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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189709192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970919
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-19
- Monat1897-09
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1897
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. (kptra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60.—, mit Poslbesörderung 70.—. Ännahmeschluk für Änzeigen: Abend-Ausaabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 478. Sonntag den 19. September 1897. 9t. Jahrgang. Aus der Woche. Jeder Tag bringt jetzt lange Erklärungen der um die Mitwirkung bei der Vorbereitung der Handelsverträge ringenden Körperschaften. Wir gehen auf dieselben nicht näher ein, weil die verschiedenen Anschauungen und Absichten nicht ganz durchsichtig sind und weil die Entscheidung demnächst fallen dürfte, da bereits am 25. d. M. im Reichsamt des Innern eine erste Conferenz über die Gestaltung der Vor- bereitungsarbeitcn staltfinden wird. Zu dieser Conserenz sind, wie mitgctheilt, von der Regierung auch Vertreter der (durch tcn Verein der chemischen Industrie angeregten) Eentralstelle geladen. Als Thatsäckliches ist noch zu erwähnen die Crklärung des deutschen Landwirthschaftsrathes, wonach seine mit oem Centralverbande der Industriellen angeknüpften Verhandlungen zu einem Abschluß noch nicht geführt haben. Tie Frage der Handelsvertägc wirft ihre Wellen übrigens auch in das socia ld emokra tisch eLager. „Die Genossen" des ersten Berliner Neichtagswablkreises haben mit allen gegen eine Stimme folgenden Antrag beschlossen: „In Anbetracht, daß m ter Partei über die Handels- und Zollpolitik verschiedene Meinungen vorhanden sind, erscheint es angebracht, auf dem Parteitag 1898 die Frage zu behandeln: Die Stellungnahme ter Socialdemokratie zur allgemeinen Handels- und Zoll politik." Die Meinungsverschiedenheiten, von denen der Antrag spricht, sind in der Presse hervorgetreten. Die Behandlung der Angelegenheiten der Uebersch wem in ten und der Eisenbahnfrage wachsen sich geradezu zu csscnllichen Ealamitäten in Preußen aus. Was die letztere angcht, so wird vielleicht in der Presse das Moment des häufig beobachteten Zusammentreffens gleichartiger unglück licher Zufälle, die „Multiplicität der Ereignisse", nicht genug bervorgehoben. Die Eiscnbahnverwaltung hat wirklich ein Necht, sich über ihr „Pech" der letzten Wochen zu beklagen. Aber Alles deutet darauf hin, daß nicht das Kismet, sondern ein falsches System die meisten Unfälle verursacht hat und, wenn kein giündlicher Wandel eintritt» weitere nach sich ziehen muß. Bei den Beamten wird hinsichtlich der Quantität und Qualität offenbar über das erlaubte Maß hinaus gespart, bei der Beschaffung des Materials werden zwar hohe, viel leicht übertrieben hohe Ansprüche an die Gute gestellt, aber tiefe können einfach nickt befriedigt werden, weil zugleich» eine imaugemessene Preiödrückerei getrieben wird. Manche Miß stände mögen ja wohl ans Versäumnisse der Aera Maybach- Scholz zurückzusühren sein, aber bei einigen der letzten Un- glücksfälle ist die Verlegung der Sckuldfrage in eine fernere Vergangenheit geradezu ausgeschlossen. Unerträglich, so viel ist klar, gestaltet sich die Lage der Beamten, die mit unausführbaren Instructionen belastet sind, aber straf rechtlich hasten, wenn die Nichtausführung einen Unfall berbei- gcführl hat. Im klebrigen dürfte die Nichtausführung manchmal lhatsächliche dienstliche Vorschrift sein, deren Nichtbeachtung sich für den Beamten nicht empföhle. Aus den verschiedensten Gründen thut Abhilfe notb, selbst aus rein politischen; hat die umstürzlerische Presse doch schon begonnen, die — durchaus revolutionäre — Agitation des socialdemo- lialischen Eisenbahner-Verbandes als im Interesse des reisen- den Publicums gelegen binzustellen. In Wahrheit birgt, wie auch auf dem Straßburger Verbandstage der deutschen und österreichischen Eisenbahnbeamteu-Vereiue stark betont wurde, jene socialrevolutionäre Propaganda eine zukünftige allgemeine Gefährdung des Betriebes in sich. Daß das Publicum in solchen Dingen nur das Nächstliegende sieht, ist aber eine zu oft gemachte Wahrnehmung, als daß die social demokratische Ausbeutung der Eisenbahnverhältnisse nicht sehr erlist genommen werden müßte. Ganz in dasselbe Capitel, wie das Verhalten der preußischen Finanzverwaltung — sie ist die Verantwortliche — in der Eisenbahnsrage, gehört ihr Auftreten oder Nicht auftreten gegenüber der Ueberschwemmung. Es will nichts geschehen. „Die Prvvinzialbehörden haben keine neuen An- sorderungen gestellt" nnd natürlich: houetieiu uou ccktiucluutur. Ein Bericht mit Vorschlägen, so hieß cs vor Wochen, befinde sich im Eabinet des Kaisers und solle, wenn Entscheidungen gefallen seien, veröffentlicht werden. „WaS ist aus diesem Berichte geworden?" fragt die „Nationalzeitung". Man weiß übrigens auch nicht, ob etwas und WaS auf ältere Anforderungen der Prvvinzialbehörden ge schehen ist. Wie es heißt, stützt sich die Zurückhaltung des Herrn vr. von Miquel ganz besonders auf die durch frühere Erfahrungen gerechtfertigte Besorgniß, von etwaigen Staats mitteln könne manches an den Unrechten gelangen. Höchst wahrscheinlich. Aber das wird bei den Spenden der Privat- wohlthätizkeit, der man so überaus zuvorkommend die „langen Stiefeln" zuerkannt hat, erst recht der Fall sein. Die Gefahr des Mißbrauchs wäre eine bequeme Aus rede, weiter nichts. Die Behandlung der Sache ist doppelt unbegreiflich, da die positiven Elemente der Bevölkerung ja „gesammelt" werden sollen. Setzt man bei den Ueber- schwemmungsgebieten, die in ihrer Noth von der Regierung nichts sehen und nichts hören, besondere Geneigtheit voraus, während der nächsten Wahlen sich für Candidaten zu ereifern, die die Regierung durch außerordentliche Geld bewilligungen zu unterstützen gesonnen sind? Wahrscheinlicher ist, daß die radicale Agitation obsiegt, die u. A. darauf ver weisen kann, daß der jetzt mit zugeknöpften Taschen einher wandelnde Finanzminister zehn Millionen Mark Staats mittel für den überflüssigen Prunkbau einer Berliner Hof kirche zur Verfügung gestellt hak. Die Verwahrung des hessischen Oberconsistoriumö gegen die päpstliche Encyklika zum Canisius- Jubiliäum hat nicht daS Glück, der ultramontanen Presse zu gefallen. Dieser Erfolg war auch nicht vorauszusehen. Ebensowenig kann man sich darüber Wundern, daß die „Germania" die Zurückweisung der den evangelischen Glauben beschimpfenden Worte und nicht diese für eine Gefährdung des „friedlichen Zusammenwohnens der Con fessionen" erklärt. Es ist alte Jesuilenmethode, als Angreifer sich auf den Ucberfalleneu binauszuspielen. Sonst feiert aber die jesuitische Dialektik in der Expecloration der „Germania" keinen Triumph. Das Eonsistoriun: selbst hat in seiner nackdrücklichen, aber maßvollen Verwahrung von vornherein den gemachten Einwänden den Boden entzogen, indem es ohne Selbstgerechtigkeit die Ver- besscrungsbedürftigkeit des Protestantismus für alle Zeitperioden eingeräumt und andererseits den noth- wendigen und allerdings peinlichen Hinweis auf den Stand ter Sittlichkeit in den rein katholisch gebliebenen Ländern nicht vermieden hat. Es blieb der „Germania" mithin nichts übrig, als die der geschichtlichen Wahrheit entsprechenden Sätze dcS Consistoriums in ungeschichtliche Unwahrheiten zu verzerren. Die vorübergegangenen Nebenwirkungen, wie sie bei einer das ganze Volksleben erfassenden Umgestaltung — und eine solche war allerdings die Reformation — niemals ausbleiben, werden als das Wesentliche bingestcllt. Zu dem Zwecke werden einige protestantische Schriftsteller angezogen, unter denen außer Friedrich v. Hellwald auch — was für das Ganze gewiß bezeichnend ist — der vergessene Schöngeist Fürst von Pückler-Muskau nickt fehlt! Etwas besonders Beweis kräftiges meint die „Germania" in den harten Anklagen wider die Sitten seiner Zeit zu finden, die von Luther selbst herrühren. Sehr mit Unrecht. Luther hat eben nach evangelischer Weise Sittlichkeit zu predigen gewagt, während der römische Klerus sich gern auf daS weniger schwierige und — vom Standpunkt der Kirchenpolitik — unter Umständen Weir dankbarere Geschäft deS Predigens von Gläubigkeit beschränkte. Die verschiedenen Wirkungen der verschiedenen Verfahren lassen sich heute noch bei einem Vergleich protestantischer Länder mit romanisch katholischen nackweisen. Die „Germania" hätte klüger ge handelt, wenn sie über diesen Punct geschwiegen hätte, wie sie auch besser berathcn gewesen wäre, wenn sie kein Un behagen verrathen hätte über die zutreffende und in dem Zusammenhang nothwendige Feststellung deS hessischen Con- sisloriumö, daß die bedeutendsten Vertreter des Protestan tismus von Anfang an vorhandene Mängel gerügt, an statt daß sie sich selbst für unfehlbar und die derzeitige Gestalt der Kirche für vollkommen erklärt hätten. Die Worte „sich selbst für unfehlbar erklärt", meint das Blatt, klängen wie Hohn und Spott. Aus dieser SinneSempsindung scheint fast das noch nickt beschwichtigte Gewissen eines ehe maligen offenen Gegners des Unfehlbarkeitsdogmas zu sprechen. Läßt sich der Papst, wenn er Encykliken verschickt, etwa nicht ex cutlieärs. vernehmen? Und gilt er nicht für unfehlbar, wenn er ex estlleära spricht? Oder hört man im deutscken katho lischen Lager am Ende gar von der päpstlichen Unfehlbarkeit nicht gern reden? Wie berichtet, sollen zahlreiche bereits verfügte Aus weisungen russischer Unterthanen wieder zurückgenommen worden sein. DaS „Volk" versichert, daß es sich um russische Juden handle. Dahin geht auch unsere Vermuthung. Denn von Ausweisungen russischer Landarbeiter, deren Hereinströmen eine dauernde Verdrängung der deutschen Arbeiter ans dem Osten nach sich zieht, ist schon längst nicht mehr die Rede. An diese Frage, vielleicht die wichtigste, die im Daseinskämpfe des DeutschthumS in den Ostmarken in Betracht kommt, rührt die Regierung nicht. Die englische Bank, sonst so vorsichtig, hat ihr Schicksal in die Hände Frankreichs gegeben. Sie will ein Fünftel ihrer Metalldeckung aus Silber bestehen lassen, wenn Frankreich die freie Silberprägung wieder einführt. Hoffent lich ist die französische Regierung edel genug, diese englische Unbesonnenheit nicht auszunutzen und auch künftighin kein Silbergeld nach der Relation 1:15>/z prägen zu lassen. Rückblick auf das Kaisermauöver. Von militairischer Seite wird uns geschrieben: Die Kaisermanöver haben nicht nur den Beweis für die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit in der Ausbildung aller Tbeile des deutschen Heeres, sondern auch für deren Vortrefflichkeit bei allen Truppen von Nord und Süd er bracht, was als ein unbestrittener Erfolg dieser in seltener Großartigkeit verlaufenen Uebungen angesehen werden muß. War die gesammte Veranlagung derselben auf einer strate gischen Grundlage aufgebaut, so kam doch auch die Taktik der verbundenen Waffen zu ihrer Geltung, und man kann füglich behaupten, daß mit dem diesjährigen Kaisermanöver in Bezug auf die Taktik ein neuer Zeitabschnitt für die Friedensübungen begonnen hat. Während man bei diesen bisher eigentlich nie über den Rahmen größerer Gefechte hinausgekommen war, sahen wir diesmal von vornherein die Taktik der rangirten Schlacht mit einem Massenaufgebot von Truppen, wie es bisher noch in keinem Heere erfolgt ist; also auch in dieser Hinsicht bat das deutsche Heer den Vortritt genommen. Die Schwierig keiten einer solchen rangirten Schlackt bestehen vornehmlich darin, daß die einzelnen Truppen- und Gefechtseinheiten sich nicht nach Belieben frontal ausdehnen können, sondern ausnahms los einen bestimmten Platz angewiesen erhalten, dessen Raum sie nicht überschreiten dürfen, wenn nicht die Be hinderung einer Ncbenabtheilung die Folge davon sein soll. Dabei ergab n sich naturgemäß Reibungen für die Leitung und Besehls ü.»rnng, welche nur durch gegenseitiges verständnißvolles Eingehen auf die augenblickliche Lage be hoben werden können. Auch in der Taktik der einzelnen Waffen ergaben sich mancherlei Nutzanwendungen, aus die wohl schon früher in Schriften lnngewiesen war, die aber hier zum ersten Male zum Ausdruck kamen. So scheint man nicht mehr auf dem möglichst nahen Herangehen der In fanterie, ohne einen Schuß zu thun, unter allen Umständen bestehen zu wollen; ein solches Verfahren ist im Ernstfälle um so weniger durchführbar, wenn der Gegner das Feuer bereits eröffnet bat. Dann giebt es unnütze Verluste, ohne dem Feinde solche znfügen zu können. Der Einwand, daß nichtgezieltes Feuer auf weite Entfernungen so gut wie Munilionsverschwendung ist, erscheint übertrieben und nicht mehr stichhaltig; denn auch dieses Feuer führt Verluste herbei, wie uns von dem Chassepotfeuer 1870 noch recht gut in der Erinnerung ist. Wo die Gelände verhältnisse es gestatten, auch mit dicht entwickelten Schützenlinien ohne Feuer möglichst nabe an den Gegner heran- zukommen, wird man cs stets thun müssen; sobald man dabei aber nur einigermaßen Verluste erleidet, wird man, schon der moralischen Wirkung halber, selbst schießen müssen. Bei den verflossenen Manöver» wurden die Jnfantcrieangriffc wieder holt bis zu Ende durchgeführt; eS ist dies anzuerkennen, weil die Truppen lernen müssen, daß ein angesetzter Angriff bis zur Entscheidung durchzusühren ist. Bei dieser Gelegenheit bat sich auch die Stärke der Defensive in vorbereiteten Stellungen ergeben, welche von In fanterie und Pionieren gemeinschaftlich in ausgedehntem Maße zur Anwendung gekommen waren und an denen ter Angriff des Gegners wiederholt scheiterte. Alle die Stellungen waren stets so eingerichtet, daß der Vertheidiger in jedem Augenblicke zur Offensive übergehen konnte. Die in Folge der Neubewassnung der europäischen In fanterien mit dem kleincalibrigen Gewehr entstandene Ausfassung von der ferneren Unmöglichkeit geschlossener Cavallerie- attacken ist in dem Manöver gründlich widerlegt worden. Wenn zwölf Reiterregimenter gegen das Centrum des Geg ners eine Attacke durchführen können, was im Ernstfall natürlich von starken Verlusten begleitet sein wird, so darf man zugeben, daß die Stoßkraft der Reiterei in demselben Maße wie früher ausgenutzt werden kann; die Aufgabe der Cavallerie als Aufklärung«- und VerdeckunzSlruppe erleidet dadurch keinerlei Beschränkung. Auch für die Feldartillerie ergaben sich bemerkenSwertbe taktische Erfahrungen; sie hat den Angriff vorzubereiten und muß bestrebt sein, in möglichst großer Geschützzabl gleichzeitig in den Artilleriekampf einzutreten, um sich die Feuerüberlegenheit zu verschaffen und zu sickern. Dann heißt es der angreiscnden Infanterie freien Weg schaffen und sie mit Geschützfcuer begleiten, wozu ein Stellungs- wechsel im Vorgehen nicht gescheut werden darf, unk wäre es selbst bis in die Zone des feindlichen Jnfanterieseuers hinein. Ohne weiter auf Einzelheiten einzugeben, kann man feststellen, daß die Kaisermanöver gezeigt baden, wie große Fortschritte die Taktik der verbundenen Waffen auch in der großen Schlacht bei uns gemacht bat; gerate auf diese aber muß hingearbeitet werden. DaS kleine Gefecht wird in den Kriegen der Zukunft mehr als je eine Nebenrolle spielen. Deutsches Reich. * Leipzig, 18. September. Die Verlagsbandlpng D u ncke r L Humblot theilt uns mit, daß die von Pros. Dv. Erich Marcks verfaßte Lebensbeschreibung Ka iser Wilhelm's I. als Sonderabdruck aus der „Allg. deutschen Biographie" Ende der nächsten Woche in Buchform erscheinen wird. * Berlin, 18. September. Nach dem Bingerbrücker Eisenbabnunfall war von amtlicher Seite gesagt worden, daß der als schuldig bezeichnete Lokomotivführer „ein älterer, mit den in Betracht kommenden Verkältnissen vertrauter Beamter" gewesen sei, der „den zur Sicherung des Betriebes gegebenen grundsätzlichen Bestimmungen eutgegcngehandelt babe". Nun hat man aber gleich nachher erfahren, raß der Beamte mit den Bahnhofsverhältnissen in Bingerbrück ganz unbekannt gewesen ist, so daß man ihn unmöglich als mit den Verhältnissen vertraut bezeichnen kann. Jetzt wird überdies von der „Köln. Volksztg." mitgetbeilt, daß der Mann vor dem Unfall einen übermäßig langen Dienst gehabt habe, nach dem man ibm ras begangene Versehen kaum noch als Schuld anrcchnen könnte. Die Mittbeilung des Kölner Blattes lautet: „Der Lokomotiv führer stand zur Zeit des Unfalles am Ente eines sehr anstrengenden Dienstes. Eine Tour seines regelmäßigen Dienstes zwingt ihn stets, zwei Nächte nach einander draußen zu übernachten. Dies Uebernachlcn ist gehaßt, da es vielfach ans einfachen Matratzen, sogenannten „Säcken" ge schehen muß. Dies Mal waren dem Manne nur in einer Nacht etwa secks Stunden dieser Rübe gegönnt. Donnerstag Nachmittag 3 Uhr war er erst vom Dienst zurückgekehrt unk mußte dann Abends um 9 Ukr schon wieder bei seiner Loco- motive sein, da er um 10 Ukr einen Zug nach Mainz zu sabren hatte. Dort batte er jetzt „Sactrube", mußte aber, statt Morgens früh um 6 Uur, wie gewöhnlich, weiter fahren zu können, ui Mainz bis Abends 6 Ubr warten, wo er kann nack Frankfurt sabreu mußte. Dort angekvmmen, mußte er die Nackt durch seine Maschine bereit ballen für einen Sonderzng, dessen Eintreffen unbestimmt war, fuhr endlich um 4 Uhr mit diesem ab und landete dann um 8 Ukr in Bingen, Feuilleton. Der Noman )u Pferde. Von Rudolf v. Gottschall. Nacktruck verboten. In vormärzlicher Zeit war der Osficier nichts weniger als volksthümlich und erschien in Lustspielen und Schauspielen höchst selten und nur als episodische Figur auf der Bühne. In der Regel pflegten die Schauspieler derartige Rollen zu karikiren und selbst der harmlose Lieutenant in „Dorf nnd Statt", welchen Frau Birch in keiner Weise komisch gefärbt hat, wurde oft mit unangenehm schnarrendem Organ und geckenhaftem Wesen zur Belustigung des PublicumS gespielt. Dies änderte sich gänzlich nach den großen Kriegen — ter Lieutenant wurde volksthümlich, eine LieblingSfigur auf der Bühne, liebenswürdig, sympathisch, trotz seiner kleinen schwächen. Mil Bezug hierauf schoß Gustav von Moser den Bogel ab; sein übertrieben galanter Veilchenfreffer, sonst ein charakterfester und ehrenhafter Herr, spazierte Jahrzehnte hindurch auf allen deutschen Bühnen, von dem Publicum mit dem lebhaftesten Beifall begrüßt, nnd ihm folgte mehr jüngiinghast Reif-Reiflingen mit seiner berzerwärnienden Naivetät. Seitdem kein Lustspiel, kein ConversationSstück ohne Lieutenant, sowie ja kein Salon, keine feinere Gesell schaft, kein Ball ohne Lieutenant denkbar ist. Moser und seine Schule schrieben immer neue Lieutenantsstücke; aber auch in anderen Lustspielen, wie „Goldfische" spielte der Lieutenant eine wichtige Rolle; eS fehlte nicht viel, so wurde er eine Art von Rollenfach und eS gab Schauspieler, die überall als Lieutenant gastirten und sich nur in der schmucken Uniform wohl und behaglich und im Vollbesitz ihrer Leistungs fähigkeit fühlten. Doch auch ein tragischer Held konnte der junge Osficier werden, wenn auch nur in einem Act, wie Fritzchen in dem Sudermann'schen „Morituri", welcher in Bezug aus tragische Wirkung selbst den Gothen TejaS ausstach. Tie blanken Uniformknöpfe, die rothen Kragen und Auf schläge und der rasselnde Säbel thaten natürlich auf der Bühne ihre Schuldigkeit; sie boten ja Mädcken nnd Frauen dieselben Augen wieder wie die über die Promenade wandernden oder mit HeereSmacht vorbeimarschircnden Officiere; doch daS schaulustige Damenpublicum, das nickt immer in Logen und Parquet sitzen konnte, mußte sich auch mit dem „gelesenen" Osficier begnügen, dessen Pkantasicbild aus der Romanlectüre vor seines Geistes Augen erstand. Was er da an Anschaulichkeit verlor, daS gewann er wieder an der größeren Bewegungsfreiheit, die ihm der breite Raum deS Romans gestattete. Da erschien er in allen möglichen militairiscken Schauspielen und sonstigen Situationen und Toiletten, in der Caserue nnd im Casino, auf dem Exercir- nnd Paradeplatz, im Ballsaal und Boudoir — und die galanten Abenteuer, die daS Licht der ProsceniumSlampen nicht vertrugen, fanden in den Nomancapiteln eine will kommene Zuflucht. Hier und dort erinnerten sich die Autoren deS seligen Julius v. Voß und des ausschweifenden mili- tairischen JunkertbumS, daS vor der Schlacht von Jena sporenklirrend über daS Berliner Straßenpflaster stolzirte -- daS waren auch LieutenantSromane von zügelloser Ungebunden beit, in denen die Marketenderinnen eine nicht weniger dreiste Nolle spielten, als im „SimplicisstmuS" — und der Roman, der unter der Fahne der nackten LcbenSwabrbeit marsckirt, konnte nach jenem höchst nngenirten Vorgänger binübersckielen, wenngleich man ttu cko siöcle den Teufel etwas überzuckern mußte, der beim Beginn desselben in seiner unversüßten Natürlichkeit herumlief. Doch auch der Familienroman, der für die auf den Titel umschlägen andächtig lesenden Mädchen bestimmt war, konnte sich ohne den Lieutenant nickt mehr behelfen, wie ja die Er zählungen deS Militairarzttöckterleins W. Heimburg beweisen, in denen meistens ein junger, mit zweierlei Tuck behafteter Herr eine Hauptrolle spielt. Und wenn diese Romane eine sonnigwarm beleuchtete GemütbSwelt uns vorfübrcn, so ist der junge Lieutenant dabei meist in den Schatten gerückt; er ist der Störenfried, der seinen Eltern und Geschwistern große Sorgen macht, alle seine Verwandten anpumpl und bisweilen dickt vor dem militairisckcm Krack steht, vor schlichtem Abschied, Selbstmord und anderen Unannehmlich keiten, die aber mit mild fürsorglicher Hand, wenigstens von W. Heim bürg, bei Seile geschoben werden; denn sie liebt die erschütternden Katastrophen nicht, weil sie weiß, daß ihre Leserinnen sie nicht lieben. In der Regel wird am Schluß bei der Rückkehr des verlorenen Sohnes ein Kalb geschlachtet. Immerhin ist der Osficier in diesen Erzählungen nur eine Ronianfigur wie die anderen und das eigentliche mili- tairisckc Milieu konnte eine Dame nicht schildern. Das war die Aufgabe der Officiere selbst, und in der Tbat stellen sie jetzt ein höchst bedeutendes Contingent zu den Romanschrift stellern— die jüngeren pensionirren Officiere, die aus irgend welchen Gründen, meistens auS Kränklichkeit, den Dienst quittirt haben, vertauschen das Schwert mit ter Feder oder vielmehr trotz des Spruches in „Wallenstein s Lager": DaS Schwert ist kein Spaten, kein Pflug, Wer damit ackern wollte, wäre nicht klug, ackern sie mit dem Schwert in den Furchen der Literatur. Da wird das militairische milisu mit großer Breite geschildert, wie in dem zweibändigen Roman „Sylvester Geyer" von Freiherr» von Ompteda, einem biographischen, zum Tbcil wohl autobiograpbischen Werke, in welchem die Leben»starien des jungen OfficieiS, Caketlcuhaus, KiicgSschule, Garnison dienst in kleinen Städten mit einer eingehenden Sorgfalt geschildert werden, die uns bisweilen an die Sckissslisten des Homerö erinnert; denn es febll sogar nickt an phantasie vollen Ergänzungen der Rangliste, indem das ganze lSfficicr- corpS eines Regiments Namen für Namen aufgefübrl wird — und alle diese Namen bat ter Verfasser erfunden. Das Romanhafte kommt dabei wenig zu seinem Reckte — ganz anders in dem Roman „Leidenschaft" von Felix von Steiigliu — da ist der Held ein Wertder in Uniform, der mit seiner Lotte in den Tod gebt. Dock das sind alles Officiere, die bei ter Infanterie stehen — mit der Cavallerie beginnt erst daS wahre Leben. Da tritt der „Roman zu Pferde" in seine Reck'ie, obschon der selbe auck außerhalb der Reiterregimenter seine Rolle spielt. In ter Tbat, wer jetzt nicht Reitskunke gehabt bat, der darf die Feder nicht in die Hand nehmen, ihm fehlen ja alle Vor auSsetzungen, um lebenswahr au Milieu zu schildern, das gar nickt mehr entbehrt werden kann. Salonparfüm und Stall- Geruch — daS ist eine Mischung, die jetzt zu den modischen OdeurS gehört. Bleiben wir zunächst noch bei der Cavallerie, da ist uns Carl Baron Torresani der beste Führer in das österreichische Soldatenwesen — da herrscht eine Naivetät, welche sich oft ter derbsten AuSdrucksweise bedient. In den Kronländern nimmt man kein Blatt vor den Mund — und auck die Liebesgeschichten werden sehr resolut behandelt. Da gicbtS originelle Cbarakterkövfe unter diesen Neiterofsiciercn, wie in I den schwarzgelben Rcitergesckichten — der eckte Cavallerist. I Korpatsck, mit seinem überlangen, brcnnrotbcm Schnurrbart, I ter als Ortonnanzofsicier des Generals tcn Truppen ri»
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