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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971014011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897101401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897101401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-14
- Monat1897-10
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Likctio» u>- Lrpeßitüm: -«tz-mee-gaste S. Die Expedition ist Wochentag« ununterbroche» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. FiU-len: ktto Ale««'s Sartin». (Alfred Hahn), Universitätsstraß« S (Pauliuum), L«niS Lösche, Aatbarinenstr. 14, part. und König-Platz 7. Bezug-,Preis A» der tzauptexpedttio» oder de« i« Stakt« beiill >nd den Aororten errichteten An«« aavetzrilen abgeholt: virrtrijührtich4^0, bei «wetmaliaer tägliche, Zustellung in« Sau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Öestrrretch: vierteljährlich ^l . Dirret» tägliche Kreuzbandiendung in« Ausland: monatlich 7.50. > e»^»> Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentag« um 5 Uhr. Morgen-Ausgabe. MWgrr. TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd ÄmtsgenchLes Leipzig, des RaHes «nd Nolizei-Ämles der Stadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Reklamen unter dem RrdactionSstrich l4ae« spalten) Sv^z, vor den Familiennachrichken (S gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis!. Dabellarischer und Ziffernsap nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung -al 60.—, mit Postbesörderuug .a! 70.—. Avnahmeschluß für Änzeizen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 524. Donnerstag den 14. October 1897. 91. Jahrgang. Unsere jetzigen Landtags- und die nächsten NeichStagSwahlen. ii. Da« Königreich Sachsen ist da« einzige oder doch nahezu einzige deutsche Land, in welchem da« Cartell gegen die Socialdemokratie seit 1887, also volle 10 Jahre lang, un verändert fortbestanden und seine Schuldigkeit grthan hat. Selbst bei den Reich-tag-wahlen von 1890, wo ein starker Rückschlag nach der astdern Seite erfolgte, war doch , Dank dem Fortbestände de« Cartell», da- Er- gebniß der sächsischen Wahlen ein solche« (eS wurden gewählt 16 Cartellcandidaten und 7 Gegner), daß, wäre ein gleiche- Ergebniß im ganzen Reiche erzielt worden, der Reichs tag eine staatSerbaltende Majorität von 260 gegen eine Minorität von 140 aufgewiesen haben würde, während leider vaS Gegentheil davon stattfand. Die nationalliberale Partei bat jenen Rückschlag am stärksten zu empfinden gehabt. Sie hatte bei den Wahlen von 1887 die dem socialvemo- kratischen Ansturm am meisten ausgesetzten Bezirke (in den großen Jndustriecentren) inSgesammt glücklich erobert, mußte aber einem verstärkten Ansturm von derselben Seite im Jahre 1890 weichen und sank von 10 auf 3 Abgeordnete im Reichstage herab. Sie wird bei den Wahlen von 1898 wiederum diese exponirten Posten zu erstürmen suchen muffen, während die conservative Partei in ihren vorwiegend länd lichen Wahlbezirken sich leichter behaupten kann. Dieser Nachtbeil, in dem die nationalliberale Partei sich befindet, hat mit dem Cartell nichts zu thun, sondern ist begründet in der ganzen Sachlage, darin nämlich, daß in den überwiegend industriellen Bezirken — und das sind zugleich die am meisten von der Socialdemokratie be drohten — in der Regel ein Industrieller verbältniß- mäßig die meiste Aussicht hat, gewählt zu werden, also am ersten gegen einen Svcialdemokraten aufzukommen. Nun besteht unsere Partei zu einem sehr großen Tbril aus Industriellen, die conservative mehr aus Landwirthen; daher siel unserer Partei die zwar ehrenvolle, aber gefahr volle Nolle zu, den Kampf gegen die Umsturzpartei in erster Linie zu bestehen. Sie ist dabei von den Cvnser- vativen und von den Mitgliedern der alten sächsischen Fortschrittspartei ehrlich und eifrig unterstützt worben. Daß da» Cartell bei den jetzigen Landtagswahlen sich wiederum bewährt hat, ist eine gute Vorbedeutung und Vorbereitung für die NeichStagSwahlen. Nur wird darauf zu halten sein, und daran ist nicht zu zweifeln, daß Alles vermieden werde, namentlich auch in den beiderseitigen Parteiblättern, was daS gute Einvernehmen unter den Ordnungsparteien irgendwie stören ober auch nur trüben könnte. Mit dem Cartell allein ist e» aber immer noch nicht gethan; eS gehört dazu noch ein Zweites, nicht minder Wichtiges, die Rührigkeit der Wähler. Bei den LaudtagSwahlen baden durchschnittlich nur 50—60 Proc. der Wähler für die Candidaten der Ordnung-Parteien gestimmt. DaS reicht bei den NeichStagSwahlen lange nicht au». Die Wahlsiege von 1887 wurden erfochten durch Stimmenzahlen von 80,2 Proc. (Dresden recht« der Elbe), 82 Proc. (Döbeln, Zwickau, Meißen), 84 bi» 85 Proc. (Chemnitz, Mittweida, Meerane), über 85 Proc. (Dresden link» der Elbe), 85,8 Proc. (Leipzig-Land), 89L Proc. (Leipzig-Stadt) — im Durchschnitt de» ganzen Lande» gegen 80 Proc. Bei den NeichStagSwahlen von 1898 wird e», da die socialdemo kratischen Stimmen inzwischen jedenfalls wieder gestiegen sind, mindesten- derselben, ja einer noch größeren Anstrengung bedürfen. Damit eine solche Rührigkeit der Wähler erzielt werde, bedarf eS einer längeren Vorbereitung, bedarf «S einer festen Organisation der Partei in allen einzelnen Wahlkreisen. Es ist öfter« darin gefehlt worden, daß man Organisationen, die angesichts der Wahlen zu Stande gekommen waren, nach den Wahlen wieder sich lockern oder gänzlich verfallen ließ. Da- ist ein Fehler, der sich bitter rächt. Sache unserer Vertrauensmänner in den einzelnen Wahlkreisen wird eS sein, rechtzeitig Hand anzulegen an die Sammlung der Parteigenossen, an die Veranstaltung von Versammlungen, von Vorträgen, von Besprechungen, um den Eifer thatkräftigen Zusammenwirken- für die Sache — nicht der Partei allein, sondern unsere- großen Vaterlandes, in dessen Dienst wir arbeiten — zu wecken und nicht wieder erkalten zu lassen. Die Wahlen für den Reichstag finden glücklicherweise jetzt nur von fünf zu fünf, nicht mehr von drei zu drei Jahren statt. Aller fünf Jahre einmal kann auch der Ge schäftsmann sich so viel Zeit abmüßigen, um an der Wahl bewegung, sei e» al- Führer und Beratber, sei es wenigsten- al- einfacher Wähler, sich thätig zu betheiligen. Der Preis ist de- Opfer- werty, denn eS gilt, wo möglich wieder eine Gesammtvertretung der Nation zu schaffen, die gleich dem Reichstage von 1887 einer kräftigen Reichsregierung willig die Hand biete zur Förderung aller Lebensintereffeu der Nation. Freilich, um ein solche- Ziel zn erreichen, dürfte nicht bloS in unserem kleinen Sachsen, müßten im ganzen großen Deutschland die Ordnungsparteien sich fest zusamiuenschließen. Und warum sollte dies nicht möglich sein? Giebt eS doch, bei allem Trennenden zwischen den verschiedenen staatS- erbaltenden Parteien, auch so vieles Gemeinsame, und stebt nicht diese- Gemeinsame höher als jenes Trennende? Da sind die großen Interessen der Erkaltung und Stärkung der Wehrkraft des Reiches zu Lande und zur See, ferner die einer gedeihlichen Regelung der Finanzen deS Reiches in nothwendiger Wechselwirkung mit denen der Einzel staaten, da ist der Schutz und die Förderung unserer Colonien, die Unterstützung unseres, in so erfreulichem Aufschwünge be griffenen überseeischen Verkehre- mit den Machtmitteln de- ReicheS, soweit eS nötbig, und AehnlicheS mehr, lauter Dinge, die ebensowohl dem Ganzen wie dem rinzelneu Theile zu Gute kommen. Für solche Interessen, welche scheinbar oder wirklich die großen Parteien trennen, wie Landwirthschaft und Jndusirie, Handwerk und Großbetrieb, wird ja wohl bei allseitigem guten Willen und unter Zurückstellung allzuweit gehender Forderungen eine Ausgleichung oder doch Annäherung ge funden werden können, und jedenfalls wird eine solche ernstlich angestrebt werden müssen. Ist doch ein Ausgleich zwischen den beiden wirthschaftlichen Hauptricktungen, Großindustrie und Handel, gutem Vernehmen nach bereits ins Auge gefaßt. Zwischen recht- und links, zwischen nationalen und liberalen Anforderungen zu vermitteln, wird die Aufgabe unserer, der nationalliberalen, Partei sein. Vielleicht wäre deshalb zu wünschen gewesen, daß bei den Verhandlungen über daS VereinSaesetz im preußischen Landtage die dortige national liberale Fraction eine solche Stellung hätte einnehmen können, bei der sie weniger im Gegensätze zu den anderen OrdnungS- parteien stehend erschienen Ware. Wo dann bei den Wahlen eS den Kampf gegen den gemeinsamen Feind de» Reiche- und der ganzen bestehenden Recht»- und Gesellschaftsordnung, also auch des Fortbestandes aller Berufsstände gilt, da sollte der Angehörige eine» jeden solchen Berufsstande- und einer der auf diesem fußenden Partei keinen Augenblick zweifelhaft sein, auf welche Seite er sich zu stellen Habel Im Reichstag mögen Agrarier oder Zünftler und Nationalliberale einander gegenübersteben, bei den Wablen darf und kann doch nur das den Ausschlag geben, welcher von zwei Candidaten ein Feind, welcher ein Freund deS Reich- und der ganzen Gesellschaftsordnung ist. Von diesem Gesichtspunkte auS ist, wie mir scheint, ein Zusammenhalten aller Ordnungsparteien im ganzen Reiche, also rin „Cartell" (wenn man dieses verpönte Wort noch gebrauchen darf) eine sich so sebr von selbst verstehende Sache, daß e- besonderer Abmachungen dafür kaum bedürfen sollte. Karl Biedermann. Deutsches Reich. 0. H. Berlin, 13. October. Bis jetzt haben die deutschen Arbeiter etwa 30000 -E den englischen Maschinen bauern übermittelt. Im deutschen GewerkschaftSlaaer hat man sich nun aber gesagt, daß mit einer so geringen Summe den Engländern wenig geholfen sei, und deshalb hat die Generalstreikcommission der Gewerkschaften Deutschlands jetzt officiell die Sammlungen in die Hand genommen. Sie soll auch die Centralstelle der Unterstützungen bilden. Hiesige Gewerkschaftsführer sind der Meinung, daß, wenn die Samm lungen mit dem gehörigen Nachdrucke betrieben werden, eS gelingen muffe, jede Woche 30 000 bi» 40 000 den Eng ländern zu übermitteln. Den Zuzug deutscher Arbeiter nach England haben ja die Gewerkschaften fast gänzlich verhindert; an die Ablieferung einer regelmäßigen wöchentlichen Unter- stützungSsumme von 30—40 000 vermögen wir jedoch nicht zu glauben, denn die osficielle Parteileitung stebt diesen Sammlungen begreiflicherweise kübl gegenüber. Die Zahl der Existenzen, die aus der Parteikrippe ihren Hafer bekommen, hat sich ganz bedeutend vermehrt, die Parteibeiträge aber- lassen immer mehr nach und für die Neichtagswahlen werden sicherlich Hunderttausende gebraucht. Und wenn der Reichs tagsabgeordnete Legien als Vorsitzender der Generalstreik- commission erklärt: „Es gilt, freie Bahn zu schaffen für die Erringung de» Achtstundentages, eS gilt, die Organisation der Brüder in England zu schützen, eS gilt, der internatio nalen Solidarität der Arbeiterschaft vollen Ausdruck zu geben, und da werden die sämmtlichen Arbeiter und Arbeiterinnen sicherlich nicht zurücksteben", so wird ihm daS Facit der Sammlungen zeigen, daß den deutschen Arbeitern ebenso wie den englischen daS Hemd näher ist al- der Rock. * Berlin, 13. October. Vor dem ReichSversicherungS- amt gelangte kürzlich ein Proceß zur Verhandlung, der in gewisser Beziehung Aufsehen erregen dürfte. Ein Mann mit Namen Bordinski batte am 27. März v. I. eine Stirn verletzung dadurch erlitten, daß er auf einem hiesigen Holz platz mit dem Kopfe ge^en Bretter lief. Am 1. April vorigen Jahres trat Säuferwahnsinn auf, Bordinski wurde iuS Krankenbaus gebracht, wo er am 3. April v. I. -verschieb Seine Wittwe bat die Berufsgenoffenschaft um Rente, wurde jedoch mit ihrem Anspruch zurückgewiesen. DaS Schiedsgericht hörte eine ganze Reihe von Aerzten und wies dann die Berufung ab, da nach dem Gutachten von Proftffor Dr. Mendel erwiesen sei, daß der Erblasser der Klägerin am Delirium tremeu8 gestorben sei und offenbar schon vor dem Unfall an Delirium tremeus gelitten habe; eS sei daher möglich, daß der Unfall das Leiden wieder her- vorgerusen oder einen schnelleren Ausbruch veranlaßt habe; doch sei auch möglich, daß da- Leiden ohne solche Einwirkung de« Unfalls verlaufen wäre. DaS Schiedsgericht hielt den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Leiden oder Tod für nickt erbracht, da Professor Mendel nur von einer ge wissen Wahrscheinlichkeit eines derartigen Zusammenhanges rede. Sodann ergriff die Wittwe BordinSft daS Rechtsmittel deS Re kurses an das ReichSversicherungSamt und bat um Abänderung der Vorentscheidung. Auch wzzrde darauf bingewiesen, daß Bordinski im Krankenhause unmenschlich behandelt worden sei. Ein Krankenwärter NamenS Schlag war an geklagt worden, den Bordinski in rohester Weise mißhandelt zu baden. Ein Zeuge batte auSgcsagt, .er selbst habe gesehen, wie Schlag den BorvinSki, als dieser im Belt lag, mehrere Male mit einer Bierflasche vor den Kopf gestoßen und ge äußert habe: „Hund verfluchter, wenn ich. nicht wüßte, daß ich Zuchthaus bekomme, würgte ich Dich auf der Stelle." Bordinski sei darauf auS dem Bett gesprungen, um seine Sachen zu packen. Schlag habe daS zedoch verhindert und den Bordinski verschiedene Male mit dem Fuß gegen den Unterleib getreten und mit der Faust in die Seite geschlagen. Schließlich habe Schlag ein Handtuch dem Bordinski um den Hal» geschlungen und zugezogen, daß Bordinski blau rm Gesicht wurde, mit den Händen um sich schlug und mit den Füßen strampelte. Als der Zeuge, der auch Wärter war, dem Wärter Schlag in die Arme fallen wollte, warf dieser den Zeugen zur Thür hinaus. Am folgenden Morgen war Bordinski eine Leiche. Das Neichöversickerungsanil unter dem Vorsitz deS Gebeiunaths Dr. Sarrazin Kob als dann die Vorentscheidung auf und erklärte die Berufs genossenschaft für haftbar, da offenbar der Tod des Bordintti wesentlich mit durch den Unfall veranlaßt worden sei. Eine Berufsgenoffenschaft erscheine schon dann entsckärigungS- pflichtig, wenn der Unfall einen ins Gewicht fallenden Einfluß auf den AnSbruch der Krankheit oder den Eintritt des Totes ausgeübt habe. (Voss. Z.) * Berlin, 13. October. Zu der „Arbeiter- und Beamten pensions», Wittwen- und Waisencasse" der Firma Siemens und Halske, der, wie gemeldet, die Jubilarin die stattliche Zuwendung von einer Million Mark gemacht, wurde der Grund bereits bei dem fünfundzwanziglährigen Jubiläum am 12. October 1872 mit einem Capital von 60 000 Thalern gelegt. Seitdem werden von der Firma jährlich für jeden Arbeiter 15 ./l und für jeden Beamten 30 Zu schuß zum Cassenfonds gewährt. Volle AlterSpensivn tritt nach dreißigjährigem Dienst ein und zwar mit zwei Dritteln des Lohnes. Weiterarbeitenden wird diese Pension neben dem Lohn gezahlt. Die Beamten haben, da für sie von der Firma der doppelte Beitrag zur Casse gezahlt wird, Anspruch auf doppelte Arbeiter-Pension. Die volle Pension beträgt für den Arbeiter pro Monat nicht unter 30 und nicht über 75*4k, für den Beamten nicht unter 60 und nicht über 150 für die Arbeiterinnen endlich nicht unter 20 und nicht über 45^ Die Unterstützungen an Hinterbliebene von Caffenangrhörigen wird ebenfalls unter Zugrundelegung deS Dienstalters deS Verstorbenen normirt. Darnach werden der Wittwe bei 20—30jäkriger Dienstzeit 50 Procent, bei 10—20jähriger Dienstzeit 33Vs Procent und bei 5—lOjäbriger Dienstzeit 25 Procent der Pension auSgezahlt. Außer dem wird für jede- Kind unter 14 Jahren ein Erziehungs geld von monatlich 8 Mark für die Arbeiter und monatlich 16 Mark für die Beamten gezahlt. Aus diesen Angaben geht hervor, welche segensreiche Einrichtung für die Angestellten der Firma Siemens L Halske diese Casse ist. — Sebr fatal scheint eS dem „Vorwärts" zu sein, daß die Firma der PensionScaffe eine Million Mark überwiesen hat. DaS social demokratische Centralorgan bemerkt nämlich dazu: „Eine einwand-freie Anerkennung deS CoalitionSrechts der Arbeiter wäre eine werthvollere Gabe gewesen." Der Firma wäre diese letztere Gabe jedenfalls billiger zu stehen gekommen. D Berlin, 13. October. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin trafen heute Nachmittag 2 Uhr 40 Min. auf der Wildparkstation ein, wo sie von den Prinzen Adalbert, August, Wilhelm und Oskar empfangen wurden, und begaben sich von da zu Wagen nach dem Neuen Palais. (-) Berkin, 13. October. (Telegramm.) Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." meldet, begab sich beute der Reichs kanzler in Begleitung de- StaatSministerS Dr. v. Miquel und deS Botschafters v. Bülow zum Vortrage bei dem Kaiser in das Neue Palais, wo die genannten Würdenträger, einer Einladung de» Monarchen folgend, auch an der Abend tafel theilnahmen. (-) Berlin, 13. October. (Telegram m.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht'die Verleihung deS Schwarzen Adler-Orden» an den österreichisch-ungarischen Reichs kriegsminister Edlen v. Krieghammer und den österreichischen Feldzeugmeister Prinzen Loökowitz. (-) Berlin, 13. October. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet: Die Eonferrnz der Lber-Post-Tircetoren beginnt morgen im Reichspostamte und wird ausschließlich die Porto-Tarif-Frage erörtern, wofür besonders aus den Handels- und Industrie-Kreisen Anregungen und Vor schläge in letzter Zeit erfolgten. Falls die Vorschläge an- After. Eine Herbst-Grschichte von Siegfried Moltke. Nachdruck »erdete«. Fünfzig Jahre! ES ist eine hübsche Spanne Zeit, wenn man sie fast ganz zurückdenken tann! Ein halbes Jahr hundert! Auch Alfred Merz faß an einem Novembermorgen im behaglich durchwärmten Arbeitszimmer vor seinem Schreib tisch, auf welchem die Studierlampe traulich brannte, denn draußen hüllte ein feuchter Herbstnrbel Alles noch in Dunkel heit, und dachte tast fünfzig Jahre seines Lebens zurück, fünfzig Ja^re, die er heute vollendete. Und seine Hände lagen auf einem dünnen Hefte gefaltet, daS seine GeburtL- tagS-Mor-enlectüre bildete nun schon zum vierten Male. SS war «in sonderbares Lächeln, daS über sein sonst so ernst-S Antlitz glitt, als er dar Büchlein aufschlug und die wohliskannten markigen Buchstaben zu lesen oeaann: „Äein lieber Freund! Du hast mich so ost gesragt, warunKich mein theureS, trautes Weib „Aster" nenne. Ich habe Tsr die Antwort stets vorenthalten, denn seines von uns Beiden sollte daS süßeste Geheimnitz unseres Le-enS eher verMhen, als bis uns der Lod getrennt haben würde. Vielleicht »ine kindische Abmachung, aber sie war unS wertb. Nun sollv Du die Antwort haben, denn wenn Du dies« Zeilen li«H bin ich meines Gelübdes ledig, dann hat Aster mir den letzten Liebesdienst erwiesen, indem sie mir die Augen, die )stir sie m steter Treue gewacht haben, zudrückte. Du weiffst, mein Freund, mein Leben war Arbeit. Arbeit, besttnuvt, die Menschheit zu erfreuen. Mein Glück, meine Geliebte, Braut war Jahrzehnte lang meine Kunst. Du als Musikschriftsteller begreifst dies vor unge zählten Andern. AIS meine Mutter starb, der alle meine Liebe, die der Künstler für ein irdisches Wesen übrig hat, galt, zählte ich bereits fast ein halbes Hundert der Jahre meine» Lebens, meist friedlicher Jahre idealen Strebens, edlen Schaffens. Nie hatte ich meine Augen zu einem Weibe erhoben, mit dem Begehren, es zu besitzen. Der Gedanke, die Mutter zu verlieren, zu verlassen, die Liebe zu ihr vielleicht durch die zu einer Andern einzuschränken, der Gedanke, auf eine Andere, Wildfremde daS heiligste Gefühl deS Menschen zu übertragen, war mir nie gekommen. Ich wußte am Weibe daS weibliche, sanftmitthige Wesen zu schätzen, zu ehren, aber »in Weib zu lieben, daS wollte mir nie gelingen weil ich — nun, weil ich eS nie versuchte. Da auf einmal war ich allein — Acht schlichte Bretter umschlossen plötzlich Alles, waS ich außer meiner Kunst für mich ItebenSwertheS besaß. DaS war gar ein bittre» Gefühl. Wo ich hinblickte, da erinnerte mich irgend etwas an die zärtlich« Hingebung der Einen, die der Lod mir geraubt hatte. Ging ich auf Kunfirrifrn, so vermißt« ich die treue Begleiterin meines Lebens, die durch tausend freundliche Handgriffe die Vor bereitungen zum Reisen mir erleichterte, durch ihren beimischen Zauber, den sie überall auSzuüben verstand, daS fremde Hotel mir zum trauten Wohnraum gestaltete, die mich hegt« und pflegte, die — ach, waS so unendlich viel werth ist — die meine Erfolge mit mir bejubelt, und bei Mißerfolgen mich so trefflich zu trösten wußte, die mich verstand, wie kein Mensch auf Erden, die mich ergänzte, die mein Halt gewesen seit meinen ersten LrbenSstunden, die daS auS mir gemacht hatte, waS ich" war, waS ich bin, waS Du an mir liebst, einen leidlichen Menschen. Nun war ich allein — mit dreiundfiinfzig Jahren hilf loser als «in Kind...« Im Thüringer Lande war's. Ich bedurfte nach längerer Tournee dringend einiger Erholung. Ein Dörfchen hatte ich mir ausgewählt, still, einsam, abgeschieden von der großen, geräuschvollen Welt. Niemand wußte, wohin ich verschollen war, Niemand sollte es erfahren. Bei einem schlichten Cantor hatte ich mich eingemiethet. Sein Weib war fast zu derselben Zeit gestorben, zu der meine Mutter mich verließ. Eines Abends — schon war ich mehrere Wochen bei ihm — saßen wir im herbstlichen Garten; über den sanft gewellten, waldigen Hügeln stand der purpurrothe Sonnenball, alles mit seiner herrlichen Fluth übergießend. Es war ein erhebender Anblick. Zum ersten Mal hatte ich hier meine Geige zur Hand genommen. Der himmlische Friede deS ThaleS, die freundliche Abendstim mung hielten meine Sinne gefangen, erfüllten die Seele mit einer unbestimmten Sehnsucht, wie sie mich nie vorher über kommen hatte, sie weiteten daS einsame Herz so unendlich, daß ich mein geliebtes Instrument, die Vertraute all' meines Kummers ergriff und nach langem beiderseitigen Schweigen all' meinen Empfindungen in leise schwellenden Tönen Aus druck verlieh. Der alte, silberhaarige Mann, der mir eben noch geschildert hatte, wie sein ganzer Trost, seine einzige Freude am Leben sein einziges Kind, seine Marianne sei, jetzt faß er neben mir in seinem hohen Lehnstuhle, eingehüllt in den Schlafrock, den daS Mädchen ihm in so liebevoller Zärtlichkeit aufgedrängt hatte und von dem er doch vor dem ersten Schnee nichts wissen wollte, jetzt lauschte er meinem Spiele und Lhriinen füllten die alten Augen. Ich spielte lange — lange — Wehmüthige Phantasien waren eS, die da aus den Saiten in leisen, melancholischen Tönen dem entfliehenden Abendroth nachzogen. Als ich geendet hatte, legte sich «in« zarte, kleine Hand auf meinen Arm. Marianne mochte lange schon hinter mir gestanden sein und gelauscht haben. Thränen fielen auch ihr von den Wangen, so zahlreich, so zahlreich! Bestürzt sah ich länger in die feuchten blauen Augen, als wohl nöthig gewesen und als ich gewohnt war... Mein Freund, mein lieber Freund da zum ersten Male habe ich erkannt, was Frauenschönheit ist, was sie dem Manne bedeutet, wie sie den Künstler begeistern kann! Ein Madonnengesicht, so rein, so hold, so herrlich in seiner keuschen Unschuld, zwei Augen, so seelenvoll, so tief, so un sagbar schön, so mild, so voll jenes himmlischen Friedens, der die ganze, einzig schöne Gegend erfüllte, so voll des süßesten Zaubers, zwei Sterne strahlten mir entgegen, so leuchtend, so trostbringend unter Thränen Marianne reichte mir die linke Hand und mit der rechten gab sie mir zwei eben erst erblühte zarte Astern, blau wie jene Sterne. „Blüthen des Herbstes, einfach und schlicht", sagte sie weich, „mir aber immer doppelt lieb, weil sie die letzten sind, die unS Menschenkindern der scheidende Herbst bescheert. Nehmen Sie diese als Dank für den unvergeßlich schönen Genuß, den Sie uns in dieser Stunde bereitet haben." Freund, da stand ich vor ihr; ich hielt die lebenswarme Hand, welch« sie in die meine gelegt hatte, ich ergriff die andere, welche die Blumen umschlang, leise zog ich sie an mich und neigte mich — fast mit ehrfurchtsvoller Scheu — und, ich hätte ja dem Alter nach ihr Vater sein können, ich küßt« sie auf die edle, weiße Stirn. Und nun kam daS elendste, ach, und doch wiederum ein glückselige- Jahr — weißt Du, eine Zeit in himmelhoch jauchzender, zum Tode betrübter Stimmung. Das selige Empfinden einer reinen großen Liebe nahm mich mit elemen tarer Gewalt gefangen. Nicht daS stürmische Aufbrausen de» Jüngling» war'», nein da» tiefe, da» stille Feuer in der
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