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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971022019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897102201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897102201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-22
- Monat1897-10
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Gxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Ännahmeschluß für Anzeige»: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 539. SS——SS———WW—WS—- Die neue Concursordnung. k. Daß die deutsche Concursordnung einiger Abänderungen bedarf, ist sowohl in Hanvelskreisen, wie in den Kreisen der Juristen anerkannt worden, und seit nunmehr fünf Jahren wurden Petitionen über Petitionen erlassen, um diese Abände rungen endlich verwirklicht zu sehen. Aber eS wollte nickt dazu kommen. Während man der Gewerbeordnung fast alljährlich mit Veränderungen zusetzte, schien man vor der Concurs ordnung bis jetzt eine gewisse Sckeu empfunden und sie für ein gesetzliches ^oli ms taugors gehalten zu haben. Jetzt wird eS aber erfreulicher Weise auch mit der Revision der Con cursordnung Ernst. Der Entwurf zu einer neuen Concurs ordnung ist von den Regierungen bereits den oberen Gerichts behörden zur Begutachtung zuge^angen. Man kann nicht sagen, daß derselbe so gehalten wäre, um allen Mißständen, welche auf dem Gebiete des ConcurSrechteS zu Tage getreten sind, den Garaus zu machen. Leider beschränken sich eigentlich die geplanten Neuerungen in der Hauptsache darauf, die Concursordnung mit den Vorschriften des neuen bürger lichen Gesetzbuches, den Gesetzen über die Zwangs versteigerung und Zwangsverwaltung und dem Handels gesetzbuch in Einklang zu bringen. Das ist ein sehr löbliches Beginnen, aber es wird damit den Wünschen auf Beseitigung gerügter Mißstände nur zum Theil Rechnung getragen, und wir meinen, daß es richtiger sei, wenn einmal eine neue Concursordnung geschaffen wird, sie auch so zu gestalten, daß sie nicht revisionsbedürftig bleibt. Von den 2l4 Paragraphen der Concursordnung sind 167 ganz un verändert geblieben. Unter den Abänderungen befinden sich einzelne, welche in dankenSwerther Weise zur Sicherheit im Handelsverkehr beitragen werden. Dahin rechnen wir in erster Linie die Vorschrift, daß daS Concursverfahrcn auch im Falle unzureichender Masse durchgeführt und dies dadnrch ermöglicht werden soll, daß ein zur Deckung der Massekosten ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird. Schon im Jahre 1891 hatte der Verband der Vereine Creditresorm in einer Petition die Eröffnung des Concurses auch bei un zureichender Masse befürwortet. In der betreffenden Ein gabe wurde als weitere dringende Forderung die Veröffent lichung derjenigen Schuldner bezeichnet, über deren Vermögen wegen Mangels an Masse der Concurö nicht eröffnet werden konnte. Auch dieserAnforverungist derGesetzgebernachgekommen. Es soll nämlich nach der neuen Concursordnung bei den Amts gerichten ein Verzeichniß derjenigen Schuldner geführt und öffentlich ausgelegt werden, bezüglich deren der Eröffnungs antrag, gemäß tz 99 der Concursordnung, aus Mangel einer Concursmasse abgewiesen worden ist. Derartige Fälle sind sehr zahlreich. Bei ihnen dringt der Umstand, daß der betreffende Geschäftsmann fallirt und seine Zahlungs unfähigkeit erwiesen ist, heute gar nickt in die Oeffentlichkeit und kein Handel- und Gewerbetreibender kann sich gegen Creditausbeutung eines solchen Geschäftsmannes schützen. Jeder Credit aber, den er einem solchen Schuldner gewährt, wird für ihn meist einen Verlust bedeuten, dem durch eine einfache Bekanntmachung der Thatsache, daß daö Verfahren wegen Mangels an Masse nicht eröffnet worden ist, ab geholfen werden kann. Von diesen Erwägungen geleitet, batte der Verband der Vereine Creditresorm eine Veröffent- lickung nach Maßgabe von tz 68 der Concursordnung gewünscht, also eine öffentliche Bekanntmachung in den Amts blättern, wie sie bei der Eröffnung des Verfahrens schon jetzt üblich ist. Das wäre auch nach unserem Dafürhalten die einzige Möglichkeit, um den Geschäftsleuten den nöthigen Schutz zu Tbeil werden zu lassen. DaS Auslegen eines ent sprechenden Verzeichnisses, dem Verzeichnisse der Manifestanten ähnlich, wird nur mangelhaften Schutz gewähren, denn eS wird eben sehr vielen Geschäftsleuten unbekannt bleiben, daß der Name ihres Contrahenten in jenem Verzeichnisse ein getragen ist. Wird aber zeitweilig ein Auszug aus diesem Register in den Amtsblättern veröffentlicht, so kann sich Niemand mehr darauf berufen, daß ihm die zerrütteten Ber- mögensverhältnisse des Schuldners nicht bekannt gewesen seien. Werden doch anderwärts, z. B in den freien Hansastädten, schon jetzt die Auszüge aus der Manifestanten-Liste ver- Freitag den ösfentlicht. Wenn man eingewandt hat, daß man durch eine solche Publication die Existenz des Schuldners gefährden und ihn an den Pranger stellen würde, so ist das eine Pseudo-Humanität, die an den bouus praetor im römischen Recht erinnert, der auch immer mit dem armen Schuldner Mitleid fühlte, aber nicht daran dachte, wie dem „armen Gläubiger" zu Muthe war. Und soll denn der Schuldner, der keine Masse zur Verfügung stellen kann , mehr geschont werden als der, welcher mit Masse antritt? Ist das gerecht? Gegenwärtig bekommt der Schuldner, der seinen Gläubigern gar nichts läßt, dafür noch eine Belohnung insofern, als seine unsolide Vermögenslage nicht zur Kenntniß des Publikums gebracht wird, während ein anderer, der 50 Procent Masse stellt, „an den Pranger kommt". An diesem ungesunden Zustande wird auch durch die neue Concursordnung leider nichts geändert. Eine Verschärfung soll 8 2lO der Concursordnung er fahren. Nach dieser Strasvorschrift sollen Schuldner wegen einfachen BankeruttS mit Gefängniß bis zu zwei Jahren be straft werden. Die neue Concursordnung läßt Gefängniß- strafe bis zu fünf Jahren und daneben Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zu. Es soll einfacher Bankerutt künftig nicht nur beim Verbrauch übermäßiger Summen durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel, bei mangelhafter Führung der Handelsbücher und Unterlassung der Bilanz ziehung (K 210, Nr. 1—3 der Concursordnung), sondern auch dann angenommen werden, wenn Jemand „in der Ab sicht, die Eröffnung des Concursverfahrens hinauszuschieben, Waaren oder Werthpapiere auf Credit entnommen und diese Gegenstände erheblich unter dem Werthe in einer den Anfor derungen einer ordnungsmäßigen Wirtbschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst weggegeben hat". Der Verschärfung aller Strafvorschristen der Concursordnung kann man nur sym pathisch gegenüberstehen. Es giebt heute leider GotteS Menscken, welche aus der Einstellung der Zahlungen ein Geschäft machen. Einst galt der Bankerutt für eine große Schande nnd der Bankerutteur war gesellschaftlich geächtet. Heute denkt man nicht mehr so streng von der Pleite und der Bankerutteur hebt sein Haupt ebenso hoch wie jeder Andere. Da muß wenigstens durch verschärfte Straf bestimmungen das leichtsinnige Bankeruttmachen verleidet werden. Ob freilich diese Verschärfung genügen wird, bleibt abzuwarten. Der von der Reickstagscommission seiner Zeit gestellte Antrag, dem Gemeinschuldner die weitere Befähigung zur Bekleidung von Ehrenämtern in wirthschaftlichcn Körper schaften, zum Besuch der Börse, sowie zum Betriebe von Handelsgeschäften unter einer nicht lediglich die Zeichnung seines vollen Namens enthaltenden Firma zu nehmen, Hal die Billigung der Regierung nicht gesunden. Auch wir ver sprechen unS von dieser Beschränkung, der nach Tilgung aller Schulden die Rehabilitation zu folgen hätte, nicht allzu viel. Die Anforderungen, welche hauptsächlich in Handelskreisen an die neue Concursordnung gestellt wurden, betrafen in erster Linie das Zwangsvergleichsverfahren. Man wollte Garantieen gegen unlautere Zwangsvergleiche ge schaffen wissen, und es fehlte nicht an Enqueten, welche sich mit der Feststellung der Lage der Zwangsvergleiche be- schäftigten. Von der einen Seite rief man nach einer Er schwerung des Abschlusses von Zwangsvergleichen, von der anderen Seite warnte man vor solchen Erschwerungen, da sie oft das Scheitern des Zwangsvergleiches herbeiführen und dadurch die Gläubiger in eine ungünstigere Position bringen würden. Daß etwas gegen die Auswüchse des Zwangsvergleichs verfahrens gethan werden mußte, unterliegt gar keinem Zweifel. Die „Kölnische Volkszeitung" hat über die Zwangs vergleiche der letzten Jahre eine recht interessante Statistik ausgestellt. Diese Statistik ergiebt, daß die Fälle mit ver- hältnißmäßig befriedigendem Zwangsvergleiche abgenommen haben. Die Zahl der ganz erbärmlichen Vergleiche, in denen die Gläubiger nicht einmal 10 Procent erhielten, istvon 83 Fällen im Jahre 1895 auf 93 Fälle im Jahrq, 1896 «gestiegen, eine be- klagenswerthe Erscheinung. Man hat geglaubt, dem Zwangs- vergleichS-Unwesen dadurch steuern zu können, daß für den Zwangsvergleich ein bestimmter Procentsatz, vielleicht 30 Proc. der Forderungen, festgesetzt wird. Em solches Limitiren 22. October 1897. der Vergleichssumme halten wir für außerordentlich be denklich, denn es kann in sehr vielen Fällen den Zwangs vergleich vereiteln und die Gläubiger schädigen, wo der Concursausbruch einen ganz ehrlichen und schuldlos in Ver mögensverfall gekommenen Cridar betrifft. Auch die schon erwähnte Einführung einer sogenannten „Wiederbefähigung", welche erst nach Tilgung der Schulden, voller oder theilweiscr Tilgung, oder erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, z. B. fünf Jahren, dem Gemeinschulvner wieder das Recht giebt, ein Handelsgewerbe zu betreiben, ist nicht einwandfrei und dürfte gerade einen Einfluß auf das Unwesen bei Zwangs vergleichen überhaupt nicht gewinnen. In anderer Weise sucht die neue Concursordnung dem Uebel zu begegnen. Nach ihr ist das Concursgericht von Amtswegen berechtigt, den Zwangsvergleich auch dann zu verwerfen, „wenn der Gemein schuldner infolge seines Verhaltens der Gewährung der mit dem Vergleich für ihn verbundenen Vortheile unwürdig er scheint." Davon, daß der Begriff „unwürdig" ein sehr dehnbarer ist, der dem freien richterlichen Ermessen denn doch einen allzugroßen Spielraum geben würde, wollen wir absehen; als bedenklich müssen wir es aber bezeichnen, dem Con- cursgerichte gegen den Willen der Gläubiger das Recht zu geben, einen Zwangövergleich zu hindern. Das Gericht wirthschaftet in solchem Falle aus dem Beutel der Gläubiger. So enthält die neue Concursordnung gerade in den Bestimmungen, welche neues Recht bedeuten, wenig un bedingt Anerkennenswertstes. Wenn sie in der gegenwärtig vorliegenden Form Gesetz würde, würde man von diesem Gesetz mit Lessing sagen können, das Gute in ihm ist nicht neu und das Neue in ihm ist nicht gut! Deutsches Reich. * Berlin, 21. October. Der mit den vaticanischen Kreisen in Fühlung stehende Correspondent der Wiener „Pol. Corr." schreibt aus Rom: „Der erzbischöfliche Stuhl von Freiburg im Breisgau ist nunmehr schon seit nahezu zwei Jahren vacant und noch immer haben die Verhandlungen behufs Ernennung eines neuen TitularS zu keinem positiven Resultate geführt. Es wiederholen sich gegenwärtig dieselben Schwierigkeiten, die sich bei früheren Lacanzen des genannten Erzbischosssitzeö ergeben haben. Bekanntlich besitzt das Capitel der Kathedralkirche von Freiburg das Präsen tationsrecht bei der Besetzung des erzbischöflichen Stuhles. In Ausübung dieses Rechtes hat dasselbe schon vor mehr als einem Jahre der großherzoglichen Regierung von Baden eine Liste von drei Candidalen unterbreitet. Da jedoch die Regierung diese Candidalen für unannehmbar erachtete, hat sie den Vorschlag des Kirchencapitels unbeantwortet gelassen und directe Verhandlungen mit der Curie behufs Regelung der Angelegenheit eingeleitet. Der Vatikan würde es gerne sehen, wenn das Kirchencapitel von Freiburg auf sein Präsentationsrecht verzichten wollte, und hat schon wiederholt dahinzielende Schritte unternommen. Bisher jedoch ohne Erfolg, da das Capitel an seinem Rechte fest hält. Unter diesen Umständen glaubt man in den vaticanischen Kreisen, daß die Curie, ähnlich wie bei früheren Gelegen heiten, sich mit Umgehung des Kirchencapitels von Freiburg dircct mit der großherzoglichen Negierung von Baden hinsichtlich der Ernennung eines neuen Erzbischofs von Freiburg verständigen werde." * Berlin, 21. October. Mit deutlicher Abzielung auf die Tagung deS „Evangelischen Bundes" in Creseld, wenngleich ohne ihn zu nennen, bat am 18. d. Mts. der Weidbischof Or. Schmitz aus Köln in Creseld, wo er sich auf einer Visitationsreise befand, eine Rede gehalten, bei der die Lippen des Herrn Weibbischofs förmlich trieften von Worten deS Friedens, den in „großer Duldung", in „heiliger Toleranz eines friedlich gearteten Gemülhes" — die Ultramontanen erstreben, während Vie Evangelischen das „Verbrechen am Vaterlande" begehen, „die heilige Kirche an den Lästerpfahl zu stellen": „wir werden gelästert und wir segnen, man flucht uns und wir beten!" so ruft „echt 91. Jahrgang. evangelisch" der Herr Weihbischof aus. Derjenige Theil der Crefelder Bürgerschaft, der sich an der Abwehr des Evangelischen Buntes gegenüber den römischen Be schimpfungen Lulher'S und der Reformation betheiligte, ist in den Augen des geistlichen Herrn „ein un gesunder Tbeil in der evangelischen Bürgerschaft"; der gesunde Theil ist derjenige, dem die ultramontancn Schmähungen gleichgiltig sind. Ter ProteuS jesniliscker Taktik beliebt hier einmal mit den Augen treuherzigster Unschuld die Sachen auf den Kopf zu stellen. All die schönen Worte, von denen wir einige angeführt, müßte, wenn er auf richtig sein wollte, der Herr Weihbischof umkchren und, statt an die Adresse der Protestanten, nach Nom richten; denn durch den Papst ist in jüngster Zeit in seinem Canisius-Rundschreiben der Same konfessioneller Zwietracht wieder einmal über die Alpen geworfen worden. Wenn l)r. Schmitz, wie er erzählt, als Militairgeistlicher in den evangelischen Kreisen, „ritterliche Art und Bildung viel zu entschieden vertreten" fand, als daß man es gewagt hätte, ihn damals auch nur mit einem Worte in seiner katbolischcn Ueberzeugung zu verletzen, so wäre es für ihn vielleicht auch „echt evangelisch", eine kleine Gabe von dieser Art und Bildung dem Papst und der Kurie zu wünschen. (Nat.-Z ) (-) Berlin, 21. October. (Telegramm.) Tie Er nennung des Botschafters v. Bülow zum StaatSsccretair des Auswärtigen Amtes und zum Staatsminister nt laut der „N. A. Z." gestern vom Kaiser vollzogen worden. (-) Berlin, 21. October. (Telegramm.) Die „N. A. Z." berichtet: Die in den letzten Monaten auf den deutschen Eisenbahnen vorgekommenen Unfälle veranlaßten das Reichs- Ei senk ahn-Amt zu einer Prüfung, ob es nicht zur Er höhung der Betriebssicherheit räthlich sei, die vom BundeS- rathe für das Eisenbahnwesen erlassenen allgemeinen Ver ordnungen verschiedentlich zu ergänzen. Das Ergebniß der Prüfung ist den meistbetheiligten Bundesregierungen in der Gestalt bestimmter Vorschläge mitgetheilt, und es sind zugleich die Regierungen eingeladen worden, bei der Beschlußfassung ^des Bundesraths und der vor bereitenden kommissarischen Verhandlung, die für Ende des Novembers in Aussicht genommen ist, sich vertreten zu lassen. Zur Berathung ist u. A. gestellt: die obligatorische Ein führung von Vorsignal-Einrichtungen, die Strecken- blockirung auf den stärker befahrenen Bahnlinien, die größte zulässige Stärke der Güterzüge und schnell fahrender Personenzüge u. s. w., die Entlastung der Stationsbeamten von den anderweitigen Geschäften. (D Berlin, 21. Oktober. (Telegramm.) Staats- secreiair Graf v. Posavowsky bat sich laut der „Post" von seiner Erkrankung wieder vollständig erholt und hat bereits gestern die AmtSgeschäfte im ganzen Umfange wieder aus genommen. (-) Berlin, 21. October. (Telegramm.) Der „Reichs- Anz." veröffentlicht die Abberufung des bisherigen Gesandten am württcmbergischen Hofe, Wirkt. Geh. Raths Ür. v.Hallebcn, behufs anderweiter dienstlicher Verwendung. — Die „Bielefelder Volkswacht" schrieb kürzlich hin sichtlich der Betheiligung der Socialdemokratie an den preußischen Landtagswahlen: „Es ist gar keine Frage, daß die Constatirung Singer'» (der Parteitag sei einmütbig, daß eine Betheiligung nur durch Auf stellung socialdemokratischer Wahlmänner geschehen könne) gar keine bindende Kraft hat. Bindende Kraft haben nur die Beschlüsse des Parteitages." Demgegenüber erklärt nun der „Vorwärts": „Da die Singer'sche Interpretation des Beschlusses aber nicht nur von Bebel als Antragsteller seiner Resolution, sondern auch vom Parteitag in unanfechtbarer Weise als richtig anerkannt worden ist, und zwar vor der endgiltigen (Gesammt-)Ab- stimmung über den nunmehr vorliegenden Beschluß, so hat sie allerdings bindende Kraft." FeeeiHetsn. » -H —< Aus dem Leben -er deutschen Kriegsmarine. Bon H. von Niessen, Eapitainlieutenant a. D. Nachdruck verboten. Vl. (Schlußartikel.) Beim Schutze de» deutsche» Handel». Neben der allerdings nur im Kriegsfälle zu lösenden Aufgabe des Schutzes der heimischen Küsten erwächst unserer Marine die weitere, sehr wichtige Pflicht, die Deutschen im Auslande und den überseeischen Handel zu beschirmen, wo immer es sei. Die Gelegenheit hierzu bietet sich häufiger, namentlich nachdem wir in die Reihe der Colonialmächte eingetreten sind und naturgemäß in den Kinderjahren der Schutzgebiete manchmal gezwungen waren und auch in Zu kunft noch sein werden, dem deutschen Ansehen mit deutschem Schwerte Geltung zu verschaffen. Aber auch an anderen, nicht unserer Oberhoheit unterstehenden Orten auf dem Erd ball, die, von der See bespült, dem Nahen von Kriegsschiffen und damit unserem strafenden Arme ausgesetzt sind, gilt eS zuweilen, frevelhaften Uebergriffen, Verbrechen gegen Eigen tum und Leben zu steuern und man könnte füglich meinen, diese Aufgabe wäre die wichtigere, da sie in die glücklicher weise ja längeren FriedenSzeiten fällt, mit anderen Worten häufiger der Lösung bedarf. Ab und zu liest man von diesem oder jenem unserer Kriegsschiffe, es hätte hier und dort fest gefahrene Handelsfahrzeuge abgeschleppt, ausgebrochene Brände an Bord und an Land thatkräftig löschen helfen, bald in einem, bald in dem anderen Welttheil Repressalien vorgenommen, Schüsse gewechselt und Entschädigungen er zwungen. Freut sich auch Jedermann hierüber, so bedauert er meist nicht minder, daß derartige Berichte stets so kurz gehalten sind. Möchte er doch gern Näheres über die Durch führung solcher Maßnahmen erfahren, wodurch der Marine schwerlich Schaden erwachsen, das Interesse an ihr und das Wohlwollen ihr gegenüber im Volke aber ganz entschieden gefördert würde. Sehen wir also, wie es bei derartigen Gelegenheiten hergeht, was dabei Alles zu berücksichtigen ist und welche Schwierigkeiten der Ausführung erwachsen, worüber unter der großen Zahl solcher Fälle die folgenden, freilich weiter zurück liegenden, darum aber nicht weniger interessanten Aufschluß geben sollen. Anfangs der 80er Jahre hatte eine der gedeckten Cor- vetten, die damals regelmäßig als Seecadettenschulschiffe eine zweijährige Reise um die Welt machten, im Hafen von Shanghai geankert. Die Barre bei Wusung, für so große Schiffe nur bei Springfluth passirbar, war glücklich ge nommen, nachdem durch nach vorn Schaffen aller Geschütze und Beorderung der gesummten Besatzung in das Bugspriet das für gewöhnlich hinten tiefer gehende Schiff auf ebenen Kiel gebracht war. Trotzdem wollten Einige das Schurren desselben durch den Schlamm der Barre gespürt haben. Die Besatzung hatte keineswegs über zu kurzen Aufent halt in den bis dahin besuchten Häfen zu klagen gehabt, freute sich deS bevorstehenden längeren Verweilens in Shanghai bis zur nächsten Springfluth aber sichtlich, da die Fremdenstadt einen völlig europäischen Eindruck macht, der auch durch die dicht daran anschließende düstereChinesen- stadt nicht verwischt werden kann. Wie enttäuscht waren daher Alle, als nach kaum einer Stunde Verankertseins das Schiff auf Requisition des deutschen Consuls wieder aus laufen sollte. An der chinesischen Küste war ein größerer deutscher Dampfer gestrandet, die Ausplünderung desselben durch die damals noch recht zahlreichen Seeräuber lag nahe und daher sollte das nächste deutsche Kriegsschiff sofort zum Schutze an Ort und Stelle eilen. Manche schüttelten den Kopf. Ihnen schien das Rllck- passiren der Barre an dem Tage nicht mehr möglich. Trotz dem wurden allen Ernstes Anstalten zum Ankerlichten ge troffen, bis von der Signal-Station an der Barre auf be zügliche Anfrage die Unmöglichkeit eines Auslaufens ge meldet wurde. Was thun? Der Unmuth über das schnelle Wiederfortdampfen war längst der Begier gewichen, den be drängten, in Seenoth befindlichen Landsleuten zu Hilfe zu kommen. Das war nun unmöglich, und die Gemüther der einen Piratenkampf herbeisehnenden Seecadetten beruhigten sich erst nach einigen Tagen, nachdem inzwischen der jetzt leider so traurig untergegangene „Iltis" aus Nagasaki an die Unfallstelle beordert worden war. — Wo blieben damit die erhofften Lorbeeren? Einige Wochen waren vergangen und die Begebenheit fast schon wieder vergessen, als im Hafen von Amoy das plötzliche Dampfaufmachen und beschleunigte Jnseegehen des Schiffes auf besondere Vorfälle schließen ließ. In der That war es auch, als ob das Schicksal eine Entschädigung für den Ausfall geplant hatte. Dicht in der Nähe des genannten HafenS, war ein deutsches, dieses Mal aber ein Segelschiff mit werthvoller Ladung, auf den Riffen der Küste auf gerannt und der deutsche Consul hatte das Auslaufen der Corvette zur Hilfeleistung erbeten. Bald waren die nackten Felseninseln der Einfahrt passirt, dasSchiffnahm nördlichenCurs und dampfte, was es laufen konnte, dem Strandungsorte zu. Es wehte ein stürmischer Wind, die Nacht brach herein, schwarz wie die Hölle. Kein Mond, kein Stern war zu sehen, nur das Heulen des Windes, das Zusammenbrechen der Wellenkämme mischte sich mit dem Geräusch der schwer arbeitenden Maschine. Immer weiter ging es, wobei hin und wieder eine Dschunke wie ein Pfeil vorüber schoß, dem Lande zu, dorthin, wo das verunglückte Schiff liegen mußte. Das waren sicher Piraten! Sie führten keine Lichter und umkreisten zu weilen die Corvette, als ob sie sich über deren Charakter vergewissern wollten. Was war das? — Alle Mann auf, klar zum Manöver? Zu dieser Zeit? Geankert konnte nicht werden, weil das Land zu weit entfernt war, auch Tiefenverhältnisse und See gang es nicht zugelassen haben würden. Das rasch folgende Commando: „Ruderpinaß aus an Backbord!" brachte die Aufklärung. Ein Boot sollte bemannt und nach der Unfall stelle geschickt werden. Wie schade, daß nicht die Corvette selbst hinfuhr! Jedenfalls befürchtete der Commandant, daß die herumflitzcnden Dschunken die Nachricht von seinem Nahen sonst den auf dem Wrack arbeitenden Freibeutern als Warnung übertragen würden, und zog es daher vor, nur ein Boot abzusenden. Dieses Aussetzen in stockfinsterer Nacht, bei tüchtig im Seegange arbeitendem Schiff, war keine Kleinigkeit, glückte aber vollkommen, da Jedermann sein Bestes leistete. Sobald das Boot zu Wasser war, erhielt es Compaß,
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