte Heinrich dem feindlichen Lager zu, bald trafen zwei Kugeln sein Pferd, Heinrich blieb im Sattel und auch dann, als eine Büchsenkugel ihm den rechten Arm zerschmetterte. Etliche höhere Ossiciere baten ihn, das Kampffeld zu verlassen, da er aber merkte, daß die Seinen seiner Verwundung wegen zu wanken begannen, rief er „Ihr müßt nicht meinen, daß ich euch verlassen werde! Ich sehe Wohl, daß anjetzo redlich gefochten und rühmlich gestorben sein muß. Ich will mit euch siegen und sterben und begehre auch nicht, daß Jemand das Geringste mehr thuc, als ihr sehen werdet, das ich thue!" Da ter rechte Arm ihm den Dienst ver sagte, nabm er den vom Blute gerötheten Degen in die linke Hand und führte die Seinen zum weiteren Angriff vor, wobei sein Pferd einen drillen Schuß durch den Hals erhielt. Gegen 5 Uhr Nachmittags konnte Prinz Eugen eine Batterie derartig auffabren lassen, daß diese die Brücke, die die Türken über die Theiß hatten erbauen lassen, sowie die Türken selbst in Stücken beschießen konnte. Dies richtete unter denselben eine heillose Verwirrung an. Diesen günstigen Augenblick benutzte Graf Heinrich, er setzte das gesammte Fußvolk in Sturm gegen die Wälle, im Nu ward die erste und zweite Verschanzung genommen und unter den Feinden ein furcht bares Blutbad angerichtet. In größter Bestürzung und Ver wirrung flohen die Feinde der Brücke zu, die unter dem Feuer der kaiserlichen Geschütze stand, unter der Last der Fliehenden brach diese zusammen, und Tausende fanden in den nassen Fluthen ein frühes Grab. Im weiteren Verlaufe des Kampfes batte Heinrich noch drei weitere Kugeln er halten, trotzdem stürmte er seinen Truppen voran gegen die an der Brücke aufgefahrene Wagenburg. Hier traf ibn eine Büchsenkugel in das linke Bein und zerschmetterte eine Hand breit unter der Hüfte den Schenkelknocken. Sein Pferd batte noch einen vierten Schuß durch den Bauch er halten, trotzdem trug eS den kühnen tapferen Helden noch aus dem Kampfgewühle zurück, wobei der Stallmeister Iona« Kettner aus Greiz ibn geleiten mußte. Mit Mühe bob man den todtwunden Helden vom Pferde und legte ibm die ersten Verbände an, am vierten Tage brachte man ibn nach der Festung Szegedin; die in den Oberarm eingedrungene Kugel konnte bald entfernt werden, doch die im Schenkel sitzende fand man nicht; die Folge davon war, daß sich der Zustand Heinrich's verscklim-1 werte. Als er dies merkte, ließ er sich das heilige Abend mahl reichen, nach dem Genüsse desselben äußerte er: „Ach, wenn ich dock nach der jetzt vollbrachten Versöhnung mit Gott terben sollte!" Doch dieser Wunsch sollte erst nach drei Wochen dem gläubigen Dulder und Helden erfüllt werden. Wie er gelebt, so starb er auch: noch im Tode war und blieb er ein großer Held, voll von Gottvertrauen, festem un erschütterlichen Glauben und einer Ruhe, die nur ein durch und durch geläutertes Herz im Angesichte des Tode- be- wabren kann. Die schmerzlichen Wochen seines Krankenlagers batten noch einige Lichtblicke. Ein äußerst gnädiges kaiserliches Handschreiben, in dem seine Verdienste voll und ganz an erkannt wurden und durch welches er zum kaiserlichen Feld- marsckall ernannt ward, sowie die Ankunft seiner geliebten Gemahlin bildeten dieselben. Nach der Ankunft derselben chien eine merkliche Besserung in seinem Zustande ein- gitreten, er aber ließ sich dadurch nicht täuschen, sondern prach mit seiner Gemahlin viel von seinem bevorstehenden Tode, von seinen Kindern, von der Lage seines Lande- und der seiner Diener. Am 18. October verlor sich der Scklaf, heftiges Wundsieber, verbunden mit gesteigerten Schmerzen und stetes Erbrechen stellten sich ein. Dies er kannte Heinrich als nabe Boten des Todes, „Kinder, nun werde ich sterben!" Der Generalstabssecretair las einige Sterbegebete und endete diese mit der Bitte um Verlänge rung des Lebens, doch dies verwies ihm Heinrich ernstlich und fragte, warum er nickt vielmehr bete, daß Gott ibn bald auflösen und sein herzliches Verlangen nach dem ewigen Leben erfüllen wolle. Endlich, den 21. October 1697 brach sein Todestag an, es stellte sich ein starker Schlucken ein, der sein Herz heftig bewegte, er seufzte: „Ach, wenn doch mein Gott nicht so lange außen bliebe, mich verlanget so sehr nach dem Himmel!" Noch einmal verband der Arzt die Wunden, die Mattigkeit nahm zu, die Sprache ward schwerer, er sprach die Sterbegcbete nach, auf seinen Wunsch segnete ihn der Feldprediger Kleemann ein, dann drückte er selbst seine Augen zu und gab bei völligem Bewußtsein ruhig und gefaßt im festen Glaube» an seinen Erlöser unter den Gebeten nnd Thränen der Seinen seinen Geist auf im achtundvierzigsten Jahre seines Lebens. DaS war das Ende eines echt christlichen deutschen Helden. Heinrich- Leichnam ward einbalsamirt, im feierlichen Zuge unter Kanonendonner bis an die Brücke geleitet, von wo aus ihn der Stallmeister Kettner nach Greiz brachte, wo der Leichnam am 22. December anlanate und feierlichst in einem metallenen Sarge in der Gruft der Kirche bei gesetzt ward; auch sein getreues Schlachtroß wurde, nachdem eS von seinen Wunden geheilt worden war, nach Greiz ge bracht, wo eS bis zu seinem Ende verpflegt ward. Es er reichte em Alter von dreißig Jahren. Die Bewohner des FürstentbumS Neuß ä. L. rüsten sich schon seit längerer Zeit, den Tag von Zentba festlich und würdig zu feiern und dabei deS Grafen Heinrich VI. in gebührender Weise zu gedenken; nickt allein die Bewohner dieses Lande-, sondern alle Deutsche, hauptsächlich aber daS sächsische Volk bat Veranlassung, diese Feier im Geiste mit zu begehen und dem kühnen, tapferen, frommen Helden den Dank zu bringen, auf den er für alle Zeiten ein Anrecht sich erworben hat.
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