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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970922027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897092202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897092202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-22
- Monat1897-09
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Von ihrem Könige, zu dem der deutsche Kaiser nach SobneSart als zu seinem väterlichen Freunde auszublicken erklärte, kann man eine rubigere Auffassung der Worte seines hoben GasteS erwarten. Er sagt sich gewiß, daß diese Form der Huldigung dem feurigen Temperamente Kaiser Wilhelm'S II. mehr entspricht, als den Empfindungen, die angesichts der Lage, in die das Deutschthum in Böhmen sich versetzt siebt, den größten Theil des deutschen Volkes beseelen müssen; und trotz des bohen Werthes, den er auf die persönliche Zuneigung seines hohen Gastes legt, unterschätzt er die Be deutung der Regungen der deutschen Volksseele innerhalb und außerhalb seines Reiches gewiß nicht. Auch die Ungarn werden bei ruhigerer und näherer Erwägung der Worte Kaiser Wilhelm'S zu der Einsicht gelangen, daß sein Lob kein unbedingtes ist, sondern eine Mahnung in sich birgt. Kaiser Wilhelm erklärte zwar den Friedensbund, den er mit Kaiser Franz Josef geschlossen, für unauflöslich, aber keinem ungarischen Politiker kann eS entgehen, daß die unerläßliche Vorbedingung dieser Unauflöslichkeit die Unterordnung der Ungarn unter den österreichischen StaatSgedankcn ist, der allein daS unter schweren inneren Zuckungen leidende Donaureich vor ernsten Krisen bewahren kann, deren Folgen für den Bund unübersehbar sein würden. Der gestern mitgctbeilte Brief des Grafen Herbert Bismarck an den Vorstand des couservative» Vereins zu Dresden, Herrn I>r. Mehnert, ist der „Kreuzztg." wegen der in ihm ausgesprochenen Mahnung an das „preußische Eon tingent" der Conservativcn, sich die Haltung der sächsischen in einigen Richtungen anzueignen, begreiflicher weise sehr unangenehm. Dieser Empfindung giebt das Blatt dadurch Ausdruck, daß es jene Mahnung völlig ignorirt und den Brief lediglich mit folgendem Zusatze abdruckt: „Die Conservativen Preußens werden von der hier ausgesprochenen Anerkennung der fäch'ischcn Coi.scrvuliuc» neiows Kenntniß nehmen. Abe: die schweren Vorwürfe, die in den von der „Zukunft" ver öffentlichten „Glossen" dem Fürsten Bismarck gegen die konser vative Partei in den Mund gelegt worden sind, bleiben bestehen. Weder sind in dem Schreiben des Grasen Herbert Bismarck Thatsachen genannt worden, durch die sie gerechtfertigt werden, noch ist von ihnen etwas zurUckgenommen, noch endlich sind concrete Puncte genannt, in denen die Bismarck'schen Aeußerungen in der „Zukunft" dem Inhalte nach nicht richtig wiedergegeben seien." So ist denn auch schwerlich zu erwarten, daß die „Kreuz zeitung" sich au der vom Grafen Herbert Bismarck unter aus drücklicher Berufung auf seinen Vater belobten Stellung der sächsischen Conservativen zu den übrigen staatserhaltenden Parteien ein Beispiel nehmen und den Wunsch des Fürsten, daß bei den nächsten Neichstagswahlen alle diese Parteien den Gegnern einmüthig gegenübertrcten, auch ihrerseits zu er füllen bestrebt sein werde. Für den Ausfall dieser Wahlen ist daS nicht ohne Bedeutung. Immerhin ist der böse Geist, der die „Kreuzztg." beherrscht, zu bannen, wenn an der rechten Stelle nicht nur der Wunsch des Fürsten getheilt wird, sondern auch der energische Wille herrscht, zu seiner Erfüllung beizutragen. Es ist nicht das erste Mal, daß bie „Kreuzztg." den Cartcllgedanken entweder mit den von Herrn Stöcker in seinem berüchtigten Scheiter haufenbriefe empfohlenen Mitteln oder offen bekämpft. Es war am 20. September deS Jahres 1889, als das Blatt in einem „Die Monarchie und das Cartell" überschriebenen Leitartikel auf Las Schärfste die Cartellpolitik befehdete und den König und Kaiser aussorderte, mit dieser Politik zu Gunsten einer „echt conservativen" zu brechen. Es war am 26. September, als diesem Artikel ein zweiter folgte, der gegen die „verderbliche Legirung des Goldes altpreußisch- conservativer Principien mit unedlem Metall aus der Schatz kammer des Liberalismus" protestirte, und am 2. October erschien im „Reichsanzeiger" jene denkwürdige Kund gebung, die gerade jetzt wieder in Erinnerung gebracht zu werden verdient: „Se. Majestät der Kaiser und König hat von dem Inhalt der „Kreuz-Zeitung" vom 26. v. Mts. Kcnntniß genommen und die Larin ausgesprochenen politischen Auffassungen und Angriffe auf andere Fraktionen lebhaft gemißbilligt. Se. Majestät gestatten keiner Partei, sich das Ansehen zu geben, als besäße dieselbe das kaiserliche Ohr. Ter Kaiser sieht aber in der Verständigung und gegenseitigen Schonung der staats erhaltenden Parteien unter einander eine für unser parlamentarisches Lebe» sachlich nützliche Einrichtung und hat die Allerhöchste Mißbilligung der dagegen von der „Kreuz-Zeitung" gerichteten Angriffe und Insi nuationen unzweideutig ausgesprochen. Se. Majestät sieht in dem Cartell eine den Grundsätzen Seiner Regierung entsprechende politische Gestaltung und ver mag die Mittel, mit denen die „Krenz-Zeitung" dasselbe angreist, mit der Achtung vor der Allerhöchsten Person und vor unser» ver fassungsmäßigen Institutionen nicht in Einklang z» bringen." Die in dieser Kundgebung niedergelegte politische Auffassung dcö Kaisers entspricht unseres Wissens völlig der des jetzigen Reichskanzlers und der „Seele des preußischen Staats ministeriums", des Herrn k>r. v. Miquel. An einem Vor bilde energischer Bekämpfung der „Kreuzzeitungs"-Opposition gegen eine Politik der Sammlung oller st^-is.rha,»enden Kräfte fehl: es at,o vciveu Staatsmännern nicht. Es fragt sich nur, ob sie Willen genug besitzen, diesem Verbilde zu folgen, um dadurch Lein Thcilc der preußischen Conservativen, die gern dem conservativen sächsischen Vorbilde folgen möchten, Liese Absicht zu erleichtern. Morgen soll der österreichische RcichSrath wieder zu- sammentrcten und noch immer ist Graf Badeni seiner Ge treuen nicht sicher. Die Ankündigung, daß zwischen der Regierung und der Rechten, sowie zwischen deren einzelnen Gruppen Einigkeit erzielt sei, wird durch offenkundige That- sacken widerlegt. Die Iungtschechen drohen der Regierung fortwährend mit der Opposition, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden, und das alttschcchische Organ „Politik" be zeichnet die Lage als überaus kritisch. Heute erklärt der Führer der katholischen Volkspartei, Baron Dipauli, im „Vaterland" als grundfalsch, daraus, daß sich diese Partei dem Wider stande der Deutschen nicht anschlicßen könne, den Schluß zu ziehen, daß sie sich als Regierungspartei der Regierung zur Verfügung stelle. Aus vem Kreise der italienischen Abgeordneten, mit denen Graf Badeni in den letzten Tagen Berathung gepflogen hat, erfährt man, daß diese Gruppe, die in der letzten Tagung den Widerstand der Deutschen unter stützt bat, ihrem Verhalten treu bleiben werde, und jetzt nach ihrer fehlgeschlagenen Umwerbung dieser Gruppe leugnet auch die Regierung, daß überhaupt Bemühungen stattgefunden hätten, die italienischen Abgeordneten zu gewinnen. Auch bat man sich darüber, wer Präsident des Abgeordnetenhauses werden soll, noch immer nickt verständigen können. So sieht es mit der vielgepriesenen Einigkeit der Rechten am Tage vor dem Zusammentritt der Kammer aus! Nur das eine Schlagwort wird ausgegeben, daß mit Energie vorgegangen werden müsse. Die Absicht,die Ges ch äfts ordn ung des Abge ordnetenhauses zu ä» der», ist ausgegeben, namentlich weil die Iungtschechen fürchten, sich einen Strick damit zu drehen und man bemäntelt dies mit der Erklärung, daß man sich dieses Mittel in Reserve halte. Aber man ist sich bewußt, daß seine An wendung an dem deutschen Widerstande scheitern würde, und so steckt denn hinter dem ganzen FeldzugSplane gegen die Deutschen nichts anderes als die Absicht, die Deutschen zu ermüden oder, wenn auch dies nicht zum Ziele führen sollte, einfach zu vergewaltigen, auch -- physisch. Wie sehr sich der Gebrauch von roher Gewalt in Oesterreich schon ein bürgert, können wir ja täglich sehen. Der Maßregelung einiger, der christlich-socialen Partei gegnerisch gesinnten Wiener Schullehrer ist, wie berichtet, in dem Prager Vororte Werscho- wetz die gewaltsame Zerstörung der dortigen deutschen Schule durch die tschechische Gemeindevertretung gefolgt. Man sieht also, wessen man sich zu versehen hätte, wenn die Macht der jetzt herrschenden Parteien noch eine Erweiterung erführe. Ein Rundschreiben, das der srauzösischc Unterrichts minister Rambaud letzte Woche an die Leiter der staat lichen und städtischen Mittelschulen (der I,.veöo8 ot EoIIöMs, etwa den deutschen Realschulen, Realgymnasien und Gymnasien entsprechend), in denen die Aspiranten für die Osficierschule von Saint Cyr, die polytechnische Schule und die Leolo normalo nuzu-riom-o vorbereitet werden, gerichtet hak, erregt großes Aufsehen und einen lauten Widerstreit der Meinungen. Durch dieses Rundschreiben wird der Fortbestand von drei Schülerverbände n unter Androhung einer Disciplinarstrafe untersagt. Es sind dies die Verbände, welche die charakte ristischen Namen,,trmyv". .,coruietuG nnd „oagno" tragen (in sreier Uebersctzung aus dem Argot könnte man sie die Ver einigungen der „Maulwürfe", d. b. der „Duckmäuser", der „Einfaltspinsel" und der „Faulpelze" nennen) nnd über ganz Frankreich verbreitet sind, ihren Hanptsitz und ihre Haupt wirksamkeit jedoch in Paris haben. Manchmal sind alle drei Vereine gleichzeitig in einer und derselben Anstalt vertreten und machen den Vorstehern und Lehrern das Leben sauer. Dank dem Corpsgeist dürfen die älteren Mitglieder die jüngeren tyrannisiren und auf jede Weise ausbeuten, aber immer ist die Spitze gegen die Disciplin der Anstalt ge richtet. Wenn ein Vereinsmitglicd bestraft wird, so lehnen sich alle seine Kameraden auf und wenn ein Polizist auf der Straße einen Gymnasiasten wegen eines Unfugs zur Rede stellt, so hat er eine ganze heulende Schaar gegen sich. Uebcrdics gehört auch die pornographische Literatur, in der die Jünglinge sich selbst üben, zu den Leistungen der verschiedenen Vereine und endlich verfügen diese über Cassen, die zn Wucherzinsen Geld leiben, die „Corniche" zu 200, ja 100 Proccnt, so daß die Eltern hoffnungsvoller Saint- Cyrianer am Ende des Jahres für 50 Franken, die der Sprössling anS der „Vcrcinscasse" bezogen hatte, ein kleines Capital auslegen müssen. Ein Chroniqueur, welcher diesen Sport selbst mitgemacht hat, erzählt von dem wilden Treiben, das an dem Tage herrschte, da die tsiönerne Sparbüchse, der ..taupo" zerschlagen wurde. Die ganze Gesellschaft stürzte fick dann, wüste Lieder singend, ans die Straße, wo die schlum mcrnven Fiakcrkntscher auf ihren Böcken, wachgerültelt, vorüber gehende Frauen beleidigt und die SergcantS de Ville geärgert wurden. Schließlich zog sich die Schaar in eine Bierkneipe zurück, wo die grünen Jungen von alternden Heben auf gemeinsame Kosten sich stammenden Punsch kredenzen ließen. Das Rund- chreiben des Herrn Rambaud sei, so meint der erfahrene Mitarbeiter Les „Evöncment", ein Fußtritt, den die Ein richtung schon längst verdient habe. Ter monarchistische Publicist Cornöly tbeilt diese Meinung vollständig; aber er freut sich über den Fußtritt hauptsächlich deshalb, weil der antiklerikale republikanische Untcrrichtsminislcr damit selbst den Eltern die Gräuel der Laienschulen mit ihrem Frei maurerthum aufgedcckt und ihnen den Weg in die Anstalten der Congreganisten gewiesen habe, wo dergleichen Excesse nickt vorkämen nnd nicht Vorkommen könnten. Ob dies so gewiß ist, wie Cornöly glaubt, mag dahingestellt bleiben. In England wird wieder in der bekannten zielbewußten Weise gegen die südafrikanische Republik gehetzt. Bis setz: sind alle Mittel, auch die verwerflichsten, gut genug gewesen, um die Republik bald dircct, bald indirect zu schädigen, in den letzten Tagen wurde von einigen englischen Blättern ein neuer EntrUstungsslurm gegen die Boeren in Scene gesetzt, denen man vorwarf, derFeldcornet Bosmann sei monatelang in einen Bechuanahäuplling gedrungen, das englische Joch abzn schütteln und sich unter den Schutz der Republik zu stellen. Dieser Häuptling, Galisjwe, ist indessen gefangen genommen worden und hat diese Beschuldigung gegen Bosmann erhoben. Nun weiß man in England gerade so gut, wie in Transvaal, daß die Kasfern zu den verlogensten Geschöpfen gehören, man weiß außerdem, daß Präsident Kruger eine strenge Untersuchung ungeordnet hat, ans der die vollständige Schuldlosigkeit Bosmann's hervorging, der den Häuptling nicht nur niemals unterstützt, sondern selbst über die Grenzen der Republik, die er ohne Erlaubniß überschritten, gejagt hat, so daß also seine Beschuldigung lediglich als ein Act der Privatrache gegen den Feldcornet der Republik erscheint. Dies hindert aber, die Jingoblättcr in London und am Kap keineswegs, die alte Beschuldigung fort und fort zu wiederholen, fo das; ihre Leser schließlich von der Wabrheit derselben überzeugt sein müssen. Es ist ein alter Kniff, Len Gegner, dem man gerne etwas anhaben möchte, dessen zu beschuldigen, was man selbst verbrochen hat, denn die ganze Geschichte der südafrikanischen Republik besteht zu einem großen Theil aus nichts Anderem, als aus Kämpfen gegen die von England mit Waffen und Schießbedarf versehenen Kasfern und Hotentolten, während den Boeren thatsächlich nickt ein einziger Fall nachgewiesen werden konnte, in dem sie bei einem Kampf zwischen England und Len Eingeborenen zn Gunsten der letzteren eine auch nur zweideutige Rolle gespielt hätten. Dagegen ist cS actcnmäßig nachgewiesen, daß der letzte Kassernaufftand in Portugiesisch-Afrika, der nur mit Auf bicluug starker militairischcr Streitkräfte unterdrückt werken konnte, von England, das auf die Besitzergreifung der Delagvabai lauert, angestiftet worden ist. Daß man in Pretoria die englischen Invectircn nicht ruhig hiuninnnt, versteht sich von selbst. Wie die „Agcnce Havas" von dort meldet, sind in mehreren Versammlungen der Boeren in Len ländlichen Bezirken einstimmig Beschlüsse angenommen worden Feuilleton. Götzendienst. lös Roman in zwei Theilen von Waldemar Urban. Nachdruck verboten. „So? Sie meinen wohl, Sie könnten allein richtig sehen? Ich habe auch Talent." „Ich habe noch nichts davon bemerkt." „Das will nichts heißen." „Talent macht sich doch immer bemerklich." „Sie wollen damit Wohl sagen, ich wäre talentlos?" fragte sie piquirt. „Ich will sagen, ich habe noch nichts von einem Talent bemerkt." Die offene Geradheit des Malers ärgerte sie; denn gerade von ihm wäre ihr eine kleine Schmeichelei besonders angenehm gewesen. Nun wollte sie sich auf jeden Fall revanchircn und mit echt weiblichem Instinct fand sie auch dazu die sichersten Mittel. Sie zuckte verächtlich die Achseln, wandte sich ab und äußerte laut zum Grafen Victor, der als getreuer Ritter hinter ihr stand: „Wie eingebildet doch manche Leute sind!" Ter Maler wurde dabei rotb bis hinter die Ohren. „Künstlerdünkel!" gab Graf Victor leise und lächelnd zur Antwort. Herr Hartwig hörte auch das Wohl, er wollte etwas er widern, fand aber in seiner Erregung nicht die rechten Worte. Gleich darauf war eS dann zu spät geworden, denn die Diener kamen nnd meldeten, daß die Tafel gedeckt sei und das Diner bereit stände. Mitten in die Ruinen hinein, an einem Ort mit wunder voller Aussicht und im Schatten einiger uralten Oliven- kiiume hatte man die Tafel errichtet, an der jetzt die Herr schaften Platz nahmen. Fräulein Georgette glaubte dabei Beranlassnng zu haben, Felicia ihre Uebereinstimmung bezüglich der Kuppel anSzudrncken, was ihr deren gnädigstes Wohlwollen cintrug. „Es wird doch Wohl besser sein", meinte sie dann, „wenn ich mich wegen meiner weiteren Ausbildung an eine weniger dünkelhafte und mißgünstige Persönlichkeit wende. Ich werbe morgen mit Ihnen darüber Rücksprache nehmen, meine liebe Georgette!" Georgette war selbstverständlich darüber entzückt und mehr denn je davon überzeugt, daß Hartwig ein Esel sei. Eine solche Unhöflichkeit und Unschicklichkeit, wie er sie eben bewiesen, war ihr ein Räthsel, das nur einem deutschen Dickschädel entspringen konnte. Das Diner verlief in ungetrübter Heiterkeit und zog sich merklich in die Länge. Es dunkelte dann, und mau ent zündete allenthalben Fackeln und Windlichtcr. Währenddeß zog am Westhimmel in südlicher Helle und Klarheit eine schmale Mondsichel, welche das leicht bewegte Meer mit Millionen und Abermillionen hüpfender und tanzender Lichter übersäte, und nun enthüllte sich mit einem Mal der ganze märchenhafte Zauber einer Mondnacht am Cap St. Martin. Die Wogen, welche sich plätschernd und rauschend an den Felsen brachen, verstärkten sich nnd klangen vernehmlicher herauf. Ihr eintöniges und wohliges Gemurmel bemächtigte sich mehr und mehr der Gemüther und versetzte sie in eine gehobene, dem Alltags-Einerlei entrückte Stimmung. Dazu dufteten die Orangenblüthen stärker und berauschender, die Abendwinde erhoben sich und setzten die langen gespenstigen Arme der Palmen in groteske Bewegung. „Wie schön, wie himmlisch!" flüsterte Frau Courcelles dem Grafen Victor zu, als man eben die Tafel aufgehoben hatte und im Begriffe war, den Rückweg nach dem Wagen anzu treten. „Was wollen Sie noch mehr?" „Still!" antwortete leise Graf Victor. „Gehen Sie voraus nnd geben Sie Acht! Wir folgen nach." Dann setzte sich die Gesellschaft in Bewegung, zum großen Theil um den Tragsessel des Herrn de Mclida sich gruppirend, von dem ein Jeder noch einige Worte erhaschen wollte, denn die Meisten wohl hatten nock irgend etwa« auf dem Herzen. Dem Grasen Victor, der sich abermals Felicia'S bemächtigt hatte, gelang eS, unbemerkt etwas zurückzubleiben, nnd an einer Stelle, die ihm für seine Absichten besonders geeignet erschien, drückte er den Arm seiner Begleiterin etwas fester in den seinen und flüsterte heimlicher mit einer bewegten, leicht verschleierten Stimme und in kurzen, vor innerer Auf regung unterbrochenen Sätzen. Er beugte sich tiefer hinab zu der etwa« kleineren Dame, um leiser und eindringlicher sprechen zu könne», seine Hand umspannte die kleine, feine, behandschuhte Hand Felicia's, die auf seinem Arme lag und — der Augenblick deS Glückes war gekommen. Jetzt oder nie! rief er sich innerlich zu und begann alle die oft erprobten Mittel und Mittelcheu anzuwendcn, um seinen Zweck zu erreichen. Alles stand in diesem Augenblick auf dem Spiel, so sollte denn auch Alles versucht werden, um Alles zu erreichen. „Felicia", begann er in weicher, einschmeichelnder Weise, „Sie haben mir gestattet, mit Ihnen von Dingen zu reden, die ich ohne dies nie den Muth gehabt haben würde, Ihnen zu sagen." „Was meinen Sie, Herr Graf?" fragte daS junge Mädchen, mehr verwundert und neugierig, als innerlich erregt. Sie merkte freilich, daß nun etwas Ungewöhnliches kommen sollte, und ahnte vielleicht auch, was cs war; aber trotzdem herrschte in ihr die Neugier vor. Sie wollte wissen, wie er es Vor bringen würde, waS er überhaupt beabsichtigte, und wie das Alles enden sollte. Sie hatte Derartiges noch nicht erlebt. Davon aber shatte sie keine Ahnung, von welch weittragender Wichtigkeit der Augenblick war und welch eine bindende Ver pflichtung au sie herautrat. „Sie haben mir gestattet", fuhr er mit seiner aufregenden und aufgeregten Stimme fort, „Ihnen von Liebe zu reden, und ich nehme an, daß Sie das nicht gcthan haben, weil Sie mich hassen " „Gewiß nicht." „Ich sehe vielmehr eine gewisse Aufmunterung, ein ge wisses Entgegenkommen darin, welches mir Muth macht, rückhaltlos zu bekennen, daß Sie der Engel meines Lebens geworden sind von der ersten Minute an, da ich Sie sah. Nein, sagen Sie jetzt noch nichts, Felicia, sondern hören Sie mich ruhig an nnd sprechen Sie dann frei und offen mein Urtheil, denn die Entscheidung über mein Schicksal, über Tod oder Leben, Glück und Ende rubt jetzt in Ihrer kleinen Hand. Aber einmal muß die Entscheidung fallen, einmal muß daS Her; sich öffnen, wenn eS nicht zerspringen soll." Er weinte und schluchzte und begann ihre Hand mit beißen Küssen zu bedecken. Sie glaubte sogar zu fühlen, wie seine Thränen darauf niedersiclcn. „Felicia, ick liebe Sie!" stieß er nach einer Pause heftig und leidenschaftlich hervor. „Ich liebe Sie mit ver ganzen Kraft meiner Seele, mit jeder Faser meines Herzen«. O wenn Sie in dieses Herz sehen könnten! Man wird Ihnen sagen, ich sei ruinirt, ich sei arm, man wird Ihnen ver stellen, ich liebte Sie unr aus Interesse, aus Spekulation, weil Sie zufällig reich sind — ach Gott, und wären Sie die Aermste der Armen, wären Sic ein Fischermävchcu, ich würde Sie genau so lieben, wie ich cs jetzt thue. Ist es mein Verbrechen, daß Sie reich sind ? Muß ich mir deshalb die Verleumdungen und Schmähungen der Welt gefallen lassen? Aber man wird es thun: Neid und Mißgunst werden sich gegenseitig überbieten, mir die schmutzigsten Motive zu unterstellen — wer weiß, was man Ihnen Alles sagen wird, Felicia, was man erfinden wird, um mich in Ihren Augen herabzusetzen." „Und ich, Felicia, was soll ich thun gegen alle die ver leumderischen Zungen? Ich habe nur mein Herz, mein wildes stürmisches Herz, das mich mit Gewalt zu Ihren Füßen zwingt. Felicia! Lassen Sie mein Her; reden und hören Sie daraus und fühlen Sie hier, daß es nur für Sie schlägt bis zn- seinem letzten Schlag, für Sie, für Ihr Wohl und Ihr Glück." Er war in der That vor ihr auf die Knie gesunken, be hielt aber ihre Hand fest in der seinen, als ob er fürchten müsse, daß sie ihm entschlüpfe. Aber Felicia dachte daran gar nicht und fand im Gegentheil die Situation reizend, nur wußte sie nicht gleich, wäö sie sagen sollte. Ans Romanen und anS dem Theater war ihr zwar das Vorhandensein und die Häufigkeit solcher Scenen bekannt, und wie nun Graf Victor so schön und tadellos vor ihr aus die Knie fiel, Worte beißer Leidenschaft in unterdrücktem Flüstern aussprach, ihre Hand küßte und dabei weinte und schluchzte, wie ein Unglück licher, da fühlte sie instinktiv, Laß sie eigentlich nun auch etwas zu sagen habe. Beruhigen wollte sie ihn vor allen Dingen, sie wollte ibn nickt unglücklich machen nnd ihn nicht — „verderben". Nein, Lazu war sic zu gntmntbig nnd er zu nett, zu höflich, zn verbindlich nnd zu verliebt. Sie hätte ihm gern etwa« Tröstliches, ,a etwas ErmutbigendeS gesagt, aber — merkwürdig, sie, deren Mundwerk sonst keinen Augenblick stille stand, sie fand jetzt keine Worte. „Herr Gras! Herr Gras!" stotterte sie verwirrt. „Sieben Sie auf, um Gottes willen — stehen Sie auf! Sie — Sie werden sich erkälten!" Graf Victor übersab die Situation Wohl nnd kam ibrer Verlegenheit prompt zu Hilfe. „Lassen Sic mich zu Ihren Füßen sterben, Felicia", fuhr er schluchzend fort, „ick habe mir, seit ick Sic kenne, tcincn schöneren Tod gewünscht. Oder wenn Sic meinen Tod nickt wollen, wenn nur ein Körnckcu Mitleid, ein Füntckeu Liebe in Ihnen lebt, so sagen Sic mir ein Wort — ein kleine« armseliges Wörtchen de« Tröste«, der Zuneigung, daö mir wieder Muth zum Leben cinslößt. Dars ick Hessen, Felicia, Sie je die Meine nennen zu dürsen, die Meine für Liese» und jenes Leben? Darf ich hoffen, Laß Sie mir nicht
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