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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970929014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897092901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897092901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-29
- Monat1897-09
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Reclamen unter dem RedactionSstrich (4go> spalten) 50 ^j, vor den FamlUrnnachilchte» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unsere»» Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Zif-rrnsa^ uach höherem Tarij. Extra-vetlagm (gesalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. A»;eigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Bolz k» LeivÜL 496. Mittwoch den 29. September 1897. Sl. Jahrgang. Die Seetüchtigkeit unserer Torpedoboote ist ein Thema, da- naturgemäß jetzt, nach dem traurigen Unfall von „8 26", aufs Neue eifrig besprochen wird. Man kann nur auf- Neue darauf Hinweisen, daß dir Seetüchtigkeit dieser Boote außer allem Zweifel sieht. Schon vor mehr als zehn Jahren bewiesen sie ihre Leistungsfähigkeit in glänzender Weise, al-Prinz Wilhelm (der jetzige Kaiser) und Prinz Heinrich bei ihrer Ueberfahrt auf Torpedobooten nach England überaus stürmische-Wetter zu be stehen hatte». Bor einigen Jahren erregte es ferner allgemeines Aufsehen, al- nach Schluß der Herbstmanöver der damalige Capitain-Lieutenant Becker bei vollständigem Sturm eine TorpedobootSdivision von Kiel nach Wilhelmshaven um daS gefährliche Skagen herum führte. Eine weitere Probe seiner Seeeigenschaften legte am 18. Mai 1895 ein Schwester boot deS verunglückten, „8 23", ab, das beim Passiren der EmSeinfahrt von Grundseen getroffen wurde und eine schwere See von achter erhielt (also ähnlich wie „8 26"). Trotz entsprechender Gegenmanöver wurde daS Boot quer zur See geworfen und soweit über gelegt, daß der vordere Thurm, daS vordere Breitseitrohr und der Schornstein zur Hälfte im Wasser lagen und letzteres durch den Schornstein einlief. ,3 23" richtete sich indessen wieder auf, wurde durch die eigene Maschinen kraft wieder auf Cur- gebracht und konnte später, nachdem man die Feuer, welche sammt den Rosten durch das starke Ueberliegen nach Steuerbordseite llbergcschossen waren, wieder in Ordnung gebracht hatte, in den Hafen einlaufen. Diesen Beispielen könnten noch andere angefügt werden, die ebenfalls beweisen, daß den deutschen Torpedobooten, die einen Weltruf errungen, ein ungewöhnlich hoher Grad von Seetüchtigkeit eigen ist. BemerkenSwerth ist auch die Thatsache, daß ein englischer Admiral, der vor einigen Jahren den deutschen Flottenmanövern beiwohnte, erklärte, keine andere Marine reiche auf dem Gebiete des Torpedowesens an die deutsche heran und nirgends habe er eine solche Schnelligkeit, Gewandtheit und Sicherheit der Torpedoboote gesehen, wie in Deutschland. In ähnlicher Weise urtheilten französische Marineosficiere und Flottenführer anderer Staaten, die gelegentlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm- CanalS dem vor der Kieler Bucht veranstalteten Flotten manöver beiwohnten. In einer Studie über daS Verhalten von Torpedobooten in schwerer See hat vor kurzer Zeit Capitain-Lieutenant Schäfer, s. Zt. Adjutant der Inspektion des Torpedo wesens, dargelegt, daß ein Torpedoboot in rubigem Wasser mehr als 80° würde übergelegt werden können, ohne zu kentern. Bei schwerer See sei die Stabilität der Boote zwar verschieden, aber mindestens bei allen genügend. Bei leeren Bunkern (Kohlenräumen) sei sie schlechter als bei vollen, auck werde sie durch eine Deckslast geringer. Vor nicht langer Zeit wurden erst mit zwei neu zur Ablieferung gekommenen Booten Versuche bei schlechtem Wetter in der Nordsee angestellt, um ihre Seesestigkeit zu erproben. Auch hier ergab sich, daß an den Booten nichts auszusetzen war. Obwohl sie, hinter einander steuernd, zeitweise vollständig in der See verschwanden, bewährten sie sich außergewöhnlich gut und befriedigten alle Anforderungen, die in Bezug auf Handlichkeit und Manövrirfähigkeit an sie gestellt wurden. Nicht nur die Nord- und die Ostsee haben die Boote bei schwerstem Wetter ohne Unfall an Schiff und Maschine durchkreuzt; die auf deutschen Werften erbauten Boote haben auch unter eigenem Dampf und ohne Begleitschiff weite Reisen über daS Weltmeer gemacht. Hatten sie sich schon früher durchs Mittelländische Meer gewagt, so erregte eS doch in nautischen Kreisen berechtigtes Staunen, als eine für China erbaute Serie von Booten die Reise nach Ostasien antrat. Es war die erste große oceanische Reise, die von kaum 100 Tonnen großen Booten ausgeführt wurde. Nachdem auch noch fünf für Brasilien in Deutschland gebaute Boote selbstständig über den Ocean gefahren und trotz schweren Wetter- im BiSkayischen Meerbusen ohne Havarie wohlbehalten in Südamerika angelangt waren, erblickte man in solchen Leistungen bald nichts Außer gewöhnliche- mehr. Noch 1895 legte eine Division, trotz schlechten Wetters, im Indischen Ocean in 37 Dampftagen den Weg von Pillau nach Hongkong zurück. In einem Bericht hierüber hieß eS, es sei zwar kein Kinderspiel, mit den kleinen Booten über See zu gehen, da sie auf offenem Wasser wie Gummibälle tanzten, aber die Reise ging flott und sicher von Statten. Und wenn dann wirklich hin und wieder die See doch so gewaltig gegen ein winziges Boot anstürmt und eS, un geachtet der heldenmüthigen Tapferkeit seiner Insassen, herab drückt in die Tiefe, so ist daS eine Ausnahme, die zwar aufs Neue beweist, daß eine Combination ungünstiger Umstände den Verlust eines Bootes herbeiführen kann, die aber an der Thatsache nichts zu ändern vermag, daß unsere deutschen, wie alle auf deutschen Werften erbauten Torpedoboote den zur Zeit höchsten Grad der Seetüchtigkeit vor den Booten aller anderen Staaten erreicht haben National-socialer Parteitag. Unberechtigter Nachdruck verboten. III. b'. Erfurt, 28. September. Den ersten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildete das Genosfenschaftswejen. Der Referent, Pastor a. D. Göhre-Leipzig, führte u. A. aus: Die Schulze-Dclltzfch'schen Erwerbs- und Äirthschasts-Genossenjchasten erleichtern allerdings einem Theile des Handwerker, nnd Kaufmanns standes die Empvrentwickelung zum Klein-Unternehmerthum. Dieselben feien aber nicht im Stande, das Handwerk aus feiner schweren Lage zu befreien und vor dem langsamen, aber unausbleiblichen Unter gänge zu bewahre». Dagegen feie» die in den letzten Jahren gemachten guten Anfänge der reinen Ar bei ter-Conj umvereine aufs Wärmste zu begrüßen. Die national-fociale Partei müsse deren Entwickelung mit allen Kräften unterstützen und diese Consum- vereine in möglichst enge Verbindung mit der Gewerkschafts bewegung bringen. Es vollziehe sich ganz von selbst und ohne jedes fremde Zuthun ein gewaltiger wirthschastlicher Umschwung. Es werde deshalb an die national-sociale Partei die Nothwendigkeit herantreten, zu dem Genossenschaftswesen Stellung zu nehmen. Man müsse den Arbeitern zurufen: „Arbeiter, organisirt Euch nicht nur selbst, organisirt auch Euren Consum." Die Baugenossen schaften, soweit sie gegründet seien, um ihren Mitgliedern so schnell als möglich in den privaten Besitz einzelner Wohnhäuser zu setzen, kommen für die national-sociale Partei nicht in Betracht. Tie anderen Baugenossenschaften dagegen, welche bezwecken, unter Schaffung eines dauernden und unantastbaren genossenschaftlichen Eigenthums, ihren Genossen ein gutes Wohnen zu ermöglichen, seien schon deshalb zu unterstützen, weil sie mithelsen, einen dauernden genossenschaftlichen Besitz zu schaffen und ganz besonders, weil sie die unerläßlichen Organisationen seien, mit deren Hilse allein einst Las Ziel einer Communalifirung des Grund und Bodens der Städte erreicht werden könne. Es müssen daher die National-Socialen ver« pflichtet werden, sich, wo immer möglich, an der Begründung und Förderung solcher Baugenossenschaften zu belheiligen. Die länd« lichen Genossenschaften müsse er als die hoffnungsreichsten bezeichnen. Es müsse in eifrigster Weise dafür gesorgt werden, daß in jedem deutschen Dorfe eine ländliche Genoffenschaft geschaffen werde. Dann werden die ländlichen Genossenschaften, in Berbindung mit einer Verstaatlichung deS Hypotbekencredit» und einer systematischen und ausgedehnten Rentengutsbildung, da» vornehmste Mittel zur Ec« Haltung eines zahlreichen, starken und gesicherten deutsche» Bauern« standcs bilden. Die National-Socialen dürfen weder für die Offenbacher noch für die Neuwieüer Genossenschaften Partei nehmen. Beide haben ihre Verdienste, ihre Erfolge und ihre Mängel. Er sei der Meinung, daß über kurz oder lang beide Richtungen sich vereinigen werden. Der Gegensatz dieser beiden Richtungen sei für den Bestand der länd lichen Genofsenschasten von keiner Gefahr. Im Gegentheil, er sei ein Unterpfand für die Erhaltung und das Emporblühen des ländlichen Genossenschaftswesens. Eine Gefahr für das ländliche Genossen schaftswesen sei nur durch das Junkerthum zu befürchten. Es sei nicht zu befürchte», daß der Großgrundbesitz, den man wohl mit dem Junkerthum identisicireu könne, die ländlichen Genossenschaften be« seitigen werde, es liege aber die Gefahr vor, daß das Junkerthum die ländlichen Genossenschaften zu ibren Machtzwecken verwenden werde. Wenn dies geschehe, dann wehe den ländlichen Genossen schaften. Alsdann seien dieselben nicht mehr Selbstzweck, sondern sie dienten dem Junkerthum als Hilfsmittel, um seinen drohenden Bankerott aufzuhalten. Dies müsse mit allen Kräften verhindert werden. Es sei nicht zu befürchten, daß die Junker durch ihre große Zahl, wohl aber, daß sie durch ihre geistige Ueberlegenheit, ihr größeres Wissen, ihr Ansehen und ihre Macht das Uebergewicht in den länd lichen Genossenschaften erlangen werden. Auf dem 1896 zu Stettin stattgefundenen landwirthschajtlichen Genossenschaststage sei das Bureau vollständig in den Händen der Großgrundbesitzer gewesen. Von 41 Rednern »ahme» nur vier Kleinbesitzer zu kurzen Bemerkungen das Wort. Von demselben junkerlichen Geiste sei der in diesem Jahre zu Dresden slattgefundene landwirthschastliche GenossenjchastStag be- berrscht gewesen. Es sei zu befürchten, daß das Junkerthum die länd lichen Genossenschaften immer mehr zu seinem besonderen Vortheil aus beuten werde. Es sei deshalb eine Hauptaufgabe der national-socialen Partei, diesen Einfluß mit aller Macht zu bekämpfen. Es müsse dies geschehen durch ausklärende Agitation, durch möglichst lebhafte Betheiligung der National-Socialen an den Arbeiten der einzelnen Genossenschaften und Lurch Stärkung der kleinbäuerlichen Elemente in ihnen. Der Hauptkampf müsse jedoch außerhalb der Genossen schaften, auf rein politischem Gebiete, ausgefochten werden. (Lebhafter Beifall.) vr. Föhr-Dessau führte aus: Die Zeitung „Zeit" habe ein gehen müssen, weil sie ein kapitalistisches Unternehmen war. Es empfehle sich, die „Zeit" sobald als möglich auf gcnossenfchastlichcm Wege von Neuem ins Leben zu rufen. Es sei nicht erforderlich, ein großes Wcltblatt in Berlin zu schaffen, es genüge vielleicht, wenn das Blatt zunächst in bescheidenen: Umfange in der Provinz erscheine. Arbeiter Käb-Franksurt a. M. betonte die Nothwendigkeit, den Arbeiten: zu helfen, dann werde auch den übrigen Ständen ge holfen sein. vr. Ruprecht-Göttingen trat dieser Ausführung entgegen und wandte sich ganz besonders gegen die Bemerkungen Göhre's betreffs des angeblich untergehenden Handwerkerstandes. Es sei falsch, wenn man in dieser Beziehung generalisire. Kaufmann Lohmann-Heilbronn berichtete über das kräst ge Emporblühen der Baugenossenschaften in Württemberg. Es sei :n Württemberg infolge der Baugenossenschaften gelungen, eine Anzahl Genossen zu Hausbesitzern zu machen. Schneidermeister Leinberg.Frankfurt a. M. bestritt ebenfalls, daß der Handwerkerstand dem Untergänge geweiht sei. Allerdings sei das Handwerk gegenüber dem Fabrikbetrieb nicht mehr zu retten. In denjenigen Zweigen jedoch, in denen ein Fabrikbctrieb nicht vor- Händen sei, sei das Handwerk noch lebensfähig. Von den Berliner Telegirten war inzwischen eine längere Resolution eingegangen, in der es u. A. heißt: „Wir erstreben Fernhaltung parteipolitischer und religiöser Gesichtspuncte aus den Genossenschaften." Pastor a. D. Kötzschke - Sangerhausen beantragte, austatt „religiös" zu sagen „conseffionell". Er habe nichts dagegen, daß in Len Genossenschaften Evangelische, Katholiken und Inden friedlich nebeneinander arbeiten, den religiösen Geist möchte er ober trotzdem in den Genossenschaften nicht missen. Bekanntlich werde in den Raiffeisen'schen Genossenschaften auch der religiöse Geist gepflegt. Pastor Schmidt-Machow: Die Neuwieder landwirthschastliche» Genossenschaften, zu deren Anwaltschaft er gehöre, dürften am besten den Grundsätzen der natwnal-socialen Partei entspreche». Es sei bei den Neuwieder Genossenschaften vollständig ausgeschlossen, daß in denselben die Großgrundbesitzer das Uebergewicht erlange» könnten. Dazu seien zuviel Geistliche in den Genossenschaften, die nicht aushörrn, die Bauern sowohl vor de» Juden als auch vor den Junkern zu warnen. Politik und Religion seien bei den Nen- wieder Genossenschaften vollständig ausgeschlossen. Tie Geistliche» seien bemüht, die Leitung, soweit als möglich, Len Kleinbauern zu übertragen. ReLacteur D a m as ch ke-Berlin. Er bedauere den Antrag des Pastors Kötzschke und noch mehr seine Begründung. Dadurch werde die Gefahr religiöser Streitigkeiten in die Genossenschaften getragen. Was der Delegirte aus Württemberg gejagt habe, se: weder national, noch social, noch genossenschaftlich. Tie Baugenossenschaften haben nicht den Zweck, einzelne Hausbesitzer zu schassen, sondern Len Ar beitern eine Heimstätte zu gewähren, in der jede Mietksslcigerung ausgeschlossen sei, aus der er niemals exinittirt werden könne und bei der es keine Hypolhekenschulden gebe. Candidat Appelr-Halle a. S.: Er sei Mitglied eines social demokratischen Eonjumvereins in Halle. Er sei bemüht, in Liese» Conjumverein Len national-socialen Gedanken hineinzutragen. ES werde dadurch leichter, in den politischen Versammlungen Einfluß zu gewinnen. Allerdings dürfe dieie Agitation nicht durch einen Anlrag, wie er gestern gestellt worden, gestört werden, wonach ausgesprochen Der Laibon. Ein« Skizze von E. Pilz. Nachdruck verboten. Das Geheimnißvolle, Zauberhafte hat zu allen Zeiten und in allen Zonen nachhaltigen Reiz auf die Menschen aus geübt und sich stets als ein mächtiger Feind der Aufklärung erwiesen. Erleuchtete Geister mußten hartnäckige Kämpfe gegen den Wahnglauben der Menge führen, ehe nur der gröbste Aberglauben, die Plumpeste Form der Magie ihren unheilvollen Einfluß verlor. Und wer wollte leugnen, daß noch jetzt in unserer aufgeklärten Zeit Viele, die sich zu den Gebildeten zählen, der Wahrsagerin ihren Tribut zollen, daß selbst der Wissenschaft Beflissene Dingen Ein fluß auf ihr Handeln gestatten, die auf abergläubische Meinungen zurllckzufllhren sind? Zieht man nun in Be tracht, daß uncivilisirte, auf der Kindheitsstufe der Mensch heit stehende Völker, die den CausalnexuS der Natur erscheinungen nicht durchschauen können und den crafsesten Aberglauben mit der Muttermilch einsaugen, doch ihre allezeit hungrige Phantasie befriedigen wollen und müssen, so begreift man die Thätigkeit und den Einfluß des Laibon (Zauberer, Medicinmann, Regenmacher) als eine Psycho logische Nothwendigkeit der Naturvölker. Jetzt, wo täglich Hunderte den „Schwarzen" der Deutsch-Ostafrikanischen Ausstellung intensive Aufmerksamkeit schenken, dürfte es von actuellem Interesse sein, einer Existenz zu gedenken, die den tiefgreifendsten Einfluß auf daS Denken, Fühlen und Handeln dieser Naturkinder auSübt und als vorzüg licher Gradmesser für das geistige Niveau derselben gelten kann. Nach dem Grundsätze: „Llunäua vnlt ckooipi, srgo ä«oi- xi»bnr" ist das ganze Auftreten, vor Allem die äußere Er scheinung deS Zauberers darauf berechnet, einen möglichst gespensterhaften Eindruck hervorzurufen, um schon äußerlich da» Außergewöhnliche seines Wesens zu documentiren. Bei den Warundi trägt er einen Kopfputz auS Federn, bemalt das Gesicht mit Mergel, rasselt mit einer Klapper und singt dazu mit heiserer Stimme. Manche führen ver schiedene Kunststücke aus, um der Menge einen Begriff von ihrem „übernatürlichen" Können beizubringen. Der Laibon besitzt auch Frauen, besucht diese aber nur ganz im Ge heimen. Bei den Massai darf nie ein Weib die Hütte des Wundermannrs betreten. Dies Alle» hat den Zweck, den Nimbu» deS Geheimnißvoll-Unhetmlichen und Wunder baren um seine Person zu verbreiten. Dieses Streben geht so weit, daß er seinem Sohne ein Auge ausschlägt, um I ihn zur Würde des obersten Laibon geeignet zu machen,! denn bei den Massai ist der höchste Laibon stets einäugig. Die ausgebreitetste Thätigkeit entfaltet der Zauberer als Medicinmann. Während sich bei unseren Aerzten die Diagnose auf Auskultation, Percussion, Thermometrie u.s.w. gründet, gelangt der Zauberer zu einem diagnostischen Urtheil durch Untersuchung der Eingeweide eines — geschlachteten Huhnes. Der Lohn für eine Consultation beträgt gewöhnlich eine Hackenklinge. Wunderlich sind auch die Mittel, die Krankheit zu vertreiben. Bei den Wataturu giebt der Zauberdoctor meist ein Brechmittel ein oder er schröpft den Heilung Suchenden am Scheitel. Häufig wird ein Versuch gemacht, den bösen Geist, der sich durch Fieber phantasien zu erkennen giebt, auszutreiben. Der Zauberer führt zu diesem Behufe einen Geistertanz auf und macht allerlei Hocuspocus mit Amuletten, deren er in seinem Bastsacke stets eine Anzahl vorräthig hält. Bei den Wam- bugwe macht der Laibon denjenigen ausfindig, der den Kranken bezaubert (behext) hat. Die Verwandten bringen hierauf dem Häuptling ein oder zwei Rinder, und in nächtlicher Berathung beschließt dieser mit den Stammes- ältesten, den unbefugten Zauberer zu tödten. Die Tödtung des Unglücklichen erfolgt durch Meuchelmord. Bei den Massai liegt dem Zauberer noch die Bereitung der Kriegs- medicin ob, die den Kriegern ganz besondere Kraft und zähe Ausdauer verleihen soll. Sehr häufig wird die Kunst des Laibon in Anspruch genommen, um Verbrecher zu ermitteln. Zu diesem Zwecke stellt er GotteSurtheile an. Er läßt z. B. den Verdächtigen die Hand in heißes Wasser tauchen. Verbrüht er sich, so gilt er als schuldig in höchster Instanz, und die Strafe wird alSdann an ihm vollzogen. Eine andere Methode besteht darin, den Verdächtigen einen Gifttrank einnehmen zu lassen. Reagirt sein Magen kräftig gegen das Gift, so daß er sich desselben entledigt, so ist damit die Unschuld bewiesen; stirbt indeh der Unglückliche an dem mörderischen Absud, so gilt dies als gerechte Strafe für sein Vergehen. — Ist bei den Latuka eine Frau der Zauberei angeklagt worden, so wird ihre Schuld oder Unschuld durch lange Verhandlungen und GotteSurtheile festgestellt, wobei natürlich der Zauberer wieder eine große Rolle spielt. Wird das Weib ihres ver meintlichen Verbrechens überwiesen, so folgt die Ver- brennung desselben auf offenem Felde. Wer würde hierbei nicht an die furchtbare Zeit der Hexenprocesse erinnert? DaS Schwierigste und Gefährlichste, aber auch Ein träglichste ist für den Laibon die Thätigkeit deS Regen machens. Bei den Latuka bekommt der Zauberer von den Leuten, denen er Regen versorgen soll, zunächst verschiedene Geschenke, bestehend in Vieh, mitunter auch in einem Mädchen. Erräth er die Größe des Geschenks, so erkennt man bereits hieraus seine Kunst. Er setzt nun einen neuen Topf in den durch die Sonnenhitze glühend gewordenen Sand. Das Gefäß enthält zwei thalergroße, flache Steine, einen weißen, aus Quarz bestehend, und einen braunen. Ersterer gilt als männlicher, letzterer als weiblicher. Wird nun kaltes Wasser auf die Steine gegossen und das Wasser schäumt aus, so ist der Regen nahe, im gegentheiligen Falle hält die Hitze an, und es sind neue Geschenke nöthig. Ist dies geschehen, so legt der Laibon allerlei seltene Kräuter auf ein Kohlenfeuer. Steigt der Rauch senkrecht empor, so ist — entgegen der bei uns herrschenden Anschauung — der Regen nahe; bewegt sich der Rauch seitwärts, so bleiben die Fenster des Himmels verschlossen. Gelingt es dem Zau berer nicht, die Leute hinzuhalten, bis sich eine Regenwolke zeigt, so wird der Betrüger von der wüthenden Menge meist getödret, oder man bestreicht seinen glattgcschorenen Kopf mit Honig, bindet den Mann an einen Baum und setzt ihn den Jnsecten aus. Eine andere Strafe besteht darin, den betrügerischen Laibon bis an den Hals in die Erde einzu graben, so daß der Kopf einen Tag lang der glühenden Sonne ausgesetzt ist. Hat einen Häuptling die Habsucht verleitet, sich mit dem Regenmachen zu befassen, und der ver sprochene Erfolg bleibt aus, so wird er des Nachts über fallen und beraubt, oft sogar getödtet. DerZauberer steht insofern in großem Ansehen, als er den Verkehr mit den Göttern und Geistern vermittelt. Erscheint Jemandem ein Verstorbener im Traume, so muß der Laibon über die Wünsche des Todten Auskunft ertheilen. Er be zeichnet dann gewöhnlich ein Thier, das geopfert werden muß, um den zürnenden Geist zu versöhnen. — Ein ein- trägliches Geschäft für den Laibon ist die Herstellung von Amuletten, die dem Besitzer gegen Krankheit, bösen Blick und sonstige Uebel Schutz gewähren soll. Wer unserem Leipziger Museum für Völkerkunde einen Besuch abstattet, wird Manches finden, was mit der Thätigkeit des Laibon im Zusamenhang steht — Amulette, Zaubermasken, Zauberklappern u. s. w. Versteht es ein Zauberer, sich in der Beurtheilung der Wetterlage nicht allzugrobe Verstöße zu Schulden kommen zu lassen, so gelangt er bald zu Reichthum und höchstem Ansehen, besonders bei denjenigen Stämmen, wo die Würde erblich ist. Bei den Massai spielt er die größte Rolle im ganzen District. Der oberste Laibon, eine Art Massat- papst, ist der reichste aller Massai*), ist jedoch verpflichtet, Allen Gastfreundschaft zu gewähren, die sich über wichtige * Ter jetzige soll gegen 6000 Rind« besitzrn; « heißt Mbatyan. Dinge Raths erholen wollen. Ist ein Kriegszug geplant worden, so wird er erst über den Erfolg befragt, und sein Urtheil ist ausschlaggebend für die ganze Unter nehmung. Kehren die Krieger mit Beute beladen zurück, so erhält er in erster Linie sein reichlich' Theil. — Der Tod eines Laibon ist ein großes Ereigniß. Er wird mit ceremonieller Feierlichkeit begraben — während die Leichen gewöhnlicher Neger einfach in den Busch geworfen werden — sein Grab mit großen Steinen bedeckt und drei Monate lang bewacht. Gelangt eine Carawane in's Massailand, so wird vor Allem nach dem Laibon verlangt. Dr. Fischer wurde einst auf seiner Reise in's Massailand als solcher vorgestellt. Sein Zelt wurde von neugierigen Männern und Frauen umlagert. Die Krieger drängten sich vor, um den seltsamen Zauberer mit den „vier Augen" zu sehen, und da sie aus Furcht vor seiner mächtigen Zauberkraft nicht wagten, ihn mit den Händen zu berühren, betasteten sie ihn mit ihren Keulen. Die Weiber konnten vor Allem nicht begreifen, daß seine Stiefel nur Kleidungsstücke seien und riefen verwundert aus: „Er hat Eselsfllße!" Häufig tritt der Fall ein, daß ein berühmter Laibon das Ansehen des Häuptlings völlig in den Schatten stellt und in dessen Machtsphäre eingreift, oder daß umgekehrt ein Häuptling den Rath des Laibon nicht befolgen will, wie einst Kön Saul sich dem Gebote Samuel's — den man in gc wissem Sinne als einen mächtigen, aufgeklärten Laiben auffassen könnte — nicht unterordnen wollte. Die Rei bungen, die in Folge dessen zwischen den beiden Stammes gewaltigen naturgemäß eintreten, sind in nuos ein inter effantes Spiegelbild der mittelalterlichen Kämpfe zwischen Kaiser und Papst, wie überhaupt manche Vorgänge bei den Negern oft überraschende Parallelen bilden zu gewissen ge schichtlichen Episoden der Culturvölker. Wenn man in der Eulturgeschichte des vorigen Jahrhunderts blättert und liest, daß im Jahre 1731 zu Olmütz neun Leichen verbrannt wur den, weil man glaubte, es seien Vampyre, die Schlafenden das Blut aussaugten, wenn man sich ferner die Thatsache vergegenwärtigt, daß erst im Jahre 1783 die letzte Hexe in Glarus, Anna Göldlin, verbrannt wurde, so muß uns die ganze Atmosphäre des Wahn- und Aberglaubens, welche die Voraussetzung der Existenz der Laibon bei den Negern ist, in äußerst mildem Licht erscheinen. Es würde zu weit führen, diejenigen abergläubischen Gebräuche und An schauungen der Neger, die noch nie den leisesten Hauch auf klärender Wissenschaft verspürt haben, aufzuzählen, welche genaue Analogien zu den bei uns in gewissen Kreisen noch herrschenden bilden, dürfte indeß sicherlich — höchst lehr reich sein.
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