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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970930014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897093001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897093001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-30
- Monat1897-09
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Di« Morgen-Ausgabe erscheint um Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr» NrLaclion und Expedition: Johannes,affe 8. Die Expedition ist Wochentags «nuuterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. , Filialen: Dtt» Alemm's Sortim. (Alfred Hahn), Auiversitütssrrabe 3 (Paulinum), Laut» Lösche, Kitharinenstr. r», pari, und -öulg-pla- 7» Bezug-Preis Ai d« Hauptrxprdition oder dm km Stadl« beeirk and den Vororte« errichtete« Aus« aavestellen ab geholt: vierteljährlich ^ls.so. vri zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.59. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich -^l S.—. Direkte tägliche Kreuzbandirndung in» Ausland: monatlich 7.S0. Morgeu-AüsgaVe. MWM IMblaü Anzeiger. AmLsölatk des Königlichen Land- und ÄRkSgerichtes LeWg, des Mathes «nd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 30. September 1897. AnzeigeN'PrerS die 8 gespaltene Petitzeilr rkO Pfz. Reklame« unter dem Re»«tioa»strich (4g» fpaltea) 504, vor den gamillrnnach )ch»H (Kgrspaltea) 40^. Grössere Schrift«« laut unserem Preis« drrzeichmß. Tabellarischer «ud Zif>kusa- - »ach höherem Tarif. Druck »ad Verlag von E. Polz tu SeivziP S1. Jahrgang. Annahrueschlrrß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag» 4UhQ vri de» Filiale« und Annahmestelle« je rin« halb« Stund« früher. » Anzeige« sind stets an di« Ex-ebitia« zu richte«. Extra «Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeft-rderung ^l SO.-, mit PostbesOrderung ?v.-» lachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 3s Herr L. 0. Llttel, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste L Herr ^Iieoü. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goethestraße) Herr llerw. Uessko, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr OttoLraiiL, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste LS Herr Läuarü Letrer, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straste 45 Herr ill. L. Udreellt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Robert VreLoer, Zweinaundorfer Straße 18, - Eutritzsch Rodert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, « Goklis Robert Bitner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Linvenau Herr Udert Lluüver, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Sebelt's ^unoneen-Lxxeültlov, Eisenbabnstraße i, Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das IV. Vierteljahr 1897 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher Vierteljähruch für Leipzig 4 50 mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen 5 50 durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn O In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannesgaffe 8, die Filialen: Katharmenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsstvatze 3, Ranftfche Gaffe 0 Herr Lrleär. Llseder, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. Lirxelmaim, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraste 5 Herr ^ul. 8edüw!edeu, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Herr R. vlttrled, Cigarrenhandlung, Äorkstraste 32 (Ecke Berliner Straße) Herr R. übrbolü, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straste 35 Herr V. Lüster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr Ll. OrütLwnnn, Zschochersche Straße 7», - Reudnitz Herr RuKwanu, Marschallstraße 1, « - Herr Lernb. ^eber, Mützengeschäft, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr L. RiLvIseb, Reitzenhainer Straße 58, - Bolkmarsdorf Herr 6. Lauwauv, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Russisch - englische Interessengegensätze in Osiasien. V. 8. Kürzlich ging eine auffallende Nachricht durch einen Theil der deutschen Presse. Rußland soll beabsichtigen, die Großmächte aufzufordern, Zwangsmaßregeln gegen Japan zu ergreifen, um dieses zu veranlassen, Korea zu räumen. Völlig überraschend kam diese Meldung nicht, denn die Beziehungen zwischen Japan und dem Zarenreiche sind trotz aller Friedens versicherungen von beidenSeiten und trotz eines zwischen beiden geschlossenen Vertrages, die denkbar schlechtesten. In letzter Zeit hat daS gegenseitige Verhältniß dadurch eine neue Ver schärfung erhalten, daß die Japaner dem Anscheine nach begonnen haben, in Korea die tonangebende Macht zu werden. Hinter Japan aber steht England, der Erbfeind der Russen. Fremdartig genug klingen die Klagen der russischen Blätter, welche sonst nur von diplomatischen Erfolgen in Asien berichteten und jetzt plötzlich ver sichern, daß der Mikado seinen Einfluß in Korea erweitere und den Ruffen fast Nichts mehr übrig lasse. ES ist selbst verständlich, daß die Petersburger Staatsmänner im japa nischen Hervortreten einen Bruch deS Vertrages von Shimonoseki erblicken und mit Schritten drohen, die die Auf rollung der ostasiatischen Frage bezwecken. Von den Worten bis zur That ist eS aber jedenfalls noch weit, und sicher werden die Russen versuchen, ihre verlorene Position auf diplomatischem Wege wieder zu gewinnen, der unter gewöhn lichen Verhältnissen sie immer noch zum Ziele führt. Die Vorwürfe, welche Rußland gegen Japan erhebt, sind theilweise begründet, theilweise aber dienen sie nur dazu, die eigene Verlegenheit zu verbergen. Wenn die Japaner in der Hafenstadt Chemulpo eine eigene Polizei ein gerichtet haben, was ihnen dort daS Uebergewicht gewährt, so entspricht solches nicht den früheren Abmachungen und vollends nicht dem russisch-japanischen Vertrage. Ebenso hat das Zarenreich Ursache zur Beschwerde, wenn die Japaner im Hafen von Peng-Jang Truppen ausschiffen und in anderen koreanischen Küstenstädten Casernen bauen, die nicht bloS zur „Sicherung der gefährdeten Ord nung im Königreiche" dienen. Man hat nun von Petersburg aus eine diplomatische Action in Tokio unter nommen, um den Mikado zur Beseitigung dieser Maßnahmen zu veranlassen; solches ist sicher das Recht der russischen Regierung, gegen welches wohl Niemand etwas einwenden wird. Aber man ist an der Newa auch über Anderes ungehalten. Man beklagt sich, daß die koreanischen Häfen Peng-Jang bez. Tschinampo und Mokpho dem Welt verkehr eröffnet sind und wittert hinter einem solches an ordnenden Erlaß deS Königs von Korea eine Jntrigue, welche gemeinsam von den Japanern und Engländern angezettelt ward. Rußland hat immer seinen Einfluß aufgeboten, um die Freigabe dieser Häfen für den auswärtigen Handel nach Möglichkeit zu verhindern. Nicht mit Unrecht fürchtet man die englische Concurrenz, die lange Zeit von Korea fast ab gesperrt war und den Ruffen nur geringe Schwierigkeiten entgegenstellen konnte. DaS wird sich jetzt wesentlich anders gestalten. Denn nach den Mittheilungen der Petersburger Blätter haben sich die Engländer in den genannten Häfen bereits mehr als häuslich eingerichtet; vor Allem sollen dort Handelsniederlassungen gegründet sein, die die Beziehungen zwischen England und Korea enger gestalten und den britischen Einfluß befestigen werden. Im Verein mit den Engländern sind die Japan,.- an der Arbeit, die Verwaltung mehr und mehr in ihre Hand zu bekommen und die Russen zu verdrängen; durch ihre Geschicklichkeit im Handelsverkehr scheint ihnen dieses denn auch gelingen zu sollen. Die beiden Häfen bieten für unternehmende Leute in der That nicht schlechte Aussichten auf Gewinn. Peng-Jang, oder sein eigentlicher Hafen Tschinampo, bat ein Hinterland, welches Schätze an Gold und Kohle birgt. Außerdem werden aus der umliegenden Provinz Seidenwaaren, Pelzwerk und Getreide auSgesührt, an deren Production die Bevölkerung erheblich verdient. Die Provinz Tschulla, in der wieder Mokpho gelegen, erfreut sich einer ungewöhnlichen Fruchtbarkeit und besitzt ein hervor ragend günstiges Klima. Vor Allem hat der Hafen den gewaltigen Vorzug, daß er den Witterungsruständen zu trotzen vermag und daS ganze Jahr offen steht. Dieser letztere Umstand bat jedenfalls dazu beigetragen, daß die Russen sich über die Freigabe der Häfen erregen. Es ist ja bekannt, daß fast seit dem Ausbruch deS Krieges zwischen China und Japan, daS Zarenreich die ernstlichsten Anstrengungen machte, um einen eisfreien Hafen an der Ostküste Asiens für sein Oceangeschwader zu erwerben. Die verschiedenen bisher von der Oeffentlichkeit ver breiteten Meldungen über den Kauf oder die Pachtung eines chinesischen HafenS — bald sollte eS der KriegShafen Kiaotschou sein, bald die Tzjao-Tschan-Bucht an der Halbinsel Tschantung, bald noch etwas drittes sein — dürften den Thatsachen nicht ganz entsprechen, wenn die Freigabe eines koreanischen Hafens für den Weltverkehr eine so ausgesprochene Erregung in Petersburg veranlaßt. Mit dem Augenblick, da man Mokpho dem Handel übergab, ist jede Aussicht geschwunden, in demselben einen Standort für eine Kriegsflotte zu gründen. Die Auseinandersetzungen der russischen Presse haben deutlich genug in Erinnerung gebracht, daß auch die ost asiatische Frage als drohendes Gespenst im Hintergründe lauert. Allerdings ist eS vornehmlich Großbritannien, welches Ursache zur Besorgniß haben könnte, vorausgesetzt, daß Ruß land cm gegenwärtigen Augenblick eine Entscheidung mit den Waffen herbeiführen wollte. Jndeß wünscht man keineswegs in Petersburg daS Aeußerste schon jetzt zu wagen, wo zahllose Fragen auf der Tagesordnung stehen und ein Brand im Osten unübersehbare Folgen nach sich ziehen könnte. Rußland ist vorläufig noch nicht gerüstet, um nölhigenfallS in den Welt krieg einzutreten; die Niederlage in Korea wird man un fehlbar aus andere Weise ausgleichen. Die Streitigkeiten mit Japan und der Zorn wegen Korea, sie sind vorläufig nur als Etappe zu betrachten, die für den russisch englischen Gegensatz von Bedeutung ist. Wichtig ist vor Allem daß eS den Engländern gelang, diplomatisch die Russen in Asien zu schlagen, und gerade in Korea, wo diese Anfangs die ausschließlich Bestimmenden waren. In Petersburg batte man die koreanischen Dinge zeitweilig außer Acht gelassen; man wird ihnen nach den schlimmen Erfahrungen aufs Neue crhöbte Aufmerksamkeit schenken. DaS diplomatisch« Spiel zwischen Rußland und England wird jetzt in Korea einen energischeren und entschlosseneren Charakter annehmen. Be fürchtungen aber für den Frieden Europas braucht man einst weilen deshalb nicht zu hegen. Deutsche- Reich. * Leipzig, 29. September. Die Berichterstatter hiesiger Zeitungen, die dem Sedancommers des Alldeutschen Verbandes am 2. September beiwohnten, sind in Sachen des verhafteten Redacteurs Hofer in Eger zur Vernehmung vor daS hiesige königliche Amtsgericht geladen worden. Bekanntlich hielt Redacteur Hofer, der mit zahlreichen Deutsch- Böhmen jenem CommerS beiwohnte, eine längere Ansprache, die seine spätere Verhaftung zur Folge hatte. A Berlin, 29. September. Seit 1893 haben wir in unserer Marine das 8-mm-M aschin eng ewehr, Con str uction Maxim, eingeführt, welches bei einer Feuer geschwindigkeit von 10 Schuß in der Secunde die am schnellsten feuernde Waffe ist und die früher auf den Kriegs schiffen während des „Klar-Schiff" (Fertigsein zum Gefecht) vorhandenen Schützenzüge vollständig ersetzt. Neuerdings ist dazu in fremden Marinen und auch bei uns die 3,7-cm- Mascbinenkanone getreten, welche in derselben Weise wie das Maschinengewehr die Kraft des Rückstoßes zum Wieder laden und Abfeuern benutzt und 200 Schuß in der Minute abgeben kann. Da sie an Feuergeschwindigkeit mehr als dreimal und an Durchschlagskraft bedeutend der 3,7-em- Revolverkanone überlegen ist, so wird letztere in kurzer Zeit von den eigentlichen Kriegsschiffen verschwunden sein. In Verbindung mit den Schnellladekanonen von 5 cm und 8,8 cm Kaliber bilden die beiden oben genannten Maschinenwaffen die Antitorpedoboot-Armirung unserer Kriegsschiffe und können einen Geschoßhagel entsenden, welcher wenigstens bei Tage jeden Torpedobootsangriff aussichtslos machen würde. Sie feuern selbstredend wie alle Schnellladekanonen mit rauch schwachem Pulver, ohne welches ihre Feuergeschwindigkeit nur geringen Nutzen bieten würde. Auch die vier schweren 24-cw-Geschütze auf jedem unserer neuen, noch nicht vollendeten Panzerschiffe sind jetzt Schnellladekanonen geworden, während die Mittelartillerie durch die zahlreichen 15-cm-Schnell- ladekanonen dargestellt wird. Als Antitorpedoarmirung erhalten unsere neuen Schlachtschiffe und großen Kreuzer eine große Zahl der leichteren Waffen; eS soll z. B. der Kreuzer I. Classe „Fürst BiSmarck" 10 8,8-Schnell- ladekanonen, 10 3,7-Maschinenkanonen und 8 Maschinen gewehre erhalten, welche Zahl von denjenigen an Bord der Schlachtschiff-Neubauten noch bedeuiend übertroffen werden wird. Da die große Feuergeschwindigkeit leicht zu MunitionSverschwendung führt und von der Be dienung dieser leichten Waffen viel selbstständiges Handeln und im Ernstfall« skrtS Selbst - Correctur nach einer Schuß- beobachtmlg verlangt werden muß, so können zur Ausbildung als Schützen für diese Kanonen und Gewehre nur gute, intelligente Leute genommen werden, welche bereits Er fahrungen im Marmedienst haben. Man nimmt also keine Recruten dazu, sondern Leute von mindestens einem Jahre Dienstzeit. In Folge besten müssen wegen der Kürze der Dienstzeit deS Haupttheils unserer Mannschaften jährlich mehrere Hundert von Schützen für die Antitorpedowaffen aus gebildet werden. Das Panzergeschwader bildet nun zwar seine Maschinengewehr-Schützen vorläufig selbst auf seinen Avisos aus, die große Masse der Ausbildung hat aber das Artillerie schulschiff „MarS" mit seinen beiden Tendern „Hay" und „Ulan" und daS Schulschiff der Schnellladekanoniere „Carola" zu besorgen. Damit nun wegen der Schieß übungen mit so kleincalibrigen Waffen ein so großes Schiff wie <S. M. S. „Mars" nicht so oft selbst unter Dampf zu sein braucht, wird im Laufe der Zeit die Einstellung eines weiteren kleinen Begleitschiffes fürAuSbildungs- curse im Gebrauch der Maschinenwaffen noth- wendig werden. Die Einstellung eine- kleinen Schiffe- erscheint zunächst aus SparsamkeitSrücksichten deS ge ringeren Kohlenverbrauches halber vortheilhaft, dann aber auch, weil der Schütze auf einem kleineren, leichter rollenden und stampfenden Fahrzeug sich mehr daran gewöhnt, beim Schießen den SchiffSdewegungen Rechnung zu tragen, als an Bord eines ruhiger liegenden großen Schiffes. x. Berlin, 29. September. Während man von einer Wahlthätigkeit der Conservativen und Nationalliberalen noch recht wenig hört, beginnen die Ultramontanen, wenn auch in der Stille, mit der Wahlarbeit. So haben sie in Hessen-Nassau unter höchsteigener Führung des „Reichsregenten" vr. Lieber die Arbeit ausgenommen. Sie hoffen hier nicht nur den Unterwesterwald-KreiS zu be haupten, sondern vielleicht auch den Höchster Wahlkreis, vielleicht sogar auch den Wiesbadener Kreis zu erobern. DaS Centruin ist überhaupt recht eroberungslustig. So will eS im Rheinlande den Nationalliberalen den durch den Abg. Hammacher ver tretenen Wahlkreis Duisburg abuehmen. Dieser Wahlkreis Heute ist ein Vierteljahrhundert vergangen, seitdem ich den bösen Zettel mit: Aufmerksamkeit — ungenügend. Fleiß — ungenügend. Betragen — nicht ohne Tadel zum Teufel sandte und so in origineller Weise, wenn auch vergebens um das Problem des lenkbaren Luftschiffes mich bemühte. Wieder, wie damals, sind die Herbstferien da. Die Jungen ziehen aufs Feld vor die Stadt, um ihre Drachen steigen zu lassen. Ich weiß nicht, ob Einer darunter ist, der das Dokument mit der Unterschrift des ge strengen Herrn Ordinarius dem Sturme preisgiebt. Mein Junge ist es jedenfalls nicht. Der hat ein glänzendes Zeug nisi heimgebracht: Fleiß Aufmerksamkeit Betragen u. s. w. u. s. w Turnen nur ist ungenügend. — Man hat ihn als Ersten nach Quinta versetzt. Aber ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll darüber. Blaß und kurzäugig kommt er daher, zwei kleine rothe Flecken auf den hohlen Wangen, zwei Marken krankhaften Stolzes, der Erste zu sein. — Nein — wirklich, eS ist mir weh umS Herz und tch denke an den Taugenichts, an den gesundheitsstrotzenden, kräftigen Taugenichts, der ich war vor fünfundzwanzig Jahren. Ach, ich würde glücklich sein, wär« mein Han» auch so »in Taugenichts. Feuilleton. Der Taugenichts. Lon Lothar Schmidt. Nachdruck vrrdoien. Die Eltern hatten mich wirkich lieb. Um so mehr be trübte es sie, daß ich ein so unverbesserlicher Taugenichts war. Mein Ordinarius in der Sexta sagte einst zum Vater: „Wissen Sie, Herr Schmidt, Ihr Junge bereitet mir vielen Kummer; aus dem wird nie etwas Gescheidtes wer den. Im Raufen und Balgen ist er groß, aber sonst ! Er lernt nicht, er paßt nicht auf, er treibt Allotria, macht Eselsohren in seine Bücher, Klexe in seine Hefte und bleibt halt immer und ewig der Zweiunddreißigste unter meinen zweiunddreißig Sextanern. Er kann den Mitschülern als ein wahres Muster gelten dafür, wie sie nicht sein sollen. Neulich, das war unerhört: schreibt mir der Bengel doch in einem lateinischen Exercitium RomanibuS statt RomaniS!" Die Entrüstung deS guten Mannes war begreiflich. Wie konnte man auch nur ein Wort nach der dritten Deklina tion bilden, während eS doch extra unter den Vocabeln der zweiten Deklination registrirt stand? WaS hätten Cäsar und Cicero dazu gesagt, wären sie noch am Leben gewesen? Kurz nachdem er mit dem Ordinarius gesprochen hatte, kam mein Vater nach Hause. Er warf mir einen finsteren Blick zu bei Tisch und nach dem Essen nahm er mich beiseite: „Du infamer Schlingel, was hast Du wieder gemacht? Schimpf und Schande bringst Du über Deine Eltern. Nicht nur, daß Du Eselsohren in die Bücher machst und Klexe in die Hefte, nicht nur, daß Du durchaus nicht den Ehrgeiz besitzt, endlich einmal Einunddreißigster zu werden unter zweiunddreißig Schülern, nein, Du schreibst sogar noch Romanibus statt Romanis! Pfui, schäm' Dich was!" Ich ging und schämte mich bis ins Innerste meiner neun jährigen Seele. Die Sünde wider die lateinische Gram matik, sie lastete schwer auf meinem Gewissen. Michaelis kam heran und damit die Versetzung, das heißt: nicht für mich. Ich natürlich blieb sitzen unter zehn Schülern der Zehnte. Die Censur, die ich nach Hause brachte oder vielmehr nach Hause hätte bringen sollen, war so schlecht, daß ich empfindliche Strafe fürchtete und mich den ganzen Tag daheim nicht blicken ließ. „Wo hast Du Dein Zeugniß?" herrschte mich am folgenden Tage der Vater an. Ich zitterte und weinerlich kam es heraus: „Ich hab' keins." „Du hast keins? — Was heißt das. Ihr habt doch Alle Censuren bekommen?" „Ach, lieber Papa, sei nicht böse, ich hab' ja auch eine be kommen, aber ich hab' sie nicht mehr." „Du hast sie nicht mehr? — Oho, Bürschchen, sieh mal an! Wo ist sie? Wa» hast Du damit gemacht?" Ich hab'... , „Nun?" „Ich hab' „Na, wird's bald?... Soll ich Dir vielleicht die Zunge lösen?" „Ich hab' einen - Du hast einen ? Na, fix!... Ach igieb mir doch mal den Rohrstock, Mama; ich will ihm ein bischen helfen." „Ich hab' einen.... Dra — dra...— Und nun fing ich furchtbar an zu heulen. „Dra — dra — dra?" — wiederholte drohend der Vater und schwang den Stock. „Einen Drachen hab' ich draus gemacht!" stieß ich her vor und die salzigen Thränen liefen mir in den schreienden Mund. „Wo hast Du den Drachen? Hole ihn sofort!" „Er ist mir weggeflogen, Papa!" Der Vater sah mich einen Moment lang starr an. Dann drehte er sich um und legte die Hände vor's Gesicht. Ich glaubte, er weinte über mich. Jetzt schluchzte ich laut und zwar vor wahrhafter Reue, während es vorher nur Furcht gewesen war. Später, viel später, als ich trotzdem und alledem mein Abiturientenexamen bestanden hatte, erinnerte mich der Vater an den Vorfall und meinte, er wäre damals beinahe krank geworden vom Nichtlachendürftn. gut
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