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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971102020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897110202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897110202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-02
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Wenn aber da und dort be hauptet wird, der Eindruck sei allgemein ein guter gewesen, so beruht diese Ansicht auf unrichtiger Beobachtung. Ganz im Gegentbeil wußten und wissen die demokratischen bnd freisinnigen Blätter ihr Unbehagen über die ueruhigende Versicherung de» ofsicwsen Telegraphen nickt zu verbergen. Die unangenehme Ueberraschung de» Herrn Eugen Richter verdient geradezu den Namen Bestürzung. Er brauchte eine Spalte feiner Zeitung, bis er zu dem Tröste gelangte, wenn auch an der Klippe der Militairstrafproceßordnung daS Reichsschiff nickt wieder fest fahren sollte, so sei die Vorlegung dieses Entwurfes doch nicht die einzige Verpflichtung, welche Fürst Hohenlohe persönlich dem Reichstage gegenüber emgegangen sei: „Die andere Ver pflichtung betrifft die Aufhebung deSEoalitionSverbotesfür politische Vereine. Daß Fürst Hohenlohe m dieser Richtung bedacht ist, seine Zusage zu verwirklichen, ist nirgends wahr zunehmen." Man siebt: die Ankündigung wegen der MiUtair- slrasproceßordnung ist von dem Hetzapostel in der Volksparlei al» eine so empfindliche Minderung seines AgitationsmaterialS empfunden worden, daß er schleunigst Inventur aufnahm, um zu sehen, was sonst noch Brauchbares Vorhände» sei. Wie die Sorge veS Herrn Richter entstanden ist, braucht unseren Lesern nicht Weiler auoeinandergesctzl zu werden. Es ver lohnt sich aber, die Erklärung bei einem weil recht» stehenden Blatte zu suchen, das anch in Lsficierkreisen starke Verbreitung findet. Die Berl. „Reuest. Rachr." schreiben: „Die Aussicht, daß die so lange ersebnte Reform (des Militairstrafverfahrenö) nochmals hinausgeschoben werden würde, hat nicht nur Denjenigen, welche bei einem Conflict im Trüben zu fischen hoffen, eine vortreffliche Handhabe ge boten, sondern sie bat auch in jenen besonnenen Kreisen, welche ohne alle Hintergedanken eine ruhige Weiterentwicketung der öffentlichen Dinge erstreben, rin solches Maß von Verstimmung und Verärgerung hervorgerufen, daß es kräftiger Impulse und eine» energischen guten Willens bedürfen wird, um darin wieder Wandel zn schaffen." Tie Vorlegung einer Militair-Siraf- proceßordnung, wie sie dem General Bronsart von Schellen dors und dem Fürsten Hohenlohe vorschwebt, wäre ohne Zweifel eine wohlthätige Bethätigung eines guten Willens, und daS Ausbleiben eines vernünftigen Anforderungen genü genden Entwurfes, jetzt nach abermals erfolgter Ankündigung, täme der Entdeckung eines Goldlandes für die revolutionairen, radikalen und particularistiscken Politiker gleich. Von der verschiedenen Wirkung der halbamtlichen Freitags-Depesche auf die nationalen und die andern Elemente sollte man überall lernen. Dieser Wunsck scheint leider nicht verspätet. Es mehren sich die Stimmen, die bezweifeln, ob man in der brennendsten Angelegenheit des Tages „über den Berg" sei. Ein nationalliberales Blatt meint, der Wille, eine Wendung zum Guten herbeizuführen, sei gewiß vorhanden, aber eS frage sich, ob die Kraft der in diesem versöhnlichen Sinne wirkenden Factoren ausreicken werbe, das gesteckte Ziel zu erreichen. „Die Gegner sind die Alten geblieben und sie werden eben sowenig untbätig sein." Wir fürchten, daß damit die Lage nickt unzutreffend geschildert ist. Außer dem Fürsten Hobenlobc hat Herr vr von Miquel in der vergangenen Woche große Anstrengungen im Sinne einer günstigen Lösung der Frage der Proceßordnung gemacht; trotzdem ist eS nicht gewiß, daß es ohne die notorischen Schwierigkeiten, die sich einer Neu besetzung deS Reichskanzlerpostens entgegenstellen, zu der halb amtlichen Ankündigung gekommen wäre. „Zwischen Lipp' und KelcheSrand" schwebt bekanntlich selbst für den Trinklustigen Manches, waS een Trunk stören kann; um so weniger ist in dem vorliegenden Falle allzu starke Zuversicht am Platze. Wir hoffen aber doch, daß die in Betracht kommenden Stellen über Zweierlei sich klar sind: erstens darüber, daß die Nichterfüllung der Zusage des Fürsten Hohenlohe die ohnedies nicht rcsigen Aussichten für die Rcickstagswahlen verschlechtern müßte; zweitens, daß, je länger die Reform des Militairstrafverfabren» sich hinziebt, desto weiter die maß vollen Forderungen von den radikalen in den Hintergrund gedrängt werden. Und diese Entw ckelung kann nur für wirklich Conflictslüsterne etwa» Verlockende- haben. Wieder einmal ist die Einführung einer Wehrsteucr in Vorschlag gebracht und zwar durch eine Eingabe des Ver-' bandes deutscher Kriegsveteranen an den Reichstag Ihr Ertrag soll dazu dienen, den Kriegsiuvaliden und den Wittwen der Gefallenen einen auskömmlichen Unterhalt zu sichern. Für eine Webrsteuer an sich spricht Manches und noch mehr für den Zweck, der in der Eingabe der Veteranen angeführt wird. Die Wehrstcuer besteht überdies gegenwärtig bereits in der Schweiz, in Oesterreich, in Frankreich, in Portugal und in Serbien. In Deutschland hat sie kur^e Zeit in Württemberg und in Bayern bestanden. In Württem berg batte jeder Kriegsdienstpflichtige, der wegen Unlaug- lichkeit vom Waffendienste befreit und der Ersatzreserve überwiesen wurde, ein« Abgabe von 20 Gulden zu ent richten. In Bayern war eS eine nach dem Einkommen abgestufte Steuer, welche für die Dauer der gesetzlichen Dienst pflicht bezahlt wurde und bei einem Einkommen von höchstens 200 Gulden 3, bei einem Einkommen von 1200 bis lüOO Gulden 60 und bei einem Einkommen von mehr al» 1600 Gulden 100 Gulden betrug. Der Ertrag war' bestimmt für CapitulationSvergütungen in der aktiven Armee und der Gendarmerie. Im Jahre 1880 ging dem deutschen Reichstag zum ersten Male eine Wehrsteuervorlage zu, die, da sie unerledigt blieb, in der solgenden Session aufs Neue eingebracht, aber in zweiter Lesung bereits am 7. Mai desselben Jahres abgelehnl wurde. Alle zum Militairdienste nicht herangezogenen Wehrpflichtigen oder ihre Eltern sollten längstens 12 Jahre eine feste Zahresstener entrichten mit einem nach dem Einkommen fortschreitenden Huschlage. Ausgenommen waren die durch geistige oder körperliche Gebrechen Erwerbsunfähigen. Die Begründung des Gesetzentwurfs wies hin auf die ungemein große Zahl der durchs Loos oder wegen eines geringen körperlichen Fehlers vom Militairdienste befreiten Personen, sowie auf die Billigkeit eines Ausgleichs für die den bienenden entstehenden wirthsckaftlichen Nachtbeile durch eine entsprechende Steuer. Die Ablehnung des Reichstags stützte sich vorwiegend auf .zwei Bedenken: auf daS ideale, daß es für die allgemeine Wehrpflicht einen Ausgleich nicht gebe, und auf das reale, l daß ein solches Gesetz schwer abzugrenzrn und finanziell nicht wirksam genug sei, um die Einwände dagegen aufzuwiezen. Besonders wirksam aber war der Einwand, daß in überaus zahlreichen Fällen nickt gerade geistige oder körperliche Gebrech lichkeit vorliege, wohl aber irgend ein die Erwerbsfähigkeit einschränkender Mangel, der den Betreffenden zeitlebens in Nachtbeil gegenüber dem Dienstfähigen setze und den man daher um so weniger noch mit einer Steuer belegen dürfe, je größere wirthschaftliche Bevorzugungen der Dienst vielen Dienenden in Form von offen gehaltenen Civilstellungen bringe, ganz abgesehen von der bürgerlichen Bevorzugung, deren der „Gediente" sich sonst erfreue. Vielleicht liegt jetzt statistisches Material vor, daS eine gründlichere Abwägung der für und wider die Einführung einer Wehrsteuer sprechenden Gründe ermöglicht. Jedenfalls ist die im Jahre 1880 erfolgte Ablehnung kein hinreichender Grund, eine nochmalige Prüfung der Frage kurzer Hand abzu lehnen, und jedenfalls muß für die in Notd sich befindenden Kriegsinvaliren und für die Wittwen der Gefallenen Alles getban werden, waö geihan werden kann. Und daß auch der Reichstag bereitwillig der Kriegsinvaliden gedenkt, hat sich in der letzten Session gezeigt, wo aus der Mitte der national liberalen Fraction aus die noch sehr verbesserungsbedürftige Lage der KriegSinvaliden bingewiesen und dann auf Befürwortung der Petitionscommission und Beschluß de« Reickstags schließlich in einem Nachtragsetat die Summe von l,8 Mill. Mark auf 2,4 Mill. Mark aus den dafür zur Ver fügung stehenden Erträgen des Reicksinvalidenfonds erhöht wurde, um sämmtlichen damals nackgewiesenen 23 000 hilfs bedürftigen und erwerbsunfähigen Veteranen den Ehrensold von 120 Mark gewähren zu können. Haben die bisherigen Mittel nicht gereicht, um die gerechtfertigten Wünsche der bedürftigen Kriegsinvaliden und Wittwen zu befriedigen, dann müssen eben weitere Mittel beschafft werden, und die Finanzverhäliniss« deS Reiches und der Einzelstaaten sind zur Zeit glücklicherweise so, daß sie nöthigensalls für diesen Zweck noch mehr als bisher in Anspruch genommen werden können. Abermals sind die Franzose« in der Socialpolitik den andern europäischen Culiurstaaten, welche dem deutschen Beispiel der Arbeiterfürsorge folgt,.y, mühsam nachgebinkt. Die Kammer hat am Donnerstag den Gesetzentwurf, betreffend die 'öffentliche Unfallversicherung, die schon seit zehn Jahren auf der Tagesordnung ist, in einer Fassung, die der Regierung genebm ist, bewilligt. Man merkt daran die Näbe der Wahlen. Die Abgeordneten sagten sich: „Wir dürfen doch nicht mit ganz leeren Händen zu unseren Wählern zurückkehren; in den 4 Jahren unserer Mandats dauer haben wir bis jetzt nur die Börsenbarone mit der Erneuerung des Bankprwilegiums und die Zuckerbarone mit Zuckerprämien beschenkt. Es ist höchste Zeit, daß wir auch für die Arbeiter etwas thun, wenn diese uns nicht mit faulen Aepfeln werfen sollen." Aus dieser triftigen Erwägung ent stand zum 5. oder 6. Mal die Berathung der Unfallversiche rung. Vom Senat war seit längerer Zeit schon der Gesetzentwurf zurückgekehrt, allerdings arg verunstaltet. Die Senatoren hatten sich gesagt, daß es für die Industriellen sehr unbequem wäre, wenn sie zur Versicherung ihrer Arbeiter gezwungen würden, denn die Senatoren, deren Wahl haupt sächlich vom Besitzstand abhängt, haben mehr Herz für den Arbeitgeber, als für den Arbeitnehmer. Sie leugneten von vorn herein sogar den Grundsatz des „ri8quo ploksssiouuel", d. h., daß aus der Entwicklung der modernen Industrie notbwendigerweise Gefahren für den Arbeiter und Verpflichtungen für den Fabrik besitzer erwachsen. In der Form, wie der Gesetzesentwurf vom Senat zurückkam, bedeutet er kaum einen merklichen Fortschritt gegen das alte, allerwärts verdammte System der indivi duellen Haftpflicht. Die Kammer wollte im ersten Zorn das ursprüngliche, mehr nach deutschem Muster verfaßte Project wieder Herstellen. Indessen sagte sie sich, daß in diese!» Falle überhaupt keine Verständigung mit dem Senat und somit auch kein Zustandekommen des Gesetzes möglick wäre. Sie folgte daher dem Rathe der Negierung und verzichtete auf die Zwangsversicherung, an der die Senatoren haupt sächlich Anstoß nahmen. In dieser Form hießen sie das Gesetz beinahe einstimmig gut. Sebr bcmerkenSwerth ist, daß selbst die Socialdemokraten dafür stimmten. Sie wollten sich jedenfalls vor dem Vorwurf der Obstruction decken für den Fall, daß daS Gesetz dennoch scheitern sollte. Dies ist ja noch immer möglich, wenn nicht wahrsckeinlich, da die Vor lage noch einmal an den Senat zurückgehen muß. Wie dem auch sei, in der Hauptsacke ist die öffentliche Unfallver sicherung doch sckon als verunglückt zu betrachten, denn es versteht sich, daß eine Versicherung, die in das Belieben der Arbeitgeber gestellt ist, nicht al« durchgreifende Besserung gellen kann. Wenn die französischen Arbeiter sich mit dem parlamentarischen Gerede abspeisen lassen, so ist daS ihre Sache. Glücklicker Weise sind unsere deutschen Arbeiter in der Lage, daß ihnen etwas Bessere» geboten wird. Sogenannte Demokratie und Vvlkswohl sind eben keineswegs gleich bedeutend. Die wahre, werkthätige Fürsorge für das Volk gebt, wie man an dem vorliegenden Beispiel wieder einmal steht, in unseren Tagen von der Monarchie aus. Nicht minder scharf als in Westafrika scheinen Eng länder und Franzosen im Ntlbccken aneinander gerathen zu wollen. Bekanntlich sah sich der Untcrstaakssecrelair der damaligen liberalen Regierung, Sir Edward Grey, vor mehr als zwei Jahren veranlaßt, gegen die von der Westküste nach den Nilquellen entsandte französische Expedition einen formellen Protest einzulegeu und dieselbe im Unterhause als „eine unfreundliche Handlung" gegen England zu bezeichnen. Dies« Kundgebung der englischen Negierung war in sofern von besonderem Belang, als sie mit vollster Zu stimmung der damaligen Oppositions-Partei erfolgte. Die jetzige Regierung ist also gebunden, denselben Standpunkt einzunehmen. Ungeachtet dessen ist aber mittlerweile der vor erwähnten französischen Expedition eine zweite gefolgt, die gegenwärtig im Begriff steht, sich in Faschoba, dreihundert englische Meilen südlich von Khartum, mit der ersten zn ver einigen. Aon englischer Seite soll der Oberst Colville mit einem fliegenden Corps au» Uganda abgerückt sein, um die Vereinigung der beiden französischen Expeditionen zu ver hindern. DaS englische CorpS steht daher in Gefabr, eS mit beiden französischen Expeditionen aufnehmen zu müssen, wozu seine Streitkräfte kaum ausreichen würden. Die confervative Abendzeitung „Globe" bemerkt hierzu: „Sollte dies zum Kamps zwischen Engländern und Franzosen am oberen Nil sübren, so würde dies von England ohne Weiteres als ein earus belli betrachtet werden- Wir konnten uns in diesem Falle mit Frankreich im Kriege befinden, ehe noch eine Kriegs erklärung erfolgt wäre. M. Hanotaux sollte sich der Warnung ent- i sinnen, weiche ihm Sir E- Grey vor zwei Jabren «rtheilte. In I Betreff Lirirr Expeditionen läßt sich weder verhandel» noch ein Ab- ' kommen treffen. England hat in aller Form erklärt, daß das FariiHetoir. Der Page. üj Roman von A. Heyl. Nachdruck verbeten. „Schon halb zehn", rief sie mit gut gespieltem Er schrecken. „Da darf ich keinen Augenblick länger säumen. Meine Mutter wird mich mit Ungeduld erwarten, und ich kann mich auf eine derbe Strafpredigt gefaßt machen." „Es wird so schlimm nicht werden", tröstete Lieschen, „in fünf Minuten sind Sie zu Hause." „Könnte schon sein, liebes Herz, wenn ich nicht einen Umweg macken müßte. Die Kräuterlene hat meiner Mutter gerathe, sie soll bei zunehmendem Mondlicht am Caprllen- brünnlein Wasser schöpfen lassen, um ihre kranken Augen damit zu waschen. Wenn ich daS Wasser nicht bringe, be komme ich kein gutes Gesicht mehr." „Füllen Sie den Krug am Mühlbach, die Wirkung ist dieselbe", sagte eine rauhe Baßstimme im Hintergründe de» Zimmers. Der Doctor war unbemerkt eingetreten und Zeuge der letzten Worte gewesen. „Mag sein, daß dem so ist", gab Clotildeautmllthig zu, „ich kann mich aber nicht rntschlißen, meine Mutter hinter'» Licht zu führen." „Und da wollen Sie wirklich um diese Stunde den Hügel ersteigen, um dai Wasser an der vorgeschriebenen Stelle zu schöpfen?" fragte er immer noch zweifelnd. Sie versicherte, daß sie eS thun würde. Doctor Franz schnitt eine komische Grimasse: „Wenn eS denn sein muß, machen wir unS auf den Weg." Er nahm Hut und Stock, reichte dem Müller die Hand zum Abschied, nickte Lieschen und der Base zu und ging dann nach der Thüre. Llotilde, welche seine Absicht errieth, versuchte ihn davon abzubringen. „Sie werden mich doch nicht begleiten wollen, Doctor Franz. Wenn Sie Anwandlung von Galanterie verspüren, dann verschieben Sie solche auf eine für Sie gelegenere Zeit. Sie sind müde und abgespannt, bedürfen der Ruhe und sollen diese um meinetwillen nicht entbehren. Ich habe den Weg schon oft allein gemacht, 's ist mir nie etwas zugestoßen, und ich werde auch heute gewiß mit heiler Haut zu Hause ankommen." „Wer weiß", entgegnete der Doctor. „Gerade heute könnte Ihre Verwegenheit gestraft werden. Am Waldes saume auf der Gemeindewiese lagert eine Gauklerbande, und ich möchte nicht darauf schwören, daß die Mitglieder nicht nächtliche Excursionen machen. Dergleichen Begeg nungen sind zu keiner Zeit Wünschenswerth — zu dieser Stunde aber fast gefährlich und kurz und gut, ich lasse Sie nicht allein gehen." „Das soll Fräulein Clotilde auch nicht", mischte sich die Base ein. „Ich gebe ihr unsere Hausmagd, die Grete, mit und bitte den Herrn Doctor, noch einmal an das Kranken bett zu kommen. Ich war eben einen Augenblick unten, mir ist bang geworden um meinen HanS, meinen armen Jungen; er liegt im Fieber und redet irr, ich werde nicht recht klug aus dem, was ihm quält, er spricht zu undeutlich, nur das fällt mir auf, er verlangt immer nach Melonen." Lieschen erbleichte, der Doctor bemerkte es, sie blickte hilfeflehend zu ihm empor, über seine Züge zuckte ein rasches Verstehen. Er legte die Hand auf den lockigen Scheitel des Mädchen» und flüsterte ihr zu: „Nur ruhiges Blut! Hat Alles nichts zu sagen. Ich gehe schon zu ihm — ich gehr-" Tlotilde Heldenberg schritt unterdessen, von Grete ge leitet, durch den Küchengarten, zur Hinterpforte hinaus, passirte den Steg, der über den Mühlbach zur Waldwiese führte, und schlug den Weg zum Hügel ein. Zwischen der Wiese und dem schäumenden Bach zog sich ein schmaler Pfad bis zum Fuße der Anhöhe. Eine Reihe steinerner Staffeln, uralt und ausgetreten, wurde vorsichtig erklom men, und so langten die Beiden glücklich am Ziele an. Die Capelle stand auf einem felsigen Vorsprung und war auS weiter Ferne sichtbar; zwischen dem morschen Mauerwerk rieselte das Wunderbrllnnlein hervor und floß, in eine steinerne Rinne gefaßt, dem Bache zu, in den es sich unweit der Mühle ergoß. Es war eine schöne mondhelle Nacht, vom Westwind gefächelt, rauschten leise die Wipfel der Bäume, wiegten sich Blumen und Gräser, der gestirnte Himmel spiegelte sich in den Wellen. Die Häuser im Dorfe schimmerten weiß und märchenhaft, vom Mondlicht um flossen; still war es in den Gassen, nur der Ruf des Nacht wächters erinnerte daran, daß da die Heimstätte friedlicher Landleute war. Unmittelbar und deutlicher trat der groß artige Bau von Schloß Adlershof mit seinen reichverzierten Fassaden, mit seinen Erkern und Thllrmchen, mit seinen hell erleuchteten Fensterreihen in dem nächtlichen Landschafts bilde hervor. Clotilde blieb eine Weile stehen und blickte aufmerksam hinüber. Sie war im Schlosse bekannt, sie wußte genau, wo die Zimmer des Herrn von Monhardt lagen. Dieselben waren mit dichten Gardinen verhängt, man konnte nicht entdecken, nicht einmal errathen, was sich hinter dieser Verhüllung abspielte. In den angrenzenden lichten Räumen huschten Gestalten hin und her, doch waren sie zum Bedauern der Dame aus so weiter Entfernung nicht zu erkennen. Sie wurde durch lautes Rufen in ihrer Beo bachtung gestört und sah, als sie sich umwandte, eine lange Gestalt mit Riesenschritten dem Wiesenpfad entlang eilen. Beim Näherkommen erkannte sie den Doctor Franz. „Warten Sie auf mich, Fräulein", rief er in be fehlendem Tone. „Sie können den Weg zum Dorfe nicht allein zurücklegen, das wäre verwegen." „Das bin ich nun einmal", rief sie belustigt hinunter. „Grete und ich nehmen es mit allen Räubern und Gespen stern auf, die uns begegnen sollten." „Sie sind unvernünftig", schallte es herauf. „Auch das gebe ich zu", lachte sie, dem Verdrießlichen eine komische Verbeugung machend. Dieser hatte die steinerne Treppe erstiegen und kam keuchend auf das Fräulein zu. „Sie sind ein extravagantes Frauenzimmer", schalt er. „Ich — ich — Ihre Frau Mutter wollte ich sagen, ängstigt sich zu Hause — " „Woher wissen Sie daS?" fragte sie spöttisch. „Was thun Sie eigentlich so lange hier oben?" fragte er dagegen. „Geht Sie das etwas an, Doctor? Ich werde wohl das Recht haben, Natur zu kneipen, wenn es mir beliebt." „Am Tage und an sicherer Stelle gewiß, mein Fräulein, aber Nachts, an so unsicherer Stelle möchte ich Einwand er heben. Geben Sie mir das Krllglein, ich will daS Wunder wasser schöpfen, und dann machen wir uns auf den Heimweg." Grete, die aufmerksam zugehört hatte, wartete Clotil- den's Entscheidung nicht ab, sie reichte dem Doctor hastig das Krllglein, welches sie bisher krampfhaft in ihren vor Angst zitternden Händen gehalten, und sagte halblaut: „Hier ist der Krug, Herr Doctor. Sie haben Recht, hier oben ist es nicht geheuer, und da Sie nun bei dem Fräulein bleiben und sie beschützen, so kann ich mich rasch auf den Heimweg machen — denn — denn, ich habe seither eine wahre Todesangst ausgestanden. Der Schlag würde mich treffen, wenn ich ihn sehen müßte." Clotilde vernahm diese Rede voll Verwunderung: „Ihn sehen — wen denn, Grete?" „Wen anders als den Seelenverkäufer, Fräulein — o ich — ich zittere an allen Gliedern —" „Er wird Ihnen nicht erscheinen, Grete, denn er liegt heute zu Bett und leidet an Herzträmpfen", beruhigte der Doctor. Grete schüttelte ungläubig den Kopf, während sie entgegnete: „Der legt sich jeden Abend zu Bett und fährt doch um Mitternacht in einer feurigen Kutsche auf der Waldwiese herum, wie schon verschiedene Leute gesehen haben. Glauben Sie das nicht, Herr Doctor?" Dieser meinte mit kurzem, rauhem Lachen: „Das ist gar nicht so wunderbar, als eS klingt. In einer Kutsche habe ich ihn schon oft fahren sehen und wenn auch diese nicht feurig war, so waren cs doch die Pferde vor derselben. Daß sich aber Monhardt für mitternächtliche Ausflüge eine be sondere Equipage hält, davon ist mir nichts bekannt." Grete begriff den Sinn der Erwiderung nicht. Von Furcht getrieben, eilte sie mit knappem Gruße der Mühle zu. Clotilde war nun mit dem Doctor allein, sie fühlte sofort das Peinliche ihrer Situation und konnte sich nicht enthalten, ihrem Aerger in Worten Luft zu machen: „Die alberne Person", rief sie entrüstet, „nun rennt sie davon und bringt mich in die größte Verlegenheit. Sie hätten auch etwas Äe- scheidtereS thun können, als mir nachzulaufcn, Doctor. Wenn unS Jemand sieht, kommen wir ins Gerede. Seien Sie so gut und verlassen Sie mich." „Um keinen Preis, Fräulein Clotilde. Ich bleibe selbst auf die Gefahr hin, daß wir ins Gerede kommen. — Uebri- gens traut Ihnen Niemand so schlechten Geschmack zu und glaubt, Sie könnten mich alten, häßlichen Gesellen hier mit einem Rendezvous b glllcken. Diese Annahme ist von vornherein ausgeschlossen. Ebensowenig traut man mir die Selbstüberhebung zu, welche dazu gehören würde, wenn ich
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