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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971021017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897102101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897102101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-21
- Monat1897-10
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-aclion und Erpedition: JohanneSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen- geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr., Filialen: Ltto Ulemm'S Lortim. t-llfred Huh»), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Lo«is Lösche, Katbarinenstr. 14, part. und König-Platz 7L Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hau«5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierlelMrlich ^l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung ius Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. UchMr JagMatt Anzeiger. AmisvMt des Königliche« Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 537. Donnerstag den 21. October 1897. Anzeigeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 ge spalten) 50-H, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra rveilagktt (gesalzt), nur mit dec Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.-, mit Postbesörderung 70.-. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. 3«r Frage der Einführung von Reichstagsdiäten. 42 Die „Kreuzzeitung" hat bekanntlich dieser Tage er klärt, „die Regierung" sei vor gar nicht langer Zeit auf dem Wege gewesen, „den freisinnigen Diätenantraz zu acceptiren", bade aber infolge energischen Widerstände- von conservativer Seite diese Absicht wieder aufgegcben. Weiter erklärte das Blatt, die Konservativen seien zwar nach wie vor abgeneigt, einer Perfassungsänderung zuzustimmen, durch welche ohne anderweite Compensationen Tagegelder für Reichstags abgeordnete eingeführt werden, aber e» sei anzunehmen, „daß die Einführung von Diäten an dem Widerspruche der Con- servativen nicht scheitern würde, wenn man gleichzeitig Garantien dafür böte, daß die Gewährung von Tagegeldern nicht- eine üble Wirkung zeitigte". Als solche Garantien seien bisher schon folgende in- Auge gefaßt worden: Herauf setzung der Wablmündigkeit bis nach Vollenvung des dreißigsten Lebensjahres, Einführung deS Wahlzwanges, die Bestimmung, daß Abgeordnete nur in denjenigen Wahlkreisen wählbar sind, wo sie ihren Wohnsitz haben, Abschaffung der Stich wahlen und Beseitigung der Doppelcandidaturen. Eine oder die andere dieser Compensationen. vorzüglich aber die Heraufsetzung der Wablmündigkeit, werde gefordert werden müssen, um das durch die Diäteneinführung alterirte Gleichgewicht wieder herzustcllen. Trotz dieses klaren Hinweises auf die Bedingungen oder richtig die Bedingung, unter der die „Kreuzzeitung" und ihre engeren Freunde für die Diäteneinführung zu haben sein werden, hat ein Theil der Freunde dieser Neuerung die schein bare Abweisung derselben ernst genommen. Die „Kreuzztg." mag sich im Stillen nicht wenig darüber lustig machen. Wie in anderen Parteien, giebt es auch unter den Conser- vativen Politiker, welche die Einführung von Tagegeldern für die Reichstagsabgeordneten aus allgemeinen politischen und aus in der Sache gelegenen Gründen für einen Fehler halten würden. Hier wie dort sind aber diese Gegner — leider! — nicht mehr zahlreich. Von den konservativen NeichstagSabgeordncten hat allerdings noch kein einziger der Mehrheit angehört, die in bereits zehn Abstimmungen Diäten gefordert hat, aber bei der letzten Abstimmung im März d. I. hat etwa die Hälfte der Fraction auch nicht dafür gestimmt. Die Herren waren einfach weggeblieben. Die Einmüthigkeit besagt schon deshalb nichts. Außerdem sind die Freunde der Tagegelder in der konservativen Fraction eines positiven Votums auch ohne ibre Mitwirkung jederzeit sicher. Noch weniger fällt die Enthüllung der „Kreuzzeitung" ins Gewicht, wonach die „Regierung" — war eine Bundeörathsmehrheit dafür vorhanden? — vor nicht langer Zeit auf dem Wege war, den Diäten beschluß deS Reichstags zu acceptiren, dies aber infolge energischen Widerspruchs von conservativer Seite unterblieben ist. Von „conservativer Seite", das ist zu glauben. „Von Seite der Conservativcn", von Beauftragten der Fraction aber ist dieser Widerspruch gewiß nicht ansgegangcu. Vielmehr dürfte dem oder den Einzelne», die die Negierung gegen die Diäten gewährung beeinflußt haben, durch die Mittheilung der „Kreuzzeitung" ein schlechter Dienst geleistet worden sein. Jedenfalls hat das führende Blatt nunmehr die Diätenlosigkeit preis gegeben. Die Compensationen, die eS verlangt und die eS alle bis aus eine ebenfalls preisgiebt, halten zusammen der Diäten gewährung nicht die Waage. Die als unerläßlich bezeichnete Bedingung ist die Heraufsetzung der Wahlmüudigkeit bis nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres. Die Forderung gründet sich auf die Beobachtung, daß sich eine Anzahl Wähler mit steigendem Alter von der Socialdemokratie abwendet. Will man aber die Abkühlung des Blutes ab warten, so muß man die Grenze weit über daS dreißigste Fahr hinausschieben. Der Annahme, daß allein die Be gründung einer Familie den Radikalismus der deutschen Arbeiter abschwäche, widersprechen sogar die bei den Streik- gemachten Erfahrungen, und hier liegt die Berück sichtigung der Interessen der Angehörigen doch gewiß weit näher, al- bei der Abgabe deS Stimmzettels. Der Socialdemokratie geschähe mit der „Compensation" der „Kreuzztg." rin irgendwie bemerklicher Abbruch nicht, wohl aber würde die Heraufsetzung der Wahlmündigkcit zahllose gebildete Zunge Männer aus dem Bürgerthume dem politischen Leben, nicht etwa auf fünf Jahre, sondern überhaupt fern halten. Heute fällt der Eintritt der Wahlberechtigung so ziemlich mit dem Abschlüsse der Vorbereitung für die höheren Berufe zusammen. Nach dem Vorschläge der „Kreuzztg." würden wir Richter, Verwaltungsbeamte, Gymnasial- und selbst Universitäts-Lehrer, selbstständige Fabrikanten, Großkaufleutr bekommen, die sich als politisch „un mündig" zu betrachten hätten. Von den sonst bezeichneten „Compensationen" ist die Be seitigung der Stichwahlen offenbar nicht ernst gemeint. Diese überaus schwierige Frage kann nur im Zusammen hänge mit der Aenderung des Wahlverfahrens überhaupt gelöst werden. Sie muß jedenfalls noch so lange als nicht spruchreif gelten, als die Ansichten über daS Proportionalsystem nicht geklärt sind. Wie die weiterhin vorgeschlagene Abschaffung der Doppelcandidaturen — eine Maßregel, gegen die an sich nichts einznwenden ist — die Nachtheile der Diätcngewährung mildern könnte, ist ganz unerfindlich. Nun der Wahlzwang. Theoretisch läßt er sich als socialrechtlich gegen eine weitere Demokralist- rung deS Reichstages, als welche die Einführung von Diäten jederzeit und mit Recht angesehen worden ist, selbstverständ lich nicht verwerthen und wenn wir die Vorschläge der „Kreuzztg." als etwas Anderes ansähen als einen über ihre Begier nach Tagegelbern geworfenen Schleier, so würden wir uns Wundern, daß diese Anregung von dieser Seite auf genommen wurde. Tie Wahlpflicht ist eine durch und durch demokratische Einrichtung. Darüber ließe sich hinwegsehen, wenn man einen praktischen Vortheil von ihr erwarten könnte. Ihre Statuirung wäre aber ein recht gewagtes Experiment. Vou Leuten, die aus Bequemlichkeit nicht wählen, darf man es sich wohl versehen, daß sie, wenn sie wählen müssen, ihrem Verdruß über den Zwang durch Abgabe vou social demokratischen Stimmzetteln Ausdruck geben. Der politisch indifferente Deutsche ist dazu schon im Stande. Zu diesem allgemeinen Bedenken tritt rin zeitliches. Bei dem immer weiter um sich greifenden Unwillen über die Leitung der Staalsgeschäfte hätten wir nicht den Muth, Wähler, die aus — gewiß nicht zu billigendem — Pessimismus zu Hause blieben, an die Urne zu zwingen. Sie würden nur zu bäufig thnn, was von dem unpolitischen Groll der Gleich- giltigen zu befürchten ist. Schmeichelhaft, das ist wahr, sind diese beiden Befürchtungen für einen Theil des Bürger- tbnmS nicht, aber in der Erörterung von Fragen der Ver fassungsgesetzgebung ist für Complimente kein Raum. Die „Kreuzztg." weiß noch eine fünfte Compensation. Sie greift den schon häufiger gemachten Vorschlag auf, die Wählbarkeit der Abgeordneten auf den Wahlkreis zu be schränken, wo sie ihren Wohnsitz haben. DaS mag aufrichtig gemeint sein. Die zahlreichen Amphibien unter dem kon servativen Adel des preußischen Ostens, die oft den größeren Theil des Jahres in Berlin zubringen, aber ihren „Wohn sitz" da haben, wo ihr Gut oder ihre Güter liegen, würden nicht schlecht dabei fahren. Das jetzige Niveau des Reichs tags erführe aber doch durch eine solche Bestimmung eine weitere Herabdrückung. Denn vielen ausgezeichneten Mannern ist gerade der Wahlkreis des Wohnsitzes verschlossen. Nicht ultramontanen Bonner Professoren z. B. ober uichtsocialdemo- kratischen Landwirthen in Leipzig-Land wäre die Wählbarkeit auf absehbare Zeit aberkannt. Im Uebigen hätte auch solche Beschränkung mit der Diätenfrage nichts zu thun. Wenn diese durch solche Miltelchen nicht compensirt werden kann, so bleibt eS für un« nach wie vor unzweifelhaft, daß die Gewährung von Tagegeldern die zu erhoffende Wirkung nicht haben wird. Wir verzichten auf die Wiederholung der oft dargelegten Gründe und sehen resignirt der Beseitigung deS Art. 32 der Reichsyerfafsung entgegen. Sie wird kommen, selbst wenn die „Kreuzztg." nur unvollständig über die Absichten der Regierungen unterrichtet sein sollte. Jedenfalls wird rin zweites Mal conservativer Widerspruch die Regierung nicht beirren. Der Bund der Landwirthe will Diäten, sein Organ hat sich offen dafür ausgesprochen, da darf die konservative Partei nicht entgegen wirken, wenn man auch die einzelnen Abgeordneten ihr ungefährliches Nein wird sagen lassen. Macht man sich also mit der Neuerung an sich vertraut, so bleibt die Hoffnung berechtigt, daß bei ihrer Gestaltung äußerste Vorsicht walten werde. Die Regierungen sind, sobald sie sich zur Ausführung des Reichstagsbeschlusses entschlossen haben, in einer üblen Lage. Ueber die Bemessung der Höhe der Diäten, der Auszahlung an abwesende Abgeordnete und dergleichen mit dem Reichstage zu discutiren, ist für sie eine delikate Auf gabe. In Berlin, wo der Reichstag sitzt, sitzt auch das preußische Abgeordnetenhaus und dessen Mitglieder beziehen Tagegelder in der exorbitanten Höhe von 15 -4! und unter Bedingungen, die vom staatlichen Standpunkte skandalös zu nennen sind. Dessen ungeachtet muß eS für die Negierungen peinlich sein, den Reichstagsabgeordneten weniger zu bieten, als Preußen seinen LandtagSabgeorbneten gewährt. Es ist unseres Erachtens Pflicht der — wir scheuen vor dem Ausdrucke nicht zurück — soliden Elemente deS Reichstags und insbesondere auch der der Diätengewäbrung nicht abgeneigten Conser- vativen, die Taktfrage durch einen formulirten Initiativ- Gesetzentwurf ausscheiden zu lassen. Will der Reichstag Diäten, so soll er sagen, in welcher Höhe und unter welchen Voraussetzungen. Die ehemaligen Cartellparteien besitzen Wohl genug Schamgefühl, um sich von der Nachahmung dcS preußischen Beispiels fernzuhalten; wenn „die Anderen" schachern, so kann dies nur zur parteipsychologischeu Auf klärung beitragen. Die erwerbSthätigen Frauen im Deutschen Reiche. Ueber die erwerbstätigen Frauen im deutschen Reiche lesen wir im „Reichsanz." Folgendes: Die ortsanwesendc Bevölkerung des deutschen Reichs wurde für den 14. Juni 1805 auf 51 770 284 Personen, nämlich 25 400 158 männ liche und 26 361 125 weibliche, berechnet. Die an jenem Tage unternommene allgemeine Berufszählung bat nun nach gewiesen, daß unter den weiblichen Personen sich 5 264 409 erwerbSthätige und 1 313 954 dienende Frauen befinden, daß mithin 6 578 362 Frauen oder nicht weniger als ein Viertel der weiblichen Bevölkerung (24,96 Pro cent) auf eigenen Verdienst angewiesen sind. vr. Wuttke in Dresden hat dieses überraschende Ergebniß kürzlich in einer kleinen Schrift näher untersucht und besprochen, und man kann die klar und anregend geschriebene Arbeit, der die folgenden kurzen Angaben entnommen sind, Allen, die sich für die Entwickelung unserer wirtschaftlichen Ver hältnisse interessiren, auf das Wärmste zum Studium empfehlen.*) Die Zahl der erwerbstätigen Frauen im deutschen Reiche ist seit der Berufszählung von 1882 um 1 005 305, d. i. um 1,51 Procent gewachsen. Dagegen hat diejenige der weiblichen Berufslosen und Familien angehörigen um 2,64 Procent abgenommen. Angesicht- dieser gewaltigen Massen spielen die ost als Anzeichen der modernen Frauenbewegung besprochenen Einzelfälle, in welchen Frauen in die bisher nur Männern offenstehenden Berufsarten eingedrungen sind, offenbar nur eine unter geordnete Rolle. In dem Ergebniß der letzten Berufs zählung tritt dagegen der breite Strom weiblicher Arbeits kräfte, welcher sich schon seit Jahren in der Stille und mit *) vr. R. Wuttke, Die erwerbSthätigen Frauen. Dresden, von Zahn L Jänsch. 1897. wachsender Kraft in die Berufsstände der Landwirthschaft, des Bergbaues und der Industrie, sowie deS Handels und des Verkehrs ergießt, an den Tag und bietet sich der allgemeinen Beobachtung dar. In der Landwirthschaft, bei der die Zahl der Dienenden und der Angehörigen um 5,88 Procent gesunken ist, sind 218 245 geringer belohnte Frauen (-j- 8,61 Procent) an die Stelle von 162 049 höher belohnten Männern (— 2,85 Procent) getreten. Bergbau und Industrie, Handel und Verkehrswesen haben die dort unverwend bar gewordenen Arbeitskräfte ausgenommen. Aber die blühende Entwicklung der deutschen Industrie ist von folgen schweren Betriebsänderungen begleitet: ein bedeutender Theil der kleinen Betriebe fällt den größeren zum Opfer. Unter den fortwährend wachsenden Schaaren der unselbstständigen ErwerbSthätigen tritt die Frau als Arbeiterin und erwerbs- thätige Angehörige besonders in den Stellungen, für welche nur geringe Vorkenntuisse gefordert werden, auffallend hervor. Wohin man blickt, sei es in die häuslichen Dienste oder in die freien Berufe, überall geht die Zahl der Männer zurück und steigt die Zahl der Frauen. Neben einer Zunahme der männlichen ErwerbSthätigen von 39,77 Procent steht hier eine solche der weiblichen von 81,99 Procent. BemerkenS- werthe Erfolge haben die Frauen endlich in dem Berufsstande des Handels und deS Verkehrs errungen. Sie dringen hier auf der ganzen Linie siegreich vor, ja, sie können im so genannten niederen Hilfspersonal bei fast gleicher absoluter Zunahme der Männlichen und Weiblichen auf eine mehr als dreimal stärkere relative Zunahme zurückblicken. Mag auch die Zahl der in höheren Stellungen befindlichen Frauen trotz eine« relativen WachSlhumS von 279 Procent noch gering sein, so ist doch festgestellt, daß schon heute jede vierte in diesem Berufsstande thätige Person eine Frau ist (von 2 338 508 überhaupt — 579 608 Frauen). Je näher vr. Wuttke in seiner fesselnden Untersuchung der einzelnen Berufsarten den Leser an die Erscheinungen de- wirklichen Lebens hinanführt, desto verständlicher und lauter beginnen die Zahlen zu reden. Sie erzählen von dem mächtigen Umschwung, der unsere ganze Productionswcise ergriffen Hal, und von dem Antheil, welchen die Frauen daran nehmen. Ist uns die erwerbSthätige Frau in der Landwirthschaft ein gewohnter Anblick, so sehen wir sie auch in die Stätten der Industrie einziehen. Natürlich ist ihre Zahl in den einzelnen Berufsarten nach deren Eigenthümlich- keit sehr verschieden; aber bestimmte Industrien, wie die Textil-, die Nahrung«- und Genußmittel-, die Bekleidungs und NeinigungSindustrien u. A. m. dürfen schon jetzt als vorzügliche Gebiete der Frauenarbeit angesehen werden, auf denen Sie Frau in absehbarer Zeit den Mann bis an die gegebene Grenze zurückgedrängt haben wird. „Wenn über haupt in einer Industrie ein relativ großer Procentsatz von Frauen thätig ist, so drängt auf die Länge die Frau den Mann zurück." vr. Wuttke spricht sogar nicht mehr von einem Kampfe um die Zulassung der Frau, sondern von einem solchen um die Beibehaltung deS Mannes. — Nur zwei Gebiete sind der erwerbSthätigen Frau bisher noch ver schlossen geblieben: das Handwerk durch die Macht der Sitte und die höheren Staatsdienste und freien Berufe durch die in den Gesetzen gezogenen Schranken. Deutsches Reich. * Leipzig, 20. October. Herr ReichSgerichtSrath vr.Rassow, der dem fünften Civilsenate deS Reichsgerichts angebört, begeht am 23. October sein bOjähriges Dienstjubiläum. Dem Jubilar nahe stehende Kreise planen verschiedene Ehrungen. * Vertin, 20. October. Bezeichnend für die Stimmung, welche zur Zeit in einem Theile unserer gebildeten Kreise herrscht, sind die Ausführungen eines Arztes, des vr. Koß- mann, der in der Aerzlekammer jür die Provinz Branden- FaurHeton. Friedrich Fröbel als Lühow'scher Läger. Nachdruck »irdoten. „Ich habe mich im Verlaufe de» wirk lichen ltriegerledenS sehr für da» In teresse de« deutschen Landes und deutschen Volkes begeistert; mein Streben bekam eine Richtung aufs Nationale." Fröbel. Im Jahre 1811 war der neunundzwanzigjährige Pädagog Friedrich Fröbel in Berlin eingezogen, um an der Jahres zuvor gegründeten Universität sich neuen Studien hinzugeben. Hatte er doch durch Gruner in Frankfurt, vor Allem aber durch den Altmeister Pestalozzi in Burgdorf selbst eine völlig neue Lebens richtung erhalten. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten unter dem Naturforscher Weiß widmete er sich auch dem Unterrichte an der Plamann' schen Erziehungsanstalt, die ja der Gruner'schen in Frankfurt so ähnlich war. Auch Johann Ernst Plamann war ein Jünger Pestalozzi'», und auch er war be müht, in dessen Geiste eine neue Jugenderziehung anzubahnen. Hervorragende Männer wurden ihm treue Mitarbeiter: der kernige FriedrichLudwig Jahn, der Turnvater, ferner der edle FriedrichFriesen, Professor Zeune, der Geograph und Begründer der Berliner Blindenanstalt, der Pädagog Wilhelm Harnisch, und der Geograph Marias Schmidt, der sämmtlichen Kindern König Friedrich Wilhelm's III. Unterricht ertheilte. Alle diese Leute wirkten im Sinne dieses Königs, der noch dem Tilsiter Frieden die Weile sprach: „Zwar haben wir an Flächenrqum verloren, zwar ist der Staat an äußerer Macht und äußerem t^lanz gesunken; aber wir wollen und müssen sorgen, daß wir a4 innerer Macht und an innerem Glanz gewinnen. Und darum^st es mein ernster Wille, daß dem Volksunterricht die größte Aufmerksamkeit gewidmet werde. Und Fichte's Reden an die deutsche Mrtion übten einen entflammenden Einfluß aus auf Alle, die ihm nahe standen, und das waren die Lehrer am Pla- mann'schen Institute. In diesen lebhaft national empfindenden Kreis trat nun im Jahre 1811 Friedrich Fröbel. Seine Studien fesselten ihn zwar so sehr, daß er außer der Unterrichtszeit nur wenig mit seinen Berufsgenossen in Fühlung trat. Dennoch vermochte er sich dem gewaltigen Einflüsse der Zeitströmung nicht zu entziehen, wenn auch Ludwig Jahn von ihm sprach als von einem „sonder baren Kauze, der aus Steinen und Pflanzen gar Seltsames hrrauszulesen wissen." Und als in dem ewig denkwürdigen Früh jahr 1813 in Preußen die Wiedergeburt Deutschlands ihren Anfang nahm, da wurde auch Friedrich Fröbel mit Macht er griffen. Er sagt selbst über seine Lage in dieser Zeit: „Ich hatte wohl eine Heimath, ein Geburtsland, ich konnte sagen, ein Mutterland, aber eigentlich noch kein Vaterland. D i e Heimathrief mich nicht,Preuße war ich nicht, und so kam es, daß bei meinem zurückgezogenen Leben der all - gemei ne Aufruf zu den Waffen mich wenig begeisterte. Aber etwas anders war es, was mich zwar nicht mit Enthusiasmus, aber mit einer felsenfesten Entschlossen heit in die Reihen der deutschen Krieger rief. Es war das Gefühl und Bewußtsein von dem rein Deutschen, daS ich als etwas Hohes und Hehres in meinem Geiste verehrte, und von dem ich wünschte, daß es überall ungehemmt und frei sich kund thun möge. — Ferner bestimmte mich die Festigkeit, mit welcher ich meinen Erziehrrberuf festhirlt. Konnte ich auch wirklich nicht sagen, daß ich ein Vaterland habe, so mußte ich mir doch gestehen, daß jeder Knabe, jede- Kind, was später vielleicht von mir zu erziehen sein wertze, ein Baterland habe, und daß dieses jetzt Dertheidigung fordere, jetzt, wo das Kind selbst noch nicht vertheidigen könne. E s war mir gar nicht zu denken möglich, wir ein waffenfähiger junger Mann Erzieher von Kindern und Knaben werden könne, deren Baterland er nicht mit seinem Blut und Leben vertheidigt habe. Es war mir zu denken unmöglich, wie ein junger Mann, der sich jetzt nicht entblödete, feige zurllckzuweichen, später ohne schamroth zu werden und ohne sich dem Spotte und der Verachtung seiner Zöglinge preiszugeben, diese Zöglinge zu irgend etwas Großem, Aufopferung und Hingabe Forderndem begeistern könne. Dies war das Zweite, was auf meinen Entschluß bestimmend einwirkte. — Drittens erschien mir der Aufruf zum Kriege als einZeichenderallgemeinenNothderMenschen, desLandes und der Zeit, in welcher ich lebte, und ich fühlte, daß es unwürdig und unmännlich sei, eine all gemeine Noth der Menschen, unter welchen man lebe, nicht mit zu bekämpfen, zur Verscheuchung einer allgemeinen Gefahr nicht das Seinige beizutragen. An diesen Ueberzeugungen scheiterte jedes Bedenken, selbst dasjenige, welches aus der Betrachtung meiner für solches Leben viel zu schwachen Körperconstitution er wuchs." Esist bekannt, daß das Plamann'sche Institut dem freiwilligen Corps der Majore von Lützow und von Petersdorfs hervorragende Kräfte stellte: Friesen und Jahn wurden ihm die rührigsten Werber, und Wilhelm Harnisch, der inzwischen Vor steher des Breslauer Schullehrerseminars geworden war, mußte zwar in Breslau bleiben, führte aber daheim die Ausrüstungs geschäfte der schwarzen Schaar in vortrefflicher Weise. Unter den sechzig Lützowern, welche am 11. April 1813 unter Jahn's Führung Berlin verließen, befand sich auch Friedrich Fröbel. Seine beschränkten Mittel erlaubten ihm nicht, wir so mancher Andere als Jäger zu Pferd, als Husar oder Ulan zu dienen; er begnügte sich damit, als Jäger zu Fuß dem Corps an zugehören. Ist er somit wenig mit den bekanntesten Lützowern mit Friesen, Körner, Vietinghoff u. s. w., in Berührung ge kommen, so fand er doch schon am ersten Marschlage zwei Männer, an die er sich — und nicht für den Feldzug allein, sondern für da ganze Leben — anschloß. Am Morgen machte Jahn ihn mit einem Thüringer Landsmann, mit Heinrich Langethal, bekannt. Dieser war 1811 nach Berlin gekommen und hatte sich ganz dem Einflüsse Fichte's, Schleiermacher's und Neander's hin gegeben. Als der Aufruf des Königs bekannt wurde, beschloß er sogleich, Lützower zu werden: der Rock wurde schwarz gefärbt und zur Uniform umgenäht, der Mantelkragen gab die Bein kleider, am Mantel wurde ein rother Kragen angeheftet, für 10 Thaler wurden Tschako, Tornister und Kartusche gekauft, zu dem Hirschfänger, den er schon besaß, lieferte ihm Jahn die Büchse — und der Lützow'sche Jäger war fertig. An demselben Tage führte Langenthal dem neuen Bekannten seinen Freund Wilhlem Middendorf zu, der gleichfalls Schüler der drei oben ge nannten Universitätslehrer war. Ihm war Fröbel nicht unbe kannt, denn zu ihm hatte Jahn das Wort von dem sonderbaren Kauz gesprochen. Es war in Meißen, wo die jungen Leute beim feurigen Landwein den herrlichen Frühlingsabend genossen und einander ihre Ideale offenbarten. Vom 17. bis zum 25. April weilten die Lützower in Leipzig, wo das Corps nach dem Aussvruche eines der Ihrigen, „seine Flitterwochen" verlebte, tüchtig übte, fleißig warb und durch Zu zug aus Norddeutschland sich verstärkte. Von Leipzig aus hat Friedrich Fröbel in der Nähe Verwandte besucht, wie aus einem Briefe hervorgeht, den uns der Besitzer des „Historischen Museumsam Napoleon st eine", Herr M. Bertsch, in dankenswerthester Weise zur Verfügung stellte. Leider trägt das Schreiben keine Adresse, es ist aber so interessant, daß wir uns nicht versagen können, es hier zum Abdruck zu bringen. Dessau, den 29. April, Donnerstags Abend 10 Uhr, 1813. Innig hochverehrte Frau Tante! Begleitet von Ihren herzlich wohlmeinenden Wünschen, und im Andenken an die sprechenden Beweise Ihrer teilnehmenden Liebe, legteichSonnabendAbend meineReisesehr bald und glücklich zurück und erreichte gegen 11 Uhr meine Compagnie in Skeuditz, wo sie bis gegen 4 Uhr Morgens blieb. Von dort wollten wir unsern Weg nach Halle oder Merseburg fortsctzen, allein der Stand der Franzosen und da sie von unserer Marschroute durch Spione unterrichtet waren, verhinderten es. Diese Nacht blieben wir unter freiem Himmel. Dienstag früh setzten wir unsern Weg nach Landsberg fort, mußten uns aber wegen der Menge Militair, die in dieser Stadt lag, noch drei Stunden vorher in der Nähe eines Dorfes unter freiem Himmel lagern. Ich war während diese- Tage- sehr krank, da mein
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