Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971006014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897100601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897100601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-06
- Monat1897-10
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis k der Hauptexpedition oder den t«i Stadt- beim und den Bororten errtchteteti Nss» aabesteven ab geholt: vierteljährlich »4.50, bei jwrimaligrr täglicher Zustellung ins Lau» 5.50. Durch die Post bezogen fiii Drutjchivnd und Oesterreich: viertestäbtlith 8.—. Direkte tägliche KreuzbandlrnduNg int Ausland: monatlich 7.50. löle Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags nm 5 Uhr. iS Redaktion und ErpeMok: Aohannesgaffe 8. Dl« Expedition ist Wochentag« »nunterbrochr» ,«öffnet von ftüh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Otto klemm'« Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraß« S (Paulinum), Loni« Lösche, katbarinrnstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. WpMcr TaMM Anzeiger- Amksölatt des Königlichen Land- und Änüsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. 599. Mittwoch den 6. October 1897. Auzeigen'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redaciionsstrlch (4 ge spalten) bOij, vor den Fiunilienuachrichten (8gespalten) 40/H. Größere Schristrn laut unserem Preis- verjeichniß. Tabellarischer und Zifsrrnjatz «ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 6O.r-, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abrnd-Au-aabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Wahlsorgen. K Die Rückkehr des Reichskanzlers nach Berlin bat natürlich die Ströme der politischen Combinationen entfesselt. Jeder Berichterstatter oder „Rechercheur", der nur ein bischen auf sich hält, muß über dieses ja nicht mit voller Sicherheit vorauSgesehene Ereigniß etwas zu sagen wissen. Und sie reden dann auch, theilweise mit „gespaltenen Zungen". Wir wenigstens sind kürzlich einem der vielgewandten Herren auf die Spur gekommen, als er in einem rechts siebenden nord' deutschen Blatte die Angelegenheit der Militairstrafproceß- ordnung wie eine Bagatelle behandelte und in einer etwaS nach links neigenden süddeutscdenZeitung dieselbe Sackeals den Angel- punct der Situation im Allgemeinen und der des Fürsten Hohen lohe insbesondere mit glühenden Farben auSmalte. Beides ist natürlich „öffentliche Meinung". EbenbemeldeteS Geschöpf beschäftigt sich neuerdings eifrig mit der verzwickten Frage, ob der jetzige Reichstag, der am 15. Juni 1803 gewählt worden ist, spätestens am gleichen Tage deS Jahres 1808 erneuert werden müsse oder ob die Negierungen einen späteren Wahltermin anzusetzen berechtigt seien. Auf die Beantwortung wird viel, durch Kenntnih des NechiS und der Praxis wenig oder gar nicht incommodirter Scharfsinn verwandt. Es verlohnt sich durchaus nicht, aus dieSache einzugeben, weil, wie bestimmt versichert wird, dieNegierungen derBestimmung deSWablterminS noch nicht näber getreten sind und, wie hinzugefügt wird, die Negierungsverbältnisse in Berlin im Augenblicke — trotz der „Umbildung" — wieder einmal so zerfahren sind, daß „es lächerlich wäre, sich um Kerzen zu kümmern, die nicht bereits auf dem Daumen brennen". Unseres EracktenS entspricht diese Darstellung der Wirklichkeit. Um die Wahlen kümmert sich jetzt nur ein Tbeil der Parteien und dieser, wie die „Kreuzztg." wohl nicht mit Unrecht meint, vorzeitig. Unsere Zustände sind viel zu unsicher, zu sehr ungeahnten Verände rungen ausgesetzt, als daß man im October oder November sagen könnte, um dies oder jenes solle im Sommer oder selbst schon im Spätwinter gekämpft werden. Freilich mit der allgemeinen Verhetzung, die einzelne Tagcöfragen nur als Krücken und unbekümmert um deren sachliche Bedeutung benutzt, kommt man im heutigen Deutschland nie zu früh. Ihr haben die positiv gerichteten Parteien, die k.inen Augen blick für die Negierung einsteben können, nichts entgegenzu setzen. Für die Kiystallisirung einer Wahlbewegung um concrete Fragen aber ist, wie bemerkt, augenscheinlich die Zeil noch nicht gikommen, und mit inhaltlosen Schlagwörtern um sich zu werfen, kann den staatseihallenden Parteien nicht verlockend erscheinen. Das Oigan des Bundes der Landwirthe ver sucht es neuerdings, vielleicht nur um den Dresdner Genossenschaftstag vergessen zu machen, mit dem „Mittel standsschutz". Die „Deutsche Tageszeitung" meint, die Wahlparolen würden und könnten nur - auf dem wirth- schaftlichen Gebiete liegen: „Will die Regierung nickt von I vornherein ihre Stellung erschweren, so lasse sie die Flotten frage avS dem Spielei Ebenso muß daS Vereinsgesetz u. A. auS dem Spiele bleiben." Herr l)r. Habn, der mit seinem Entdecker und Gönner Schoof wegen des Vereinsgesetzes in Hannover gegen die Nationalliberalen gewühlt hat, giebt also dieses Geschäft als unrentabel auf. „Im Mittel punkt der Wablbewrgung", so fährt bas Bundesorgan fort, „wird entschieden die Forderung des MitteistanbSsckutzeS stehen. Ob sie gegen die Negierung oder mit ihr erhoben wird, daS hängt von der Negierung ab. Versteht die Regierung die ganze Entwickelung auf diese Forderung zu zuspitzen, so wird die Wahlbewegung geklärt." DaS wird die Negierung nun allerdings nickt zu machen versleben, aus dem einsacken Grunde nicht, weil es einen Mittelstand mit gemeinsamen oder auch nur parallel lausenden Interessen nickt giebt. An daS Echo, welches die in Dresden gemachten Vorschläge aufErrichtung landwirthschaftlicherMüllerei- und Bäckereibetriebr in Hanbwerkerkreisen erweckt babcn, ist sckon oben flüchtig erinnert worden. Die BundeSpresse hat jene landwirthfchaftlichen Bestrebungen mit mebr Sophistik als Glück zu leugnen versucht. Nun kommt aber die anti- semitiscke „SlaatSbürgerzig." und construirt einen natür lichen Gegensatz zwischen Landwirlhschafl und Mittelstand. Sie verjährt dabei folgerichtig genug, den Landwinden und dem Bunde der Landwinde aus deren mit den Interessen klein bürgerlicher Existenzen coUidirendenWirlhsckaftstendenzen keinen Vorwurf zu machen. Um so schlimmer aber für die Lehre von dem „Stadt und Land umfassenden solidarischen Mittelstände". Für die „Staatsbürgerztg." ist nämlich der Bund der Landwinde der Vertreter der „Partei des Besitzstandes", und zwar nicht nur des ländlichen. Auf diesen letzteren weise wobl der Name hin, das sei aber nur ein „zeitiger Sammelauödruck". Groß industrie und Großhandel gekörten wegen der Gemeinsamkeit der Interessen dazu. Die „Millelstandsparlei", zu der sie den mittleren Beamten, den Kleinkaufmann und den selbst- .ständigen Handwerker rechnet, sieht aber die „Slaals- bürgerzeitung" als den Widerpart der „Bcsitzstandspartel" an Sie geht dabei consequeut zu Werke, und so ist nicktS natürlicher, daß sie als antisemitisches Organ die „Besitzstandspartei", also den Bund der Landwirthe, mit dürren Worten für verjubel erklärt. Unversöhnlicher kann sich ein juveufeinvlicheS Blatt zu dem, was die „Deutsche Tageszeitung" für Mittelstand auSgiebt, unmöglich stellen. Wir für unfern Theil sind weit entfernt, die Fiction von dem „Besitzstände" und seiner angeblichen Partei anzuerkennen, aber nach der negativen Seile hin bat das Blatt unbedingt Recht: wer die Wirlbschafts- frage in den Mittelpunkt der Politik stellt, der muß sich als Handwerker und Kleinkaufmann politisch feindlich zur Lanowirthschafl stellen und umgekehrt. Wir sind nun neugierig, Wie die Antisemiten und insbesondere Herr Liebermann von Sonnenberg die Besitzstands- und die Mittelstandstbeorie ihres bedeutendsten Organs vor den ländlichen Wählern vertbeidigen werden und waS der Bund der Landwirtbe seinerseits zu der Kriegserklärung der Partei sagen wird, die seine Leiter gegen die Nationalliberalen, mehr aber noch gegen die Conservativen auSzuspirlen sich ent schlossen zeigen. Das gewerbliche Coalitionsrecht. DaS gewerbliche Coalitionsrecht, eine der wesentlichen Errungensckaflen der Gewerbeordnung vom Jabre >869, ist wieder einmal Gegenstand der öffentlichen DiScussion geworden und wird mit besonderem Eifer erörtert. AuS den Industrie bezirken kommen lebhafte Klagen darüber, daß durch den Mißbrauch dieses Rechtes die in den comxlicirten Betrieben unerläßliche Tisciplin in den letzten Jahren schwer ge fährdet worden sei. Und auf dem Kölner Congreß des Vereins für Svcialpolitik standen die daselbst mit Neckt zurückgewiesenen Anregungen, den tz 153 der Ge werbeordnung — der durch -Strafbestimmungen die in tz 152 festgelegte CoalinonSsreiheit in den ihr gebührenden Grenzen zu halten sucht — zu beseitigen, dem lebhaft auS gewerblicken Kreisen geäußerten Wunsche gegenüber, die Strafbestimmungen im Gegentbeil noch weiter zu verschärfen. Bestimmungen der Gewerbeordnung sind nicht für die Ewig keit gefaßt, auch nicht das bestehende Coalitionsrecht; einer Aenkerung aber namentlich deS vorstehenden Rechtes ist nur auS wirklich zwingenden Gründen das Wort zu reden. „Jede Veränderung deS CoalitionsreckteS würde", so schrieb Stieda im Jahre 1892, „den Vorwurf laut werden lassen, baß Vie mühsam errungene und Allen tbeuere Freiheit wi der eingeschränkt werden solle." Das ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der dabei in Betracht kommt. Ein zweiter ist, daß das Coalitionsrecht — richtig gebraucht — ein wcsentlickes Hilfsmitiel socialer Reformen bleibt, da rS die friedliche und versöouliche AuSspracke zwischen Arbeitgebern und Arbeit nehmern und die für die Leistungsfähigkeit deS deutschen Gewerbefleißes im Wettbewerb des Weltverkehrs gleicher maßen nolbwentige Einigkeit von deutschem Capital und deuticher Arbeit zum Ziele hat. Diese Harmonie aber ist gestört und wird unausgesetzt gestört gerade durch die Partei, welche sich nicht nur als be rufene Hüterin des CoalitionSrechtS den Arbeitern vorführt, sondern auch eine ungemcssene Freiheit der Coalition fordert: durch die So c i alv e m ok ra l ie. Es ist in den letzten Jahren kaum eine giößcre Differenz in gewerblichen Betrieben, kaum ein Arbeilerausstauv vorgekommen, bei dem eine Ein mischung der Socialdemokratie sich nickt hätte beobachten lassen: unmille bar insofern, als die Wortführer der Bewegung in der Reget durch die Leiter der örtlichen socialdenwkratiichen Organisation waren, mitt lbar, indem die gesammte Social- demvkratie, soweit eS in Rücksicht auf die materiellen Kräfte der Partei und ihre Tactik möglich erschien, ihre politischen Machtmittel dabei spielen ließ. Der HafeuarbeiterauSstanv in Hamburg bat in dieser Hinsicht noch frische Erinnerungen hinterlassen und auch vor dem EinigungSamt, das in Berlin am Sonnabend über die Beilegung des Formerausstandes bandelte, war der Hauplwortführer der Former ein „Metallarbeiter", der als socialdemokratischer Agitator bekannt ist und seine Mitwirkung damit legitimirte, daß durch die Sache der Former auch die Organisation der Metallarbeiter „interessier" sei. Jeden Zweifel aber behebt das socialdemokratische Organ, der „Vorwärts", in seiner letzten Nummer, welche unter der üblichen Aufschrift „Unterm neuesten CurS" eine Aufstellung über die Strafen bringt, welche, wie die alljährliche Aufrechnung zum socialccmo- kralisckcn Parteitage besagt, Genossen im Dienste der Partei unter der „Classenjustiz" erlitten haben. Das September register enthält 30 Nummern, wovon zwei auf den Abg. Stadthagen entfallen wegen „Nichterbeleidigung" und Beleidigung deS Berliner Polizeipräsidenten, 2l Nummern aber auf Strafen, die in Folge socialdemokratischen Mißbrauchs des CoalitionSrechleS nothwendig geworden sind. Acht Jabre, zehn Monate, eine Woche und zwei Tage cz-esängniß werden mSgesammt ausgerechnet. Zählt man aber die Strafen wegen Verstößen gegen tz 153 der Gewerbeordnung zusammen, so ergeben sich inSgesammt sieben Jabre Gefängniß. Und sieht man dazu die Posten im Einzelnen durch, so ergiebt sich weiter, daß mehr als die Hälsie davon wegen Bedrohung, Beleidigung und Miß handlung von „Streikbrechern" und wegen Körperverletzung Arbeitswilliger erfolgt und. Unter diesen Umitänben heißt es den Wald vor Bäumen nicht sehen, wenn man die Gefährdung deS CoalitionSrechtes in capitalistischen Verhältnissen der Großindustrie suchen will. Gefährdet, ja thatiächlich aufgehoben wird das Coalitionsrecht, daS den Arbeitern ein unentbehrliches Recht ist, in erster Linie durch die Partei, welche die Arbeiter sache zu führen vorgiebt, in der Tvat aber die Ar beiterschaft um ihr wichtigstes wirthschaftliches Recht bringt. AuS der Gewerbeordnung und der Rechtsprechung über § 152 ergiebt sich zweifellos, daß die Coalition nur dem Zwecke der Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen dienen darf, daß aber die Gewerbe ordnung und die darin gewährten Berechtigungen aufhören und die Beschränkungen der particularen Vereins gesetze eintreten, sobald die Vereinigung einen politischen Charakter annimmt, sei es auch nur durch die Wahl der Mittel zu dem in H 152 erlaubten Zwecke. RecbtSgelehrte aber bat die Sociaidemokralie doch wahrlich genug unter ihrer Führerschaft, um dies nicht nur sich, sondern auch den Arbeitern zu sagen, wenn sie den gesetzlichen Weg verlassen FerrrHstsn. Aus dem Leben der deutschen Kriegsmarine. Von H. von Niessen, Tapitainlieutenant a. D. Nachdruck vrrboteir. I. Ans dem L-rpedoboot. „Torpedoboot!" — Ist dieses Wort nicht Jedem mit dem Begriff des Heimlichen und Unheimlichen zugleich verknüpft? Demjenigen, der diese Kriegsfahrzeuge selber einmal auf ihrem Element in der Fahrt gesehen hat, fast noch mehr, als der Landratte, welcher noch nie die Seebrise um die Nase pfiff oder fächelte. Man denkt unwillkürlich an ein in die Luft fliegendes Schiff, an Nacht und Nebel, an Kampf aus Leben und Tod. — Betrachten wir unS also diese interessan ten, mit dem Nimbus der Gefahr umgebenen Boote einmal näher! Da liegen sie im Torpedobootshafen in langen Reihen. Schwarz wie die Nacht sehen sie aus! Wohin man auch das Auge wendet, nirgends wird man — außer den rothen Rettungsbojen — einer anderen Farbe begegnen und un heimlich ist ihr Anblick dadurch schon in der That. Nur am Heck flattert die Kriegsflagge in auffallend abstechendem Weiß, am Topp des Mastes der weiße Wimpel lustig im Winde, sprechende Anzeichen dafür, daß auf den den Tod bringenden, aber auch dem Lode' geweihten Fahrzeugen Leben pulsirt. Dieses zieht indessen erst mit der Indienststellung ein! Ist diese angeordnet, so versammelt sich die commandirte Besatzung — ein Officier als Commandant, ein Maschinist oder Feuermeister, zwei Unterofficiere deS seemännischen, zwei solche deS Maschinenpersonals, sechs Matrosen und vier Heizer, im Ganzen 16 Personen — auf der Werft, wo daS Boot dicht bei seiner „Kammer" liegt, in der siimmtlicheS Zubehör bi- auf das kleinste Stück sorgfältig in Stand ge halten und aufbewahrt wird. Nvn erst beginnt der richtige Dienst, um das Fahrzeug zu dem zu machen, was ei sein soll, einem schneidigen, nie versagenden Werkzeug in der Hand seines Eommandanten. Dieser^ meist in jungen Jahren als Lieutenant zur See zum Führen deS Torpedobootes berufen, hat erklärlicherweise eine ganz gewaltige Berantwortung damit übernommen. Er sowohn als die Besatzung haben bereits früher auf den Schul-Torpedobooten eine genaue Ausbildung für diesen Dienstzt?tia erhalten, sind darin also schon bewandert. Na türlich müffen, die Rollen (Exercitien für besondere Zwecke) aber wied'si »ingrllbt werden, um die richtige Gelenkigkeit und FixigW hineinzubringen! Die« geschieht theil» bei stillliegendeiRBoot, theils während der Einzelfahrten des selben, bei deMi gleichzeitig auch der Commandant Gelegen heit findet, da^ihm anvertraut« Fahrzeug kennen zu lernen, da jedes einzelne — bei sonstiger Homogenität — seine Sonderheiten hat und die neugelieferten natürlich manche Abweichungen aufweisen. Sitzen die Rollen fest, so folgt eine Torpedoschieß übung. Nach festem und von anderen Torpedobooten ge schlepptem Ziel, in verschiedenen Gangarten dex Maschine, im Drehen u. s. w. werden die Schüsse abgegeben. Das Boot saust hierhin und dorthin, nimmt die verschollenen Torpedos, die in Friedenszeiten von selbst an die Ober fläche kommen und von Dampfbeibooten eingefangen werden, wieder über, um sich nach Auffüllung der com- primirten Lust, d. h. der treibenden Kraft, neuerdings zu verfeuern. Ist Alles glatt verlaufen, so kann der vielgeplagte Com- fiübungen. Mandant beruhigt aufathmen, denn es geht nicht immer ohne Zwischenfälle ab. Da empfiehlt sich ein Torpedo, brennt durch und rennt ein passirendes Boot oder Schiff an, das in Helle Verzweiflung geräth, da es in die Luft zu fliegen meint, oder auch gar, in Folge des erhaltenen Lecks, untersinkt. Ein anderes Mal wieder zieht der Torpedo vor, in der Tiefe zu verschwinden und sich in den Grund einzuwühlen, sodaß man Stunden, ja Tage lang nach ihm suchen muß, wenn die Anderen sich der Ruhe hingeben. Inzwischen ist auch daS Fahren im Divisionsverbande eingeübt, da die Boote im Ernstfälle nie allein dampfen. Das größere V-Boot, welches das Flaggschiff der Division darstellt und Arzt, Ingenieur und Zahlmeister, sowie Er gänzungsstücke für die Boote an Bord hat, führt; letztere folgen, bald weitere Abstände haltend, bald so dicht aufge schlossen, daß man sich die Hand reichen kann und das Ganze als eine schwarze Masse erscheint. Alle möglichen Evolutionen werden eingeübt, Wen dungen, Formationsänderung u. dergl., Angriffe auf das al- Zielobject dienende größere Flottillenschiff in Ruhe und in Fahrt, bei Lage und bei Nacht werden ausgefllhrt, auch Recognoicirungen, daS Nehmen von Sperren und der Sprrngdienst nicht zu vergessen, kurz, es werden alle im Ernstfälle mög ichrn Vorkommnisse berücksichtigt. Am interessantesten, gefährlichsten und aufregendsten sind die Angriff-Übungen. Mit gelöschten Lichtern bezw. abgeblendeten Fenstern suchen die Divisionen den Feind auf, den sie am Tage, sich selber versteckt am Horizont haltend, an seinen Masten ge sichtet haben. Ei ist dai keine leichte Aufgabe, da die an dere Partei stets auf die Möglichkeit eines Torpedo-An griffes rechnet, nach Eintritt der Dunkelheit starke CurS- veränderungen vornimmt, um dieT orpedoboote irrezuführen, oder sich unter hohem Land verankert, damit dieses al- schwerer Hintergrund die davorliegenden Schiffe unsichtbar macht. Da heißt es aufpassen und suchen. Häufig fahren die Torpedoboote erst einmal an den feindlichen Schiffen vorbei, ihr geringer Tiefgang gestattet ihnen aber näher an die Küste heranzugehen und sie finden dai Gesuchte fast immer. Ist der Liegeplatz festgestellt, so werden weitab hohe Feuer gemacht, damit beim Angriff selbst der starke Rauch nicht zum Verräther wird; die Divisionen vertheilen sich und zu einem vereinbarten Zeitpunct preschen sie von allen Seiten heran, die schwarzen Ungethüme. So einfach ist die Sache aber nicht, der Feind ist auch nicht müßig. Er legt Wachtboote und Sperren aus, in denen sich die Torpedoboote mit ihren Schrauben verwickeln sollen. Äufsteigende, Tageshelle verbreitende Leuchtraketen künden das Nahen des gefährlichen Gegners an und sofort richten sich die gewaltigenelektrischenScheinwerferderSchiffe nach dem betreffenden Punct, um an dem gefürchteten An greifer haften zu bleiben. Ein rasendes Feuer aus Schnell- ladegeschützen und Maxim-Gewehren beginnt, in ununter brochener Folge sieht man die Schüsse aufleuchten, den Pul verdampf in dichten Schwaden windabwärts ziehen, bald röthlich-braun, wo er vor den Scheinwerferstrahlen empor steigt bald gelblich-weiß, wo diese auf ihn treffen. Der Lärm ist höllenmäßig! Wie feuerspeiende Berge liegen die Schiffe da, wohl bewußt, daß sie dem Untergange geweiht sind, wenn es ihnen nicht gelingt, die schwarzen Teufel, vor ihrem Herankommen auf wirksame Torpedoschußdistanz, zusammenzufeuern. Mitten hinein in den Trubel jagen andererseits die Boote, was sie nur laufen können. Hier ist ihr RhoduS, hier sollen sie zeigen, was sie vermögen, und sie setzen Alles auf den einen Wurf! Eines oder das Andere wird doch herantommen. Die Sperren werden meist glatt genommen, halten also wenig auf. Im Lichte der Scheinwerfer, in den Pulverblitzen der Schüsse erkennt man die Umrisse der Schiffe, wählt das nächste beste und ist auch schon im näch sten Augenblick nahe genug heran, um den Torpedo lan- ciren zu können. So dicht heran wie möglich ist die Loosung! Die Ohren gellen Einem von den Schüssen, die Scheinwerfer blenden und täuschen in der Entfernung, — da dicht nebenan rast ein anderes Boot vorüber! — Ein falsches Commando und der Zusammenstoß wird ent setzlich. — Rasch wie sie gekommen, sind die Boote auch wieder verschwunden und es ist recht gut, daß ein solcher Angriff nicht längere Zeit dauert, daS könnte Keiner aushalten, diese Anspannung der Nerven aufs Aeußerste, diese Auf regung, obwohl es nur Manöver ist. Ja, man muß das ein mal gesehen haben, um begreifen zu können, daß solche fort gesetzten Angriffe, abwechselnd von frischen Torpedoboots- Divisionen durchgefiihrt, ein Geschwader in kurzer Frist mürbe machen werden!... Die Gefahr liegt bei solchen Uebungen natürlich gänz lich auf Seiten der Torpedoboote. Ja, es ist ein schwerer Dienst auf diesen! Schwer nicht allein der geradezu beispiellosen Aufmerksamkeit und Geistes gegenwart wegen, die man fortdauernd beobachten und be- thätigen muß, wenn nicht Boot und Mannschaft dem Unter gänge anheimfallen sollen, — mehr noch des beschränkten Raumes halber, des steten Ausgesetztseins den Unbilden der Witterung gegenüber. Genügt doch schon ein wenig See gang von vorn, um daS Boot alle Augenblicke in einer Spritz- und Schaumwolke verschwinden zu lassen! Wie häufig steht der Commandant vorne am Thurm bis zu den Hüften, ja bis an den Hals in überkommendem Wasser wenn das Boot mit seiner rasenden Fahrt nicht Zeit findet, von den Wellen regelrecht gehoben zu werden, sondern diese glatt durchschneidet! Und doch heißt es aushalten, Stun den lang. — Taue müssen über Decke gespannt, die an Deck befindlichen Leute festgebunden werden, damit sie nicht in Sturm und Graus über Bord spülen. Noch schlimmer ist eS im Winter, wenn jeder über kommende Tropfen — und ihrer sind Million — sofort zu EiS friert, das ganze Boot buchstäblich als Eisklumpen in den Hafen zurllckkehrt. Im Nebel ist es ebenfalls nichts weniger als schön zu fahren. Zwar ist der Seegang dabei in der Regel nicht hoch, dafür dringt die Feuchtigkeit aber überall durch; zwar sind die Angriffschancen die günstigsten, dafür ist es aber auch um so schwerer, den Feind aufzufinden und man hat vollauf zu thun, um in der Division zusammenzubleiben, um selbst unbeschädigt aus dem Nebel, dem schlimmsten Feinde aller Seeleute, herauszukommen. Es ist erklärlich, daß auf die Verpflegung des Personals, damit es diese Strapazen ertragen kann, besonderer Werth gelegt werden muß. So erhält jeder Mann pro Tag eine Mark besonders und der als Koch ausgebildete Matrose schmürgelt, bratet und schmort in seiner engen Kambüse ein Essen zurecht, daS ja nach Landbegriffen nicht als Diner gelten kann, dafür aber jedenfalls besser bekommt und sehr schmackhaft ist. Der Commandant, der eine eigene pantr^ (Borraths kammer) hat, verpflegt sich selbst und erhält pro Tag neun Mark außer seinem Gehalt. Seine Cajüte ist an Bord sehr nett eingerichtet und geräumig genug. Das eine der beiden Sophas wird Nachts in ein Bett verwandelt, während ein eigener Waschraum für die weitere Bequemlichkeit sorgt, die Mannschaft schläft in Hängematten. — So ist der Aufenthalt im Hafen ganz gemüthlich. Auf See macht das Fahrzeug aber stets derartige Bewegungen, daß man bei längeren Touren bald genug davon hat, und wer auf Tor pedobooten nicht seekrank wird, der wird es sonst nie und nimmer. Ist daS Leben und der Dienst an Bord solcher Fahr zeuge auch hart, so begrüßt doch Jeder gern wieder ein solches Commando. Es ist auch schön, wie ein Pfeil dahin zusausen durch die blaugrünen Fluthen, unter sich ein tadel loses Boot, daS wie ein stolzes Pferd der Hand seines Lenkers spielend folgt, über sich den blauen Himmel und in sich selbst dai Bewußtsein, einen verantwortungsvollen Posten -u bekleiden, etwa- zu leisten.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite