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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970924020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897092402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897092402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-24
- Monat1897-09
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Das war der höchste Stand, den es jemals erreicht hat, nnd diesen Stand min destens wieder zu erreichen, ist sein Streben und Hoffen. Die Eentrumsblätter sagen auch ganz offen, zu welchem Zwecke eine solche Stärke erstrebt wird: man will die Möglichkeit einer dop pelten Mchrheitsbildung haben, von denen jede die Entscheidung in die Hand des Ccntrums legt. „Es muß eine Mehrheit geben für positive Leistungen, wobei hauptsächlich auf die Conservativen zu rechnen ist, und eine zur Abwehr freiheits widriger Tendenzen, wobei das Centrum auf die Parteien der Linken angewiesen ist." Das heißt mit anderen Worten: die jetzige Misöre im Reichstage, die von den engsten Bundesgenossen des Klerikalismus, der süddeutschen Volkö- partei, eben erst in voller Oesfentlichkeit anerkannt worden ist, soll zunächst auf weitere fünf Jahre erhalten bleiben. Das Mittel, mit dem man diesen Zweck zu erreichen gedenkt, ist die denkbar weitherzigste Behandlung der Socialdemokralie sammt Zubehör als „geringeres Ucbel". Die Nachtheile, welche der Entwickelung des nationalen Lebens drohen würden, wenn die Hoffnungen des Ultramontanismus auch nur zum Theile sich erfüllten, schlagen wir nm so höher an, je weniger es das Verdienst einer wachsamen nnd für die Ideale der Nation empfänglichen Negierung ist, in diesen Tagen die Auf merksamkeit auf die Gefahren gelenkt zu haben, die von jener Seite den Bedürfnissen geistiger Freiheit drohen, für welche alle national gesinnten Kreise seit Gründung des Reiches im Kampfe gestanden haben. Im Gegentheil, die Ueberhebung, die im Wesen des Klerikalismus selbst liegt, die herausfordernde Haltung, die Unduldsamkeit, die er sofort bethätigt, sobald er seinen Weizen in Blüthe siehen sieht, diese haben sich das Verdienst erworben und nicht nur eine im Laufe der Jahre etwas „abgehärtete" Regierung vor die Frage gestellt, warum eigentlich vor zwei Jahrzehnten ein so schwerer Kampf geführt worden ist, sondern auch den Theil des Volkes, der auf konfessionelle Duldsamkeit hält, daran erinnert, was man in dieser Beziehung noch Alles zu verlieren hat. Gewiß mag cs Zeiten geben, wo man päpstliche Ausfälle auf das religiöse Empfinden von nahezu zwei Dritteln der Bevölkerung des deutschen Reichs, wie sie das bckannie Can isiu sruudsch reibe n enthielt, kühl von sich ablaufcn lassen kann, weil sie keinen Schaden anzurichten vermögen. Wie wenig aber die gegenwärtigen Zeiten danach angethan sind, das hat nicht nnr daö Verhalten der klerikalen Blätter zu der vorstehenden Frage bekundet, sondern auch das der Ecntrulnssührung selbst. Wenn in der Neichshauptstadt bereits Kirchen gebaut werden, um Vorkämpfer einer Politik zu feiern, die seit Gründung des Reiches mit diesem im Kampfe gestanden; wenn das höhnende Schlag wort geprägt wird, daß „die Entscheidungsschlacht auf dem märkischen Sande dem Protestantismus geschlagen" sei, und wenn eine geschlossene Partei bereit steht, diesen „Sieg" zu behaupten, so ist keine andere Abwehr am Platz, als die jenige, welche auch das großherzoglich hessische Ober- consistorium wählte: eine offene und würdige Zurück-1 Weisung, eine Abwehr, welche die Wachsamkeit der breiten j Oefsentlichkeit weckt. Da der päpstliche Uebergriff auch an die preußischen Bischöfe adressirt war und von allen preußischen klerikalen Organen in die Bevölkerung hinaus getragen wurde, so wäre zu erwarten gewesen, daß man in Preußen nicht der Vertretung der evangelischen Kirche Hessens den Vortritt gelassen hätte. Aber man bat sich in Berlin in Schweigen gebüllt und von den vielen Organen, welche der Regierung znr Verfügung stehen, hat nicht eines verrathen, wie man an dieser Stelle den Schlag empfunden, den die religiöse Parität mit jener Kundgebung erhielt. Gerade dieser Umstand ist cs, der die Kundgebungen und Wahl vorbereitungen des Klerikalismus so bedrohlich erscheinen läßt und an die uationalgesinnten Kreise im ganzen Reiche die eindringliche Mahnung richtet, sich bei Zeiten darauf ein- znrichten, damit die Ucberraschungen nach den kommenden Wahlen nicht zu groß werden. Die National-Lorialcn müssen es erleben, daß nicht nur die von ihnen mit schweren Opfern ins Leben gerufene „Zeit" nach kurzem Bestehen das Zeitliche segnet, sondern daß auch der im Inner» der Gruppe seit ihrer Geburt bestehende Zwiespalt offen zu Tage tritt. Während der conscrvative Flügel unter der Führung Sohin's verlangt, daß man den nationalen Standpunct schärfer betone nnd die Socialdemokratie be kämpfe, verlangt der demokratische Flügel unter Göhre das gerade Gegentheil. Welche Richtung sich als die stärkere erweisen wird, ist ziemlich glcickgiltig; die Hauptsache ist, daß die Trennung beider Gruppen unvermeidlich ist. Jeder aufmerksame Beobachter hat das vorausgesehen. Es war auf die Dauer unmöglich, daß monarchisch und national gesinnte Männer mit anderen einträchtig zusammenarbeiteten, die von Tag zu Tag mehr einem Radicalismus verfielen, der ihren Gegensatz zu der Socialdemokratie bis zur Unkenntlichkeit verwischte. Das Vernünftigste wäre, wenn die radikalen Führer offen zur Socialdemokratie überträten, denn es würde ihnen dadurch die Möglichkeit geboten werden, eine politische Rolle zu spielen, die sie nach der Trennung von Sohm und seinen Freunden trotz allen Eifers nicht spielen können. Die Socialdemokraten würden sie sicherlich mit offenen A men aufnehmen, denn die Mitarbeiterschaft socialdemokratischer Pastoren würde den „Genossen" als vorzügliches Lockmittel für die ländliche Bevölkerung erscheinen. Und eine Stärkung der Socialdemokratie fällt mit den Zielen der Herren Göhre und Genossen zusammen; was ihnen etwa an der Partei Liebknechl's und Bebel's nicht gefällt, können sie als Mit glieder dieser Partei viel leichter reformiren, als von außen her. Auch dem eonservativen Flügel wäre zn empfehlen, auf eine Sonderexistenz zu verzichten, durch die sie nur in Gegen satz zn den großen politischen Parteien gebracht werden und eine Einwirkung auf diese verlieren. Das MißverhLltniß zwischen den Machtansp r ü ch e n und den Machtmitteln Englands tritt anläßlich der jetzt in Indien nothwendig gewordenen militairischen Kraft entfaltung in einer so handgreiflichen Weise zu Tage, daß der ganze insulare Hochmuth John Bull's dazu gehört, um sich nach wie vor als den prädcstinirten Herrn der Welt zu ge- berden. Mil der Zunahme der überseeischen Besitzungen Eng lands in den Jahren der colonialen Auftheilung der bis dahin noch herrenlos verbliebenen berrux rostos des Erd balls hat die Organisation der Vertheidigung der englischen Rcichsgreuze» auch nicht annähernd gleichen schritt gehalten. Wenn die englische Flotte unter noruialen Verhältnissen zur Erfüllung der ihr obliegenden zahlreichen und wichtigen Aus gaben noch leidlich im Stande sein mag, so liegt doch die absolute Unzulänglichkeit der englischen Streitkräfte zu Lande offenkundig vor Aller Augen. Das stehende Heer, an sich schon klein, ist nur zu einem geringen Theile aus mili- tairisch leistungsfähigen Elementen zusammengesetzt, unter denen zudem noch Insubordination und Desertion alltägliche Vorkommnisse bilden; die Reiben der in Indien stehenden Truppen werden durch ansteckende Krankheiten mehr als decimirt, sie können nur in beschränktem Maße an der Nord- westgrcnze zur Verwendung kommen, weil Indien selbst von europäischen Truppen nicht entblößt werden darf, und von der Heimath ist kein nennenswcrtber Nachschub möglich, weil es dort an vollwerthigem Menschenmaterial mangelt. In leitenden militairischen Kreisen macht man sich auch kein Hehl aus der Unzulänglichkeit der englischen HeereSmacht und dringt auf Vermehrung derselben. So meldet man unS unterm 23. September aus Glasgow: Lord Wolseley, der Oberstcommaiidirende des britischen Heeres, erklärte in einer Ansprache, bei Entgegennahme des Ehrenbürger brieses, daß ein mäßig großes Heer von guter Beschaffenheit noth wendig sei, um einerseits eine Invasion abznweisen, andererseits die Kohlenstationen und Len überieeijchen Landbesitz aufrecht zu er- halten. Obwohl England die friedliebendste Nation der Welt(!) sei, so stehe die englische Armee doch fast immer irgendwo auf dem Kriegsfuß (!). Daher sei es nothwendig, daß Las Heer stets actions bereit sei. Es sei nicht möglich, sich mit den Afridis oder dergleichen Volksstümmen zu vergleichen. Dieselben kämpfen, weil sie Gefallen am Kampfe finden, während die Engländer kämpfen, weil sie den Frieden lieben. (?) Die Anforderungen an das Heer seien indessen gewachsen, ohne daß eine entsprechende Vermehrung seiner Stärke slattgcfnndcn hätte. Ans diesem Grunde empfahl Lord Wolseley eine Vermehrung der Linien-Bataillone, um allen auf- tcinchenden Ereignissen begegnen zn können. Wie sehr Noth an Mann geht, mag man aus der That- sache entnehmen, Laß die für Englands Verbindung mit Indien und überhaupt für seine Weltmachtstellung unschätzbar wichtige Position in Egypten zur Zeit militairisch saft voll ständig entblößt ist. Was die Engländer in Egypten an regu- lairen Truppen stehen haben, alles in allem ein paar Tausend Mann aller Waffengattungen, ist mit Kitchener Pascha nilauf- wärts, dem Sudan entgegen, gezogen; abgesehen von den in Kairo und Alexandrien stationirtcn ganz minimen Abtheilnngen, eigentlich nur Wachtcommankos, ist Egypten augenblicklich ohne jede mililairische Occupation. Der Engländerhaß der eingeborenen Bevölkerung saugt aus dem Anblicke der mili tairischen Ohnmacht der occupircnden Macht täglich neue Kraft, und ernste Zwischenfälle erscheinen nicht ausgeschlossen. So wurde am Freitag voriger Woche eine Abtheilung be rittener englischer Infanterie auf offener Straße in Kairo vom arabischen Pöbel insultirt, ohne daß es gelang, der Uebelthäter habhaft zu werden. Wenn einzelne Londoner Preßstimmcn für Statuirung eines Exempels plaidiren, so ist daS offenbar nur eine Verlegenheitsausrede. Bei der Schwäche der englischen Besatzung verbietet sich jedes der artige Kraftmanöver von selbst; die Erbitterung der musel männischen Welt gegen alles Englische ist ohnehin nicht mehr allzuweit von dem kritischen Puncte entfernt, wo ein Ausgleich der Spannungsverschiedeuheiten nur im Wege der Explosion möglich erscheint. Alles hängt davon ab, ob es den an der Nvrdwestgrenze Indiens operirendeu Generalen gelingt, durch rasche und gründliche Züchtigung der Auf ständischen das stark ins Wanken gekommene moralische Prestige der englischen Macht innerhalb der Grenzen des Islani wieder zu rehabilikiren. Sehr beachtenswerth ist, daß sich den russischen Preß organen, die ein Eingreifen Rnszlnndü in die indischen Wirren befürworten, nunmehr auch die „Petersburgskija Wjcdomosli" anschließen, daS Organ des Fürsten Uchtomeli, welcher erst jüngst die Gesandtschaftsreise nach China leitete. Das Blatt schreibt: Was Rußland betrifft, so kann sich dieses der gegenwärtigen Sachlage im nordwestlichen Indien gegenüber unmöglich gleichgiltig verhalten. Daraus weist schon die Thatsache hin, daß England während der letzten Jahre nur darauf ausgeqangen ist, uns zn schaden ... Man muß stets aus das Schlimmste gefaßt sein: wir müssen erwarten, daß es den Engländern nach großen An strengungen gelingen wird, den Aufstand uicderzuwerfcu. Die Engländer werden alsdann die unumschränkten Gebieter in jenen Gegenden sein,und selbst der Emir von Afghanistan wird sich auf seinem Throne nicht sicher füblen. Denn die Engländer werden sich wohl kaum mit der Niederwerfung des Aufstandes zusriedengeben. Sie werden ihren Sieg im ganzen Umfange aus nützen. Der gegenwärtige Aus stand ist ja nur durch die aggressive englische Politik hervor gerufen worden: indem die Engländer alle kleinen Stämme unterwerfen, umzingeln sie Afghanistan wie mit einem Ringe, nnd wer weiß, welche Folgen für dieses Land ein künftiger Thronwechsel haben wird, wenn Abdurrabmau, dieser erfahrene Politiker und charaklerstarke Manu, den Schauplatz verläßt. Die thatsächlichen Absichten ter Engländer gehen aus der kürzlich erfolgten schriftlichen Mil theilung an den Emir hervor, daß die englischen Truppen genöthigt sein werden, afghanisches Gebiet zu betreten. Hierin liegt eine ungeheure Frechheit, fast ein Oasus dolli. woraus hervorgeht, wie sehr die Engländer gewohnt sine, den Emir von oben herab zu behandeln. Rußland muß daher gegen die jetzigen englischen Bewegungen gegen den Nord westen Indiens Maßregeln ergreifen, da diese Bewegungen "zu jeder Zeit einen aggressiven Charakter annehmcn können. Gleichviel, wie sich der Emir von Afghanistan zu der Sache verhält, wir unsererseits dürfen eine Ansammlung englischer Truppen in unserer nächsten Nachbarschaft nicht zulasseu, ohne Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen; der Uebergang der englischen Truppen auf afghanisches Gebiet muß einen ent sprechenden Vorstoß unsererseits gegen Herat und das Pamir- Plateau znr Folge haben. lieber die Aussichten der griechischen wlänbiger schreibt die „Köln. Ztg." anscheinend vsficiös: Die wiederholt ans tauchende und neuerdings von Sir Edgard Vincent verfochtene Ansicht, die Mächte würden sich für die griechische Kriegsanleihe in irgend welcher Form zu ver - b ii r g e n haben, erklärt sich leicht aus dem Wunsche der griechischen Regierung, und das würde auch den Bankiers, die auf das Emissionsgeschäft rechnen, sehr willkommen sein, da sie dann die Operation mit einem Papier machen könnten, das besser fnndirt wäre als irgend eins in Europa. Nim halten wir es für ausgeschlossen, daß eine solche europäische Bürg schast zn Stande kommen wird, denn wenn cs schon fraglich ist, ob sich mehrere europäische Mächte zu einer solchen Vcr bürgung bereit finden lassen, so wird Deutschlauv jedenfalls unter keinen Umständen eine finanzielle Bürgschaft für Griechenland übernehmen. Was nun die Stellung der deutschen und anderen Gläubiger anlangt, so wird die Frrrilleton» Götzendienst. 16j Roman in zwei Theilen von Woldemar Urban. Nachdruck verbot«!. XIII. Es ist eine unbestrittene Thatsache, daß die Riviera, d. h. der Küstenstrich von Nizza oder Cannes bis Genna, eine der schönsten Gegenden der Welt ist, sowohl in Bezug auf ihr Klima, das einem ewigen Frühling gleicht, als auch in Bezug auf die malerische Landschaflssceuerie und die üppige Vege tation. Nur wird sie durch die Spielbank von Monte Carlo geradezu verpestet. Diese Spielbank bietet eine Anziehungs kraft für fo viel Lumpengesindel aus aller Herren Ländern, und schon der Umstand, daß hier Tausende und Hundert tausende tagtäglich im Spiel gewonnen und verloren werden und der Besitz, das Geld also, nickt mehr der Preis und die Belohnung für ehrliche Arbeit und Tüchtigkeit, sondern nur zur Beute des blinden Zufalles wird, wirkt so zersetzend und denioralisirend auf die Bevölkerung, daß die herrliche Land schaft und die wunderbare Farbenpracht der Küste nnd des Meeres kaum noch wie au anderen Orten veredelnd und be friedigend auf daS menschliche Gemütb cinwirkcn kann. Es war also geradezu ein unglücklicher Zufall, daß Don Graciaö gerade hier zum ersten Mal seinen Fuß auf europäischen Boden setzte, denn vielleicht nirgends so wie hier konnte ihm die wilde rücksichtslose Geldgier, die wüste SpcculationSsucht, die Alles menschlich Edle zu Boden tretende Hast nach mühe losem Gewinn so massig, so abschreckend und grell entgegen treten. Einen besseren Begriff von Europa und den Euro päern hätte Don GraciaS entschieden bekommen, wenn er in einer friedlichen und arbeitsamen Indnstriegegend gelandet wäre. Bisher hatte er noch immer an der Idee festgehalten, Europa als ein in Cultur und Indnstrie besonders hoch entwickeltes Land zu finden, hier aber an seinem glänzendsten nnd zugleich auch verwerflichsten Puncte wurde diese Idee rücksichtslos in ihm zerstört. Freilich kannte er gewisse Existenzen, die sich hier um ibn drängten, bereits aus seiner Heimath znr Genüge. Die Südamerikaner, in den Pampas die Gauchos, die Goldsucher in Chile und anderes Gelichter waren am allerwenigsten Kinder voll Unschuld und Menschen- iebe, aber er war doch in der Erwartung nach Europa ge kommen, hier etwas Anderes, Neues und Besseres zu sehen. Und das, was er nun bisher geschaut hatte, war freilich etwas Anderes, aber nichts — Besseres gewesen. Menschen bleiben eben Menschen, hier und drüben blasen sie auf derselben Pfeife, nur die Tonart ist eine andere. „Ja — Papa", sagte Felicia einige Tage später während des Essens, „das werden wir machen, und zwar morgen Mittag um zwei Uhr. Wir müssen daher morgen etwas zeitiger frühstücken, Abends aber essen wir aus dem Cap St. Martin." „Ich weiß — ich weiß, mein Kind." „Du weißt eS schon '? Wer hat Dir denn davon erzählt?" „Herr Delorme." „Was der nickt Alles weiß! Ich glaube, Herr Delorme bat Augen und Ohren rings um den ganzen Kopf berum. Aber um darauf zurückzukommen: wirst Du uns begleiten? Graf Victor zu Kreuz hat auch schon zugesagt und Frau CourcelleS arrangirt das Essen; Du wirst daher ganz allein bleiben, wenn Du nicht mitfährst". „Ich werde mitfahren", sagte Don GraciaS in seiner langsamen, schwerfälligen Manier. „Schön, Papa! Unterwegs wirst Du zwar jedenfalls wieder einschlafen; aber daS schadet nichts, wenn Du über haupt nur dabei bist. Ich werde übrigens sofort mit Herrn Delorme reden; er soll den Wagen mit den Schlafkissen be reit stellen lassen. Brauchst Du sonst noch etwas?" „Ich habe Herrn Delorme bereits instruirt." „Um so besser! Es wird sehr hübsch werden, Herr Hartwig zeigt uns Alles und dann auch Dein bei ihm be stelltes Bild, darauf bin ich furchtbar neugierig. Weißt Du übrigens schon, Papa, daß ich auch Talent zum Malen habe ?" Don GraciaS hob ein wenig den Kopf und sah seine Tochter etwas überrascht an, von dieser Fähigkeit hatte er bisher offenbar noch nichts bemerkt. Felicia, einmal in daS Fahrwasser ihrer Plauderei aerathen, bemerkte den fragenden Blick des VaterS nicht, sondern fuhr munter und sprudelnd wie ein Bergquell im Frühling fort: „Jawohl, ich werde eine Künstlerin und die Leute in Europa sollen mich als solche schon kennen. Vor läufig nehme ick Malstundcn — weißt Du, nur um die AnsangSgründe zu erlangen. DaS Andere macht sich dann von selbst — das kenne ich — und das ist ja immer so bei Talenten. Ich weiß nur noch nicht, bei wem ich den ersten Unterricht nehmen soll: aber — kommt Zeit, kommt Rath. Nicht wahr, Papa? Wenns weiter nichts ist —" Endlos ging die Mühle weiter, von zukünftigem Ruhm und Unsterblichkeit plappernd und klappernd, bis ein sanftes Schnarchen das Entschlummern ihres VaterS ankündigte nnd ihrer Rede Mühe vergeblich machte. Felicia schwieg, nicht ohne ein wenig über die Interesse losigkeit des Vaters zu grollen, der sich ihrem zukünftigen Ruhm gegenüber so gleichgiltig zeigte; dann aber erhob sic sich sachte, küßte den Vater zärtlich auf die Wange und schlich sich dann leise davon, um ihn nicht zu wecken. Am nächsten Tage hielten vor dem Hotel dc France mehrere Breaks, hvchgcbautc Wagen, wie man sie vornehm lich an der Riviera zu Ausflügen benützt, die mehreren Per sonen bequem Unterkunft gewährten und zugleich, da sie ohne Dach waren, freien Ausblick nach allen Seiten gestatteten. Außerdem stand noch ein großer bequemer Reiseschlaswagen und ein Fouragewagen bereit. Namentlich der letztere erregte unter den Passanten die ungetheiltestc Aufmerksamkeit, denn der Menge der Gegenstände nach zu urtheilen, die in ihm ausgespeichert wurden, schien es sich um eine Excursion ins gelobte Land zu handeln nnd dock wollte man nnr wenige Stunden an der Küste entlang fahren. Da wurde eine un glaubliche Anzahl von Wein- und Champagnerflasckcn, Mineralwässern, Pasteten, Braten, Brod, Geschirre zum Essen, zum Koche», zum Braten und Erwärmen der Speisen, Wäsche, Körbe mit Gemüse, mit Obst nnd hundert anderen Sachen verladen, als ob ein Hoflager verlegt werden sollte, und doch handelte es sich nur um einen Ausflug von mehreren Stunden. In seinem Privatsalon oben stand Herr de Melida zum Ausfahren bereit. Eben wollte er daS Zimmer verlassen, um sich zu den Wagen zu begeben, als sein Secretair, Herr Delorme, eintrat. „Was giebt's, Herr Delorme?" „Wenn Excellenr mir nur zwei Minuten widmen möchten." „Bringen Sie Ihr Anliegen vor." „Zunächst ist hier die Ausstellung der Kosten und Aus gaben der letzten Woche. Ich möchte Ew. Excellenz bitten, sie zn prüfen." „Gut — gelegentlich — legen Sie sie nur auf meinen Schreibtisch." „Excellenz werden daraus ersehen, daß wir in der ver gangenen Woche 72 000 Francs über den gewöhnlichen Etat benötbigt haben." „Es hat nichts zu sagen, mein lieber Delorme; für der artige Fälle habe ich schon Vorsorge getroffen. Geben Sie das Deficit nur ans den Credit Lyonnais ab." „ES ist ein kleiner Posten darunter, auf den ich mich ver pflichtet halte, Ew. Excellenz besonders aufmerksam zu machen. Don Salvatore bat vorgestern achttansenddreihundert Francs an der Bank verspielt." „Verspielt?" „Ja, Excellenz." „Salvatore ist ein dummer Kerl. Ich werde mit ihm reden. Aber woher hat er eine derartig hohe Summe? Soviel ich weiß, spielt man an ter Bank nur gegen baar." „Don Salvatore hat sich beim Portier des Hotels zehn tausend Francs geliehen. Ich habe natürlich daS Geld sofort zurückerstattet, mit dem Bedeuten, daß ich für weitere An leihen Don Salvatore'S nicht mehr aus eigener Machtvoll kommenheit anfkommen könne." „Sie hätten weitcrgehen und dem Manne sagen sollen, daß wir überhaupt dergleichen nicht mehr bezahlen, im Gegeu- theil sofort aus dem Hotel auszichen werden, wenn mir wieder solche Streiche gespielt werden." „Im wollte jedes Aussehen vermeiden, ohne Ew. Excellenz zuvor darüber befragt zu haben." „Nun — jetzt wissen Sie jedenfalls, wie ich darüber denke. Die zehntausend Francs hat Salvatore selbst zu decken. Ziehen Sie ihm jede Woche die Hälfte seines Taschengeldes ab, bis es geschehen ist und spielt er wieder, so wird ihm überhaupt nicktS mehr auögezablt. Wer nicht mit Geld um gehen kann, soll auch keinS in Händen haben. Verstanden?" Herr Delorme machte eine stumme Verbeugung. „Salvatore werde ich gründlich ins Gebet nehmen. Haben Sie sonst noch etwas zu berichten?" „Nein Excellenz, nichts von Belang." „Nun, so wollen wir ansbrechen. Sie begleiten unS?" „Wie Ew. Excellenz befehlen." Don GraciaS stand einen Augenblick nachdenklich still. „Hm, ich denke, es ist besser, Sie fahren mit, Herr Delorme." Wieder machte der Secretair eine Verbeugung, dann stieg man die Treppen hinunter, vor das HauS, wo die Wagen hielten. Die Herrschaften batten fämmtlick bereits Platz genommen. Auf dem ersten Wagen saß Gras Victor mit Fräulein Felicia und Ton Salvatore, ein Courier und zwei Diener. Hier hatte man auch für Ton GraciaS einen Platz rcservirt. Im zweiten Wagen hatten Frau Courcelles und ihre beiden
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