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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971006024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897100602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897100602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-06
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Elrötzere Schriften laut unserem PreiS- »rrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsax nach höherem Tarif. Extrabeilage» (gesalzt), nur mit de» Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderunz 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. —-o.»o.— Tlnnahmeschlnß für Anzeigen: Ab end»Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Piorge n»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreise» find stet» an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig, Mittwoch den k. October 1897. S1. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 0. October. Die Ansprache, in der auf der letzten Hauptversammlung deS Gustav-Adolf-VereinS am 29. September Präsident Barkhausen im Namen des preussische«! evangelischen LbcrkirchcnrathS die Ausfälle des bekannten päpstlichen CanisiuSrnndschrcibenS zurückwies, liegt jetzt im Wortlaute vor. Präsident Barkhausen sagte u. A.: Kraftvoll zusammenstehend in dieser Gemeinschast deS Gebets und der bauenden Arbeit, lassen wir es uns nicht ansechten, wenn trotz des drängenden Ernstes der Zeit die Augen auch unserer evangelischen Glaubensgenossen noch nicht allentbalben für die Nothwendigkeit und den Segen Ihrer Arbeit erschlossen sind und die gute Sache der Gnstav-Adolf-Vereine noch immer nicht olle Hindernisse überwunden hat, die als rin Rest trüber Zeiten dem ge rneinsamen Handel» der evangelischen Kirchen lähmend gegenüber stehen. Noch weniger kann es uns ansechten, «venu trans alpinisch irrende Unfehlbarkeit, wie wir es noch vor Kurzem erleben mußten, ex catkoära schwere Schinähnngcn gegen unsere theure evangelische Kirche und insbesondere gegen den Helden der Reformation schleudert, dessen Werk mit Nichte» rin Gift, sondern das scharfe Salz gewesen ist, welches weit über die Grenzen der evangelischen Kirche hinaus seine heilsame Wirkung geäußert hat. Es darf uns auch nicht ansechten, wenn fanatische An maßung sich erfrecht, den königlichen Schirmherr» der evangelischen Kirche zu verunglimpfen, weil er für das evangelische Märtyererthum einer glaubenstreuen protestantischen Stadt Worte ehrender Anerkennung gesprochen. Bewahren wir all diesen An griffen gegenüber den vertrauenden Muth evangelischer Glaubens- gcwißheit, halten wir mit Mannhaftigkeit fest an der Fahne, welche Luther und seine Mitreformatoren im Glaubcnskampse uns voran getragen. Die Fahne, sie ist mit «lichten eine Fahne des Aufruhrs, sie ist das Banner der Gerechtigkeit, welche allein durch die im Glauben ergriffene göttliche Gnade gewirkt wird, deren Botschaft, wie sie vor Jahrhunderten die Welt von den Banden schweren JrrthumS befreit hat,' auch jetzt noch allein den geängsteten Gewissen der durch Sünde bedrückten Menschheit die Gewißheit der Sündenvergebung und die Hoffnung ewiger Seligkeit schafft. Und je hochmüthiger und streitsüchtiger die Rückkehr unter die M e n j ch e n k n e ch t s ch a f t der Gewissen, an der schon mehr als ein edles Bolk zu Grunde ging, auch in diesen Tagen wieder als daS Heilmittel stur alle Schäden des Völkrlebcns angepriesen worden ist, um so gewisser sei die ruhige Festigkeit unseres Bekenntnisses, daß im Evangelium und nur im Evangelium der Jungbrunnen quillt, der unserem deutschen Volke seine Gesundheit, sein Heil und seine Zu- kunst verbürgt. Der Herr aber helfe, daß der hoffnungsfreudige Geist, in dein Sie bereits über ein halbes Jahrhundert Ihre Kraft für die Mehrung seines Reiches auf Erden und für die Vereinigung der Christenheit aus Erden in evangelischer LiebeSgemeinschaft «in- gesetzt haben, sortlebe und fortwirke bis in die fernsten Zeilen und Laß es lauter tausendstimmig hinanSschalle in alle Welt: „Ein' feste Burg ist unser Gott! Das Reich muß uns doch bleiben!" Vergleicht man diese Abwehr mit dem päpstlichen Angriffe, in dem behauptet wurde, Luther habe die Fahne des Aufruhrs erhoben, mit dem Beginn der Reformation sei FeiriHetsn. Götzendienst. 26s Roman in zwei Theilen von Woldemar Urban. Nachdruck «erboten. Der Hofmarschall wie auch die alte Baronin machten etwas verdutzte Gesichter. Herr de Melida hatte eine ge wisse freie und ruhige Art, die den engherzigen, politisch und gesellschaftlich eingerosteten Begriffen imponirte. Ein Secretair zumal, der in dieser Weise über so namhafte Be trage verfügte, das war ihrer Ansicht nach kein Secretair mehr, das tonnte nur ein Minister. Gleichwohl wollte sich ore Baronin nicht den Anschein geben, als unterwerfe sie sich dem imponirenden Eindruck, und sie erwiderte deshalb, ihre Worte etwas schärfer noch betonend: „Ich setze gewiß kein Mißtraue«, in Ihre Worte, Herr de Melida, und bin überzeugt, daß Sie persönlich kein Vor wurf trifft. Gleichwohl möchte ich Ihnen in dieser Be ziehung eine Remedur dringend anempfehlen und Ihnen anheilngeben, zu bedenken, ob Sie einen Secretair weiter beschäftigen können, der Ihnen solch' häßliche Mißverständ nisse bereitet." »Ja, ja, er wird wohl springen müssen, wohl springen müssen", näselte zustimmend der Hofmarschall. Paran dachte nun wohl Herr de Melida nicht im Ent ferntesten. Sich einigen alten Hofschranzen zu Liebe von einery Mann zu trennen, den er in einem langen, gefahren- »ino Klippenreichen Leben als unwandelbar treu und an hänglich erkannt hatte, der sich unter Tausenden, unter Millionen durch seltene Pflichttreue und Uneigennützigkeit ouszerchnete — das fiel ihm gar nicht ein. Aber Don GracicH dachte daran, was diese Beiden und ähnliche Leute wohl sUgrn würden, wenn sie erführen, daß sein eigener Vater Wegen noch ganz anderer Verdächtigungen aus der Heimaty^t vertrieben worden war, und wenn sie gewußt hätten, solche Verwandtschaft er außerdem noch hier besaß. Es schienUhm, als habe man in Deutschland die lange, lange Zei.Rnoch herzlich wenig gelernt. Da waren noch dieselben engherzigen, beschränkten und kleinlichen Verhält der Sittenverd erbniß Thür und Thor geöffnet worden I und mit der Verkündigung der evangelischen Lebre habe sich I ein unheilvolles Gift durch alle deulschen Länder ver breitet, so muß «na«, bei größter Objektivität zu dem Schlüsse kommen, daß die Abwehr zwar an Schärfe und Entschiedenheit nicktS zu wünschen übrig läßt, aber nicht nur in der Be gründung, sonder«, auch in der Form dem päpstliche«, An griffe weit überlegen ist und daS religiöse Empfinden ter Katholiken möglichst schont, jedenfalls ungleich mehr, als daS päpstliche Rundschreiben die Empfindungen der Evangelischen. Gleichwohl giebt dir ultramontane Presse ihre „Entrüstung" über die Abwehr Barkhauscu'S kund, sucht sie zu unmotivirten gehässigen und verhetzenden Angriffen zu stempeln und redet sogar von „Ungezogenheiten". Nun ist es ja längst bekannt, daß die ultramontane Presse den Protestanten die Nolle von stummen Hunden znwcisen möchte, die in deinntbigem Schweigen jede päpstliche Schmähung als gerechtes Urtheil ans unfehlbarem Munde hinnehmen müssen. Aber in diesem Falle ist der überschäumende und vcrräthcrische Eifer der klerikalen Presse auS dem Wortlaute der ihr mißfälligen Rede allein um so weniger zu erklären, als vorher in weit feierlicherer und schärferer Form das großherzoglich hessische Ober- consistorium und die bayerische Generalsynode aus das päpstliche Rundschreiben erwidert haben. Somit liegt die Annahme nahe, daß es weniger die Rede selbst, als die begleitenden Umstände waren, welche das Mißfallen deS KlerikaliSmuS erweckten. Sichtlich ist zunächst im klerikalen Laaer eine wunde Stelle dadurch berührt worden, daß die Rede eben auf der Hauptversammlung deü Gustav-Adolf-VercinS gehalten wurde. Denn dieser Verein hat sich insbesondere der Sache des evangelischen Deutschthums im Osten angenommen,während die katho lischen Deutschen im Osten religiös ausschließlich auf sich selbst angewiesen sind und stets gewärtig sein müssen, daß ihnen das sogenannte katholische und deutsche Eentrnm beim Widerstande gegen die PolonisirungSversucbe der Pröpste in den Nucken fällt. Demgegenüber sehen sic tagaus tagein, wie der evangelische Deutsche in der nationalen Diaspora durch den Guslav-Adolf-Verein nicht nur kirchlich, sondern auch national gestärkt wird. Ein besonders feines Gefühl haben dafür die deutschen Ansiedler in, Osten , - die aus dem katholischen Westen herüber gekommen sind, dort früher für daS Centruin gestimmt haben und sich, wie sie selbst sagen, „sehr darüber wundern, daß evangelische Abgeordnete aus den« Osten besser um ihre religiösen Ansprüche und Anrechte Bescheid wissen, als Herr Dr. Bachem und seine politischen Freunde." Dieser Gegensatz, der den Klerikalismus vor dem deutsche«, Volke in so beschämender Gestalt zeigt, das ist der innere Grund des Aergers, der nun die Rede deS Präsidenten des preußischen OberkirchenratbeS zum Anlaß nimmt, um sich Lufl zu machen. Sodann aber kommt noch ein Zweites in Be tracht. Auö Anlaß jener Rede sandte die Versammlung ein Huldigungötelegramin an den Kaiser und dieses Telegramm knüpfte an den Schlußsatz der Urkunde an, die bei der Ein weihung der Wittenberger Schloßkirche von allen evangelischen Fürsten unterzeichnet wurde. Und riese „vertrauten darin allen evangelischen Unterthanen, daß sie- treu festhalten an dem gesegneten Werke der Reformation". Und diese Er innerung verträgt sich nun einmal nicht mit Rodo- montaven, wie die, daß die Schlacht gegen den Protestantismus auf dem märkischen Sande bereits geschlagen sei. Unter diesen Umständen wird es nicht nur die Theilnehmer an nisse, denen schon sein Vater zum Opfer gefallen war, und genau dieselben Menschen wie damals. Gott sei Dank, noch wußte Niemand von seinem Geheimniß als Graf Victor und seine Mutter. Des Ersteren war er ja unbedingt sicher und mit der Letzteren wollte er reden, sobald als möglich. Während Don Gracias «nit solchen Gedanken beschäftigt war, schnarrte die alte Baronin unaufhaltsam wie eine auf gezogene Uhr ihre Wünsche herunter, die sie bezüglich der weiteren Wohlthätigkeiten des Herrn de Melida hatte, denn sie wollte nicht nur darüber zu Gericht sitzen, wem Don Gracias nichts zu geben, sondern auch wen er zu berücksich tigen habe. „ Und dann unseren christlichen Nähverein nicht zu vergessen", fuhr sie fort, „er wirkt ungeheuer segensreich, wie immer man auch im feindlichen Lager darüber urtheilen mag. Wir unterstützen allerdings nur die Kinder würdiger Armen, d. h. von Armen, die uns würdig erscheinen, und lassen uns dabei durchaus nicht irre machen. Nur ganz einwandsfreie Leute bekommen etwas und Sie dürfen sicher sein, daß Ihre Zuwendungen die denkbar beste Verwendung finden, Herr de Melida." Don Gracias hatte nun gerade nicht das Gefühl, als ob eine Barmherzigkeit, die von der Baronin Lüders geleitet wurde, eine unfehlbar segenspendende sei; aber er antwortete doch, nur um die alte Person zu befriedigen und wieder los zu werden: „Ich werde mit Herrn Delorme darüber reden, gnädige Frau Baronin, verlassen Sie sich darauf." Es wurde dem Herrn de Melida nicht allzuleicht, unge stört mit Gräfin zu Kreuz sprechen zu können. Ueberall standen kleine Gruppen, HK, lakßsam ihren Thee schlürfend, keinen anderen Zweck zu haben schienen, als den berühmten Weizenkönig persönlich kennen zu lernen, einige Worte mit ihm zu wechseln, von seinen Reichthümern, seinen unermeß- ichen Besitzungen zu hören, die man gern nach einer be stimmten Anzahl von Millionen bewerthet hätte. Auch das fand Herr de Melida charakteristisch, daß man in Deutsch- and den Besitz von Land nur nach seinen Einkünften und nach seinem summarischen Werthe schätzte, während man in den Verhältnissen, in denen er ausgewachsen war. vielmehr darauf das Hauptgewicht legte, daß die an die Erzielung des Ertrages gewandte Arbeit auch demjenigen zu Gute kam, jener Knndgebung, sondern auch alle Tbcile deS Volkes, welche den confessioiieUen Friede«« nicht gestört wissen wollen und den Wunsch haben, daß auch innerhalb der einzelnen Eon» fessionen sür das Deutschthum im Osten gcthai« wird, «ras gethan weiden kann, mit Freude erfüllen, daß der Kaiser daS Hultigungstelegranin« angenommen, indem er daö Witten berger Gelöbnis; erneute und der Thäligkeit deS Vereins die wohlverdiente Anerkennung zollte. Tie gestern mitgethcilte Behauptung der „Köln. Ztg.", daß die Aussichten für daö Einbringen der Militanstraf- proccstrcform beim Reichstage gleich nach seinen« Zusammen tritte sehr gering seien, glaubt die „Post" bestätigen zu können, aber sie bestreitet die weitere Behauptung deö rheinischen Blattes, baß über den materiellen Inhalt dieser Reform eine der Zusicherung deS Reichskanzlers vom 18. Mai 1896 entsprechende Verständigung erzielt sei und daß daS einzige bestehende Hinderniß noch in dem Festhalten Bayerns ai« seinem obersten Mi- litairgerichtshofe liege. Auch in weiteren Kreisen begegnen diese Behauptung der „Köln. Ztg." und die von ihr mitgetheiltcu Einzelheiten gerechten Zweifeln. Vor allen Dingen ist es ganz unwahrscheinlich, daß eine Aeußerung des Kaisers den Anlaß gegeben habe, die Frage zu erörtern, ob Bayern auf Grund seines Reservat rechts Anspruch auf die Beibehaltung seines eigenen obersten Militairgerichtshofes habe. Daß dieser Anspruch nicht be gründet wäre, geht so sonnenklar aus der Reichsverfassung hervor, daß Münchner Negiernngskreise sich kaum einer NechtSbelebrung in diesem Puncte ausgesetzt haben «vcrden. Auch in der Presse ist die Geltendmachung deS Rcservatrcchts, kaum erfolgt, auch schon kurz abgethan worden. Man bat sich hier daraus beschränkt, die politische Zulässigkeit oder gar Zweckmäßigkeit einer Majvrisirung Bayerns in dieser Angelegenheit zu bestreiten. WaS die „Köln. Ztg." über die Stellung des Kaisers zu dieser Frage berichtet, kliugt erst recht unglaublich. Bekanntlich soll sich, diesem Blatte zufolge, der Kaiser in der sch»«« er ¬ wähnten privaten Auslassung, die gleichwohl dem Prinz- Regenten Luitpold zu Obreu gekommen sei, gegen die Majvrisirung geäußert haben, und nun scheine das ReichS- obekhaupt eben wegen dieser MeinungS- oder Willens kundgebung sich sür gebunden zu halten. Objectiv würde dies nicht zu verstehen sein. Die persönliche Bemerkung eines Monarchen kann diesen unmöglich verpflichten, einen mit ihr nicht harinonirenden, politisch gebotenen Schritt zu unterlassen oder einen nicht empfehlenS- werthen, der Aeußerung entsprechenden zu thun. Diese Auffassung widerstreitet jeder StaatSraison. Aber auch nach der snbjectiven Richtung sind wir überzeugt, baß der „Köln. Ztg." eine falsche Vermutbung hinterbracht worden ist. Nicht weil er sich gegen die Majvrisirung Bayerns ge äußert, sondern weil sie ihm nach wie vor nicht politisch erscheint, will ber Kaiser nicht zu dieser Maßregel gegriffen wissen, eine Auffassung, in der sich Wohl die Bundesfürsten mit dem Reichsoberhaupte begegnen. Der Stand dieser Frage dürfte geklärt sein. Daß aber an ihr,wenn sie wirk lich, wie die „Köln. Zeitung" versichert, daS einzige noch bestehende Hinderniß bildet, die Militairstrafprcccß- reforn« scheitern müßte» ist nicht einzuseheu. Mit der Beibehaltung deS obersten bayerischen Militairgerichtshofes als einein zwar nicht gern bezahlten, aber auch nicht national der sie leistete. Auf allen seinen Besitzungen herrschte daher das System, daß seine Arbeiter und Beamten eine Tantieme vom Ertrage erhielten. Dadurch betheiligte er Alle am Nutzen und interessirte sie auch gleichzeitig am Gedeihen der Ernten, was wieder nicht nur zu seinem eigenen Vortheil ausschlug, sondern auch die Bewirthschaftung seiner Be sitzungen auf die höchstmögliche Stufe der Entwicklung hob. Erst sehr spät am Abend war es möglich, mit Gräfin Margarethe allein und ungestört zu reden. Die Neugier war gestillt und die meisten der Donnerstagsgäste hatten bereits das Schloß wieder verlassen. Don Gracias saß mit seiner gastfreundlichen Wirthin allein in einem kleinen Salon, wohin sie ihn entboten hatte, um ihm die gewünschte Gelegenheit zur Aussprache zu geben. „Bitte, Herr de Melida", lud ihn Gräfin Margarethe ein, „nehmen Sie Platz. Sie haben den Wunsch erkennen lassen, mich allein zu sprechen. Ich bin zu Ihrer Ver fügung." „Ich danke Ihnen, Frau Gräfin, und so sehr es mir auch erwünscht und interessant gewesen ist, die hier maßgebende Gesellschaft kennen zu lernen, so muß ich doch meinen Dank aussprechen dafür, daß Sie mich in dieser Weise begünstigt haben. Ich fühle wirklich das Bedürfniß, klar und rein zu sehen, und das kann ich nur, wenn Sie mir mittheilen — unter uns, unter vier Augen — wie weit Ihr Herr Sohn Ihnen Mittheilung gemacht über meine weiteren Verbin dungen, hier in der Stadt, in der ich durchaus nicht der „Fremde" bin, für den mich alle Welt ansieht." „Ich weiß, ich weiß, Herr de Melida; Ihr Herr Vater stammt aus Heblingen. Victor hat mich schriftlich und mündlich darüber in Kenntniß gesetzt." „Ich habe das im Voraus annehmen müssen und bin deswegen zu Ihnen gekommen. Sie werden begreifen, Frau Gräfin, daß ich mir bezüglich meiner — sozusagen Verwandtschaft hier am Orte eine gewisse Reserve aufer- legen muß —" „Ich halte das für selbstverständlich, Herr de Melida, daß man sich der Frau Baronin Lüders und ähnlichen Leuten gegenüber hütet, von diesen Dingen zu sprechen." „Das scheint auch mir selbstverständlich, so leid es mir um meiner armen Verwandten willen auch thut, wenn ich ihnen vorläufig nicht das sein kann, was ich sein möchte. ««««erschwinglichen Preise für die endliche Durchführung eine« seit dreißig Jahren angestrebten dringlichen Verbesserung haben sich selbst die naticnalliberalen Blätter auSgcsöhnl, die Presse der Partei also, die Jahrzehnte hindurch «nit Unrecht für „unitarisch" galt, aber auch heute noch «nit vollen« Rechte als die eifersüchtigste Wächterin über die für die Entwickelung deS Reiches nothwendige Gemeinsamkeit der öffentlichen Einrichtungen angesehen wird. Glaubte nran in Berlin über daS hinauSgehcn zu müssen, WaS die national liberale Partei für reichspolitisch unentbehrlich erklärt, so würde man sich damit nicht mehr in« Einklang mit der bis her festgehaltcnen Stellung Preußens zu Fragen der Erweiterung der Reichscompetenz befinden. Alle seit 1871 geschaffenen, den Inhalt der Versailler Verträge aus dehnenden Gesetze weisen nicht auf die Initiative Preußens, auch nicht auf die der „Reichsregierung", geschweige denn die deö Kaisers zurück, sie sind vielmehr von dem unter national liberaler Führung befindlichen Reichstag angeregt worden. Eine Ausnahme «nackt nur die lediglich finanzielle Bedeutung beanspruchende Beseitigung des bayerischen NeservatrechtS in der Branntwcinbesteuerung; dieser Verzicht aber ist, wem« nicht von Bayern direkt angeboten, so doch vo«« dein süd deutschen Königreiche keinen Augenblick beanstandet worden. Man könnte und sollte auch diesmal voll dem Anspruch auf einen äußerlichen Machtzuwachs fin den Träger der Kaiserkrone nm so eher absehen, als die endliche Durchführung der längst in Aussicht ge stellten und neuerdings förmlich zngesagten Verbesserung des Strafverfahrens in« deutschen Heere den Reichs gedanken so sehr festigen würde, daß im Vergleich zu diesem morali s ch e n Kraftzuwachs die Uebertragung einer oberstrichterlichcn Competenz als eine Kleinigkeit er schiene. DaS ist so gewiß und so klar zu Tage liegend, daß der Verdacht nicht abzuweiseu ist, die Frage der Beseitigung des bayerischen obersten Militairgerichtshofes sei von der militairischcn Gruppe, die die Oeffentlichkeit des Verfahrens nicht will, dem ganze«« Reformnnternehmen als ein Hinderniß in den Weg gerollt worden. Daß eine solche Gruppe existirr und-zeitweilig starken Einfluß übt, ist u. A. durch-aS Schicksal des Krisgsministers Brvnsart v. Schellendorff deutlich genug gezeigt worden. In Oesterreich scheinen zwei sonst verfeindete Parteien geneigt zu sein, die Einrichtung der Ehrengerichte in das parlamentarische Leben einzuführen. DaS Duell des Grafen Badeni hat dem klerikalen Abgeordneten Abt Treuenfels die Anregung gegeben, einen Antrag auf Einführung parla mentarischer Ehrengerichte einzubringen. Ans welchem Grunde gerade in diesem Falle die Klerikalen für eine solche Einrichtung eingenommen sind, liegt auf der Hand. Aber auch die liberale „Neue Freie Presse" stimmt dem Gedanken zu, ja sic ist sogar für seine Erweiterung nach zwei Richtungen. Der Abt Treuenfels will nämlick nur die Ehrverletzung gegen Solche, die im Parlamente tbätig sind, also gegen Abgeordnete und Mitglieder der Regierung vor daS Ehrengericht gezogen wissen, während daS liberale Blatt die Ehrverletzung auch gegen außerhalb des Parlamentes stehende Personen verfolgt wissen will. Die „Nene Freie Presse" will ferner auch die Machtbcfugniß des Ehrengerichts dahin ausdehnen, daß es gegen Abgeordnete, die sich vergangen haben, auch die zeitweilige Ausschließung aus den« Parlamente verhängen kann. Man erinnert sich, daß als vor einigen Jahren in Deutschland daran gedacht wurde, die Damit Sie aber nicht glauben, ich sei eitel und jage aus Ehrgeiz hohlen Formen nach, möchte ich Ihnen einige Mit theilungen über — sagen wir über das Testament meines Vaters machen Sie werden dann meine durchaus wackeren Zwecke und Ziele begreifen, wo Sie vielleicht jetzt nur einen nicht ganz verständlichen Drang nach hoher und höchster Anerkennung sehen." „O Herr de Melida, ich weiß Ihre Bestrebungen zu schätzen." „Sie werden es noch besser können, wenn Sie die Güte haben wollen, mich anzuhören." „Bitte!" „Sie werden auf Grund der heutigen Unterhaltungen und etwa auch auf Grund Ihrer Kenntniß der hiesigen Gesellschaft einräumen, ein wie fruchtbarer Boden in der kleinen Residenz für Mißverständnisse aller Art existirt, und sich nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, daß auch mein Vater ein Opfer solcher Mißverständnisse geworden ist. Mit Thränen im Auge, mit tiefem Kummer im Herzen hat mir mein Vater hundertmal betheuert, daß er unschuldig an dem ihm zur Last gelegten Verbrechen gewesen, daß er unschuldig verleumdet und verurtheilt, unschuldig aus der Heimath vertrieben worden ist und unschuldig die langen Jahre des Elendes und des Mangels ertragen hat." „Herr de Melida —" „Lassen Sie mich sprechen, Frau Gräfin. Ich komme nicht zurück, um Rache zu nehmen. Die Leute, die meinen Vater ins Elend gestoßen, sind todt; lassen wir sie ruhen. Ich komme, um die stattgehabten Vorgänge aufzuhellen, um das Andenken meines Vaters, der seine Heimath geliebt hat wie Irgendeiner, wieder herzustellen; ich komme zurück, um ein Gelübde zu erfüllen, das ich meinem Vater an sei nem Sterbelager — lieber Gott, ein Lager aus Stroh und Lumpen, aus alter Zeltlemwand — gegeben habe. „Meine Familie kennt mich als einen Lumpen, einen Verbrecher, Gracias", sagte er mir, „der Steckbrief, der mich um die Heimath und den ehrlichen Namen brachte, ist die Sühne der Schuld Anderer, nicht meiner. Wenn Du kannst, stelle meinen guten Namen wieder her, laß den Steckbrief zurück nehmen, damit ich wenigstens im Grabe noch Ruhe finde."" Das waren warme, innige Töne, wie man sie von Don
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