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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970920012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897092001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897092001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-20
- Monat1897-09
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Dir Ikorgen.«»«gabe erscheint vm '/,7 Uh«, die Abend-Ail-gabe Wochentag» um b Uhr. Redactlon und Expedition: JohanneSgafie 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochru geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Dtt» Klemm'» Tortim. (Alfred Hahn), Untversität-siraße 3 (Paullnum), Loni» Lösche, Aatharinenstr. 14, part. und VS»ia»dl«d 7- VezugS'Preis ta dar tzauptexpedition oder deu km Stadt« bezirk und den Borortea errichteten And» gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4ckO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» bau» ^l b.S6. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich a.—. Liierte tägliche Kreuzbandsrudung in» <u»land: monatlich 7.S0. Morgen-Ausgabe. KiWM.TilsMÄ Anzeiger. Amtsblatt des Aötttglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Vottzei-Äintes der Ltadt Leipzig. t79. Montag den 20. September 1897. Aazeigeu-PreiS -le Sgespaltme Petitzelle rrO M. Rrclamen unter dem Redartion-strich (4ge« spalten) 50-4, vor den FamiUeanachiechte» (kgespaltta) 40 xi- Gröbere Schriften laut unserem Preis, vrrzrichntb. Tabellarischer und Zis/ernfatz »ach höherem Tarif. — Extra-Beila»kN (gefalzt), nur «litt de« Morgen-««-gab«, ohne Postbefvrderung ^ll SO.—, mit Postbeförderung 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab eud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au»gabe: Nachmittag» »Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» in LelVriL 91. Jahrgang. Stadtebilder aus Sachsen. Blaue» im Bogllaude. Nachdruck verboten. III. (Schluß.) Nm nun das Bild Von Plauen auch nach außen hin zu ergänzen, soll im Nachstehenden ein Rund gang durch die Stadt und deren angenehme, wechselvolle Um gebung unternommen werden. Der Reisende, ver auf dem oberen Bahnhofe ankommt und von dessen Beschaffenheit und Umfang einen Schluß auf Plauens sonstige Verhältnisse ziehen wollte, würde zu einem ganz falschen Urtheile gelangen; doch werden in nächster Zeit die BahnbofSverhäitnisse vollständig umgestaltet und hoffent lich der Bedeutung und dem Umfange des Verkehrs, der sich in Plauen vollzieht, entsprechend nmgebaut. Nachdem man den Bogen der Eisenbahnbrücke überschritten bat, ändert sich das Bild sofort zu Gunsten Plauens: es präsentirt sich so gleich als eine moderne, verkehrsreiche Fabrik- nnd Handels stadt mit breiten, äußerst belebten Straßen, freundlichen An lagen und Plätzen. Beim Eintritt in die Stadt fesselt unwillkürlich den Blick des Wanderers die königliche Industrieschule, deren Gebäude eine Zierde der Stadt geworden ist. Ist schon der großartige Ban, der in modernem Renaissancestil auSgesührt ist, an sich sehenswerth, so fesselt doch weit mehr das Innere den Besucher. Im Erdgeschoß befindet fick das Museum für Textilindustrie und die Frauen-Industrieschule, im ersten Obergeschoß die Musterzeichnerschule, die Frauen-Industrie- schule nnd der Ausstellungssaal für Gewerbetreibende der Stadt Plauen; im zweiten Obergeschoß befindet sich der pracht voll auSgestaltcte öffentliche Zeichensaal mit Bibliothek nnd Vorbildcrsammlnng. Die königliche Industrieschule darf man getrost als den Repräsentanten für die gegenwärtige Bedeutung Plauens bezeichnen, sie ist aus der städtischen kunstgewerblichen Fachzeichenschule hcrvorgegangen und 189l als Staatsanstalt eröffnet worden. In ihrer jetzigen Organisation ist sie that- sächlich eine Hochschule für die Textilindustrie, sie verfolgt den Zweck, der modernen Textilindustrie im weitesten Sinne zu dienen und junge Leute für dieselbe gründlich vor zubilden. Die hervorragendste Sehenswürdigkeit der Industrieschule ist daS Museum derselben. Schon der Raum, in dem die Sammlungen untergebracht sind, impouirt durch seine räum liche Ausdehnung nnd prachtvolle Einrichtung, er ist eine Säulenhalle von 36 m Länge und 10 m Tiefe, deren Ge wölbebau von 18 polirten Grauitsänlcn getragen wird. Die äußerst reichhaltigen Sammlungen, die von Jedermann unentgeltlich in Augenschein genommen werden können, find ausschließlich Erzeugnisse der modernen Textilindustrie und geben ein umfassendes Bild von der Leistungsfähigkeit derselben., Auf der weiteren Wanderung gelangt man an den mächtigen Albertplatz, auf dessen Mitte sich daö Sieges oder Kriegerdenkmal erhebt, das bereits am 2. September 1873 eingeweibt ward; außerdem erblickt man hier auch noch das Denkmal für den Ehrenbürger der Statt, das Denk mal für den Altreichskanzer Fürst Bismarck, da feit dem 1. April 1896 den Platz ziert. Dasselbe ist vom Bildhauer Haverkamp in Schönberg bei Berlin, einem Schüler Schaper's, entworfen. Der Platz ist ein ansehnliches Viereck mit zahlreichen schattigen Bäumen, Rasenteppichen und wohlgcpflegten Blumenbeeten, durch welche sich breite Promenadenwege hinziehcn. Die Nord- und Ostseitc dieses Platzes ist von stattlichen Wohn- und Geschäftshäusern umsäumt, welche sich ebenbürtig an die geschmackvollen Neu bauten der Bahnhofstraße und der anderen Straßen der Bahnhofvorstadt anfchließen. Wendet man sich vom Albertplatz nach rechts hin, so gelangt man durch die Ziegelstraße nach der Bärenstraße, in welcher sich daö in den Jahren 1888/89 erbaute imposante Gebäude der höheren Bürgerschule befindet; es ist die schönste von den sieben städtischen Volksschulen und ist lhat- sächlich als ein Musterschulhaus zu bezeichnen. Außerdem besitzt Plauen ein königl. Gymnasium, ein königl. Lehrerseminar und eine städtische Realschule, die sämmtlich in anspruchslosen Gebäuden unlergebracht sind; für das Seminar jedoch wird in der Neundorfer Vorstadt ein stattlicher Neubau aufgeführt. Weitere sehenöwertbe Gebäude der Stadt Plauen sind das Neichsbankgebäude und Logengebäude, das Gebäude der königl. Baugewerkenschule, denen sich das Ncichspostgebäude ebenbürtig anschließt. Dieser mächtige und architektonisch schöne Bau ward in den Jahren 1875 76 aufgesührt, eine besondere Zierde an ihm sind die Sgrasittomalereien und die zwei mächtigen gußeisernen Adler über dem Hauptportal. Auf dem unteren Thcile des Postplatzes erbebt sich zwischen prächtigen Baumgruppen das Iu l i uö-Mv sen- Denkmal, das auf Anregung des „Vereins Vogtländischer Studenten zu Leipzig" errichtet und am 8. Juli 1888 festlich der Oeffcntlichkeit übergeben ward. Zu diesen Denkmälern wird sich demnächst noch ein Denkmal für denGeneral- Fcldmarschall Graf Moltke zugeselleu; die Samm lungen zur Beschaffung der dazu nötkigen Mittel sind bereits im Gange, und bei dem oft bewährten potriotischcu Sinne der Plauenser steht zu erwarten, daß sie in nicht allzuferner Zeit aufgebracht sind. Mit dem Postplatze verläßt man die Bahnhofsvorstadt nnd damit den jüngsten, schönsten und belebtesten Thcil Planens. Die Bahnhofsvorstadt ist seit dem Jahre 1865 in der Hauptsache entstanden. Ueber die Syrabücke hinweg gelangt man zur Altstadt. Von der Syrabrücke bietet sich dem Wanderer ein Bild, wie es wobl in keiner Mittelstadt wieder anzutresfen sein wird. Die Geschäftigkeit der Bahn hofsvorstadt liegt hinter ihm, vor ihm aber breitet sich eine prächtige Landschaft aus, die durch den Rcichthum von Laubbäumcn, Ziersträuchern und lieblichen Blumenarrange ments den Blick längere Zeit fesselt, es ist die Lob- mühlenpromenade, die sich zu Füßen ausbreitet. Nach Ucbcrschreitung der Syrabrücke betritt man das Gebiet der Altstadt, die aber auck in Folge der großen Brände 1814, 1850, 1853, 1859 und >861 vollständig den Charakter einer mittelalterlichen Stadt verloren hat, sie trägt jetzt den Stempel einer modernen Stadt; nur der Nonnenthurm erinnert an die Vergangenheit PlauenS. Bald erreicht man den Kloste r in arkt, der von dem von 1273—152l vor handen gewesenen Dominikanerkloster seinen Namen empfangen hat. Der Kloster-, sowie der Altmarkt und Umgebung nebst der Bahnhofstraße bilden den Brenn- punct der Ladengeschäfte. Ein Nundgang um den Kloster markt nnd durck die angrenzenden Straßen mit ihren recht geschmackvoll auSgestatteten Schaufenstern bietet reiche Ab wechselung. Das nächste Ziel der Wanderung ist der Altmarkt, auf dem Wege dahin kommt man an der „alten Apotheke" vorüber, die die älteste des Vogtlandes ist. Dicht daneben erbebt fick das Rat Hb aus, das zu den inter essantesten Bauten der Stadt und des Vogtlandes gehört. Der erste Rathhausbau ward 1430 von den Hussiten mit niedergebrannt, uni 1482 war der Neubau vollendet, der 1548 in feinen oberen Theilen wiederum ein Raub der Flammen ward; 1550 war der jetzige Ban bereits wieder beendet. An dem unteren Tbeile des Nathbauses, also dem jenigen, der 1548 vom Feuer verschont blieb, finden sich höchst bemerkenSwertbe Bruchstücke der vaterländischen mittelalter lichen Baukunst. Zu diesen sind zu zählen die dem Altmarkte zugekebrte Haupksront mit den wohlerhaltencn Fenster umrahmungen nnd die große Wappentafel. Am Giebel befindet sich ferner eine interessante Ubr mit mehreren Ziffer blättern, von reisenden Handwcrksburschen ward in früherer Zeil diese Ubr als das Wahrzeichen von Plauen angesehen. Ueber dem Eingänge befindet sich das Wappen der Stadt, cs besteht aus einem zweithürmigen Castell mit niedriger Mauer, zwischen den beiden Tbürmen schwebt der mit Helm und Helmbusch versehene Wappenschild der Vögte von Plauen, bestehend aus einem goldenen Löwen mit rother Krone in schwarzem Felde. Auf der weiteren Wanderung nimmt die Lutberkircke die Aufmerksamkeit in Anspruch, die bis zum 10. November 1883 die Bartholvmäi- oder Gottesackcrkirche hieß. Die Lulherkirche ist ein Centralbau, ihr Bau begann 1693, aber erst 1722 konnte sie eingeweiht werden. Nach der Schlacht bei Leipzig diente sie längere Zeit als Lazarett,; 1878 ward sie vollständig erneuert uud am 3. Juli 1892 brachte man an ihr eine künstlerisch auSgeführte Ehrentafel für die 1866 bei Königgrätz gefallenen Soldaten der Stadt Planen an. Die Lulherkirche steht auf dem 1548 angelegten und 1866 geschlossenen Friedhöfe. Von Herrn Oberbürger meister Kuntze ging die Anregung auS, deu Friedhof nach und nach in eine Promenade dadurch umzuwandeln, daß am Vorabend des Reformationsfestes durch einzelne Schnlclassen Bänme gepflanzt würden, auf diese Weise ist seit 1883 schon ein ansehnlicher Theil des Lutherplatzes in eine schattige Promenade umgcwandelt worden. — Von den Gräbern sind nur noch wenige vorhanden, eins aber nimmt allgemeines Interesse >n Anspruch, eS ist das der Adelaide Luise von Chamisso, der Schwester dcS Dichters Adelbert von Chamisso, die an den Professor und Rector vr. Palm in Plauen vcr- heirathet war. Die Hauptkirche PlauenS, die St. Iohanniskirche, ist nun daS Ziel der Wanderung. Sie war die erste Kirche PlauenS und ward 1122 errichtet, sie hat alle Schicksale der Stadt mit durchlebt, 1430 und 1548 ward sie ein Raub der Flammen, aus den Trümmern erstand sie 1556 in ein facher aber würdiger Form, denn für große Kunstbauten fehlten in der damaligen schweren Zeit die Mittel. Tie Iohanniskirche ist eine dreischiffige Hallenkirche, in der Hauptsache ist sie deu von 1500—1540 vollendeten Kirchen zu Freiberg, Zwickau, Annaberg und Schneeberg möglichst nachgebildet, was sich besonders in der Anlage und An ordnung der Emporen bemerklich macht. Durch die Er neuerungen in den Jahren 1815 und 1886 ist sie eine Zierte für die Stadt geworden und eine hervorragende Sehens würdigkeit. In der Bahnhofsvorstadt ist noch eine dritte Kirche erbaut worden, die Pauluskirche, die noch in diesem Jahre eingeweiht werden soll; um nun auch den kirchlichen Bedürfnissen der Bewohner der Ostvorstadt Rechnung zu tragen, ist auch in diesem Stadttheile ein Bauplatz für eine vierte Kirche käuflich erworben worden, zur Zeit werden die Gottesdienste in einem Miethraume, der zu einem „Kirchcnsaal" umgewandclt worden ist, abgebalten. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist daS Schloß der ehemaligen Herren von Plauen, der imposante Bau erhebt sich auf dem linksseitigen Tbalrande der Syra. Das Schloß, auch „Hradschin" genannt, ward jedenfalls schon von den Sorben angelegt, wenn auch nicht in seiner gegen wärtigen Gestalt. Zuverlässige Nachrichten über das Schloß beginnen um 1224, da eine die Schenkung eines Obstgartens an die Kirche betreffende Urkunde von diesem Jahre des Schlosses gedenkt. Die Stürme, die Plauen in Krieg und Frieden umbrausten, gingen auch nicht spurlos an dem Schlosse vorüber, alle Wantlungen der Stadt bat auch getreulich das Schloß mit durchlebt. Nach dem großen Brande von 1548 blieb es 122 Jahre ganz wüste liegen, erst durch Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz ward eö wieder erneuert; der Bau begann 1670, nach vierjähriger Bauzeit war er vollendet mit einem Aufwande von 5269 fl. 11 Gr. IlVePfg-, ungerechnet der Frohndienste und des den Waldungen entnommenen Holzes. Nach der Vollendung war es der Wohnsitz, wenn auch nur vorübergehend, sächsischer Fürsten und Herren, später ward es Verwaltungsgebäude und erfuhr viele An - und Umbauten. Jetzt ist es der Sitz der Justizbehörden. Tie Umgebung PlauenS ist starkwelligeö Hügelland, sie bietet daher schon infolge ihrer Bodcnform angenehme Abwechselung; dieselbe wird noch erhöbt durch den Walk, die vielen Anpflanzungen und Anlagen, die sich rings um die Stabt her ausbreiten. Nach dem „Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten der Kreis stadt Plauen im Vogtlande aus das Jahr 1895" hatten die öffentlichen Anlagen einen Flächeninhalt von 56,22 lm, in den letzten 18 Jahren wurden 50 210 Stück Laub- und Nadel- bolzpflanzcn auögcpflanzt, die einmaligen Herstellungskosten betrugen bisher ca. 33 000 die der jährlichen Instandhaltung Feuilletsn. Wo Alles liebt. . . Skizze aus dem Leben. Von E. Hofmann. Nachdruck verboten. ES ist Abend nnd geht auf zehn Ubr. Guste, ihres Zeichens Köchin im Dcctorhause, ist eben mit den: „Haufen Aufwasch" fertig geworden uud trägt die verschiedenen Stöße Teller und Schüsseln in den Schrank. Sonst hilft Minna, das Stubenmädchen, aber die ist iuS Theater, um das Fräulein Lisi abznholen. Es schickt sich doch nickt, daß diese mit ihrem Bräutigam allein nach Hause geht. Zu dumm, so 'was, denkt Guste und schiebt die Salatschüssel an ihren Platz, zu dumm, als ob die Beiden nicht am allerglücklichstcn wären, wenn sie allein sind! Guste weiß, wie glücklich das Paar ist. Sie hat einmal, als sie Kleiber reinigte, zufällig gesehen, wie Lisi uud ihr Reinhold sich küßten. Der Guste ist da ihr Geschäft dcö stleiderreiingens sehr prosaisch erschienen, das Wasser ist ihr im Mund zusammengelaufen. Ach, Du lieber Gott, wer doch auch man so 'was schmecken könnte, wer doch auch so'n lieben Schatz hätte! Guste war bis dahin ganz zufrieden mit ihrem Lebens lauf gewesen. Aber jetzt fühlt sie manchmal eine Leere in sich. So, die Küche ist sauber, Guste löscht die Gasflamme nnd zündet sich die Küchenlampe mit dem Blendschirm an. Sic bolt den grauwollenen Strickstrunipf — Guste strickt in jeder freien Stunde —, schiebt die Lampe näber uud denkt an das Theaterstück, in dem das Brautpaar ist. Ob Oper oder Drama, für Guste ist Alles ein „Theaterstück". Sie be sinnt sich auf den Titel. Es war, so erinnert sie sich, doch 'was von „Grienzeug" dabei. Guste wird ärgerlich ob ihres Gedächtnisses, schiebt das Strickzeug bei Seite und holt sich vom Schränkchen draußen im Vorsaal die Zeitung. Da steht's, richtig, „Lohengrin" hieß das Theaterstück. Ist gewiß sehr schön! Minna lauscht sicher ein Bischen an der Thür zur Loge. Oder ob sie sich mit Quitschke, ihrem Schatz, irisfi? Der ist Diener oben im ersten Stock, geht aber im Herbst unter die Soldaten; wäre mir graulich von wegen seiner Treue, denkt Guste. Dabei blättert sie mechanisch in der Zeitung, liest bald von „Matjesheringen", bald von „getragenen Kleidern" und „Büchsenspargel". Da plötzlich geht ein Ruck durch die ganze, behäbige Guste, sie hebt die Zeitung nahe an die Lampe und starrt auf eine fett gedruckte Annonce: „Ein Wittwer mit einem Kind sucht eine Lebensgefährtin aus dienendem Stande. Etwaige Ersparnisse bleiben unberührt. Werthe Adr. unter 0. 180 Expedition dieses Blattes." Guste'S Wangen glühen. Sic rennt ein paar Mal in der Küche auf und ab und ist, ehe sie sich'S versiebt, in ihrem mit Minna getheilten Kämmerlein, Tintenflasche und Feder halter zu holen. Dem schreib ich! Das ist ein guter Kerl! Herrgott, weun's was wird! Das Kind will sie schon lieb haben, sehr lieb, für ihren —, ihren Mann will sie das Beste kochen, was- sie kann, das Haus sauber halten, ihm, ihrem Manu, allezeit eine brave, treue Frau fein. . . . Eine heiße Tbrane fällt auf den blanken Tisch, vor dem Guste sitzt, die Ellenbogen aufgcstützt, daö verstaubte Tinten glas und den Halter mit der verrosteten Feder neben sich. Kein Wunder, daß diese verrostet ist, Guste benutzt sic zwei Mal im Iabr, im Juli zu Mutters Geburtstag und Neu jahr! Daö hält keine vernünftige Feder auö. Guste weiß sich zu helfen, sie wischt mit der verkehrten Hand energisch die Thränen fort, titulirt sich eine „rechte alte Gans" und begicbt sich in die Kinderstube. AuS Fritz', des Ouartaners, Federkasten nimmt sie ohne die geringsten Gewissensfkrupel eine neue Feder, und aus seinem Diarium, das sie entdeckt, reißt sie beim Schein der Straßenlaterne am Fenster ein Paar Seiten heraus. Armer Fritz, morgen erntet er den Dank seines Herrn Ordinarius dafür! Guste blickt auf den Wecker, in zehn Minuten kann Minna da sein! Nun sitzt sie mit heißem Gesicht am Küchcntisch, den Bogen Papier vor sich. Schon dreimal hat sie die Feder bis tief hinein cinaetaucbt. Anstatt zu schreiben, starrt sie auf die Reihe von Porzellaubüchsen auf dem Bortbret vor sich und liest mechanisch „Mehl", „Salz", Graupen", „GrieS" rc. ab. „Davon kann ich ihm nischt schreiben!" rafft sie sich auf, und verfaßt nun in Eile den kurzen Brief, in dem sie, wie die Lcosvertbeiler sagen, „dem Glück die Hand reicht". Guste schreibt in dicken, mächtigen Buchstaben: „Lieber Herr, ich bin Köchin mit sechzig Tbaler Lohn und zehn zu Weihnachten mit anderen nützlichen Kleidungssachen, ich habe nur vier hundert ein und dreißig Mark gespart. Is auf die Sparbank, wo daß Sie's lassen, wie Sie gedruckt haben. Ich will schon ganS gern heiraten, Sie müssen mir aber erscht schreiben, wie und wo und was. Wenn ich in drei Tagen kein Brif von Sie habe, gebe ichs auf. Auguste Mumpel bei Herrn Arzt Dr. Friedrich. Hauptstraße 6, p." So, mit einem aufathmendcn Seufzer legt Guste die Feder hin, steckt den Brief, den sie über der Lampe getrocknet hat, ins Couvert und schreibt die Adresse, genau, wie'S in der Annonce steht. Ei» paar Minuten später liegt der Brief in dem Korb, den Guste früh zum Einkäufen nimmt, fein versteckt unter dem in demselben liegenden Papier. Minna kommt zurück, daö Fräulein hört man lustig im Schlafzimmer plaudern, wo sie am Bett der Mutter sitzt. — Während Minna von Quitschke erzählt, den sie unterwegs getroffen hat, blickt Guste manchmal zärtlich nach dem Korb hinauf, der oben am Schrank an einem Haken baumelt. Guste wäre heute zu den tollsten Streichen aufgelegt, wenn sie als Köchin überhaupt sich derlei Extravaganzen leisten dürfte. Sie fühlte anstatt der Leere eine himmlische Freude in sich. Ist eS nicht sehr wahrscheinlich, daß aus der Sacke was wird? Sie kann nickt einschlafen, malt sich ihr künftiges Leben auS, siebt sich am Arm ihres Mannes spazieren gehen, das liebe Bübchen — 'S kann auck ein Mädchen sein! — an ibrer Hand. Der Junge muß natürlich immer sebr schön angezogen sein, Malrosenkragen tragen, gelbe Schühchen, dafür wird Guste schon sorgen. Im Tämmer- stündcken nimmt sie ihr Kind auf den Schooß, uud während im Ofen die Suppe für den heimkehrenden Vater brodelt, erzählt sic ihm die Märchen, die ihr vor langen Jahren dabcim die Mutter erzählt hat. Tu lieber Gott, wenn die das Glück noch erlebt! Guste blinzelt durch Thränen hindurck nach deu zwei Bildchen über ihrer Commode hin; nein, ihr Mann soll cs nic bereuen, daß er sie aus der Dienstbarkeit heraus zu seiner Frau gemacht hat. Am andern Morgen hat es Guste sehr eilig mit dem Einkäufen, und bald versinkt der wichtige Bries im Kasten. Heute ist Montag, bis Mittwoch früh muß sie sicher Ant wort haben! Sv gut bat Guste lauge nicht gekockt, wie heute. Die Eierkuchen zum Nachtisch sind ihr nie so duftig und goldgelb geratken. Käthe, der Backfisch — zwischen Fritz und Lisi rangirend — überißt sick beinahe. „Guste, berrlich bat's geschmeckt!" Mit dem Ruf stürzt sie in die Küche. „Na, Ihr Mann iu sps kann sich 'mal freuen!" Guste weiß zwar nicht, was „iu 8pe" beißt, aber sie strahlt doch vor Freude und denkt an ihren Unbekannten. Am Dienstag früh hantirt Guste auffallend viel in der Nähe der Vorsaalthür. Immer näher rückt ja die Zeit, wo der Briefträger zu erscheinen pflegt. Guste packt ein paar im Vorsaal hängende Kleider und bürstet sie vor der Tbür. Auf diese Weise kann ihr kein Briefträger entgehen. Richtig, da kommt er. Guste fühlt, wie ihre Knie zittern. Wohlgemntb, nicht bedenkend, wie viel Wohl und Wehe in seiner Ledertasche ruht, geht er auf Guste zu. Diese entreißt ihm die Briefe, sieht sie durch und giebt sie der herbeieilenden Lisi. Gesenkten Kopfes, die Kleider draußen halb gebürstet ihrem Schicksal überlassend, geht Guste in ihre Küche. Es war kein Brief für sic dabei. Aber bald richtet sie sich wieder aus: kann ja noch kommen! Aber der Dienstag vergebt, Guste » Stimmung sinkt tief und tiefer. In der Nackt schläft sie kaum, grübelt über den Un bekannten nach. Am andern Morgen läßt sie z» Minna'» Verwunderung ihren Kaffee unberührt; sie sieht ganz bleich auS vor Erregung und fängt den Briefträger an der Hau»- thür ab. „Nichts für mich, Auguste Mumpel?" Gleichgiltig blickt der Mann die Hand voll Briefschaften durch, glaubt witzig fein zu müssen und sagt: „Nichts gemumpelt, Tbeuerste!" Vor Guste'S Augen dreht sich Alle-, sie fühlt plötzlich einen Schmerz, so Weh, so bitter, und dann zieht langsam die alte Leere wieder in ihr Her; ein. Nun hofft sie auf keinen Bries mehr. So miserabel bat Guste nock nickt gekockt, wie an dem Mittwoch. Allgemeines Kopfsckütteln bei Tisch. Nur Lisi findet, daß dock Alles sebr gut schmeckt. Frau Doctor lächelt ihrer Lisi zu. Käthe wirft, die Locken schüttelnd, verachtungs voll hin: „Dir schmcckl's natürlich! Dir schmeckt Alles, ein fach, weil Du gar nicht weißt, was Du ißt, weil Du ver liebt bist!" „Käthe!" tönt es mahnend von allen Seiten. „Ist dock wahr", behauptet sich diese, „ick habe keinen Bräutigam, ich will dafür was Gutes zu essen!" „Wo ist Fritz?" schneidet der Vater Kätbe's Redeschwall durch. Da erscheint er gerade auf der Bildfläche. Er har eine halbe Stunde „brummen" müssen. Erstauntes „Warum?" „Hat mir Jemand drei Seiten auS dem Diarium ge rissen! Unverschämt! Den verhau' ich aber nicht schlecht!" Er schielt unverblümt nach Käthe hin. „Ich bin, Gott sei Dank, über die Diariumzeit hinaus!" ruft diese stolz. Fritz wird stutzig und mustert seine übrigen Angehörigen. Guste ißt nichts, auch ihr Abendbrot» steht noch unberührt. Sie sitzt, daS Strickzeug im Schooß, am Küchenfenster. Minna ist anSgegangen, so stört Niemand sie in ihren Betrachtungen. Drüben im „Apollo" ist Musik, Guste hört deutlich t - Melodie. Es ist beinahe wieder ruhig in ihr geworden, nur traurig, ach so traurig ist sic! Sie hat es so gut gemein!, wie bitter, einfach verschmäht zu werden mitsanimt seinem opferfreudigen Herzen! „Guste, ein Brief für Sie!" Käthe tanzt in Walzerschritt zur Küche herein. „Fangen Sie auf, schlechte Guste!" Gerade siel ihr daö verdorbene Mittagessen ein. Guste fängt den Brief auf und steckt ihn unbesehen, zitternd in die Tasche. Dann nimmt sie die KUchenlampe nur verschwindet damit in ibrer Kammer. Dort setzt sie sich auf ihr Bett und holt mit einem Gemisch von Schreck und Freude den Brief au» der Tasche. Erstaunt betrachtet sie ibn von allen Seiten, aber sebr schnell schreckt sie zusammen: Das ist ja ihr eigener, den sie Montag früh in den Kasten geworfen bat! Lange sinnt sie vor sich hin, bis ihr endlich die Sache klar wird. Arme Guste! Sie hatte zu sehr am Buchstaben gehangen. Ihre Adresse war gewesen: „6. 180. Erpedilion diese» Blattes." Da aber in der großen Stadt mehr als eine TageözeitunH existirte, batte die sonst allezeit findige Post Guste'S Herzentjache nicht weiter befördern können. — Arme Guste, hattest deinem leeren Herzen einen Inhalt, deinem Leben rin schöne« Ziel geben wollen, haltest zaghaft die Hand nach dem Glück ausgestreckt, umsonst! Doch hast du genug LeidenSgcnossen, ob hoch, ob niedrig, ob arm, ob reich, sic alle suchen Glück und Befriedigung. Guste ist jetzt nicht mehr unglücklich, wie vorher. Jetzt tröstet sie sich und wird ruhig und beiter dabei: Ich bin doch wenigstens nicht eine von Denen, die verschmäht wordca sind! Der bittere Stachel fiel weg! -
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