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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971004022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897100402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897100402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
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- Tag1897-10-04
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gemeldet, daß er auf den Wiener Posten nur zcnückkthreu würde, uw seiu AbbrrujuvgSjchreibe» zu überreichen. an die Zügel der Regierung ergriffen haben werde, auch dar Zeit« >unct für den Wechsel im Obercommaudo auf Cuba gekommen ein dürfte. Als Nachfolger de« General« Weyler gilt all gemein der Marschall Martine»Campo«, der ja auch schon der Vorgänger Weyler'« auf Cuba gewesen ist. Auch nach innen wird Va0 liberalej Ministerium alle Hande voll zu thun finden. Da« neue griechische Ministerium ist nnnmebr end- ailtig wie folgt zusammengesetzt: Za im iS Präsidium und Auswärtige«, General Smolensk» Krieg, Oberst Korpaö Innere«, Streit Finanzen, Toman Justiz, Panagitopulo Unterricht, Capitaiu Hadjikyriako Marine. Die Minister haben gestern dem König den Eid geleistet, wobei sie, allen voran der Kriegsminister, von der Volksmenge, die sich in der Umgebung de« Palai« versammelt hatte, sympathisch be grüßt wurden. Iustizminister Toman, welcher römisch- katholisch ist, legte de» Eid in Gegenwart dr« Erzbischof« Ungeli« ab. E« ist in Griechenland da« erste Mal, daß rin Katholik Minister wird, lieber die Berufung de« Generals SmolenSki wird bekannt, daß er, al« man bei ihm Erkundi gungen riuzog, ob er da« Ministerium dr« Krieg» übernebmen werde, erwidert habe, er sei keine politische Persönlichkeit, sondern rin Soldat und grhorche al« solcher dem Brsrhle seine« König«. Die Zuiammensetzung de« Ministeriums macht eillea au-gezeichnelrn Eindruck und die Presse, mit Ausnahme der delyannistischen, spricht sich zu seinem Gunsten aus. „Asty" sagt, di« Weisheit des Königs und die entschlossene Haltung der unabhängigen Presse hätleu das Land aus der ürisiS errettet, ia welche es die durch politische Leidenschaften geblendete Kammer gestürzt habe. Telyanniü trage alS Lohn seiner ntttrigeu Gesinnung die Sprengung seiner Partei davon. „Akropolis" schreibt, die blohe Androhung einer Wiederkehr Delyaunis' zur Ne gierung erfülle Griechenland und Europa mit Abscheu. „Strip" lagt: Möge der griechische Olivier aushüren, La» Land, das er ruinirt hat, herauszujordern. Sein» Rückkehr zur Gemalt ist uu« möglich, sie würde schmachvoll sein. Demnach scheint DclyanniS vorläufig abgewirthschaftet zu haben, zumal da die schon erwähnte Spaltung seiner Partei eine tiefgehende ist. In einer Bersaniinluug von 40 Delyannisten wurde beschlossen, die Maßregeln de« Ministeriums, soweit sie die Räumung Thessaliens betreffen, zu unterstützen: auch die übrigen Parteiführer Karapauoö, DeligorgiS, Ralli und die Trikupisten haben erklärt, eine freundliche Haltung gegenüber den neuen Ministern einzu nehmen und so darf der niorgjgen Sitzung der Dcputirlen- kammer mit etwas mehr Vertrauen enlgegcugesehen werden. Daß DelyanniS freilich für immer abgethan sei, kann man nicht ohne Weiteres sagen. Griechenland steckt politisch trotz aller Geriebenbeit noch zu sehr in den Kinderschuhen; die Volksvertreter sind eineStheilS zu sehr für Phrasen empfänglich, anderntbeilS in einer unS pedantischen Westeuropäern vurchauS ehrenrührig erscheinenden Weise au persönliche Bortheile bedacht. ZaiuriS ist schon seit Jahr zehnten mehrmals Minister gewesen; Laß DelyanniS ihn anfeindet, ist eine gute Vorbedeutung. Deutsche- Reich. * Verkitt, 3. October. Auf rille dreissch höhere Strafe, al« die Allklagebehörde beantragt hatte, ist von dem Charlottenburger Schöffengrrichl gegcn den Schriftsteller Joachim Gehlseu wegen Beleidigung de« zweiten Vicepräsideiiteu des preußischro Abgeordnetenhauses vr. Paul Krause erkannt worden. Gehlseu war seiner Zeit mit der Wahrnehmung der Interessen der bekannten Braudt'schrn Millioneu -Erbschaft betraut worden und hakte im Früh jahr d. I. in der Sache einem Termin angewohnt, in welchem der Vicepiäsidcnt l)r. Krause in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt den Grafen Douglas vertreten halte. In diesem Termin halte Or. Krause beiläufig den Fürsten Bismarck erwähnt, worauf Gehlfe» in seiner „ReichSglocke" im April d. I. Folgende- geschrieben halte: „Es ist dem Herrn I)r. Paul Krause überlassen, dem Fürsten BeSmarck diese AnhaltS- puncte z»i schaffen, wenn er nicht den Verdacht «uf sich laden will, daß er durch einen gemeineu Arvocatenluiff die Gegner in der öffentlichen Meinung herabzusetzen versucht hat". — In diesem Satze batte die Staatsanwaltschaft eine öffentliche Beleidigung des Vicepräsideiiteu RcchtSauwall« Or.Krause gefunden, welhalb gegen Geblien die Anklage erhoben worden war. Der Beschuldigte erklärte in dem VerhaudlunzStermiu, daß seiner Auffassung nach Rechtsanwalt Or. Krause bei seiner Aeußerung, „dir Leute behaupten, Fürst DlSmarck hätte auch vo» der Erbschaft abbekommeu", die Grenzen beSjenigeu, wa» ein Anwalt für nothwendig halte, um »en Kläger in »e» Tilgen der Ocffentlichkeit herabzufetzen, überschritten babe, zumal La er keiuc Beweise an der Hand habe und eie betreffen den Personen, welche diese Behauptung gethau haben sollten, nicht namhaft machen könne. Ter SraalSauwalt beantragte 30 Geldstrafe oder 6 Tage Gesängniß. Der Gerichtshof ging jedoch über diesen Antrag weit hinaus und rerurtheilte Gehlseu zu 100 Geldstrafe, eventuell lO Tagen Ge- sängniß, sowie zur Tragung sämmtlicher Kosten nebst Pübilication deS UrlheilS. * Berlin, 3. Oktober. Der Aus st and der Former gelangt« gestern, wie telegraphisch schon kürz gemeldet, vor dem Eiuigungöamt des GewerbegerichlS zur Ver- baudluug. Commerzienrath Henneberg von der Firma Rielschel L Henneberg gab im Namen der Arbeitgeber die Erklärung ab, daß die Commission kein Mandat habe, bestimmte Vorschläge zu machen. Sie habe vor läufig nur den Auftrag, über den Verlauf der Dinge Aufklärung zu geben. NamenS der Ausständigen ging Former Jeriiicke auf die Entstehung des Streiks ein. Durch den Ealculator Bohner habe die Firma Borsig erklären lassen, daß sie sich von den Arbeitern keine Vorschriften bezüglich der Preise machen lasse. Tirector Torn von der Firma Borsig stellte fest, Latz die Commission verlangt habe, die Gleitbahn und Cylinder dürfen nicht außerhalb der Borsig'scheu Fabrik angefertigl werden und für Leu Cylinder müsse ein Preis von 250 -L gezahlt werden. Durch die Vernehmung des Formers Stein und deS FormermeisterS Borchardt wird die Nichtigkeit der vorstehenden Erklärung bestätigt, ebenso wird festgestell», daßKernmacher, wie die streikenden Former behaupteten, bei der Anfertigung von Cyliudern überhaupt nicht als Hilfskräfte angestellt waren. Meister Borchardt bestreitet gleichfalls, daß er den Preis für die Gleitbahn von 190 in 150 umgeäiidert habe. Vielmehr babe er den Preis von 140 aus 150^ erhöht. Commerzieu- rath Henneberg weist darauf hin, daß die Former für die Vorarbeit für den Cylinder nichts verlangt haben, obwohl die Nichtbezahlung dieser Mühe nachträglich als Hauptgrund des Streiks angegeben sei. Ingenieur Bohner wird vernommen und erklärt, daß er von der Firma Borsig beauftragt gewesen sei, die Verhandlungen mit den Arbeitern zu leiten. Der von den Arbritervertrrtrrn gemachte Einwand, daß der Auftrag des Ingenieur« mit der Fabrikordnuo« nicht in Einklang zu bringen sei, wird Lurch Verlesung der betreffenden Paragraphen widerlegt. Da» Gericht verhandelte dann über die Forderungen der Arbeitnehmer. Metallarbeiter Litfin hielt eine längere Rede über die schwarzen Liste», die vom Arbeitsnachweis Le« Verbände« der Metallindustriellen herauSgegcben seien. Litfin verlangt, daß die Arbeitgeber künftig mit ihren Arbeitern persönlich verhandelu, daun würden etwaige Differenzen bald beseitigt seien. Insbesondere legten die Arbeiter Werth darauf, Lag keine Maßregelung eintreten und alle AuSstäudigen wieder eingestellt werden sollen. Commerzienrath Henneberg erklärt, die Former treffe die Schuld, wenn diesen Forderungen nicht Folge ge geben werden könnte. Fabrikbesitzer Kühne bemerkt, daß wohl zwei Drittel der Former vorläufig keine Beschäftigung erhalte» werden. Vielleicht werde die Formerarbeit rum Tbeil dauernd außerhalb Berlins hergestellt werden. Schließ lich wurde folgender Vergleich formulirt: 1) Die Akkordlöhne für die in Zukunft anzufertigenden Arbeite» sind von den Formern und den Meistern, welche die Arbeitgeber vertreten, gemeinschaftlich zu vereinbaren. 2) Solcher Guh, der nachweislich ohne Bcrfchuldrn der Former zum Ausschuß wird, soll bezahlt werden. In Streitfällen sollen vetheiligt« Former gut- achtlich gehört werden. 3) Die Arbeitgeber verpflichrru sich, die am Streik betheiUaten Former und Gießereiarbeiter nach Bedarf einzustelleo, möglichst bevor auswärtige Former zur Beschäftigung angenommen werden. E» darf keinem der am Streik betheiligteu Arbeitnehmer von dem Arbeitsnachweis der Metalliudustrielle, der ArbeilSjcheia voreuthalten werde». 4) Dir Regelung der übrigen Forderungen der Arbeituehmrr vom 27. August bleibt der freien Vereinbarung der Parteien Vorbehalten. Zu diesem Vergleich werden Arbeitgeber u«d Arbeit nehmer morgen in besonderen Versammlungen Stellung nehmen. Am DienStag tagt dann wieder das EinigungSamt. — Iu Sackieo der PolizeiverorLriung vom 10. Oktober 1896, betreffend die äußere Hrilighaltuug der Soun- und Feiertage, Haden der CultuSmiuister, der Haudelsminister und der Minister de« Innern auf die Eingabe deS Comitö«, über teren Absendung wir jüngst berichteten, mitgetheilt, Laß, einem Beschlüsse Le« StaatSiilinisteriiimS entsprechend, Ver handlungen wegen Revision der in Rede stehenden Polizei verordnung eiiigclcitet, aber noch nicht zum Abschlüsse gebracht sind. — Der Cultutmiiiister und die Minister deS Innern und für Haukes und Gewerbe haben die Regierungspräsidenten um Aeußerungen darüber ersucht, ob und weiche Bedenken gegen die von den Ministern in Aussicht genommene öffent liche Bekanntmachung von Verurtheilunge» wegen NahrungSmittelverfälschuug geltend zu machen seien. — Landwirthschaftliche Ujuterricht«curs« für Landschullehrer behufs Ertheilnuz eine« zweckmäßigen Unterrichts iu laudwirthschastlicheu Fortbildungsschulen be absichtigt der Minister für Landwirtbschaft in» Leben zu rufen. Diese Curse sollen tbunlichst alljährlich während der Somuierferieu statisinden. Di« Dauer eiues Cursi« ist auf fünf Wochen berechnet. Der Unterricht, welcher den Be dürfnissen Le« kleinbäuerlichen Betriebe- augepaßt werden soll, ist für die Theilnehmer unentgeltlich, welchen außerdem noch eine staatliche Beihilfe zu den ihnen erwachsenden Kosten für Reise, Wohnung und Lebens unterhalt bis zu 100 Mark gewährt werden soll, sofern sich die jeweiligen Gemeinden ebenfalls zur Zahlung einer Bei hilfe iu ver Mindesthöhe der Hälfte der staatliche» Subven tion verpflichten. Eine Ausnahme soll nur mit notorisch leistungSunsähizeo Gemeinden gemacht und in solchen Fällen die staatliche Beihilfe entsprechend crböhl werden. Als Unter richt-gegenstände sind vorgesehen Chemie, Botanik, Thier- productionölehre und landwirthschaftlicheS Unterrichtswesen nebst Ucbungen. — Di« Metallarbeiter Berlins haben die Sperre über dir Fabrik von Drechsler verhängt, wo die Schlosser und Klempner vor Kurzem in den AuSsloud ringelreten sind. Nach der Angabe der Arbeiter ist der BuSslaud ausgebrochcn, weil dein Verlangen der Arbeiter noch Aushängung eines LohnlarisS nicht entsprochen wurde. — Der Kaiser hat, der „Germania" (!) zufolge, der Frei-Logr „Georg zu Len drei Säulen" in Ei »deck eine Copie srineS von Leobach hergeslellteu Brustbildes iu Lebensgröße mit eigenhändiger Unterschrift und im GolLrahmru zum Geschenk gemacht. — Großfürst Michael Nikolajewitsch ist heute früh aus Warschau hier augekommen. — Ter italienische BotschoftSattachs Marchese Sommi di Cal- vatone ist von seiner Regierung abberusen worden. — Der hiesige bayerische Gesandte Graf von Lerchenield ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt, ebenso der hessische Gesandte von Neidhardt und der hanseatische Gesandte Dr. Klügmann. — Gras Caprivi Hot sich nach der Rückkehr von Brandenburg hier ausgehalten und gestern Berlin wieder verlassen. >V. KiiniaSbkrg t. Pr., 2. October. Der Ober-Präsident Graf Bismarck ist gestern Nachmittag aus FriebrichSruh hier eiugetroffen und begab sich auf telegraphischen Befehl deS Kaisers Abends nach Rominten. * Holtcuau, 3. Oktober. Heute Vormittag 11 Uhr hat die Einweihung der Canal-Dankeskirche hier statt gefunden. In Vertretung LeS Kaiserpaares wohnten Prinz uud Prinzessin Heinrich der Feier bei. Nach Ankunst der Herrschaften überreichte der Canalbau-Jnspcctor Luetjohanu vor der Kirche dem Prinzen Heinrich mit einer Ansprache den Kirchcuschlüssel. Der Prinz gab den letzteren an den OrtS- geistticheu Pastor Hellwag weiter und dieser schloß mit einem Segenswünsche Lie Thüre der Kirche auf. In feierlichem Zuge, unter Voranlritt der aus Lem General - Superintendenten I). Kaftan, Propst Holm und Pastor Hellwag bestehenden Geistlichkeit betraten sodann LaS Priuzeupaar, der CultuS- minister l)r. Bosse, der Oberpräsideut v. Köller, der Präsident des CanalamteS Löwe, Admiral Köster, der Marinecommissar für den Kaiser-Wilhelm-Canal Contreadmiral Aschcubvrn rc. unter Orgelklang das neue Gotteshaus. Generalsuperiutendent v. Kaftan hielt die Weihrede, der OrtSgeistliche predigte über Sacharja Cap. 2, BerS 7. Nach Lem Gottesdienste kehrten die Herrschaften nach Kiel zurück. * Plö», 2. October. Die Freisinnige Volk-Partei stellte für die Ersatzwahl im neunten schwe-wig-hokßeinischen Reichstagswahlkreise den Hofbesitzer Schmidt-Havighorst auf. * Schwerin, 3. October. Die Leiche de« Herzog« Friedrich Wilhelm vo» Mecklenburg traf Nachmit tag« 3'/, Ubr von Cuxhaven auf dem mit Trauerzeichen ge schmückten Bahnhof em, wo der Großherzog, der Herzoa- Negent, die Herzöge Paul Adolf und Heinrich, der Erbgroß- Herzog von Oldenburg und Prinz Heinrich XVIII. Neuß j. L. sie erwarteten. Al« der Sarg au« dem Zuge ge nommen wurde, präsentirte die von dem Grenadier- Regiment Nr. 89 gestellte Ehren-Compagnie da« Gewehr, während die Musik den Choral »Jesu« meine Zuver sicht" spielte. Marineofficiere hoben den Sarg auf Len . Trauerwagea, die auf dem Luisenplatz ausgestellten Truppen, unter welchen auch eine Compagnie der Ersten Torpado- Abtheilung unter Führuua de« Capitainlieutenaot« Schäfer sich bcfaud, präsentirte». Uuter Traucrmusik, Trommelwirbel und dem Läuten der Glocken sämmtlicher Kirchen bewegte sich der Trauerzug nach dem Dom. In der Straße harrte ein sehr zahlreiches Publicum. Da« Trauergeleite bildete» außer den Fürstlichkeiten Staat«- und Hofbeamte, Prediger, Ofsiciere de« Heere« uud d»x Marine, viele Krieger vereine und andere Abordnungen. Um 4'/» Uhr erreichte der Zug die Domkirche, der Sarg wurde in derselben vor deui Altar uiederaesetzt. Neben dem letzteren hatten die Großherzogin Marie und die übrigen fürstlichen Damen Len Sarg erwartet. Nachdem der Domprediger Weber ein Gebet gesprochen hatte, legte Großherzogin Marie einen mit deui HeimathSwimpel des untergegangenen BooteS durch- flochtencn Lorbeerkrauz nieder. Der Sarg bleibt morgen und DienStag bi« zur Beisetzung in Parade aufgestellt. * vtelefel«, 2. October. Fortschritte der Mäßigkeittz- sache bezeugte die Jahresversammlung de« Verein« gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die vom 27. bi« 29. Sep tember hier stattfand. Die größten Säle dort reichten kaum ans, an Vorträgen wurde Vortreffliches geboten, namentlich wurde da« Thema „Praktische Einrichtungen gegen Len Alkoholmißbrauch auf Arbeitsplätzen" recht vielseitig und praktisch behandelt. Gefordert wurden u. a. Baubuden für Bauarbeiter, Schutzhallen für Kutscher, Dienstleute rc., Natural verpflegung für da- Eiseubahn-Fahrpersonal, Entstaubung der Fabriken, gute Waschgelegenheit iu allen Werkstätten, Lohn auszahlung mitten in der Woche, vorbildliche Arbeiterfürsorge in staatlichen und commuualen Betrieben, Ausrottung de«Truck systems auf Ziegeleien, der ArbeitSvermittelung in Wirth- schaften, deS Freibieres in Brauereien rc. Der Verein wird da« Werthvollste aus den Gutachten zu dieser Sache iu einer Denkschrift zusammcusassen und gewiß auch an Reichstag, Regierungen und Stadtverwaltungen Anträge in dieser Rich tung stellen. Ferner wurden Beschlüsse gefaßt, die auf eine gesetzliche Regelung der Naturalverpflegungsstationen und auf ciu Verbot des Branntweinausschanks bei sonntäglichen Ver gnügungen hinzielen. Durch Preisausschreiben sollen hübsche Skizzen für billige Trinkbrunnen und Waudbilder gegen den Alkohol hervorgerufen werden. Für nächstes Jahr heißt das Hauplthcina: „Die Trinkunsitten der besitzenden und gebil deten Stände." * Tissel, 2. October. Für den dritten VerbandStag der deutsch-sociale» Reformpartei für Kurhessen und Waldeck war das Erscheinen der Abgeordneten Jökraut, I)r. Vielhaben und Werner angekündigt worden. Aber nur Jskraut uud Werner erschienen, während Vielhaben, sowie Liebermann v. Sonnenberg, besten Wahlkreis zu diesem Bezirk gehört, fehlten. Des Letzteren Ausbleiben wurde, dem „B. T." zufolge, sehr übel vermerkt. Vermuthlich blieb Liebermann v. Sonnenberg weg, weil für seine Partei in Kurhessen sich sehr schlechte Wahtchancen ergeben haben. * Erfurt, 2. October. Die hiesigen Conservativen stellen den bisherigen Abgeordneten Schneidermeister IacobS- kötter wieder als ReichStagScandidaten auf. * Taruistadt, 3. October. Prinzessin Christian von Schleswig-Holstein ist mit ihrer Tochter Victoria zum Besuch hier eingetroffen. An dem Frühstück bei den groß herzoglichen Herrschaften nahmen außer dem Kaiser und der Kaiserin von Rußland die Prinzessin Ludwig von Battenberg und deren beide Töchter sowie Prinz Wilhelm Theil. Heute Nachmittag machten der Kaiser und die Kaiserin vo» Rußland mit dem Großherzog und der Großherzogin, sowie Leu übrige» Fürstlichkeiten eine Spazierfahrt nach dem Krauichsteiner Berg. Abends besuchten die Herrschaften da« Hoftheater, in welchem Kienzl'S „Evangelimaun" gegeben wurde. * Karlsruhe, 2. October. Die Enthüllung LeS Kaiser- Wilhelm-Deukmals findet bestimmt am 18. Octoberstatt. Die Feier wird verherrlicht durch die persönliche Aowesenheil deS Großherzogs. * München, 2. October. Der Führer de« katholischen Bauernvereins in Niederbayern, LandgerichtSrath Söldner, hat sein Mandat zum bayerischen Landtag für den Wahlkreis Landau a. I. in Folge seiner Beförderung ver loren. Die ihm für die Ersatzwahl augetragene Candidatur hat er angenommen und bei dieser Gelegenheit an seine Wähler ein Schreibeu gerichtet, daS die geheimen Kabalen Auch in Tpauieu kann die Ministerkrise für beendet gelten. Sagasta hat sich bereit erklärt, daS neue Ministerium zu bilden, und gestern mit mehreren ehemaligen Ministern conferirt. DaS neue liberale Cabinet ist allerdings noch nicht fertig, doch haben General Correa und Avnnral Bermejo zugesagt, daS Portefeuille des Krieges bezw. der Marine zu übernehmen. Abgesehen von der Verfahrenheit der Lage, über die wir unS schon ausgesprochen, war eS der Mangel an innerer Homogenität, welcher das conser- vative Cabinet zu Falle brachte. Der SeparaliSmu- Silvela'S und seiner Anhänger erschwerte dem Ministerium Azcarraga jede staatsmännische Action und beraubte es der moralischen Autorität. General Azcarraga hat es an Be mühungen, alle conservativen Elemente unter das gouverne- mentale Banner zu schaaren, nicht fehlen lasten, sie waren alle vergeblich. Den einzigen gegebenen Ausweg aus den Schwierig keiten des Augenblicks bot daher die Berufung deS liberalen Parteichefs Sagasta. Der Glücksstern der spanischen Conservativen ist seit der Ermordung deS wirklichen Staatsmannes CanovaS del Castillo bis auf Weiteres verblichen. Was nun daS politische Programm Saaasta'S anlangt, insbesondere den colonialen Theil desselben, so ist darüber hinreichende Klarheit verbreitet. Sagasta erblickt in der Verleihung der Autonomie überseeischen Besitzungen das einzige Mittel, die Colonien dem Mutterland« auf die Dauer zu erhalten. Es gilt dies namentlich von der Insel Cuba, und wenn eS Sagasta mit der Durchführung der Autonomie wirklich Ernst ist, so wird er mit der Abberufung deS General« Weyler nicht mehr lauge zögern dürfen. General Weyler ist nun ein mal der Repräsentant eines System«, das den Haß der Cubanrr gegen Spanien nicht zur Ruhe kommen läßt uud besten positive Erfolge den moralischen Nachtbeil nicht auswiegen, den die „Aera Weyler" der spanischen Sache auf der großen Antille zugefügt hat. Die Abberufung dieses MilitairS würde auf die öffentliche Meinung in Spanien und außerhalb dieses Lande- den besten Eindruck machen und auch dem ameri kanischen Iingothum fein beliebtestes kubanisches Agitations mittel entziehen. Wenngleich einstweilen dementirt wird, daß die Abberufung deS Generals beschlossene Sache sei, so über wiegt iu politisch unterrichtete» Kreisen doch die Ansicht, daß, sobald da- Ministerium Sagasta gebildet sein und die Barthaar aufwiesen, thaten wahrhaftig, als ob sie noch nie ein blondes Haar gesehen. „Ach nein", antwortete Lieschen, „zu dem gnädigen Fräulein soll ich". „Zu Fräulein de Melida?" .Ja". „Hm — das wird schwer halten". „Wieso? Ich komme von Moser und Comp." „Weiß es, Fräulein Lieschen, weiß es wohl; aber die Leute da drüben sind ja ganz toll und außer Rand und Band. Na, wir wollen einmal sehen, was sich machen läßt. Kommen Sie mit, Fräulein Lieschen". Den linken Flügel des Schlosses zu Heblingen hatte Fräulein Lieschen noch nie betreten, da die Gräfin Mar garethe, zu der sie bisher immer befohlen war, im Mittel bau des weitläufigen Gebäudes wohnte. Sie ging neben dem Diener Franz quer über den Hof und trat dann mit ihm durch das Seitenportal in das Schloß ein. Auch hier war Alles Leben und Bewegung. Es schien, als wenn die Herrschaften sich gerade von Tisch erhoben hätten; denn die Diener trugen leere Flaschen und Schüsseln umher. Endlich brachte sie Franz in einen kleinen Salon, dessen einziges Fenster nach dem Park hinunterging, der aber eine Thüre vom Corridor her, durch die Lieschen eintrat und außerdem noch rechts und links zwei Thüren hatte, wodurch der Raum zu einer Art Durchgangs- oder Wartezimmer gebildet wurde. „Nehmen Sie hier einstweilen Platz, Fräulein Lieschen, ich will inzwischen zusehen, daß das gnädige Fräulein möglichst bald Nachricht von Ihrem Anliegen erhält", sagte der Diener und ging. Lieschen setzte den großen Carton auf dem Teppich nieder und nahm bescheiden und geduldig auf einem Stuhle Platz. Sie hatte eine Weile gesessen und glaubte bereits, man habe sie vergessen, als sie durch die halboffenstebende, nach dem Nebenzimmer führende Thür drinnen eine Dame eintreten hörte, der hastig em Herr folgte. Deutlich vernahm sie daS Rauschen einer Schleppe auf dem Teppich, die knarrenden, harten Tritte eines Mannes und kurze, aufgeregte Athemzüge. Fräulein Lieschen be fand sich in peinlicher Verlegenheit, sie hätte aufstehen und fortgehen mögen; aber sie wagte es doch nicht, irgend ein Geräusch zu verursachen, das ihre Anwesenheit hatte ver- rathen können. So blieb sie still sitzen, auch als sie hörte, wie im Nebenzimmer leise Flllsterstimmen vernehmlich wurden. „Georgette, Georgette", rief die Stimme des jungen Herrn, „wollen Sie mich hören?" „Nein, Salvatore, nein; ich will Sie nicht hören; ich darf es nicht", antwortete die Damenstimme. „Sie dürfen es nicht? Welche Comödie! Lassen Sie mir Ihre Hand, ich werde Sie nicht beißen. Georgette, warum sind Sie immer so grausam mit mir? Sie müssen mich hören! Sie haben die Pflicht, mich zu hören!" „Die Pflicht?" „Natürlich! Es handelt sich um unser Glück, um unsere Zukunft". Iu borwö deurs!" „Georgette, hören Sie mir zu: ach wie glücklich könnten wir sein, wenn Sie ganz die Meine sein wollten —" „Sprechen Sie mit Ihrem Papa darüber, Salvatore". „Eine einsame Insel im Meere, Georgette, wo wir allein sind, allein mit unserer Liebe " „Hm — hm!" „Wo die Vögel in der Luft unsere Concertsänger, das klare Bergwasser unser Trank und der weite, endlose blaue Himmel unser Dach —" „Hunderttausend Francs Rente müßten wir aber wenig stens haben". „Ein Traum, ein süßer Traum — nicht wahr, Georgette? Frei und unabhängig, nur Eins dem Andern lebend, nur uns gehörend, ohne Verpflichtung gegen Andere — welch' ein köstliches Paradies! Nicht, Georgette?" „Ja, aber es muß vorerst ein Contract gemacht werden. Eine Rente, eine feste sichere Rente ist ganz gut; aber noch besser ist es, wir lassen unS das Capital auszahlen. Zwei Millionen ist nicht viel — ist nur eine Lumperei für Ihren Papa". „Georgette, Georgette-einen Kuß, nur einen einzigen!" „Mein Gott, Salvatore, lassen Sie mich! Wenn unS Jemand erblickte, beim Himmel, ich versinke vor Scham — Ah, da ist Mama! O mein Gott!" Fräulein Lieschen, die noch immer im Nebenzimmer saß und sich nicht vom Platze zu rühren wagte, zitterte am ganzen Leibe. Denn wenn auch die Unterhaltung, deren unfreiwillige Zuhörerin sie war, in französischer Sprache geführt wurde und Lieschens Französisch sich über die Volants, Fichus und Capots der Mode nicht wesentlich er hob, so wurde ihr doch aus den heftigen Athemzügen, aus den kurzen, abgerissenen Sätzen und raschen Bewegungen, aus dem erregten Flüsterton der Sprechenden ganz klar, daß es sich hier nicht um eine Unterhaltung über das Wetter oder über Politik handelte. Fräulein Lieschen wurde auch, ohne daß sie ahnte weshalb, beim Klange dieser Stimmen selbst in einer Weise aufgeregt, daß es sie heiß und kalt über lief. Aber was ging sie schließlich Alles das an, was da gesprochen und was im Nebenzimmer geschah? Sie wußte nicht warum, aber es war ihr zu Muthe, als müsse sie zum Fenster hinausspringen, als ob es ihr unmöglich und un erträglich sei, auch nur noch einen Ton jener Männerstimme zu hören, die da im Nebenzimmer so heiß und leidenschaft lich flüsterte. Es war ihr, als ob sie dadurch namenlos unglücklich und elend werden müßte. Eine zweite Dame trat in das Nebenzimmer — Lieschen hörte es am Rauschen des Kleides und an den Bewegungen — und es hatte den Anschein, als umarme man sich gegenseitig. Nun hielt es Lieschen nicht mehr aus; sie wußte nicht, was ihr war; aber die Thränen quollen ihr aus den Augen, unaufhaltsam, unwiderstehlich, und ihr Herz klopfte zum Zerspringen. „Meine Kinder", sagte drüben eine Frauenstimme gerührt. Es schien sich eine zärtliche Favnlienscene ab zuspielen. „Mama — aber ich bin nicht Schuld daran, Salvatore ist es allein". „Schuld — was ist Schuld? Wir werden unS heirathen — nicht wahr, Frau de CourcelleS?" «Seien Sie still, Salvatore. Sie sind ein schlimmer, böser und gefährlicher Mann. Aber es wird sich Alles iu unserem Glück fügen. Wollen Sie mir erlauben, Don Salvatore, die Sache Ihrem Papa vorzutragen?" „Thun Sie daS, gnädige Frau. Es ist mir lieber, Sie sprechen mit ihm, al- wenn ich ei müßte. Und nicht wahr? — sobald wie möglich. Ich will nicht mehr warten — nein, ich will nicht!" „Liebe Kinder, liebe Kinder", tönte es wieder rührselig. „Nur Geduld, Geduld und guten Muth. Ausdauer, Sal vatore — Ausdauer, Georgette, und es wird Alles gut werden". Das war Alles sehr aefllhlvoll und sehr rührend. Nur Lieschen fand es so abscheulich, daß sie hastig aufstand, ihren Carton aufraffte und damit nach der Thüre eilte. Fort wollte sie — nur fort! Sie wäre vergangen, wenn sie noch mehr von diesem Stimmengewirr, das sie mehr errieth als verstand und das ihr deshalb vielleicht nur um so schrecklicher und fürchterlicher däuchte, gehört hätte. Aber sie hatte ihre Kräfte offenbar überschätzt; eine momentane Schwäche wandelte sie an und sie tastete unwillkürlich nach einer Stuhllehne, einer Stütze, um sich vor dem Umfallen zu be wahren. Der Kasten fiel mit lautem Gepolter zur Erde und sie selbst stand bleich und halbtodt vor Angst und Schwäche an einem Tisch gelehnt. Einen Augenblick später standen Frau Courcelles, Fräulein Georgette und Don Salvatore staunend vor ihr. „Was ist das?" fragte Georgette. „Wer sind Sie?" „Was wollen Sie hier, mein Fräulein?" Fräulein Georgette und ihre Mutter waren sehr un angenehm und scharf im Ton ihrer Fragen, als ob ihnen die Unterbrechung sehr unpassend gewesen wäre. Don Salvatore war ebenfalls überrascht und erstaunt, aber seine Frage klang mehr zaghaft, fast bewundernd. DaS zarte, schwächliche und halb ohnmächtige Mädchen machte in seiner bescheidenen Innigkeit, in seiner blonden Weichheit und Feinheit offenbar einen verblüffenden Eindruck auf ihn. Lieschen verstand nichts von allen den Fragen; sie raffte sich gewaltsam auf und nahm sich, so gut eS gehen wollte, zusammen. „Ich bin bestellt", sagte sie dann in ihrer gewöhnlichen unterwürfigen Art, „zu Fräulein Felicia de Melida. „I-L moäists!" sagte Fräulein Georgelte verächtlich und wandte sich ab. / (Fortsttznn- folgt.) s
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