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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971018028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897101802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897101802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-18
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BezttgSPrei» t» d«, -«ichtiprdtti»« «s« d«, t* Et-dt. b«hi»f u»tz d«n Pforte» «mtchtK« >««» jityrltch^tS^O, krt upeimaliAn'ttgli^r Utell«»- in« L«il»^s.sF. Durch dl, -st hetvM für Deutschland und O*sterr,i viertklsädrlich <^i S.—. Direci« tüaliche euzbandlrnyonß t»» «u-land: monatlich 7.ül). Die Morg»n-Au-gabe erscheint »m '/,7 Uh«, di, Abend-Au-gabe Wochenja-S um b Uhr. Nekartio» und Lrpe-iti«»: T»tzan«e«iaffr 8. Di« Expedition ist Wochentag« »nunterbrocha« «üiffaK vou früh » bi« «beud« 7 Utz» /Male«: Vit« klemm'« Sorttm. (Alfred H«h«), Universitüt-sttatz« 3 (Paultnum), Laut« L-fche, »>ch«i«,yr. ich »att. und K»ntg«pln» 7. Abend-Ausgabe. WpMer.TagMM Anzeiger. AmLsökatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Nmtes -er Ltadt Leipzig. «nzeiß^^pr-i- -it S gespalten« Petit-eilr Stt Pf^ N,elam«, untre demlstedartta^stetch (4s» stylten) LO^, vor d," Kamilienuachricht«, itl gemalten) «r«tz^a Schriften laut uuf«r«m Peel«- Mrieichnist. r-bellarischer uud Zifstrnintz »ach tzöh««» L»rtf. Extra »v«tl««»u (gefalzt), nur mit dm Woran.Ausgabe, ahn« Pofchesorderui SV.—, mit Vostbssördsrn-g 7V.--. Ausahmeschluß str A«zri-e«: Abend-AuSgab«: vormittag« 10 Ude. PS»»I»»-Au«gabr: Uachmitt«« «Uhx. lchch da, Atlialen und Annahmestelle je est, tzalb« Stund« früher. Antsi,,» sind stet« an di« »«pehitteli t» richten. Druck »nd «erlag von E. Pol« t» Leipzig, 532. Montag den 18. October 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Octoder. Der Telegraph hat am Sonnabend Abend die über raschende Meldung gebracht, daß die „Hamburg. Nacbr." ihr Unheil in der Frage, ob Bayer« die Beibehaltung seine« obersten MtlitairgertchtShofeS auf Gruud eine« ihm ein- aeräumten Reservatrechtes fordern könne, geändert haben. Wie gründlich diese Meinung-äoderung ist, geht au« einer Vergleichung der früheren Beweisführung des Blattes mit seiner neuesten Auslassung hervor. Jene Beweisführung gipfelte in den Sätzen: „Die Deduktion, daß die bayerische Militairgerichtsbarkeit als Bestandtheil der bayerischen Mtlitairhoheit ohne Zustimmung dr« Königs von Bayern auf dem Wege der ReichSgesetzgebung nicht ge- ändert werden könnte, übersieht, daß in den ungezogenen Paragraphen des Versailler Vertrages gesagt ist: „Bayern behält zunächst sein« Militairgesetzgebung bi« zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung über die der Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien." Dazu gehört aber nach Ziffer 14 des Artikel 4 der Reich-Verfassung da« ge« sammte Militairwesen de- Reiche«. Wenn also auf dem Wege der Reichsgesetzgebung, durch Bondesrath und Reichstag, die im Versailler Vertrage vorgesehene verfassungsmäßig« Beschlußfassung erfolgt, fo ist der bayerische Anspruch auf eigene Militairgerichts- barkeit alS erloschen zu betrachten. Die Bestimmung des Art. 78 Abs. 2 der R.«V. kommt hier nicht in Betracht, weil keine „Be rechtigung" Bayerns der Gesammtheit gegenüb«r vorliegt, sondern nur eine einstweilige Vergünstigung, in Bezug auf welche die Be dingung ihres Erlöschens in dem betreffenden Paragraphen selbst stipulirt ist." Die neueste Auslassung lautet wörtlich: „In Sachen der Militairgericht-barkeit haben wir bisher den Standpunkt vertreten, daß, wenn Bayern feinen obersten Militair» gericht-hof alS Zeichen feiner Militairhoheit zu erhalten strebe und den Bestand eine» Reservatrechts in Anspruch nehme, eS politisch nicht klug und den Reichrinterefsen nicht ersprießlich sei, dem ent» gegenzutreten. Inzwischen sind uns in der Angelegenheit In- formationrn zu Theil geworden, die un« bestimmen, die Reservatrechtsfrage doch nicht al» irrelevant zu behandeln. Wir haben uns überzeugt, daß ein wirkliches und unbe dingtes Reservatrecht Bayerns in dieser Sache besteht und nach Absicht der Unterzeichner deS Versailler Vertrages be stehen sollte. Es existirt und ist als vollgiltig zu betrachten." Zunächst berechtigt diese Selbstberichtigung zu dem für die Beurtheilung- der Bedeutung der Artikel des Blatte« nicht unwichtigen Schlußfolgerung, daß sein frühere« Urtheil gebildet war o hue Fühlungmitdem.cherufenstenJnterpretenderReichS- verfafsung". Denn nur von diesem können die „Infor mationen" gekommen sein, die jetzt dem Blatte die Ueberzeugung gegeben haben, „Laß ein wirkliches und unbedingtes Resrrvatrecht Bayern« in dieser Sache besteht und nach Absicht der Unterzeichner de« Versailler Vertrags bestehen sollte". Au« der Reich-Verfassung unv dem die Art. b7—68 derselben betreffenden Vertrage mit Bayern vom 23. November 1870, als dem einzigen Materiale, da« bi« jetzt zur Beurtheilung der Frage vorliegt, ist eine solche Ueberzeugung schlechter-1 dingS nicht zu gewinnen; man wird daher zu der An-1 »ahme gedrängt, daß noch weitere Abmachungen mit' Bayern bestehen, von denen nur Wenige wissen und die diesem Staate noch andere als die bekannten Sonderrechte einräumrn. Daß der Gedanke, die un verkürzte Veröffentlichung der Resultate der Verhandlungen von 1870 köuuten Uebrrraschungen bringen, ein sehr beun ruhigender ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Wir setzen daher mit Bestimmtheit voraus, daß der Reichstag bald nach seinem Wiederzusammentritte sich Gewißheit über den vollen Umfang der bayerischen Sonderrechte zu verschaffen suchen werde. Für die Angelegenheit der Militairstraf« proceßordnung braucht man aber nach der von uns wiederholt bekundeten Auffassung der Frage deS Reservats, wie sie auch gelöst werde, eine ungünstige Bedeutung nicht bei zumessen. Man ist so gut wie einig in der Abneigung, Bayern zu majorisiren, und da die endliche Reform des Milrtairstraf- verfahren« im modernen Sinne aus sachlichen und allgemein politischen Gründen höchst dringlich ist, so liegt kein vernünf tiger Grund vor, mit der Reform zu warten, bis ein nicht pnvilegirte« Bayern seine Zustimmung zur Errichtung eine« MilitairgerichtShofeS für ganz Deutschland gegeben hätte; be steht aber in der Tbat ein bayerisches Reservatrecht, das die Beibehaltung seines obersten Gerichtshofes verbürgt, so entfällt für die principiellen Gegner der Reform der Borwand, unter dem sie seit einiger Zeit die schleunige Durchführung der Reform zu hindern suchen. Aus der neuesten Nummer der „Rhein.-Westfäl. Polit. Nachr." geht hervor, daß die Urheber de« Planes, im preußischen Abgeordnetenhause die Aufhebung der preußischen Gesandtschaft bei« päpstlichen Stuhle als Antwort auf die Canisius-Encyklika zu beantragen, auf seine Durchführung trotz der Mahnungen der „Köln. Ztg.", die Encyklika mit ihren Beschimpfungen der Reformatoren und der Reformation nicht tragisch zu nehmen, nicht verzichten wollen. Das genannte Organ schreibt nämlich in seiner neuesten Nummer: „Solchen Ansichten (gemeint sind dir der „Köln. Ztg.") begegnet man allerdings vielfach in den sogenannten „aufgeklärten" Kreisen. Da« Bestreben, tolerant zu sei' auch gegen die Intoleranz, und dem angebotenen Kampfe mit einem überlegenen, die Unkultur dr« Angreifers betonenden mitleidigen Lächeln auszuweichen, hat un« glücklich in die jetzigen ZustLud« dir vom ändigcn Durchsetzung unseres nationalen Leben« mit den Anmaßungen de« römischen KlerikaliSmus hineingeführt. Aeußerlich giebt sich das unter Andern in einem auS zwei Ultramontanen be- stehenden Reichstag-Präsidium kund, in der unermüdlichen Ehrung katholischer Prälaten und in einer immer mehr zunehmenden Bildung von katholischen Orden und Genossenschasten. Die Spitze dieser Aeußerlichkelten, in deren Verwerthung der Ultramoutanismus zur Erreichung seiner Herrschgelüste durch das Zujauchzen der großen, die Dinge nur nach diesen beurtheilenden Masse groß ist, bildet dir preußische Gesandtschaft beim Vatikan — wvhlgrmerkt die preußische, nicht di« deutsche Gesandtschaft. Errichtet ist diese Grsandschaft unter dem lebhaften Wiederspruch allein der nationalliberalen Partei, gewissermaßen al- eine Krönung des Werkes der Niederlage, welche Preußen gegen Rom sich zu gezogen hat. Eine noch weitere, diese Krönung übertrumpfende Action des päpstlichen Stuhles, wie sie in der Canisiusbulle ihren Ausdruck fand, hatte man in dem gutmüthigen Toleranzdusel der Majorität des Abgeordnetenhauses aber nicht vorgesehen. Nun ist sie ringrtreten. Der König von Preußen ist der oberste Bischof der evangelischen Landeskirche und nun wagt es dieser römische Papst, das deutsch-evangelische Be wußtsein aus da- Tiefste zu verletzen und die Reformation als eine Quelle der Sittenverderbniß hinzustrllen und das Alles zu thun in einer Sprache, welche mit ihrer mittelalterlichen Derbheit und Plumpheit keinen anderen Effect erzielen kann, al« dir katholischen Unterthanen de» Königs von Preußen gegen seine protestantischen Unterthanen auf da« Schlimmste zu verhetzen und den Frieden im Lande durch Erregung der fürchterlichsten aller mensch liche» Leidenschaft«», de« religiöse» Hasse«, zu zrrstören. Die „Germania" meint, die Natioaalliberale» würden solchen Antrag wohl nicht stellen, denn die Regierung und in deren Gefolgschaft auch die Lonservativen würden ihm entgegentreten. Auch wir wollen die Möglichkeit zugeben, daß die beabsichtigte Action unterbleibt, wenn nämlich bis zum Zusammen- tritt des Landtag« die Ehre und die Würde derOraani- sation de« preußischen Staatswesens auf politischem und kirchlichem Gebiet e« erforderlich gemacht hat, Herrn v. Bülow abzuberufen und die Gesandtschaft aufzuheben. Im Uebrigen haben auch noch andere Anträge Ziele und Zwecke, al« dir -im Sinne der jeweiligen Regierung gestellt werden." , » Daß sich bis zum Zusammentritte des preußischen Land tages die preußische Regierung nicht zur Aufhebung der Gesandtschaft beim Vaticane entschließt, unterliegt wohl keinem Zweifel. Der Antrag wird also eingebracht werden. Ueber sein Schicksal wird sich Niemand einer Täuschung hingeben. Um so mehr aber hätte der Reichstag Anlaß, sich wieder einmal mit der Frage zu beschäftigen, welche Fassung dem 8 166 des R.-Str.-Ges.-Buches zu geben sei, um in Zukunft zu verhüten, daß Beschimpfungen der Reformatoren — die ja weder Einrichtungen noch Ge bräuche der evangelischen Kirche sind — straffrei bleiben, während die evangelischen Abwehrer solcher Beschimpfungen überaus vorsichtig sein müssen, wenn sie nicht eine Anklage und Berurtheilung wegen Beschimpfung de« römischen Ponti fex sich zuziehen wollen. Eine Aushebung dieses Para graphen empfehlen wir nicht; Wohl aber eine Unigestal- tuna, die dem Protestantismus und seinen Vätern denselben Schutz gewährt, der dem Oberhaupte der römischen Kirche und allen ihren Einrichtungen und Ge bräuchen gewährt ist. Der Papst wird freilich durch das deutsche Strafgesetzbuch von seinen gewohnten Urtheilen über den Protestantismus nicht abgehalten; aber die Gerechtigkeit er fordert wenigstens, daß der ultramontanen Presse nicht größere Freiheit in der Bekämpfung des Protestantismus gewährt werde, als diesem in der Abwehr. Die französische Budgetcommission bat, wie wir mittheilten, die Erhöhung de« Recruten-Eöntingent« um 12 500 Köpfe genehmigt. Nimmt man die amtlichen Zahlen für 1896 zur Grundlage, wonach 1896 rund 230 000 Recruten in das Heer eingestellt wurden, so geht Frankreich jetzt mit rund 242 500 Recruten über die Zahl hinaus, die das an jährlichen Wehrpflichtigen doch unendlich reichere Deutschland 1896 einreihte. Wie die Verhältnisse in Frankreich liegen, vermag man, da eine entsprechende Steigerung der Geburten nicht ringetreten, in der Haupt sache diese 12 500 Recruten nur mehr durch Ver minderung der „Zurückgestellten" (jährlich 46 bi« 50 000) zu gewinnen; jeder andere Weg bedingte eine vorherige Aenverung de« Recrutirung-gesetzeS. Eine Verringerung der Zurückzustellenden wird aber nur möglich durch größere Weit- berzigkeit im Bemessen der Diensttauglichkeit, d. h. durch Einstellung auch von Mindertauglichen. Ist man so auch in der Lage, das Recruten-Contingent zu steigern, so steht die Frage, wie viele von den Mindertauglichcn dienstbrauchbar bleiben und ausgebildet in die Reserve übergeführt werden können, auf einem andern Bret. Die Vermehrung des Recruten-Contingent« ist die nothwendige Folge der Bildung der 145 vierten Bataillone. Die Volksvertretung hatte dies« Maß nahme gewollt; sie muß also, da sie durch eine Tagesordnung die Verringerung der Iststärken der bestehenden Bataillone zu Gunsten der neuen ausgeschlossen hatte, auch die Erhöhung der Recrutenziffer bewilligen. 12 500 Mann reichen nur aus, um jedem der 40 vierten Bataillone, die am 5. November 1897 zusammengesetzt werden sollen, etwa 310 Mann zu geben; 3 x 12 500 Mann, also 3 volle drei Jahre unter den Waffen bleibende Vermehrungsquoteu genügen aber nicht, um die 57 600 Mann aufzubrinzen, die für den FriedenSelat von 145 vierten Bataillonen erforderlich sein werden. Um zu dieser Stärkevermehruna zu gelangen, wird man also noch andere Wege suchen müssen. Selbst bei nur 3x12 LOO Manu Ver mehrung kommt man in Frankreich zu einer höhern Friedens- Iststärke (Durchschnittsstärke), als die unsrige ist. Das wird man als rin erwünschte« Ziel betrachten, aber im Budget wird man auch die Folgerungen daraus ziehen muffen. Eine Sicherheit, jeden Reservejahrgang auch um 12 500 Mann ver mehrt zu sehen, gewinnt man bei dem oben näher bezeichneten Wege zur Steigerung deS Recruten-ContingenlS nicht. Für die Zähigkeit, mit welcher man das Ziel verfolgt, Deutsch land an Friedenspräsenzstärke zu überbolen, den Umfang und die Bereitschaft der mobilen activen Armee zu steigern, sind beide Maßnahmen, die vierten Bataillone und ihre Eonseauenz, die Erhöhung de- Recruten-Contingent-, bezeichnend. Wenn nach Abzug von 20 Procent der Rest der 12 500 Mann dienstfähig bliebe, so gewänne man in den 13 Jahrgängen deS activen Heeres und der Reserve durch die Maßnahme ein Mehr von rund 125- bis 130 000 geschulten Leuten, d. h. die Infanterie für fast sechs mobile Armeecorps. Der AuSstand in der rnglischcu Maschinenbau industrie versetzt zahlreiche auswärtige Kunde» dieses Ge- werbSzweigeS in die Zwangslage, entweder auf die Befriedi gung ihres Bedarfs an den einschlägigen Artikeln bis auf Weiteres zu verzichten oder aber ihre Bestellungen contiuen- talen Firmen zuzuwenden. Die „Times"-Nachricht aus Kairo, der zufolge die dortige Eisenbahnverwaltuug mit Effectuirung ihrer bereits im Juni aufgegebenen Bestellungen lfickü länger warten zu können, sondern sich, im Unvermögens falle der englischen Maschinenbauinduslrie, an leistungsfähige Firmen des EontinenlS wenden zu müssen erklärt, bat in den Kreisen der englischen Geschäftswelt einen sehr niederschlagcnden Eindruck hervorgebracht. Man besorgt nichts Geringeres, al- einen allgemeinen Exodus der Au-landskundschäft für englische Maschinen nach dem Coatiueut. Diese Perspective ist von der Presse und von weiter blickenden Industriellen jenseits dr« Canals zwar schon seit längerer Zeit ius Auge gefaßt worden, nun deren Verwirklichung aber näher zu rücken scheint, kann sich die öffentliche Meinung des Jnselreich« einer sehr unbehaglichen, stellenweise an Panik streifenden Empfindung doch nicht erwehren. Charakteristisch für da« Urtheil de« Publicum« über den Streik selbst ist, daß sich nicht eine einzige Stimme zu Gunsten der Gewerk schaften erhebt, vielmehr die Berurtheilung der Frivolität und Kurzsichtigkeit, mit welcher der Streik inscenirt uud bi« zu seinem dermaligeu EntwickeluugSstadium fortgesetzt worden ist, eine allgemein« ist. Die vernünftigen Element« unter den Arbeitern sehen auch Wohl selber eiu, daß sie sich mit dem Streik auf einem sehr abschüssigen Wege befinden, aber sie dürfen ihre Meinung nicht offen aussprechen, weil sie, unter dem Druck de« Terrori-muS der Agitatoren fteheno, sonst keinen Augenblick mehr ihre« Leben« sicher wären. Von der Streikleitung wird der drohend« Verlust der Auslands kundschaft als Trumpf gegen die Arbeitgeber auszusxielen versucht, deren Hartnäckigkeit und Herrschsucht an Allem Fanttlatsn. Götzendienst. 36 j Roma» in zwei Theilen von WoldrMar Urban. Nochdrua verbiten. Endlich Iras sie auf einen Diener, der ihr sagte, er habe den Grafen Victor am Ende des Corridors in eines der Zimmer treten sehen, die nach dem Parke hinausgingen. Was hatte er dort zu suchen? fragte sich Gräfin Margarethe erstaunt. DaS waren Zimmer, in die seit Jahr und Tag kein Mensch Mehr kam. Plötzlich hörte sie Stimmen, flüsternde, leise, aber sie hörte sie doch. „Er hat Ihnen selbst gefagt, daß sich Felicia noch nicht erklärt hat?" fragte die Stimme der Frau de Courcelles nebenan. „Zu verschiedenenmalen und auf das Bestimmteste", ant wortete ibr Sohn, „aber er sagte auch, daß er das Seinige thun werde, um diefe Erklärung in seinem Sinne herbeizu führen." „Und Sie sind noch im Zweifel Uber das, was Sie thun müssen, Herr Graf?" klang wieder die scharfe, schneidende Stimme der Frau de Courcelles. „Sie dürfen keinen Tag mehr zögern, sonst wird eben perfect, was jetzt nur im Ent stehen begriffen ist. Es giebt nichts Anderes mehr für Sie!" WaS stand auf dem Spiele? fragte sich Frau Gräfin Mar garethe, waS wat hier Alles? Es war nicht ihre Art, zu horchen, und so trat sie denn rasch und entschieden in den blauen Salon ein, in dem sich die Beiden befanden. „Hier bist Du, Victor?" fragte sie im Eintreten wie erstaunt. Die Beiden sprangen wie zwei ertappte Verschwörer auf. Graf Victor verfärbte sich. „Mutter!" rief er üoerrascht. „Ich habe Dich gesucht im ganzen Schlosse. — Pardon, gnädige Frau, wenn ich störe. Ich habe mit meinem Sohne dringend zu sprechen." „O bitte, Frau Gräfin, Sie sind hier Herrin", entgegnete Frau Courcelles geschmeidig. Auch (Aras Victor faßte sich rasch. „Du wünschest, Mutter?" fragte er kurz. „Ich suchte Dich in Deinem Zimmer, Dein Diener fand Dich nicht und so kam ich selbst hierher, Dich zu suchen." „Ich bin ganz zu Deiner Verfügung", antwortete Graf Victor, dann sich gegen Frau Courcelles wendend, fuhr er fort: „Auf Wiedersehen, gnädige Frau." „Ich will nicht stören, wenn es sich um etwas Wichtiges handelt", warf Gräfin Margarethe ein. „O durchaus nicht, Frau Gräfin", entgegnete Frau Courcelles, „was wir zu besprechen haben, das kann an jedem Ort und zu jeder Zeit besprochen werden. Im Gegen- theile, ich habe mich wegen der Störung zu entschuldigen und denke daS am wirksamsten zu thun, wenn ich mich sofort zurückziehe." „Gnädige Frau — —" „Frau Gräfin, auf Wiedersehen, Herr Graf, auf Wieder sehen , sagte Frau Courcelles. Sie sagte somit zu Jedem dasselbe und zu Jedem machte sie dieselbe Verbeugung und doch war eine Nuance in der Verabschiedung, auf die Frau Gräfin Margarethe allerdings weniger achtete, aus der aber hr Sohn herausfand, daß das „auf Wiedersehen", mit dem ich Frau Courcelles von ihm verabschiedete, viel bedeut- ämer, dringlicher klang, als daS, was sie zu seiner Mutter agte. „Ich hoffe, wir werden Sie morgen noch hier sehen, gnädige Frau", sagte Gräfin Margarethe, als sich Frau CourcelleS schon in der Thür befand. „Ohne Zweifel, Frau Gräfin", erwiderte diese; „wenn ich auch selbstverständlich Herrn de Melida und seiner Fa milie in die Stadt folgen muß, so werde ich doch nicht ver fehlen, mich bei Eurer Gnaden besonders zu verabschieden." Wieder eine tadellose Verbeugung, dann waren Mutter und Sohn allein. „Sine sehr angenehme, vornehme Dame, diese Frau de CourcelleS", begann Gräfin Margarethe daS Gespräch, „ihr Adel ist doch gut?" „Wie irgend einer. Eine feine Dame von sicheren ge wandten Formen, ein reiner Gegensatz zu ihrer sogenannten Herrschaft", antwortete ihr Sohn. „Aber was hast Du denn mit ihr zu thun?" „O nichts. Wir haben Kaffee hier getrunken. Voilä tout." „Es schien mir aber doch, als wenn Ihr in angelegent licher Unterhaltung gewesen wäret." „Ei, nun ja, das versteht sich wohl. Sie ist eine geist reiche, anregende Frau von starker Beobachtungsgabe. Ich habe ihr Manches zu danken." „Du? Ihr? Was denn?" „Je nun, ich meinte nur so. Sie machte mich auf Manches aufmerksam, was mir ohne sie wohl entgangen wäre." „Zum Beispiel?" „Nun, zum Beispiel in Bezug auf Felicia." „Hm! Das bringt mich auf eine Sache, wegen deren ich Dich eigentlich aufgesucht habe. Sage 'mal, Victor, was ist denn nun eigentlich passirt? WaS kann der Grund sein, daß uns Herr de Melida so plötzlich und so auffallend ver läßt? Ich weiß nicht, wie das kommt, aber ich habe das Gefühl, ich möchte fast sagen, die Ueberzeugung, alS müßtest Du, wenn auch nicht die Ursache davon sein, so doch bestimmt um die Vorgänge wissen, die Herrn de Melida zu solch' überraschendem Entschluß gebracht haben." Graf Victor fuhr sich nachdenklich mit der Hand über die Stirn. Erst nach einer kleinen Pause versetzte er: „Wenn ich auch nicht bestimmt weiß, wie die Sache zu sammenhängt, so kann ich mir doch den Vorgang erklären." „Nun also! So erkläre ihn mir. Deswegen bin ich hier. Es hängt ohne Zweifel mit einem Verhältniß zu Fe licia zusammen." „Doch nicht, Mutter. Die Sache liegt vielmehr so, daß Herr de Melida bisher glaubte, daß ich ihm bezüglich seiner Einführung bei Hofe von Nutzen sein könne und daß er mich dazu brauche, wie das ja auch thatsächlich ist. Nun sind heute die von ihm so sehr begehrten Einladungskarten zu dem Hoffest am nächsten Sonnabend «ingrtroffen. Er braucht mich also nicht mehr." „Du glaubst, daß deshalb ?" „Ich kenne ihn wohl, Mutter, er ist im Grunde ein Protz, dem es schon lange lästig war, zu uns in einem gewissen Abhangigkeitsverhältnih zu stehen, wenn daS auch nur äußerlich und in conventionellen Formen bestand. So plump und ungeschlacht, wie er äußerlich ist, so ungefügig ist er innerlich. Er will sich in Niemand, absolut in Nie mand schicken. Deshalb war ihm der Aufenthalt in Heb ungen peinlich und deshalb hat er denn auch die erste Ge legenheit benützt, um eS zu verlassen. Er brauchte uns nicht mehr und deshalb glaubte er Dich und mich in dieser Weise vernachlässigen zu dürfen." Das klang nicht ganz unwahrscheinlich. Krau Gräfin Margarethe richtete sich stolz auf. „Und Du glaubst nicht, daß Dein Ver.hältniß zu Felicia darin verwickelt sei?" fragt» sie. „Nein", antwortete er kurz und bestimmt, „das erleidet dadurch, wie mir noch jetzt Frau d« Courcielles versichert, durchaus keine Veränderung. Im GegenthrÄ, diese kleine Trennung dürfte eine momentane Verstimmung, die sie er faßt zu haben scheint, beseitigen und uns nur um so näher bringen, so daß unsere Verlobung vielleicht schon in den nächsten Tagen veröffentlicht werden kann. Ich spmch eben davon mit Frau de CourcelleS, die darin mit mir vollständig Ubereinstimmt." „Wieso? Glaubt sie Felicia so genau zu kennen?" „Sie hat großen Einfluß auf sie — und wird ihn brauchen." Gräfin Margarethe sah ihren Sohn prüfend cm, der mit zitternden, fiebernden Fingern seinen Schnurrbart rnalträ- tirte und, die Augen verbergend, auf den Boden sah. Sie glaubte ihm und glaubte ihm nicht. Aber waS konnte sie weiter thun? Die Erklärung, die er Über die Ereignisse von heute gab, klang leidlich wahrscheinlich. „Ich hatte eigentlich die Absicht, Herrn de Melida, wenn er mir morgen di« versprochene Visite macht, nicht zu em pfangen", sagte sie zögernd nach einer Pause. „Um Gotteswillen nicht, Mutter. Ich möchte nicht, daß Du auf diese Art Veranlassung gäbest» di« Kluft noch zu er weitern. Im Gegentheil " „Nun gut. Ich werd« mein Möglichste« thun Dir zulieb, Victor." „Mutter, ich danke Dir. Ich weiß, welches Opfer Du bringst — —" „ES ist gut. Ich werde e« bringen und nun, gute Nacht, Victor." Sie küßte ihn auf die Stirn, dann sah sie ihm in die Augen, wie es da drinnen wühlte und fieberte und funkelte. Dann seufzte sie leicht auf und verließ daS
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