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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189710241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18971024
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18971024
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-24
- Monat1897-10
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1897
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Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Nedarttou und Erpeditto«: Johanne»,affe 8. Di«Expedition ist Wochentag» ununterbrochen »«öffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Dito Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsslraße 3 (Paulinum), Louis Lüsche. kathariuenstr. 14, pari, und Königkplatz 7. Bezugs Preis in h« Hauptexpedition oder den im Stadt- b«irk und den Bororten errichteten Aus- oaoestelleii ab geholt: vierteljährlich.Sl4.!'>0, bei tweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ^l 5.50. Durch die Post bezogen jür Deutschland und Oesterreich: viertehäbrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung in» Ausland: monatlich 7.50. MpMer TMblatl Anzeiger. Ämisölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.Preis die 6gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich ^ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtcn <6 gespalten) 40 aj. Größere Schriften laut unserer» Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. vxtra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen>Ausgabe, ohne Poslbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Dbrnd-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 543. Aus -er Woche. Mit der Ernennung des Herrn v. Bülow zum StaatS- secretair des Auswärtigen Amtes ist die „Umbildung der Regierung" — man hat die Lache und selbst den Namen beinahe schon wieder vergessen — „definitiv" geworden, viel leicht aber nur bis auf die Hauptperson, die der R e i ch s ka n z l e r doch sein sollte. Gerade weil die Stellen der Staatssecrelaire neu besetzt sind, wird es doppelt bedauerlich, daß über die Person deS Inhabers deS Reichskanzleramtes in der bevor stehenden politischen Campagne Unsicherheit herrscht und der gegenwärtige Kanzler offenbar aNS dem Centrum der Geschäfte und bei Seite getreten ist. Es wird dadurch der vom Fürsten Bismarck so oft als der Berfassung zuwiderlausend bezeichnete Zustand befestigt, daß die Borslände der Reichsämter als verantwortliche Chefs erscheinen, während sie nach der Verfassung Organe des Reichskanzlers sind. Dieser Zustand ist anscheinend kein ungewollter. Die Stellung, die die StaatSsecretaire gegenüber oder neben dem Reichskanzler gewonnen haben, drückt dessen Bedeutung herab, was auch äußerlich dadurch kenntlich ist, daß neu er nannte Vorstände von Reichsämtern, deren Wirkungskreis mehr rin technischer als ein politischer ist, bei den verbündeten Regierungen ihre Aufwartung machen. Ans der andern Seite ändert das starke Hervortrelen der Staatssecrelaire nichts an ihrer Abhängigkeit. Nnr daß diese nicht gegenüber dem Reichskanzler zum Vorschein kommt, sondern gegenüber der Stelle, die in Wirklichkeit die in der Verfassung vorgesehene Wirksamkeit des Reichskanzlers auSübt. Da die Ernenuung deutscher StaatSsecretaire zu preußischen Ministern unter dem neuen Curs niemals eine praktische Bedeutung gehabt hat, so regiert im Reiche, soweit der Bundesrath nicht in Betracht kommt, und das ist denn doch ein weites Gebiet, thatsächlich der Kaiser mit Beamten anstatt mit einem Minister. Diese Sachlage ist schon oft und von verschiedenen Seiten sestgestellt worden. Sie hat auch ihre geheimen Verehrer, im Hofadel nämlich nnd in denjenigen Kreisen, die mit dem Hofadel verbunden sind. Sie öffentlich zu rühmen und ihre Weiterentwickelung laut zu wünschen, ist jedoch der Leitung deS Bundes der Landwirtke Vorbehalten geblieben. Dessen „Correspondenz" meint, es käme in Bezug auf die Forderungen des Bundes — „gar nicht ans ministerielle Be denken", sondern darauf an, „wie die wirklich entscheidende Stelle" gesinnt ist. „Die Herren Minister werden sich dann eben fügen." Diesem Gedanken wird dann mit folgendem Bilde Ausdruck gegeben: „Die einzig bedeutsame Frage ist, welchen „Cur§" wir in Zu» kauft haben werden; darauf kommt Alles an, nicht auf die Rainen der Bediennngsmannlchaft." Klarer Hal die Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe niemals zu erkennen gegeben, raß sie sich mit dem ost elbischen Adel identificirt. Die Laudwirthschaft hat kein Interesse an einem persönlichen Regiment. Ganz abgesehen davon, daß die Landwirthe auch Staatsbürger sind nnd als solche von einer vcrhängnißvollen Politik nicht minder zu fürchten haben als die Angehörigen anderer Berufsstände: die Landwirthe wissen auch, daß den Schwankungen der Politik, die seit Jahren zu beklagen sind, auch das agra rische Terrain nicht verschlossen bleibt. Es giebt genug gesprochene und geschriebene Zeugnisse für diese Ein sicht der „Agrarier". Vortheile von deni, waö man autokratisches System nennt, zögen nur die poli tischen Aspirationen dcö Adels. Denn eS ist eine von einer neunjährigen Geschichte gründlich widerlegte Behaup tung, daß Wilhelm II. lediglich nach eigenen Gedanken regiere. Der Kaiser läßt sich vielfach von Eingebungen be stimmen, die nicht seine eigenen sind. Es kommt nicht, wie die „Corr, des Bundes der Landwirthe" meint, auf den „Curs" an, sondern auf Gelegenheiten, den Curs zu beeinflussen. Solche Gelegenheiten der Gesellschaftsklasse, aus der sich die Um gebung des Monarchen hauptsächlich zusammensetzt, aus schließlich zu sichern, ist der Zweck von Ausführungen, wie die des Organes der Berliner Bundesleitung, das freilich mit ihnen auch einränmt, mit seinen gehässigen Angriffen auf die Sonntag den gewesenen StaatSsecretaire v. Marschall und v. Boetticher nicht diese, sondern andere Stellen als Ziel im Auge gehabt zu haben. Wer die „Bedienungsmannschaft" wegen der Steuerung tadelt, kann sie nur als Deckadresse benutzen wollen. Wenn Parlamente „einmüthig" etwas wünschen, so wird gewöhnlich aus der Sacke nicktS. Die Verhandlungen der bayerischen Abgeordnetenkammer über eine Reform des Landtagswahlrechts und die danach gefaßte Resolution werden kaum eine Ausnahme von der Regel auf der Bild fläche erscheinen lassen. Die Frage einer geänderten Bildung des bayerischen Abgeordnetenhauses ist eine alte, uralte darf man sagen. Ihre Lösung ist bisher nur an der WahlkreiS- eintheilung gescheitert, und das wird trotz der schönen Münchner Reden auch künftighin sich nickt wenden. Das Centrum wird niemals einer Eintheilung zusliinmen, die den Städten zu ihrem Rechte verhilft. Außerdem ist man in Bayern keineswegs einig darüber, wie das Wahlrecht „allgemein" gestaltet werten soll. Es besteht dort ein allerdings sehr niedriger Census, und die Preisgabe desselben scheint durchaus nicht in der Absicht einer Zweidrittelmehrheit zu liegen. Ebensowenig dürsten die Parteien geneigt sein, in eine Reform zu willigen ohne Heraufsetzung des Wahlmündigkeitsalters, das heute mit dem 21. Lebensjahre beginnt. Von dem „beschlossenen" Pro portionalsystem gar nicht zu reden. Diese unreife Frucht wird in absehbarer Zeit von keinem andern deutschen Baume als höchstens dem württembergischen gepflückt werden und dort auch nur, weil sich die Volköpartei für die Neuerung soweit engagirt hat, daß sie nicht mehr zurück kann. Während man sich in München ganz und gar platonisch mit dem Landtagswahlrecht beschäftigt bat, ist innerhalb der Socialdemokratie Preußens ein die Stellung zum Landesparlament betreffender Streit entstanden, der möglicher weise eine gewisse praktische Bedeutung gewinnt. Der Be schluß des Hamburger Parteitages, die Betheiligung an den preußischen Landtagswahlen zwar zuzulassen, Compromisse mit anderen Parteien dagegen zu verbieten, erfährt heftigen Tadel. Selbst die authentische Interpretation der Beschlüsse durch Singer und Bebel, die eben die Unterstützung anderer Parteien nnd Abmachungen mit solchen ausschtießt, wurde, wie wir mitgetheilt, angefochten. Doch erweist sich die Partei- diSciplin stärker, als die Mißbilligung der auf dem Parteitage selbst von keiner Seite bemängelten Erläuterungen. Das Roma locutrr läßt man gelten, das c»»8u tinitrr 68t aber nur bis zum nächsten Jahre. Bebel steht an der. Spitze der Revisionswerber. Er meint, die Partei werde, namentlich auch in Berlin, bei den Wahlmänner-Wahlcn „größere Erfolge" erzielen, könne sie aber hernach nicht auSnutzen. Herr Bebel hofft auf einen zweiten Schritt sogar schon vor den Landtagswahlen im Jahre 1898, denen möglicherweise der nächste socialdemokratische Parteitag noch voransgeht. Jedenfalls ist er guten Muthcs für die Zukunft: „Die Hauptsache ist, daß die Betbeiligung beschlossen wurde. Damit ist der Rubikon überschritten, alles Weitere giebt sich von selbst." Bürgerliche Blätter beklagen, daß die Bewegung für die Reichstags Wahlen noch nickt in Fluß gebracht sei, wir unsererseits glauben, daß im Stillen, d. h. an der Organi sation, schon ziemlich fleißig gearbeitet wird. Von einer aus gedehnten Einwirkung auf die Wähler sehen aber die positiven Parteien mit Recht so lange ab, bis es die Regierung ermöglicht hat, mit einer Parole vor die Wähler zu treten, oder bis es zur Gewißheit geworden ist, daß von der Regierung keine Klärung der Lage zu erwarten ist. Im letzteren Falle werden diejenigen Parteien, die die Negierungs verhältnisse selbst nicht in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen können oder wollen, voraussichtlich mit schweren Ver lusten aus der Schlacht zurückkchrcn. Einem solchen Aus gang vorzubeugen, fehlt eS jetzt zur Zeit noch an Hand baben. Die frühe Geschäftigkeit der Freisinnigen beider Richtungen verlockt nickt zur Nacheiferung, ganz abgesehen davon, daß deren Wahlvorbereitungen zumeist in den Prügeleien der feindlich gewordenen Schwestern bestehen. Diese Streitigkeiten sind tödtlich langweilig. Selbst Leute, die sich 24. October 1897. aus der holden Jugendzeit das Vergnügen an einer Vor stellung res KaSperle-Theaters, wo immer dieselben Personen todtgeschlagen werden, in daS politische Alter berübergerettet haben, bringen es nicht mehr über sich, den „Vorgängen im freisinnigen Lager" regelmäßig zu folgen. Manchmal aber fällt doch etwas für den gelegentlichen Zuschauer ab. So folgende Auslassung der „Freisinnigen Zeitung": „Hat der Schutzverband zur Bekämpfung der Agrarier in Schleswig-Holstein gegenwärtig auch die Hand im Spiele? Diese Frage ist berechtigt, weil Herr Alexander Niepa — solches kann durch Zeugenbeweis erhärtet werden — überall den Wahlkreisen große Geldbeiträge zu den Wahlkosten bis zu 20000 anbietet, wenn sie auf die von ihm empfohlenen Candidaten sich einlassen. Tie Kieler haben bekanntlich selbst kein Geld und die Freisinnige Verewigung verfügt ohne den Schutzverband auch nicht über solche Mittel. Eigenartig wäre es freilich, wenn ein zum Theil auch aus den Kreisen der Freisinnigen Volkspartei gesammelter Fonds eine Verwendung erhielte zur Bekämpfung der Frei» sinnigen Volksparlei." Wenn Herr Richter fragt, ob der Schutzverband „zur Be kämpfung agrarischer Uebergriffe" irgendwo, wo die Pachnicke, Barth n. s. w. thätig sind, die Hände im Spiele habe, so ist das natürlich nur eine Redesigur. Der volksparteiliche Führer weiß ganz genau, daß der Schutzverband die Frei sinnige Vereinigung nicht nur überall alimentirt, wo sie exislirt, sondern daß sein Geld sogar vielfach die Triebfeder bildet, wenn diese Gruppe Thatenvrang fühlt, wo sie sich sonst gar nicht oder nur leise geregt hat. Auch die aller dings exorbitante Höhe der angebotenen Geldsumme kann Herrn Richter nicht mehr überraschen. Zum guten Theil muß er sie ja an den Mindereinnahmen der eigenen Partei- casse calculiren können. Die Niederlage, die sich der „CentrumScandidat" Söldner von dem DauernbundeSführer Wieland in einer bayerischen Landtagöersatzwahl zugezogen hat, wird die unter legene Partei nicht allzu sehr schmerzen. Herr Söldner war ein „unsicherer Cantonist", der in der Kammer zweifelsohne den Bauerndündlern oft die Hand gereicht hätte, während der Eintritt Wieland's in den Landtag die Zahl der auf einander eifersüchtigen Führer der jungen Bewegung in der kleinen Fractivn um einen nicht gerade friedfertigen Herrn vermehrt. Briefe aus -er Zeit König Budwig's H. von Bayern. Folgende, angeblich von einem Vertrauten des unglück lichen Bayernkönigs in dessen Auftrage an einen andern Vertrauten gerichtete drei Briefe veröffentlicht der Münchener „General-Anzeiger". Der erste Brief, datirt Berg, 24. Juli 1871, lautet, unter Beiseitelassung von Nebensächlichem: In letzterer Zeit haben Majestät öfters Vie Münchner Zeitungen, u. A. auch die „Neuesten Nachrichten", „Süddeutsche Presse" rc. ge lesen, und gesunven, daß diese Blätter sich meistens mit dem deutschen Kaiser und Kronprinzen beschäftigen, in überschwänglicher lobhudelnder Weise über diese schreiben, wäh rend von Majestät nur vorübergehend, oder anch gar nicht Er- Mahnung geschieht. Majestät nehmen nun fest an, daß diese Zeitungsredacteure im preußischen Solde stehen, und Laß eigens von der preußischen Regierung bezahlte Correspon- denten angestellt sind, die die Ausgabe hoben, die Münchener Blätter niit solchen schädlichen Artikeln zn füllen. Majestät lassen nun an Herrn Hosrath die Frage stellen, ob cs nicht möglich sei, mit Geldmitteln aus der königl. Cabinetscasse ebensallS einige taugliche Männer anzustellen, denen die Aufgabe würde, die Allerhöchste Person gebührend in der Presse zu vertreten unv zu mache», daß der Name des Königs öfter, und gut klingend, von der Bevölkerung gelesen werde. Diese Männer hätten ferner dafür zu sorgen, daß allenfalls von Majestät, oder vom Cabinet aus- gehende Artikel in bestimmte Blätter ausgenommen würden, und die schlechten preußischen Tendenzen zu schwächen. Hierüber möchten Herr Hosrath sich aussprcchcn und recht bald antworten. Der zweite Brief trägt das Datum „Hohenschwangau, 15. Januar 1873": Sehr geehrter Herr Hosrath erhalten hiermit von Seiner Majestät dem Könige folgenden Auftrag: Herr Hofrath möchten dem Herrn SL Jahrgang. Oberstlieutenant von Sauer sagen, es sei der Wille des Königs, daß sich derselbe sogleich zu Ihrer Majestät der Königin (Mutter' begebe, und Allerhöchst Derselben auf schonende Art beibringe, last Ihre Majestät in Gegenwart des Königs nie mehr über Politik sprechen, gar nicht aber Sich lobend über „Preußen" äußern möge. Der dritte Brief ist, von Linderhof am 19. September 1876 geschrieben, folgenden Inhalts: Seine Majestät lassen die von Schachen aus geschriebene und erst kürzlich in Erinnerung gebrachte Angelegenheit Herrn Hosrath recht ans Herz legen; Herrn v. Ziegler sollen Euer Hochwohlgeboren gänzlich aus dem Spiel lassen und ihn in keiner Weise zu Ralhe ziehen, da Seine Majestät kein Vertrauen auf Herrn Staats- an walt haben und überhaupt nicht mehr mögen. Auch Herrn Or. Trost möchten Herr Hosrath mittheilen, daß Seine Majestät kein Vertrauen aus Herrn Staatsanwalt haben, und ihn anregen, daß Herr Or. sorge und unter das Publicum bringe, jedoch nicht durch die Zeitungen, sondern mündlich, daß Seine Majestät unan genehm berühre, überhaupt sich nicht schicke, daß bei Festlich- leiten immer das erste Hoch aus Se. Majestät den König von Preußen und ein zweites erst auf den eigenen Landesherrn aus gebracht werde. Herr vr. Trost soll Sorge tragen, daß dieses endlich einmal abgeschafst werde, Herrn v. Ziegler aber in keiner Weise darüber sprechen. Der Stil der Briefe läßt als deren Schreiber nicht den Vertrauten eines Königs, sondern einen Lakaien, gleichviel welchen Titel er führen mochte, dermuthen, einen Lakaien, der, indem er diese Briefe jetzt veröffentlicht, sich zum Lakaien Ebren-Sigl'S macht. Deutsches Reich. oft. Leipzig, 23. October. Durch die Verordnung der obersten Postbehörde, bis auf Weiteres keine Postgehilfen mehr einzustellen, ist mannigfach in den betheiligten Kreisen Unruhe und Besorgniß hervorgerufen worden. Der Einsender Dieses hat nun an zuständiger Stelle in Erfahrung gebracht, daß diese Verordnung einen beunruhigenden Charakter durchaus nicht an sich trägt; denn daS Ziel, auf das die oberste ReichSpostbehörde zusteuert, ist einfach aus der einen Seite, erhöhte Kenntnisse bei der Aufnahmeprüfung zu fordern, auf der andern Seite, die Zahl der emzustellenben Postgehilfen für jeden OberpostdirectionSbezirk zu fixiren, um die Unmaffe über zähliger Postgehilfen zu beseitigen; daS ist aber Beides doch kein Nachtheil, sondern ein Vortheil für Alle, welche die Carriöre als Postgehilfe machen wollen, zumal da die Aussichten vorhanden sind, daß die SecretariatSstellen mit zu den Stellen hinzugeschlagcn werden sollen, welche von dem Post gehilfen erreicht werden können, der bislang nur bis zum Oberassistentcn aufrücken konnte. Wo aber mehr gegeben wird, da muß auch mehr gefordert werden. Und welcher Beruf ist wohl heute noch zu finden, der mit seinen Au fordcrungen nicht von Jahr zu Jahr vorwärts geschritten wäre? Die Oberpostdirectionen haben schon immer im Laufe der Jahre bei den Postgehilfenprüfungen erhöhte An fordcrungen gestellt; jetzt wird dies einfach normirt werden, und es ist eben nun Aufgabe der jungen Leute, welche sich diesem Berufe widmen wollen, sich die erforderlichen Kennt nisse anzueigncn; wo und wie sie dies thun, wird auch in Zukunft der Behörde gleichgiltig sein. * Leipzig, 23. October. Wir befinden uns in dem seltenen Fall, der „Frankfurter Zeitung" beipflichten zu können. Allerdings betrifft der Gegenstand der lieber einstimmung nicht die Tagespolitik, doch aber eine nationale Angelegenheit. Das Blatt unterzieht gleichfalls die in Berlin ausgestellten Entwürfe zu einem National denkmal für den Fürsten Bismarck einer Kritik und zwar unter rückhaltloser Würdigung der geschickt lichen und nationalen Bedeutung der Person des ersten Kanzlers. Es gelangt dabei unter Anderem zur folgenden Betrachtung: „Bei allen monumentalen Unternehmungen, die seit dem großen Kriege in Berlin zur Ausführung gekommen sind, bei Staatsbauten, Kirchen und Denkmälern, ist man in thörichter und unkünstlerischer Ueberhastung zu Werke gegangen. In diesem Puncte gleicht Berlin Dichterstimmen aus -em Volke. Nachdruck ««rbetm. I. Als der Preßburger Literarhistoriker Professor Carl Wciß-Schrattenthal mit der Herausgabe der Dichtungen von Katharina Koch und Johanna Ambrosius*) die Ausführung seines Planes begann, poetisch veranlagte Vertreter und Ver treterinnen der unteren Schichten unseres Volke» weiteren Kreisen bekannt zu machen, sie, um uns zunftgemäß auSzu- trücken, in die Literatur einzuführen und so den Beweis zu liefern, „daß im Volke ein ungeahnter Reichthum an G«müth, ein großer Drang nach idealen Gütern lebt und webt und daß vielen dieser Aeußerungen ein bedeutender ethischer Werth zu Grunde liegt", konnte man nicht im Entferntesten ahnen, daß eS ihm gelingen würde, in der kurzen Spanne zweier Jahre einen in seiner Besonderheit völlig neuen Litcraturzweig, den der deutschen Volksdichtung, zu schaffen und uns mit einer so stattlichen Reibe von beachtenSwerthen Repräsentanten dieser modernen „Meistersinger" bekannt zu machen, daß wir mit freudiger Ueberraschung unv mit be rechtigtem Stolz auf den nach Tiefe und Weite gleich be deutenden Bildungsstand de» deutschen Volke» gestehen müssen: der Beweis ist Schrattenthal, der damit zugleich zum verdienstvollen Cnlturhistoriker geworden, aufs Glänzendste gelungen. Die Stimmen überlegenen Spotte» und zünstleriscker Mißgunst, die schnell mit der Voraussage zur Hand waren, «) Soeben ist bei ThomaS L Opprrinann (Königsberg i. Pr.) der II. Theil dex Gedichte von Johanna AmbrosiuS erschienen, auf den zurückznkommen wir un« Vorbehalten. D. Red. es werde bei dem einen glücklichen Wurf, den Schrattenthal mit der Sappho von WerSmcninken gethan, ciidgillig sein Bewenden haben, sehen sich heute vollständig aä ab8mäum geführt. Der Katharina Koch und der Johanna Ambrosius folgten in rascher Folge die den Beiden in mancherlei Betracht ebenbürtigen Stine Andresen, Franz Bechert, Emerenz Meier, Henni Mattscn und als Neuentdeckter der bayerische Schuhmacher Franz Wörther mit seinen „Gedichte» und Betrachtungen" (Franz Wörther, ein Dichter und Denker aus dem Volke. Selbst verlag deS Herausgebers: K. Schrattenthal, Preßburg, KiS- faludyzasse. 1897. Preis 1 ^i). Aber damit ist — Schratlen thal konnte wohl selbst nicht vermuthen, daß die von ihm aufgedeckte Ader eckten Edelmetalle» eine solche „Mächtigkeit" haben werde — die Reihe der VolkSpoeten von Gottes Gnaden noch lange nicht abgeschlossen, denn der Herausgeber weiß nach einer gelegentlichen Aeußerung nicht, wo er die Zeil hernehmen soll, all das Schöne und Große, was er noch gefunden, zu sichten und zum Kranze zu winden. Machen wir uns mittlerweile mit seinem neuen Hans Sack« bekannt! Franz Wörther wurde am 8. December 1830 in Klein-Heubach, einem unterfränkisch-bayerischen Markt flecken geboren. Sein Vater war Maurermeister am Hofe de- Fürsten Karl von Löwenstein. Der Sobu, der schon als Knabe viel la-, sollte sich ebenfalls dem Banfache widmen, doch die schönen Hoffnungen, die sich damit für die Zukunft deS reichbcgabten Knaben eröffneten, wurden mit einem Male vereitelt als — im Jahre 1843 — der Vater von einer Leiter stürzte und den Folgen deS Unfalls erlag. Die Verhältnisse, in denen die Familie lebte, waren nicht» weniger als glänzenv, kein Freund, kein Gönner stand dem Aufstrebenden zur Leite und so vertauschte er Meßwinkel nnd Zirkel mit de» Schuster» Dreibein. Die vreijäbrige Lern- und Arbeitszeit kam dem jungen, geistig beweglichen Kopf gar hart an und wie der Jubel eines nach langer Hast der Freiheit wiedergegebenen Gefangcneu entrang eS sich seiner, von hoben Idealen geschwellten Brust, als er endlich das Ränzchen schnallen und den Wandcrstab ergreifen durfte. Abwechselnd arbeitend durchwalzte er Nord- und Mitteldeutschland, bis ihn sein König rief. Fünf nnd ein halbes Jahr lag er dem Dienst de» Kriegs im Frieden ob, um dann Wohl oder übel sich wieder seinem Beruf, oder besser seinem Erwerb als Schuh macher zu widmen, in seinem Innern den aufreibenden, ver zehrenden Kamps zwischen idealem Streben und rauher Wirklichkeit durchkämpfend. Diesem inneren Zwiespalt aber gesellte sich, ibn noch fühlbarer machend, die äußere Noth hinzu. In einer Er läuterung deS Bibelspruches „Herr, schenke mir nicht zu großen Reichthum, halte aber anch fern von mir der zu großen Armuth drückende Last" läßt Wörther die autobiographische Bemerkung fallen: Als ich ein hoffnungsvoller Knabe, in der Schule diese altteftamentliche, königliche Bitte zum erstenmal laut vorlescn mußte, ahnte ich nicht, daß dieser Bitte zweiter Theil in seiner ganzen erdrückenden Wahrheit sich an mir selbst im vorgerückten ManneSalter erproben sollte. Wenn auck, meine Jugendzeit ausgeschlossen, in Folge unverschuldeter Besitzlosigkeit der schwere Kampf um» Dasein mein Leben ausfüllte, so kannte ich doch den Grad de» moralischen Drucks der Armuth nickt in dem Maße, wie ich denselben erst als Familienvater kennen lernte. Nach schwerem Ringen aber zog doch endlich der Friede in seine Seele, denn er batte die Wahrnehmung gemacht, daß er die Gabe besitze, Gefühle und Gedanken in poetische Form zu kleiden. „Die mir verliehene dichterische Gabe", schreibt er, „betrachte ich al» ein Geschenk deS Himmels für mein mir geraubtes LebenSglück. Nicht mehr bemächtigte sich meiner der finstere Trutz von früher; an der Musen Rosenband tändelte ick, so zu sagen, heiter und ruhig durch die Klippen deS Lebens." So hat er rechtschaffen gearbeitet und für sein« Familie gesorgt — ein echter deutscher pater kamiliae. Secks seincr Söhne sind in der Welt und nicht mehr auf die Unterstützung des VaterS angewiesen; der siebente tritt eben aus der Schule und soll Schriftsetzer werden. Franz Wörther lebt jetzt in seinem Geburtsort Klein-Heubach am Main, 66 Jahre alt und leider kränkelnd. Er ist, wie wir schon andeuteten, mit GlückSgütern keineswegs gesegnet und ter edle Heraus geber seiner „Gedickte und Betrachtungen" hofft daher, ihm ans dem Verkauf deS Buches einen möglichst großen Reingewinn zu verschaffen. Er hat auf die gleiche Weise auch der mittlerweile zu einer Berühmtheit gewordenen Johanna AmbrosiuS namhafte Unterstützungen zukommen lassen können; möchte es ihm auch bei Franz Wörther glücken! WaS Wörther'S dichterische und schriftstellerische Begabung — er schrieb auch einige», eine Art populär-philosophischer Reflexionen in Prosa, — anbetrifft, so wollen wir gleich von vornherein constatiren, daß Wörther'S Productionen nicht alle von gleichem Werthe sind und daß Manches mit unterläuft, was eben nur für die Charakteristik deS Dichters von Belang ist, ohne sonst Anspruch auf Beachtung erheben zn können. Da die Auswahl seiner Gedichte nicht groß ist, bleibt natürlich auf Seite deS von dieser Kritik nicht Betroffenen nicht allzu viel übrig, aber wir werden sehen, daß diesen Rest daS Work uon muika seä multum kennzeichnet, daß unter dem „Au- gewählten" sich manche Perle deutscher Dichtkunst findet. Man darf Schrattenthal überhaupt nicht falsch verstehen. ES kommt ihm nickt bei, der Literaturgeschichte eine Fülle berühmter Namen zuzusübren, ihm ist auch daS kleinere Talent hochwillkommen, da er ja vorwiegend eine kultur historische Aufgabe verfolgt. Jbni genügt die Thatsache, daß so ausfallend viele Vertreter jener Kreise, in denen mau geistigen Aufschwung zu vermutben nicht eben gewohnt ist, den Drang nach künstlerischer Gestaltung ihre» Innenlebens offenbaren. Daß er dabei -nickt nur prunkende Blumen zu»
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