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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970925022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897092502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897092502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-25
- Monat1897-09
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Größere Schriften laut unserem Preis- derzrichaib. Tabellarischer und Zisfernstkh uach höherem Tarif. Sztr« Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderun; >ll 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. Ännahmeschluß für Änzeigtn: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. 77 or gen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. vri den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets a» die Expeditia» zu richten. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig Ost Sonnabend den 25. September 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. September. Wir haben Jestern darauf aufmerksam gemacht, daß das gute Beispiel, welches das großherzoglich bessische Oberconsistorium mit seinem Proteste gegen das päpstliche CanisiuSsch reiben gegeben» iu Preußen bisher keine Nachahmung gefunden hat. Jetzt liegt eine anscheinend ofsiciöseAuSlassung vor,welche die Besorgniß erweckt, der führende deutsche Staat gedenke dem llltramontanismus nicht nur durch schweigende Duldung von Provocationen, sondern durch Thaten neue Beweise freundlicher Gesinnung zu geben. In der „M.-P.-Corr." wird nämlich dem Beschlüsse des Reichstags, den K 2 deS ZksnitengesclzeS aufznheben, das Wort geredet. ES stehe, heißt cs, mit den Recklsanschauuuge» einer fort geschrittenen Zeit durchaus im Widerspruche, Deutsche aus ihrem Vaterlande zu verweisen. Indem man in Deutsch land so grausam verfahren sei, diese Strafe zu con- struiren, habe man vollständig außer Acht gelassen, daß die Verhängung der Landesverweisung als Strafe eine Kränkung deS Auslandes (!) bedeute. llebrigens seieu trotz jenes Paragraphen die Jesuiten überall im Reiche, insonder heit in Berlin anzutreffen, woraus hervvrgehe, daß der Para graph keine Wirkungskraft mehr ausübe. Begreiflicherweise bat diese Auslassung eines sehr häufig zu osficiösen Kund gebungen benutzten Blattes auf die Hoffnungen des EentrnmSführerS I)r. Lieber gewirkt, wie ein warmer Regen auf die junge Saat. Er wollte am Donnerstag Abend in Frankfurt a. M. im katholischen Arbeiter vereine einen Vortrag über die hohe wirthschaftliche Bedeutung dieser Vereine halten, aber infolge der verheißungsvollen Aus lassung der „M.-P.-Corr." entschloß er sich plötzlich in letzter Stunde, das Thema des Jesuitengesetzes zu wählen. Um sich nicht allzu auffällig an die Adresse der preußischen Negierung zu wenden, knüpfte er an die in einigen Blättern aus gesprochene Vermuthnng, Las Eentrum habe seine wieder holten Jesuitenanträge gar nicht ernst gemeint, da ihm das Jesuiteugesetz ein werthvolles Agitationsmittel biete, au, wies diese „unerhörte Beleidigung" weitschweifig zurück und wendete sich erst am Schluffe an die Herren des Bundcsrathes, für welche die ganze Rede bestimmt war. Welche Bedeutung er selbst dieser Rede znschrieb, geht auS einem Berichte der „Franks. Ztg." hervor, nach welcher Herr Or. Lieber sprach: „Ich hatte beabsichtigt, einen Vortrag für den Arbeiterverein zu halten an der Hand Les päpstlichen Rundschreibens über die Hobe wirlh- schastliche Bedeutung der Arbeitervereine und die Wahrung ihrer Interessen durch die Centrnmsparter gegenüber der Wahrung der Interessen dec Arbeiter durch die Cocialdemvkralie. Ich »ins; aber heute davon abstchen und davon ein anderes Mal sprechen. Mir ist inzwischen eine viel wichtigere Ausgabe erwachsen, ich muß eine hochpolitische Rede halten, eine» Angriff gegen die Ccntrumsparlei abweisen." vr. Lieber theilte nun mit, es sei ihm von glaubwürdiger Seite — den Namen zu nennen, behalte er sich für später vor — die briefliche Mittheilung geworden, daß von Conservativen und Freisinnigen im Lande erzählt worden sei, die Centrumspartei habe nur widerwillig die letzten Angriffe auf das Jes uitengesetz mit gemacht. Auch in polnisch-parlamentarischen Kreisen behaupte man. Las Centruin wünsche selbst nicht aufrichtig die Zurückberufung der Jesuiten. Tiefe Behauptungen müßten als eine unerhörte Beleidigung zurückgewiesen werden. Es wurde nun an der Hand der stenographischen Reichstagsberichte das Berhalte» Les Centruins iu den Anträgen auf Aufhebung des ganzen Jesuitengesetzes und in seiner Zustimmung zu dem abschwächenden Antrag aus Aufhebung nur Les 8 2 des Gesetzes vom Redner dargestellt. Dies sei geschehen, um dein Buudcsrathe Klarheit zu geben über die Mindestforderung des Centrums im Interesse der Seelsorge und der bürgerlichen Genieinfreiheit des katholischen Bolke-Z. Wir stehen heute vor den Wahlen, so fuhr vr. Lieber fort. Tie Herren ans der Seite der Conservativen nnd der Freis. Vereinigung empfinden es sehr schmerzlich, daß Las Centrum den Aus schlag im Reichstag gicbt. Deshalb versuchen sie, so viel Mißtrauen als möglich in dem katholischen Volke zu erregen. Es ist das gerade nicht vornehm, aber eine Wahltaktik; wir sind gewohnt, daß ihr Verhalten nicht stets ihrem vornehmen Namen entspricht. Bei der polnischen Partei ist nicht der geringste Erklärung^- nnd Ciit- schuldigungsgrund für die üble Nachrede vorhanden, Las Centrum hat jederzeit die Rechte der polnischen Bevölkerung verthcidigt; es hätte am wenigsten von ihr eine üble Nachrede, eine Verdächtigung erwartet. Ter Redner sprach dann sein großes Erstaunen darüber aus, daß man ihn, Len inan seiner derben Geradheit wegen jahrelang „im Kolh hernmgezogen" habe, heute als „Komödianten" bezeichne. Wenn die Herren im Bnndes- rathe wußten, welch' hohe Gefahr einem großen Theile des Volkes droht, der Gefahr des Umsturzes zn unterliegen, so würden sie sich die berufene Mitarbeiterschaft gerade der Jesuiten durch deren Zurückberufung so rasch wie möglich sichern. Den katholischen Arbeitervereinen müsse man zurusen: In cuerm Lager muß der Sieg der Jesuiten liegen. Mit einem Hoch ans die Jesuiten und die ihnen verwandten Orden schloß die Rede. Wir werden nun in den nächsten Tagen in der ge sammten Eentrumspresse Variationen über das Thema der „berufenen Mitarbeiterschaft" der Jesuiten im Kampfe gegen den Umsturz lesen; selbst der Führer des badischen (Leutruins, Pfarrer Wacker, der so eifrig für die Verdrängung der Nationalliberalen aus dem badischen Landtage durch Socialdemokraten wirkt, wird sich ungescheut an dem „Nachweise" betheiligen, daß das Eentrum die Aufhebung oder Abbröckelung des Jesuitengesetzcs lediglich auS Sorge vor dem Ueberwuchcrn der Sccialdcmokratie fordere. Auch das durch den 2 dieses Gesetzes „gekränkte Ausland" wird eine Rolle in diesen Declamationeu spielen, und alle katholischen Arbeitervereine im Reiche werden sich regen, um die „Zurückberufung der Jesuiten so rasch wie mög lich" als das einzige Mittel zur Rettung des Vaterlandes aüs inneren und äußeren Gefahren zu befürworten. War die Auslassung der „M.-P.-Corr." bestellte Arbeit, die einen neuen Jesuitensturm entfesseln und dadurch der preußischen Negierung Veranlassung zur Herbeiführung eines baldigen und „befriedigenden" Bundesrathsbeschlnsses in Sachen des Jesuitengesetzes geben sollte, so wird in aller Kürze der Zweck der Auslassung erreicht sein. Die Socialdemokratcn wollen ihre eventuelle Hilfe bei den prcustischen Lanvtagswahlcn nicht umsonst leisten. Ter von ihnen zn unterstützende Candidat wird sich vielmehr zur Unterstützung gewisser socialbemokratischer Forderungen ver pflichten müssen. So verlangen die Socialdemokralen z. B., daß der Bewerber für die Beseitigung der Gesinde ordnung eintrete. Gerade in diesem Puucte aber sind selbst die Volksparteiler nicht gesonnen, dem socialdemokratischen Begehren uachzugebe». Eben jetzt bat sick eine heftige Fehde zwischen der „Freisinnigen Zeitung" und dem „Vorwärts" über die Gesindeordnung erhoben. Die Socialdemokraten wollen an Stelle eines besonderen Verhältnisses zwischen Herrschaft und Dienst boten den allgemeinen Dienstvertrag setzen, wie er zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei gewerblichen Unter nehmungen besteht. In dieser Hinsicht hat aber selbst die Fortschrittspartei Einsicht genug,um zu erkennen, daß unter einem solchen Verhältnis; die Dienstboten am allermeisten zu leiden haben würden. Denn die Herrschaft würde Dienstboten gegenüber, gegen die sie nickt mehr Reckte hätte, als gegen Arbeiter, sich auch in ihren Pflichten auf das Nothwcndigste beschräuten müssen. Die Socialtemvkraten verkennen eben immer, daß die so viel gesckmähte preußische Gcsindcorduung auch der Dienstherrschaft sehr erhebliche Pflichten auserlegt. Man muß annehmen, daß die socialdemokratischen Führer dies Len Massen absichtlich verschweigen, da sie ja die juristische Leuchte Stadthagen unter sich haben. Hier aber, wie in anderen Fällen, kommt cs den Socialdemokraten gar nicht darauf an, dem angeblich unterdrückten Theile einen Vor- theil zu verschaffen, sondern nur darauf, die Zahl der Un zufriedenen zu vermehren und dadurch neue Schaaren von Anhängern zu gewinnen. Zur Lage in Oesterreich wird der „Westdeutschen Ztg." von untcrricktetcr Seite in wesentlicher (Übereinstimmung mit unserer Auffassung geschrieben: „Wie sind die unheil vollen Verordnungen Badeni'S zum Fall zu bringen? Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Sicherlich nicht durch auffällige Agitationen im deutschen Reich, durch Ver anstaltung von Versammlungen auf deutschem Boden an der Grenze, Lurch Verleitung von Deutschböhmen zu unvor sichtigen Reden auf deutschem Gebiet. Der Deutsch-Oester reicher muß den ihm frevelhaft aufgedrungenen Kampf allein ausfechten. Er wird ihn überstehen, wenn die Partei einig bleibt, und sie kann nur einig bleiben, wenn sie den gesetzlichen nnd loyalen Boden nicht verläßt, nicht eine an sich un mögliche Hilfe der deutschen Brüder im Reich anruft. Nur dann wäre auch für eine weise deutsche Reichsregieruug die Möglichkeit geboten, auf das Bedenkliche eincö übermäßigen Slawismus für den Bestand des Dreibundes hinzuweisen. Die Leutschnationalen Herren v. Schönerer, Wolf, Jro rc. geben in einer Weise vor, welche sie der Gefahr aussetzt, dem Badeni den Vorwand in die Hand zn spielen, ihnen antidyuaslische Hetzereien vorwerfen zn können. An ^geuts provocutouvs hat er Ueberfluß, auch in Polen eine auerkennenswerthe Fertigkeit erworben, sie zn gebrauchen. Was soll also der Deutsche thun? Die Obstruclion sortsetzen? Wir glauben, das ist auf die Dauer unmöglich. Wohl aber halten wir einen totalen parlamentarischen Streik für ausführbar und, wenn treu durchgesübrt, für überaus wirkungsvoll. Sobald die Slawen und Klerikalen unter sich sind, werden sie über die Bente in Kampf gerathen, denn auch von ihnen gönnt Keiner dem Andern etwas, bei allem En thusiasmus für Autonomie will sich jeder Einzelne auf Kvsten der Gesammtheit Vortheile verschaffen. Zn verzagen braucht also der Deutsche noch nicht, er muß nur Ruhe, Umsicht, Energie und Einigkeit bewahren." — vr. Kathrein hat an gekündigt, daß er heute die Wahlen in die Delegationen vorzunehmen gedenke. Von Interesse ist die Wahl für Böh men und Mähren. In Böhmen wurden bei der letzten Delegationsmahl am 22. Mai Idllti im Wege des Compro misses je 5 Deutsche und 5 Tschechen, in Mähren ein ver fassungstreuer Großgrundbesitzer, zwei Deutsche und ein Tscheche gewählt. Die tschechischen Abgeordneten haben den deutschen Abgeordneten dieser Kronländer die Erneuerung des Eompromisses angeboten, der Vorschlag ist aber, wie uns aus Wien gemeldet wird, gestern abgelehnt worden. In Steiermark hat der verfassnngStreue Großgrundbesitz mit der Volkspartei die Mehrheit gegenüber den Klerikalen und Slowenen. In Schlesien besitzen die deutschen Parteien gegenüber den slawischen auch diesmal die Majorität, ebenso in Kärnthen. In Niederösterreich mußte bei der letzten Wabl das LooS zwischen dem liberalen und christlich socialen Eandidatcn entscheiden. Diesmal verfügen die Antisemiten über die unbestrittene Majorität. Principiell scheint die Ansicht an Boden gewonnen zu haben. Laß Lie deutsche Opposition sich in den genannten KronlänLern nicht bloö au der Wahl betheiligen, sondern auch die ihr durch die Wahl zufallcndcn Mandate ausüben soll. Gegenüber der Agitation i» Athen ist darauf hinzuweisen. Laß die jetzt erhobenen griechische» Einwendungen gegen Len Friedensabschluß bei keiner einzigen Macht Aussicht auf die geringste Berücksichtigung haben. Was die Stellung Deutsch lands anlangt, so ist sie so bekannt, daß darüber wohl nichts mehr gesagt zu werden braucht. Auf demselben Stand- puncte stehen die engeren Verbündeten Deutschlands, aus deren maßgebender Presse die Griechen ersehen können, daß jeder Widerstand aussichtslos ist. Der „Pester Lloyd" führt insbesondere aus, daß die Annahme der Bedingungen der einzige Weg zur Wiedererlangung Thessaliens sei, und daß cs Loch Wohl keine griechische Kammer auf sich nehmen werde, Len Weg zur Befreiung Thessaliens Lauernd zu versperren. Nach Len bereits bekannt gegebenen Erklärungen Les Grafen Murawjew kann cs auck keinem Zweifel unterliegen, Laß Lie Griechen in Rußland keinen Stützpunkt finden werde», sondern daß dieses sie ruhig ihrem Schicksal überlassen wird, wenn sie den Forderungen der Mächte Eigensinn entgegensetzen. Der vom franzö sischen Auswärtigen Amte oft zu Mittbeilungen benutzte „Matin" gebt ebenfalls scharf mit den Griechen ins Gericht. Sie hätten niemals ein Verständniß für die Wirklichkeit der Dinge, sie hätten sich eingebildet, Europa dürfe sie bei ihren tollen Unternehmungen nicht im Stiche lassen. Die Mächte dächten aber nicht daran, solche Hoffnungen zn ermuntern, und den Griechen bliebe jetzt nichts Anderes übrig, als sich zu unterwerfen. Auch in England ist man nicht mehr ge sonnen, Lie Griechen in Schutz zu nehmen. Keine Nation, so sagt der „Standard", habe das Vorrecht, einen Krieg anzu fangen und dann, wenn geschlagen, sich den Folgen der Nieder lage zu entziehen. Edhem Pascha hätte zweifelsohne auf die Akropolis marschiren können, wenn Europa nicht eingeschrittcn wäre. Wenn das aber geschehen wäre, so würden die Griechen ganz andere Nachtheile und Verletzungen ihrer „Würde" zu leiden gehabt haben, als jetzt, wo man einen Tbeil ihrer Ein nahmen einer internationalen Controle unterstellen wolle. Die Griechen sollten sich doch einmal vorstellen, was geschehen würde, wenn der Krieg jetzt noch einmal ausbräche. Die Mächte hätten früher die Erklärung abgegeben, daß die Türkei keine griechischen Gebiete erobern solle, und dement sprechend habe man auch gehandelt und der Türkei nur eure unerhebliche strategische Vergrößerung gestattet. Diese Er klärung der Mächte beruhe aber auf der Voraussetzung, Laß die Griechen Verstand annehmen und sich den Forderungen der Mächte unterwerfen. Mit der Nichterfüllung der Voraus setzung würde aber auch Lie Erklärung hinfällig werden. Angesichts solcher Einigkeit werden die Griechen wobl über legen, ob sie ihre ganze Zukunst und ihre staatliche Existenz aufs Spiel setzen wollen. Fügen sie sich dem Willen Europas nicht, so haben sie fernerhin von keiner Seite mehr Schutz nnd Unterstützung zn erwarten. Götzendienst. 1?j Roman in zwei Theilen von Wold em ar Urban. Nachdruck «ertöten. „So? Sie meinen wohl, Sie könnten allein richtig sehen? Ich habe auch Talent." „Ich habe noch nichts davon bemerkt." „Das will nichts beißen." „Talent macht sich doch immer bemerklich." „Sie wollen damit Wohl sagen, ich wäre talentlos?" fragte sie piquirt. „Ich will sagen, ich habe noch nichts von einem Talent bemerkt." Die offene Geradheit des Malers ärgerte sie; denn gerade von ihm wäre ihr eine kleine Schmeichelei besonder« angenehm gewesen. Nun wollte sie sich auf jeden Fall revanchiren und mit echt weiblichem Jnstinct fand sie auch dazu die sichersten Mittel. Sie zuckte verächtlich die Achseln, wandte sich ab und äußerte laut zum Grafen Victor, der als getreuer Ritter hinter ihr stand: „Wie eingebildet doch manche Leute sind!" Der Maler wurde dabei rotb bis hinter dir Ohren. „Künstlerdünkel!" gab Graf Victor leise und lächelnd zur Antwort. Herr Hartwig hörte auch daS wohl, er wollte etwas er widern, fand aber in seiner Erregung nickt die rechten Worte. Gleich darauf war e« dann zu spät geworden, denn die Diener kamen und meldeten, daß di« Tafel gedeckt sei und daS Diner bereit stände. Mitte» in die Ruinen hinein, an einem Ort mit wunder voller Aussicht und im Schatten einiger uralten Oliven bäume hatte man Lie Tafel errichtet, an der jetzt die Herr schaften Platz nahmen. Fräulein Georgette glaubte dabei Veranlassung zu haben, Felicia ihre Uebereinstimmung bezüglich der Kuppel auSzudrücken, wa« ihr deren gnädigstes Wohlwollen eintrng. „ES wird doch Wohl besser sein", meinte sie dann, „wenn ich mich wegen meiner weiteren Ausbildung an eine weniger dünkelhafte und mißgünstige Persönlichkeit wende. Ich iverbe morgen mit Ihnen darüber Rücksprache nehmen, meine liebe Georgette!" Georgette war selbstverständlich darüber entzückt und mehr denn je davon überzeugt, daß Hartwig ein Esel sei. Eine solche Unhöflichkeit und Unschicklichkeit, wie er sie eben bewiesen, war ihr ei» Näthsel, das nur einem deutschen Dickschädel entspringen konnte. Das Diner verlief in ungetrübter Heiterkeit und zog sich merklich in die Länge. Es dunkelte dann, und mau ent zündete allenthalben Fackeln und Windlichter. Währenddeß zog am Westhimmel in südlicher Helle und Klarheit eine schmale Mondsichel, welche das leicht bewegte Meer mit Millionen und Abermillionen hüpfender und tanzender Lichter übersäte, und nun enthüllte sich mit einen« Mal der ganze märchenhafte Zauber einer Mondnacht am Eap St. Martin. Die Wogen, welche sich plätschernd und rauschend a«l den Felsen brachen, verstärkten sich und klänge«, vernehmlicher herauf. Ihr eintönige- und wohliges Gemurmel bemächtigte sich mehr und mehr der Gemüther und versetzte sie in eine gehobene, dem AlltagS-Einerlei entrückte Stimmung. Dazu dufteten die Orangenblüthen stärker und berauschender, die Abendwinde erhoben sich und setzten die langen gespenstigen Arme der Palmen in groteske Bewegung. „Wie schön, wie himmlisch!" flüsterte Frau Courcelles dem Grafei« Victor zu, als man eben die Tafel aufgehoben hatte und im Begriffe war, den Rückweg nach dem Wagen anzu treten. „Was wollen Sie noch mehr?" „Still!" antwortete leise Graf Victor. „Gehen Sie voraus und geben Sie Acht! Wir folgen nach." Dann setzte sich die Gesellschaft in Bewegung, zum großen Thtil um den Tragsessel des Herrn de Melida sich gruppirend, von dem ein Jeder noch einige Worte erhaschen wollte, denn die Meisten wobl hatte» noch irgend etwa- auf dem Herzen. Dein Grasen Victor, der sich abermals Felicia'S bemächtigt hatte, gelang eS, unbemerkt etwas zurückznbleiben, und an einer Stelle, die ihm für seine Absichten besonders geeignet erschien, drückte er den Arm seiner Begleiterin etwa- fester in den seinen und flüsterte heimlicher mit einer bewegten, leicht verschleierten Stimme und in kurzen, vor innerer Auf regung unterbrochenen Sätzen. Er beugte sich tiefer binab zu der etwa« kleineren Dame, um leiser und eindringlicher sprechen zu können, seine Hand umspannte die kleine, feine, behandschuhte Hand Felicia s, die aus seinem Arme lag und — der Augenblick des GlückcS war gekommen. Jetzt oder nie! rief er sich innerlich zu und begann alle die oft erprobten Mittel und Mittclchen anznwenden, um seinen Zweck zu erreichen. Alle- stand in diesem Augenblick auf dem Spiel, so sollte denn auch Alles versucht werden, um Alles zu erreichen. „Felicia", begann er in weicher, einschmeichelnder Weise, „Sie haben mir gestattet, mit Ihnen von Dingen zu reden, die ich ohne dies nie den Muth gehabt haben würde, Ihnen zu sagen." „Was meinen Sie, Herr Gras?" fragte das junge Mädchen, mehr verwundert und neugierig, als innerlich erregt. Sie merkte freilich, daß nun etwas Ungewöhnliches kommen sollte, und ahnte vielleicht auch, was cs war; aber trotzdem herrschte in ihr die Neugier vor. Sie wollte wissen, wie er es vor bringen würde, was er überhaupt beabsichtigte, und wie das Alles enden sollte. Sie hatte Derartiges noch nicht erlebt. Davon aber hatte sie keine Ahnung, von welch weittragender Wichtigkeit der Augenblick war und welch eine bindende Ver pflichtung an sie herantrat. „Sie haben mir gestattet", fuhr er mit seiner aufregenden und aufgeregten Stimme fort, „Ihnen von Liebe zu reden, und ich nehme an, daß Sie da« nicht gethan haben, weil Sie mich hassen " „Gewiß nicht." „Ich sehe vielmehr eine gewisse Aufmunterung, ein ge wisses Entgegenkommen darin, welches mir Mutb macht, rückhaltlos zu bekennen, daß Sie der Engel meines Lebens gewordei« sind von der ersten Minute an, da ich Sie sah. Nein, sagen Sie jetzt noch nichts, Felicia, sondern hören Sie mich ruhig an und sprechen Sie dann frei und offen mein Urtheil, denn die Entscheidung über mein Schicksal, über Tod oder Leben, Glück und Ende rubt jetzt in Ihrer kleinen Hand. Aber einmal muß die Entscheidung fallen, einmal muß das Herz sich öffnen, wenn es nicht zerspringen soll." Er weinte und schluchzte und begann ihre Hand mit beißen Küssen zu bedecken. Sie glaubte sogar zu fühlen, wie seine Thränen darauf niederfielen. „Felicia, ick liebe Sie!" stieß er nach einer Panse heftig und leidenschaftlich hervor. „Ich liebe Sie mit der ganzen Kraft meiner Seele, mit jeder Faser meine- Herzens. O wenn Sie in diese- Herz sehen könnten! Man wird Ihnen sagen, ick sei ruinirt, ich sei arm, man «vird Ihnen vor stellen, ich liebte Sie nur auS Interesse, auS Speculation, weil Sie zufällig reich sind — ach Gott, und wären Sie die Acrmste der Armen, wären Sie ein Fischermädchen, ich würde Sie genau so lieben, wie ich es jetzt thue. Ist cS mein Verbrechen, daß Sie reich sind? Muß ich mir deshalb die Verleumdungen und Schmähungen der Welt gefallen lassen? Aber man wird es thun: Neid und Mißgunst werden sich gegenseitig überbieten, mir die schmutzigsten Motive zu unterstellen — wer weiß, was man Ihnen Alles sagen wird, Felicia, was man erfinden wird, um mich in Ihren Augen berabzusetzen." „Und ich, Felicia, was soll ich thun gegen alle die ver leumderischen Zungen? Ich habe nur mein Herz, mein wilrcs stürmisches Herz, das mich mit Gewalt zu Ihren Füßen zwingt. Felicia! Lassen Sie mein Herz reden und hören Sie darauf und fühlen Sie hier, daß cs nur für Sie schlägt bis zu seinem letzten Schlag, für Sie, für Ihr Wohl und Ihr Glück." Er war in der That vor ihr auf die Knie gesunken, be hielt aber ihre Hand fest in der seinen, als ob er fürchten müsse, daß sie ihm entschlüpfe. Aber Felicia dachte daran gar nicht und fand im Gegentheil die Situation reizend, nur wußte sie nicht gleich, was sie sage«« sollte. Aus Romanen und aus dem Theater war ihr zwar das Vorhandensein und die Häufigkeit solcher Scenen bekannt, und wie nun Gras Victor so schön und tadellos vor ihr aus die Knie fiel, Worte bcißer Leidenschaft in unterdrücktem Flüstern aussprach, ihre Hand küßte und dabei weinte und schluchzte, wie ein Unglück licher, da fühlte sie instinktiv, daß sie eigentlich nun auck etwas zu sage«« habe. Beruhigen wollte sie ihi« vor allen Dingen, sie wollte ibn nicht unglücklich machen und ihn nicht — „verderben". Nein, dazu war sie zu gutmüthig und er zu nett, zu höflich, zu verbindlich und zu verliebt. Sie hätte ihm gern etwa- Tröstliches, za etwas ErmutbigendeS gesagt, aber — merkwürdig, sie, deren Mundwerk sonst keinen Augenblick stille stand, sie fand jetzt keine Worte. „Herr Graf! Herr Gras!" stotterte sie verwirrt. „Sieben Sie auf, um Gottes willen — stehen Sie auf! Eie — Sie werden sick erkälten!" Graf Victor übersah die Situation Wohl und kam ihrer Verlegenheit prompt zu Hilfe. „Lassen Sie mich zu Ihre» Füßen sterben, Felicia", fuhr er schluchzend fort, „ich habe mir, seit ich Sie kenne, keine» schöneren Tod gewünscht. Oker wenn Sie meinen Tod nicht wolle», wenn nur ein Körnchen Mitleid, ein Fünkchen Liebe in Ihnen lebt, so sagen Sie mir ein Wort — ein kleines armseliges Wörtchen deS Tröste-, der Zuneigung, das mir wieder Muth zum Leben cinflößt. Darf ick hoffen, Felicia, Sie je Lie Meine nennen zu dürfen, Lie Meine für dieses und jene- Leben? Darf ich hoffen. Laß Sie mir nicht
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