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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971013019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897101301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897101301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-13
- Monat1897-10
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Die Verwandlung deS Wahlgesetzes von 1868 mit seinem nahezu allgemeinen und gleichen Wahlrecht in ein solches mit Abstufungen der Wähler nach drei VermögenSclassen war ein Act der Nothwehr gegen die immer mehr anschwellende social demokratische Bewegung, die bei gleich fortdauerndem Wachs- thum in absehbarer, nicht allzuferner Zeit der Socialbemokratie die Mehrheit in der Volkskammer gebracht, damit aber die politischen, wirtbsckaftlichen und finanziellen Zustände unseres Landes in die äußerste Verwirrung versetzt haben möchten, wie das die anderwärts (z. B. in Frankreich) mit solchen socialdemokratischen Majoritäten gemachten Erfahrungen selbst schon in einzelnen Gemeinden sattsam gezeigt haben. Man bat von gewissen Seiten, auch nicht socialdemokratischen, ein Verschwinden odrr selbst eine Verringerung der Zahl der socialdemokratischen Abgeordneten in der Volkskammer be denklich gefunden. Einmal, hat man gesagt, hätten die social demokratischen Abgeordneten doch bisweilen Mängel oder Mißstände in unserem öffentlichen Leben aufgedeckl und dadurch deren Abstellung erwirkt; für's Zweite sei die Socialdemokratie die beste, wenn nicht einzige Fürsprecherin des Arbeiterstandes in der Kammer. Prüfen wir unbefangen diese beiden Behauptungen. Es mag zuzugeben sein, daß in einzelnen aber doch nur sehr wenigen Fällen berichtigte Rügen wirklicher Mißstände von Seiten der Socialdemokraten stattgefunden und daß dieselben eine gute Wirkung gehabt haben. Allein in anderen und viel häufigeren Fällen haben die Abgeordneten dieser Partei ihr Vorrecht parlamentarischer Unverantwortlichkeit dazu miß braucht, unter dem Vorgeben, angebliche Mißstände zu be kämpfen, mit Entstellung und Fälschung der Thatsachen entweder einzelne Private oder ganze Berufsstände oder Behörden und Einrichtung des Staats zu schmähen und zu verleumden und dadurch Mißstimmung, wo nicht Erbitterung, Classen- haß und Mißtrauen gegen die Regierung in weiten Volkskreisen zu erregen. WaS den Schutz der Arbeiter durch die Socialbemokratie betrifft, so wird mit diesem Aushängeschilds viel Unfug ge trieben. Hat dock die Socialbemokratie sich geradezu als „Arbeiterpartei" proclamirtl Dazu hat sie gar kein Recht. Sie verleitet durch ihr Gerede von einem paradiesi schen ZukunflSstaate, an den sie selbst schon nicht mehr glaubt, den Arbeiter, sich Täuschungen binzugeben und darüber die Möglichkeit einer praktischen Verbesse rung keiner Lage und die allein sickeren Mittel dazu, Fleiß, Sparsamkeit, Ordnungsliebe, zu vernacklässigen und zu mißachten. Sie erregt seine Begehrlichkeit, macht ibn un zufrieden und dadurch unglücklick. Sie treibt ibn in aus sichtslose und durch kein wirkliches Bedürsniß begründete Aus stände hinein, um in ihrem Interesse „Kraftproben" zu macken, wobei dann im Falle eines glücklichen Aus gangs ihre Macht und ihr Ansehen, in den weit häufigeren Fällen deS Mißlingens die ihr günstige Erbitterung in Arbeiterkreisen wächst. Wenn wir fragen, WaS für eine wirkliche Verbesserung der Arbeiterzustände, für eine Erweiterung der Rechte und Freiheiten der Arbeiter oder für eine Zuwendung greifbarer materieller Bortbeile an dieselben die Socialbemokratie ge leistet bat, so ist sie eine Antwort auf diese Frage bisher schuldig geblieben. Und daS au- guten Gründen, weil eS mit solchen reellen Leistungen sehr wuibig auSsiebt. Die beiden wichtigsten Frei- beilSreckte der Arbeiter, das Coalitionsrecht und das Recht der Freizügigkeit, wurden neben noch manchen anderen Er leichterungen, z. B. dem Verbot einer Beschlagnahme des Lohnes, der Beseitigung polizeilicher Hindernisse gegen Ehe schließung der Arbeiter u. s. w. von den Regierungen und den Ordnungsparteien zu einer Zeit — im norddeutschen Reichstage von 1867 — den Arbeitern zugesprochen, wo von einem etwaigen Drucke der Socialdemokratie auf die parlamentarischen Körper schaften nicht entfernt die Rede sein konnte. Die großen social politischen Gesetze der 80er Jahre (Kranken-, Invaliden- und Altersversorgungsgesetz) sind ans der persönlichen Entschließung des arbeiterfreundlichen Kaiser« Wilhelm I. bervorgegangen. Die Socialdemokraten haben an dem Zustandekommen dieser Gesetze, welche Hunderte von Millionen Mark alljährlich den Arbeitern zuwenden, so wenig einen Antbeil, daß sie viel mehr im Reichstag« wte Ein Mann dagegen gestimmt haben. Die Anfänge der sog. „Arbeiiersckutzgesetzgebung" zur Ver hütung von Mißbräuchen in Bezug auf die Bedandlung der Arbeiter und die Verwendung der Arbeitskräfte (Verbot deS Trucksystems, Beschränkung der Kinderarbeit, Beaufsichtigung der Fabriken rc.) fallen in eine Zeit, wo man von einer Socialdemokratie überhaupt noch nichts wußte; die plan mäßige Arbeiiersckutzgesetzgebung des Jahres 189l aber entsprang der Initiative Kaiser Wilhelm's II., und die Socialdemokratie hat dabei nur das sehr zweifelhafte Ver dienst gehabt, durch übertriebene Forderungen der Sache des ArbeiterstandeS mehr zu schaden als zu nützen. Nach alledem dürfte in unserem Landtage (wo überdies die sociale Frage eine viel weniger wichtige Rolle spielt, als im Reichstage) auch nach dieser Seite hin die Thätigkeil einer besonder» socialistiscken Partei wohl enlbebrt werden können, wobei allerdings vorauSzusetzen, aber auch für bestimmt zu erwarten wäre, daß solchenfalls die Ordnungsparteien es um so entschiedener für ihre Pflicht an- seben wären, in beiden oben berührten Beziehungen — für die Abstellung wahrgenommener llebrlstände und für die Förderung der Interessen des ArbeiterstandeS — von sich auS das Nötbige zu thun. Ein großer Vortbeil wäre es, wenn nicht mehr durch maßlose und darum von vornberein aussichtslose Anträge, wie der auf Verleidung des Wahlrechts an die unreife Jugend von 20 bis 21 Jahren, oder der auf gänzliche Aufhebung (nicht Verbesserung) der Gesindeorvnung, und durch die daran sich knüpfenden unfruchtbaren Debatten die Arbeiten unseres Landtags unterbrochen und ungebührlich verlängert, dadurch aber namhafte Verluste an Zeit und Geld herbeigeführt würden. So viel zur Entkräftung der Einwürfe gegen das neue Wahlgesetz! Daß diese veränderte Sachlage übrigens nicht bloS diesem, sondern ebensosehr dem festen Zusammenhalten der Ordnungsparteien zuzuschreiben ist, das haben social demokratische Blätter offen ausgesprochen. Sie knüpfen daran die Hoffnung, daß dieses Cartell früher oder später (viel leicht schon bei den im nächsten Jabre bevorstehenden Reichstags- wählen) einen Bruch erleiden werde. Dies giebt mir Anlaß zu einer weiteren, auf das Cartell und seine Bedeutung bezüglichen Betrachtung, die aber einem zweiten Artikel Vorbehalten sein mag. Karl Biedermann. III. Parteitag der deutsch-socialen Resormpartei. n. (Schluß.) (Unberechtigter Nachdruck verboten.) 8. u. 8. Rordhause», 11. Oktober. In der heutigen zweiten Sitzung wurde die Debatte über die Arbeiterfrage zurückgestellt und der Bericht über „Die Thätigkeit der Antisemiten im Landtage" entgegengenommen. Von dem, wie üblich, am Er scheinen verhinderten Referenten Abg. Kühler-Langsdorf lagen hierzu Angaben über Hessen vor. Jenzen-Cottbns erstattet dann den Bericht der Cassenprüser, welche die Parteicasse in Ordnung fanden. Der nächste Punkt der Tagesordnung betraf die bevor stehenden Wahlen. Liebermann von Sonnenberg als Referent bestritt einleitend die Richtigkeit der in der Presse aufgetauchten Gerüchte über ein Engagement der Partei für ein allgemeines Cartell. Der Parteioorstanb halte vielmehr nach wie vor an dem Be schluß vom 4. April d. I. fest, laut welchem die Partei das allgemeine Cartell verwirft und nur in einzelnen Fällen und in einzelnen Wahlkreisen es den Parteigenossen überläßt, auf etwaige Cartellvorschläge ein zugeben. Tie Partei würde ihre Selbstständigkeit ausgeben, wenn sie auf einen allgemeinen Cartellrorjchlag einginge. Redner geht dann auf die verichiedrnen Cariellvorickläge des Näheren ein. Was zunächst das Cartell zwischen Industrie und Laudwirthschast anlange, io sei dies lediglich gevlant, um einerseits den Bund der Landwirthe zu zerschmettern und andererseits eine Verlängerung der Reicksbaukprivilegien herbeizufitbren. Tas von I)r. Friedrich Lange in Anregung gebrachte „Deutsch-Cartell' könne für die Partei ebenfalls nicht in Betracht kommen, da cs zu viel Selbstcntsagung verlange, eine Selbstentjagung, die saft dem voliuschen Selbstmord gleichkomme. Tas „Teuisch-Cartell" sei Praktisch unbrauchbar. Tas von den „Hamburger Nachrichten" in Anregung gebrachte Cartell der Bienen gegen die Drohnen würde Werth haben, wenn man die Juden als die Drohnen betrachte und das Cartell als einen Kampf des deutschen Voiksthums gegen das internationale Judenthum ausfasse. Gegen das in Sachsen von den Ordnungs parteien schon praktisch in Anwendung gebrachte Cartell wendet der Redner ein, daß die Grundzüge desselben zu reactiouair seien. Zwar schiebe das Cartell den Namen Bismarck's vor, doch sei Bismarck offenbar falsch unterrichtet (!) über die letzten Ziele des Carteils, sonst würde er seinen Namen nicht Lazu hergegeben haben. Im Weiteren kennzeichnet der Redner die Stellung der Partei zu Len bet den Wahlen in Betracht kommenden Parteien. Mit den Con- servativen sei in einzelnen Fällen ein Zusammengehen möglich. Dagegen erscheine ein Bündniß mit Len Nationalliberalen in jedem Falle ausgeschlossen. Es müsse vielmehr Ladin gestrebt werden, die nationalliberale Fraktion im Reichstage vollständig aufzureiben; nur dann könne an Las Auskommen einer nationalen Partei zu denken sem. Freisinn und Social demokratie seien als Judenparieien gleichmäßig zu bekämpfen. Ebenso müsse sich der Kampf gegen die National-Socialen Nau» mann's richten, so lange diese Partei Juden ihre Unterstützung leihe. Wohl aber sei ein Zusammengehen mit Len Cyr>jilich- Socialen zu empfehlen. In scharfer Weise wendet sich der Redner dann gegen den Bund der Landwirthe, Lessen Wahltaktik auf eine Unterstützung der Conjcrvativcn und Benachtheiligung der Antisemiten hinauslauie. Acndcre der Bund srineTaktik nicht, so werde man zur Bildung von Bauernbünden übergehen, La die Leutsch-jociale Reform partei zuerst, lange vor dem Bunde der Landwirthe, die Interessen der deutschen Laudwirkhschaf: wadrgeuouimen habe und sie auch heute noch aufs Nachdrücklichste vertrete. (Lebhafter Beifall.) Es folgte dann eine ausgedehnte Debatte über die zu befolgende Wahltaktik. Fast alle Redner wandten sich gegen den Bund der F-urllet»«. Um die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. Nachdruck verboten. I. Abschied von der Heimath. — Auf der „Bayern". — Sin schwimmendes Hotel. — 18 Millionen Mark Verbrauch in einem Aahre. — Ankunft in Antwerpen. An Bord der „Bayern", 6. October. Verklungen sind die letzten fröhlichen Weisen unserer SchiffScapelle, verschwunden ist der letzte Streifen deutschen Landes, stolz und sicher zieht unser schönes Sckiff, derReichS- postdampfer „Bayern", seine Bahn durch die Wogen der Nordsee, die sein fester Bug schäumend durckschneidet und die seinen gewaltigen, weißleuchtenden Körper fast kosend um hüllen. Denn klarer, goldiger Sonnenschein liegt weit über dem Meere auSgebreitrt und läßt un- den Abschied von der theuren Heimath und allem Lieben, was wir in ihr gelassen, weniger schmerzlich empfinden. Freilich, nickt ganz kann auch der Sonne hoffnungSfroheS Leuchten die wehmüthige Stim mung unterdrücken und immer wieder wenden sich die Blicke zurück? dorthin, wo mehr und mehr die schlanken Linien der heimathlichen Leuchtthürme unterzutauchen scheinen im feuchten Schoße der rauschenden Wellen. Aber wenn auch die vaterländische Küste schon ver schwunden ist im herbstlich-zarten, flimmernden Duste, wir weilen ja trotzdem noch auf deutschem Boden, fast drei Wochen lang, bi- Port Said hin; am Bugspriet weht die rothgestrrifle Flagge Bremens und am Heck flattern die deutjchen Farben, deutsch ist alles um uns herum, und einen warmen deutschen Willkommen bietet unS Capitain Prebn dar, ein kerniger, fester Seemann, der die ganre Welt be fahren hat und der oftmals bereits die Lloyd-Schiffe von Ostasien und von dort wieder zurück zum heimischen Strande leitete. Von gewinnender, ernster Freundlichkeit ist sein Wesen, da- Zuversicht und Vertrauen einflößt und daS der gesammten Bemannung ein nacheifrrnSwerthe- Vorbild ist; von den Ofstcieren an bi- zum kleinsten Schiffsjungen hinunter ist Jever bestrebt, seine Pflicht bi- zum letzten I-Tüpfelchen zu erfüllen, und von dem oft so geräuschvollen und «lässigen Schiffstreiben auf französischen und italienischen, gel..entlich auch deutschen Dampfern merkt man an Bord unflrer „Bayern" nicht«. Wie siebt sie schmuck und schön au-, diese „Bayern", wielstolz fühlt man sich al- Deutscher, di« Fahrt um die Erda auf einem solchen Schiff antreten und sie auf ihm eben- bürtngen anderen Dampfern de- Norddeutschen Lloyd fortsetz«, zu kömnrn, um so mehr, wenn man der Berichte dieser und jener jteutschrn Weltreisenden gedenkt, die noch vor wenigen Jahrzlebnten gezwungen waren, ausschließlich österreichische und »meist englische Dampfer zu benutzen; man sehe darüber die Jrrchmiaden in Meister Eduard Hildebrandt'« Tagebüchern nach. Heute ist der Norddeutsche Lloyd die größte Schiff«- grsellschalft der Welt und seine Dampfer übertreffen an muster hafter Einrichtung die aller Übrigen Völker. Ta« lernen wir so recht an k unserer „Bayern" kennen, allmählich allerving« nur, denn nur um sich flüchtig umznschauen auf dem macht vollen Coloß, der 450 (engl.) Fuß in der Länge und 50 Fuß in der Breite mißt, dessen Maschinen 4000 Pserdekräfle ver körpern und dessen heißhungriger Schiffsbauch Weik über 100 000 Centner Ladung verjchlingen kann, gebraucht man einige Stunden, und manch' vergebliche Promenade mußte man zuerst machen, um seine Coie wiederzufinden. Nun aber baden wir unS in ihr und auf dem Schiffe schon häuslich eingerichtet und letzteres unter kundiger Führung etwas näher kennen gelernt. Es war ein interessanter Nundgang, ausgebend von dem Doppel-Promenadendeck, daS einigen Hundert Personen Raum bietet, hinunter dann und vorbei an den langen Hotel-Cor- ridoren gleichenden Gängen mit den luftigen und geräumigen Cabinen erster und zweiter Classe, zwischen denen die Bade räume für Damen und Herren liegen und wo auch ein Friseur sein luxuriöses Cabinet sich eingerichtet hat. Vor nehm und glänzend ist der gold in weiß gehaltene Speise saal der ersten Cajüte mit seinen künstlerischen Holz- fchnitzereien, seinen tlreilS von Meisterhand gemalten, IbeilS auS der Berliner Königlichen Porzellan-Manufaclur stam menden Wandfüllungen und seinem prunkvollen Lust- und Licktschachte in der Mitte; aus den goldenen Verzierungen ragen überall die zierlichen Glasbirnen hervor, die Abends über die mit Blumen- und Frucdlscdalen geschmückten u»d mit blendend Weißen Linnen gedeckien Tische ihr elektrische« Licht ergießen. Einen gewählten Gesckmack weist der Salon mit seinen Polstermöbeln und weickcn Teppichen auf, von anheimelnder Behaglichkeit ist der Rauch-Salon mit seinen bequemen Leder-Sopbas und -Sesseln, den farbigen Wand- bckleidungen und breiten Fenstern dazwischen, durch die der Blick hinauSgleitet auf die wogende See. Diese eben erwähnten Gesellschaft«- und Rauck-SalonS befinden sich auf dem hochgelegenen Promenadendeck, das in seinem vorderen Tbeile noch überrag: wird von der CapitainS- brücke; ein Stockwerk tiefer erstreckt sich da« Oberdeck mit dem Speisesaal der Passagiere zweiter Cajüte, den Kojen und Räumen für die Osficiere, den Arzt, den Zahlmeister, den al« HoSpital dienenden Gemächern, der Apotheke, einer Reihe bevorzugter Cabinen und den sogenannten Staatszimmern, die ganz besonder« verschwenderisch ausgestattrt sind und von den obereit Zehnhunvert gewählt werden, welche sich den doppelten Passagepreis (also in diesem Falle bis Aokohama 3000 -E) leisten können; diese LuxuS-Cabinen aus unserem Sckiff be nutzten u. A. der Großherzog von Oldenburg und der ver storbene Großberzog von Mecklenburg-Schwerin. An der den Cojen gegenüber liegenden Seite finden wir dir große Klicke, in welcher der wohlgenährte Kock mit seinen Gehilfen bantirt, die Bäckerei und di» Conditorei, in denen täglich mehrmal« die knusprigsten Semmeln, da» kernigste Schwarzbrot», die leckersten Kuckrnsackrn gebacken werden, ferner die Schlächterei und sogar eine Druckerei, in der einer der Steward-, welcher der schwarzen Kunst kundig ist, täglich drei Mal dir nach Originalen bekannter Maler hergestcllten Tischkarten mit dem Namen all' der schönen Dinge bedruckt, die un» Tag für Tag von einer ganzen Schaar flinker und diensteifriger Geister, welche unter der Aufsicht de« Ober-Slrward stehen, vorgesetzt werden. Zuviel ist'« eigentlich de« Guten, wa« einem hier an leiblicher Nahrung zugemuthet wird: früh, je nach dem Aufsteben, Kaffee, Cbocolade, Thee, Cacao, um 9 Uhr ein erstes Frühstück mit warmen oder kalten Ge richten, ganz nach Wahl und Appetit, mit Backwerk, Thee, Kaffee rc., mit frischem Obst und schmackhaftem Eingemachten, um 11 Uhr wird Bouillon mit belegten Brövchen servirt, um 1 Ubr zweites Frühstück mit drei warmen und beliebigen kalten Gerichten, wie Obst rc., um 4 Uhr Kaffee mit Gebäck, um 7 Ubr feierliches Diner mit 5 bis 6 Gängen, während welcher die acht Mann starke Hauscapelle concerlirt — das Programm natürlich gedruckt auf der Rückseite deS MenuS — und um 9 Ubr auf Wunsch Thee rc. mit Gebäck. Alles Gereichte ist ersten Ranges und kann vom besten europäischen Restaurant nicht übertroffen werden, die Preise für Ge tränke — Bier bis nach Ost-Asien hin frisch vom Faß! — für sonstige Erfrischungen, Cigarren rc. sind ungemein preis- werth und trotz ihrer vorzüglichen Beschaffenheit nicht theurer als in einem mittleren deutschen Local. Man kann sich denken, welche Proviantmassen ein der artiges schwimmendes Hotel, dessen Bemannung 150 Per sonen zählt und das 200 Passagiere erster und zweiter Cajüte auszunehmen vermag, milführen muß; oder nein, man kann cS sich nicht denken, wenn man nicht diese auf mehrere Stockwerke vertheilten zahlreichen Verpflegungsräume besich tigt hat: hier gackern in großen Käfigen Gänse, Enten, Hühner — daS größere Gethier kommt erst in Genua an Bord —, dort sind in unter Null-Grad gehaltenen Räumen die Fleischmassen aufbewabrt, da sind große Kammern nur mit Conserven, wieder andere mit Gewürzen uno sonstigen Speise-Zuthaten angesüllt, ganze Berge von Biersäffern tbiirmen sich auf und nahe den, bald hätte ich gesagt, Eis kellern, sind die Flascken-Batterien aufgestapelt, und man wird nun verstehen, daß der feste Proviant dieses einen Schiffe- einen Werth von 80 000 die Getränke allein einen von 30 000 verkörpern. Wie verschwinden aber diese Summen gegen die 18 Millionen Mark Werth, welcher der Proviant- und Koblenverbrauch deS Lloyd in einem Jabre beträgt*). Und diese achtzehn Millionen bleiben zum über wiegendsten Theile in Deutschland und werden noch eine wesentliche Steigerung erfahren, wenn, wie wohl zu erwarten *) Vielleicht dürsten anläßlich dieser Zahlen einige weitere, wenn auch schon früher gebrachte Mittheilungen über den Verbrauchs. Cousum der Dampfer des „Nordd. Lloyd" im letzten Jahre inte» essirrn: An Fleisch wurden 2'/, Millionen Pfund (hierin aber nicht da- an Bord frifch geschlachtete Fleijch gerechnet), an Fischen 350000 Psv., an Geflügel 208000 Stück (darunter ca. 6500 Kapaunen, 28000 Eulen, 7000 Gänse, 17000 Hühner, 95000 Kücken, 8500 Puter, 6000 Rebhühner, 20000 Tauben rc), an Wild 1000 Hasen und 350 Rebe, an diverser Wurst 50000 Psd., an Schinken 9000 Stück, an Austern 250 000 Stück, an Brod 806 000 Psd., an Butter 435 000 Psd., an Eonserven 300 000 Büchsen und Gläfer, an Eiern 1 800 000 Stück, an Hummern und Krebsen 73000 Stück, an Kaffee 195000 Psd., an Ehocolade 8600 Psd., an Thee 14 000 Pfo.. an Käs« 131 000 Psd., an Milch 294 600 Büchsen und 22 800 Flaschen, an frischem Obs« 272 000, an Weintrauben 40 500, an Aprikosen 14 000 'Lid, an Apselsinen 708000 Stück verbraucht. Mit dieser festen Nahrung hielt die flüssige gleichen Schritt; an rotken Weinen wurden 101000, an weißen 80000, an Champagner 25000, an Lognac 14 000, an Rum, Liqueurrn »c. 34 000, an süßlichen Weinen 7000 Flaichen geleert. Und dazu gesellten sich traulich 690000 Flaschen und 550000 Liter (in Fässern) Lagerbier. und erhoffen ist, die Reichs-Subvention für die ostasiatische Linie um lV, Millionen Mark erhöht wirk, denn daun werden statt der jetzt vierwöckenllichen ostasiatiscken Fahrten vierzehntägige eingesührt, was im Interesse deS deutschen Handels von größter Wichtigkeit wäre. Genügen doch seit Jahren schon nicht mehr die Lloyd - Dampfer für den steigenden deutschen Ausfuhrhandel nach Jnkien, China und Japan und müssen stets viele Tausende von Centnern an Gütern aller Art Zurückbleiben, die bei bestimmten Waaren überhaupt nickt mehr, bei anderen mit erheblichen Mehr kosten auf englischen Schiffen befördert werden müssen. Auch der Passagier - Verkehr weist eine beträchtliche Zu nahme auf; unsere „Bayern" ist bis zur letzten Cabine besetz! oder wird vielmehr besetzt, namentlich von Southampton und Genna aus. Vorläufig sind wir noch ganz „unter uns", eine dänische Dame vertritt allein daS schöne Geschlecht, sie fährt nach Hongkong, um sich dort zu verheiratben, zu welchem löblichen Entschlüsse sie sich ein wenig viel Zeit gelassen; aber besser spät, als gar nicht, dürfte sie denken, nnd viele ihrer Milschwestern werden ihr Recht geben. Gäste auS dem fernen Osten beherbergt das Zwischendeck, mehrere Singhalesen- Familicn auS Ceylon, die eine Hagendeck'scke Thier-K.irawane nach Hamburg begleitet haben und nun nach der Palmen- Jnsel zurückkehren. In ihren farbigen Gewändern, über die zum Tdeil schon bedenklich vergilbte und jedenfalls am Ham burger Mühlendamm erworbene Sommer-KleidungSstücke ge zogen sind, stehen und hocken sie fröstelnd nabe dem wirin- menven Mafckinenraiim umher und bieten meinem lieben künstlerischen Reisegefährten, dem Maler Adolf Obst, sehr willkommenen Stoff zu seinen ersten trefflichen Aquarellen von unserer gemeinsamen Fahrt um den Erdball. 7. October. Die ersten vierundzwanzig Stunden an Bord sind ver gangen; ein köstlicher Herbstmorgen begrüßt un», als wir früh an Deck kommen, gerade als links bei der Einfahrt in die hier seebreite Schelde in nebelhaftem Flimmern die Tbürme, Mauern und Wälle von Plissingen anstaucken; am Fuße der einen bis zum Strom vorgeschobenen Bastion spielt vergnüglich eine Seebund-Familie und läßt sich die wärmende Sonne auf die feuchtglänzenden Pelze biennen. Langsamer setzt bei dem starken Schiffsverkehr unser Dampfer seine Fabrt stromaufwärts fort, in der Ferne steigt der herrliche, zartdurchbrochene Tburm der Kathedrale Antwerpens empor, und auch die altersgrauen Gemäuer de» StecnS, der sagen umwobenen Königsburg aus grauer Vorzeit, lösen sich all- mäblich deutlicher von dem lebbasten und anziehenden Hasen bilde ab, dem un» ein kleiner Schlepper zusteuert. Uufere Capelle läßt schmetternde Marschklänge ertönen, dickte Mensckenschaaren sammeln sich am langgestreckten Ouai, stolz in seiner ganzen gewaltigen Ausdehnung legt unser Riesen schiff dort an, um drei Tage vor Anker zu bleiben, während welcher Zeit unermüdlich neue Ladung eingenommen wird, von der Land- und Flußseite zugleich, Taz und Nacht hindurch. Die erste Station auf langer Fahrt haben wir erreicht, der MeereSgott war un» bold nnd gut bat uns Lentschland- Flagge beschirm» — möchten wir e» als freundliches Zeichen nehmen dürfen für der Zukunft verborgenes Geschick! —
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