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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971105024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897110502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897110502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-05
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuni' 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Armahmeschluö für Äuzeigeu: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. VLorg«»-Ausgabe: Nachmittag» «Uhr. Bei de« Filialen und Annahmestellen je eka« halbe Stunde srnher. Anzeigen find stet- an die Srpedttis» zu richten. Druck »ud Verlag von E. Polz in Leipzig. E^o Zßß, Freitag den 5. November 1897. 91. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. November. Die „Berk. Polit. Nachr." kündigen heute an, daß die preußische Regierung die Betheiligung von österreichischen Abgeordneten an der vom Alldeutschen Verbände geplanten Versammlung in Berlin verhindern werde, und begründen diese Absicht folgendermaßen: „Verhandlungen und Beschlüsse zu Gunsten der Kämpfe der Deutschüsterreicher, wie sie der Alldeutsche Verband plant, ent sprechen gewiß natürlichen Gefühlsregungen. Allein bei ruhiger kritischer Betrachtung wird man sich den ernsten Bedenken nicht verschließen können, zu welchen eine solche Gefühlspolitik Anlaß giebt. Denn der Sprachen st reit, um welchen es sich bandelt, ist zweifellos eine rein innere Angelegenheit Oesterreichs. Es bedeutet daher jenes Vorgehen des Alldeutschen Verbandes in Wirklichkeit nichts Anderes, als die Ein Mischung in die inneren Angelegenheiten eines Nachbarstaates. Erscheint ein Vorgehen, welchem dieser Edarakter beiwohnt, an sich recht bedenklich, so muß es als überaus mißlich erkannt werden, wenn man erwägt, daß es ein mit Deutsch land eng verbündeter und eng befreundeter Staat ist, gegen dessen Negierung diese scharfe Action und Agitation in Scene gesetzt werden soll. Daß dabei als Hauptacteure rednerisch einige der Vorkämpfer der deutschnationalen Opposition in Oesterreich gegen ihre Regierung austrelen sollen, setzt der Sache aber die Krone auf. Man denke nur daran, welchen Eindruck es bei uns machen würde, wenn sich die Bürger eines befreundeten Nachbarstaates bei- fallen lassen sollten, die Angelegenheiten Elsaß-Lothringens in ähnlicher Weise zum Gegenstände der Action gegen das Reich und seine Regierung zu machen, wie das jetzt betreffs des österreichischen Epracbenstreits geschehen soW, und daß sich dabei protestlerische Abgeordnete aus dem Rcichslande rednerisch bcthätigen wollten! Wenn eS daher klar ist, daß die einfachsten Rücksichten aus unseren Verbündeten die Zulassung einer Mitwirkung österreichischer Abgeordneter bei einer gegen die Regierung jenes Staates von hier aus gerichteten Agitation nicht gestatten, so ist es doch richtig, daß die beabsichtigte Versamm lung weder verboten noch deren Abhaltung an die Bedingung der Nichttheilnahme der Oesterreicher geknüpft worden ist oder werden wird, aus dem einfachen Grunde, weil das Bereinsgesetz dazu eine Handhabe nicht bietet. Allein man wird darüber nicht zweifelhaft sein können, daß die Regierung die ihr, abgesehen von dem Vereinsrecht, zustehenden Befugnisse dazu benutzen wird und benutzen muß, um die Theilnahme österreichischer Ab- geordneter an der gegen die österreichische Regierung gerichteten Action zu verhindern. Alan wird daher mit Sicherheit an- nehmen dürfen, Las; die Regierung durch energischen Gebrauch von den ihr namentlich auf dem Gebiete der Fremdenvolizei zur Verfügung stehenden Machtmitteln nicht blos das rednerische Auftreten, sondern auch, weil man nicht wissen kann, zu welchen Ausschreitungen sich andernsalls die Ver sammlung hinreiben lassen kann, die Betheiligung jener österreichischen Abgeordneten an der Versammlung des Alldeutschen Verbandes zu verhindern wissen werde. Da, wie die „Berl. Neust. Nachr." hören, die Absicht, in der Versammlung österreichischen Rednern das Wort zu ge statten, bereits aufgegeben ist, so würde man die Auslassung der „B. P. N." auf sich beruhen lassen können, wenn sie nicht einen indirccten Borwnrf gegen die königlich säch sische Regierung enthielte, die das Auftreten österreichischer Abgeordneter in Versammlungen deS Alldeutschen Verbandes in sächsischen Städten nicht gehindert hat. Sie wird sich gegen diesen Vorwurf selbst zu vertheidigen wissen; jedenfalls ist sie über den Verdacht erhaben, daß sie nicht wisse, waS sie einem befreundeten Nachbarstaate schuldig ist, oder aus Rücksicht auf die Veranstalter der Versammlungen die höhere > Rücksicht auf jenen Staat außer Acht gelassen habe. Hätte I sie sich auf den Standpunct gestellt, daß sie von vornherein> Alles verhindern müßte, was möglicherweise in solchen Ver-1 sammlungen gesprochen werden könnte, so hätte sie auch ein für allemal Versammlungen des deutschen Schulvereins verbieten oder wenigstens fordern müssen, daß österreichische Redner in ihnen nicht zu Worte kämen. Und daraus ergiebt sich schon, daß eine derartige Präventivmaß regel über das Ziel hinauSschießt. Die österreichische Sprachenfrage ist eben mehr als eine rein innere Angelegenheit Oesterreichs und muß daher auch überall besprochen werden können, wo sie die tiefen Interessen breiter Volksschichten berührt. Man wird lediglich fordern dürfen und müssen, daß sie nicht in einer die Interessen eines verbündeten Staates bedrohenden Weise behandelt werde. Auch wirth- schaftliche Fragen sind interne Angelegenheiten eines Staates. Wenn aber ein Zollkrieg zwischen zwei benach barten Staaten drohte, wer würde cs den Bürgern dieser Staaten verargen dürfen und verbieten mögen, wenn sie in gemeinsamen Berathungen die Nachtheile eines solchen Krieges feststellen und die Abwendung derselben herbei zuführen trachten wollten?" Ganz ähnlicher Art sind die Absichten des Alldeutschen Verbandes. ES ist daher völlig verfehlt, die von ihm geplante Versammlung mit einer etwa in Italien oder Oesterreich abgehaltenen Versammlung zu vergleichen, in der von protestlerischen Abgeordneten die Los- reißung von Elsaß-Lothrin gen von Deutschland gefordert werden könnte. Es ist eine ganz willkürliche Unterstellung, daß in Berlin der Losreißung der deutschen Sprachgebiete von Oesterreich das Wort geredet werden würde. Wenn es aber geschehen sollte, so würbe eS genügen, wenn gegen die Redner von ihren Negierungen nachträglich eingeschritten würde. Man hat übrigens unseres Wissens noch nie daran gedacht, den Ausschluß gewisser Redner der „Friedensliga" von Versammlungen zu fordern, „weil man nicht wissen könne", ob sie nicht vielleicht zu „Aus schreitungen" sich hinreißen lassen könnten. Die Gesetze sind überdies in Oesterreich scharf und die Machtvollkommenheiten der Regierung groß genug, um dem Herrn Grafen Badeni sekr energische Maßnahmen gegen Redner zu gestatten, die gegen den österreichischen Staat und seine Regierung sich irgendwie vergehen. Ihm zu Liebe, der doch wahrlich nicht Oesterreich ist und gar leicht diesen Staat in Bahnen lenken kann, die weit ab von der Freundschaft zu Preußen und Deutschland führen, deutsch-österreichischen Gästen die Mög lichkeit jeder Kritik seiner Regierungsweisheit abzuschnciven, hat nach unserer Ueberzeugung die königlich sächsische Negierung mit vollem Rechte nicht als ihre Pflicht angesehen. Der der deutschen Locialdcmokratie oft gemachte Vorwurf, daß sie jede Spur von nationaler Gesinnung entbehre rind sich dadurch sehr zu ihrem Nachtheile von den französischen, den englischen und den meisten übrigen ausländischen Genossin unterscheide, trifft mit vollem Rechte die Führer, die sich geradezu bemühen, ihn zu verdienen. Einen Theil der Genossin aber trifft dieser Vorwurf nicht. Die polnischen Socialbemokraten sind national gesinnt, natürlich national polnisch. Während die übrigen Socialbemokraten in Deutschland nur Socialbemokraten sein wolle», sind ihre polnischen Brüder Genossin und Polen. Das haben sie gezeigt, indem sie in den Wahlkreisen Kattowitz und Beuthen polnische Eandidaten aufgestellt haben, ob wohl in dem einen dieser Wahlkreise (Kattowitz) bereits ein „deutscher Genosse" aufgestellt war. Sie haben sich also eine arge Insubordination zu Schulden kommen lassen, eine um so ärgere, als sie mit den „deutschen" Genossen ausgemacht batten, daß ver Wahlkreis Kattowitz von einem „deutschen" Socialdemokraten umworben werden sollte; das polnische Nationalgefühl hat sie diele Abmachung mißachten lassen. Von praktischer Bedeutung ist die Sache deswegen nicht, weil die beiden Wahlkreise dem Eentrum, bezw. einem CentrumS- polen sicher sind; aber vielleicht lernen die „deutschen" Social demokraten von ikren polnischen Genossen, daß nationales Empfinden selbst auf deutschem Boden doch kein leerer Wahn ist. Bon der deutsch-französischen Grenze wurden kürzlich wiederholt Zwischenfälle nach Paris gemeldet, die in der Verhaftung von Franzosen durch die deutschen Be hörden bestanden. Erstere hatten sich durch ttebersiedelung nach Frankreich der Ableistung der Milit airpflicht in Deutschland entzogen, und wenn sie den Boden der Reichs lande wieder betraten, wurden sie von den deutschen Gendarmen sestgenommen. Erst vorgestern kam wieder ein solcher Fall vor, der einen gewissen Bourson in Nancy, Vater von sechs Kindern, betrifft. Er wollte in einem elsässischen Nachbardorfe Gemüse kaufen und fiel dabei der deutschen Polizei in die Hände. Niemand kann dieser ver- nünstgerweise einen Vorwurf machen, daß sie so handelte. In Frankreich betrachtet man solche Vorkommnisse, die von den Chauvinisten dem Publicum sofort mundgerecht gemacht werben, indessen stets durch eine andere Brille. Aber auch bei solchen Grenz vorfällen tritt allmählich eine Wandlung zum Besseren ein. So viel Lärm, wie früher, wird darum nicht mehr ge schlagen. Der denkende Franzose sagt sich: warum begebt ihr euch in die Höhle deS Löwen, wenn ihr voraus wißt, darin gefaßt zu werden? Auch die anständige, französische Presse, die früher über die deutsch-französischen Grenzvorfälls geschwiegen hat, um sich nicht zu Gunsten der Deutschen erklären zu müssen, tritt jetzt offen mit ihren Ansichten in diesem Puncte hervor. „Es ist nicht zu bezweifeln", so schreibt der „Malin" in einer Betrachtung über die „Frontiöre", „daß die deutschen Behörden in derartigen Fällen nur nach den Vorschriften handeln, die in Elsaß-Lothringen in Kraft sind. Nicht weniger sicher ist es, daß die verhafteten Personen nur darin Recht Haden, daß sie diese Gesetze ungenügend kennen und sich nicht erkundigen, bevor sie die Grenze überschreiten. Deshalb liegt der französischen Regierung die Pflicht ob, das zu thun, was der einzelne Bürger nicht Zeit hat zu thun. An ihren Präfecten und Beamten ist es, den Interessenten Aufschluß über ihre Stellung zu den deutschen Gesetzen zu geben, ehe sie den Boden der Reichslande betreten. Könnte die deutsche Regierung nicht um Ueber- mittelung der Liste der jungen Leute gebeten werden, deren Opliren für Frankreich sie nicht anerkennt, und könnte man diese Liste nicht denjenigen zur Einsichtnahme zur Verfügung stellen, die sie angeht? Man sieht absolut keinen Grund, warum die deutsche Regierung daS verweigern sollte, denn es dürfte ihr, wie wir uns jetzt mit Deutschland stehen, daran liegen, daß die guten Beziehungen zwischen beiden Länder» nicht durch Grenzvorfälle beeinträchtigt werben, die von zu pflichteifrigen Unterbeamten veranlaßt sind." Zn ähnlicher Weise äußert sich ein Provinzialblatt, das „Journal re la Meurthe et des VoSges", das meldet, die dortige Präfectur wolle die Regierung der Republik um genaue Instructionen ersuchen. In der französischen Deputirtenkammer hat der Abgeordnete Flandin einen Antrag eingebracht, nach welcher- man nur infolge eines Examens soll Richter werden können und wonach ferner das Avancement der Richter ebenso i l einer bestimmten Weise geregelt werden soll, wie d>- Avancement der Ossiciere in der Armee geregelt ist. Jetzt nämlich werden die Richterstellen nur der Form nach vom Staate besetzt, während der Thatsache nach Deputirr. nur einflußreiche Journalisten und sonstige Proteges, di: ihnen zu ihrem Mandat verholfen, in guten Nichtei stellen unterbringen. Dadurch aber, das; die Richter ihr: Stellungen in der Regel nicht ihren Fälligkeiten, sondern der Protection verdanken, ist die Gefahr gegeben, daß La: für den Richlerstand vor allen Dingen nötige Unabhängig keitSgefühl verloren geht. Auch die richterliche Unpartei lichkeit leidet darunter, denn der Richter, der dem Ab geordneten einer bestimmten Partei seine Sti llung zu danken bat, wird leicht dazu geneigt sein, besonders bei politischen Processen, den Standpunct derjenige» Partei, die ihn in das Amt eingesetzt hat, aus Kosten dar Gerechtigken zu berücksichtigen. Schließlich leidet aber auch schwer bas Ansehen des Richterstandes beim Volke darunter, denn eS bleibt auf die Dauer selbstverständlich nicht un bekannt, auf welche Weise die Richterftellen besetzt werden, und ein Mann, der seine Stellung dem Anticham briren bei einflußreichen Deputirteu zu verdanken hat, wird nicht wohl verlangen dürfen, daß er vom Vcstke besonders respectirt wird. Der Antrag Flandin hat längere Zeit, als nolhwendig gewesen wäre, in einer Commission geruht. Jetzt aber ist er von der Commission einstimmig acce ptirt und der Kammer zur Annahme empfohlen worden. Werd aber der Antrag in der Kammer selbst Annahme senden? Das „Journal des DöbatS" ist pessimistisch genug, dies zu bc zweifeln. Obgleich es selbst auf dem politischen Etandpuncte der derzeitigen Kammermehrheit steht, giebt eS offen der Besorgniß Ausdruck, daß diese Mehrheit auSi egoistischen Gründen den Entwurf ablehnen wird. Das Blatt meint, daß gerade jetzt, kurze Zeit vor dem Ablauf« der Mandate, die meisten Deputaten noch bemüht sind, so schnelil wie möglich eine möglichst große Zahl von guten Freundem und Ver wandten in guten Staatsstellungen, namentlich auch in Richter ftellen, unterzubringen, weil sie ja nicht wissen, ob sie nach diesem Winter noch Gelegenheit finden werden, einen Einfluß auszuüben. Das französische Blatt spricht diese Ansicht ganz resignirt aus, als könnte es gar nicht anders sein; wir muffen sagen, daß sich sittliche Degeneration kaum in einer wider wärtigeren Form zeigen kann, als in dieser Berschrnkung und Berschacherung der Staatsstellen. Die vielbesprochene spanische Antwortnote an die Ver einigten Staaten, über deren Inhalt bis jetzt nichts Zu verlässiges bekannt geworden, umfaßt nach einer Meldung der „Times" aus Madrid 28 Seiten. Der erste Theil ist eine Umschreibung der Woodford'schen Note, indem die freundschaftlichen Versicherungen der Vereinigten Staaten entgegengenommen und erwidert werden.'. Der zweite Theil behandelt an der Hand des von Calveron, dem Rechts- beirath der spanischen Gesandtschaft in Washington, ge sammelten Materials die Flibustierexpeditionen und schließt mit der Hoffnung, daß nach dieser Richtung Besserung ein- i treten und die amerikanische Regierung versuchen werde, I weitere Verletzungen deS Völkerrechtes zu verhinderu. I Auf LaS Anerbieten der guten Dienste der Vereinigten Der Page. 8j Roman von A. Heyl. Nachdruck verboten. „Ist ja wohl der Adlershofen, von dem Sie sprechen, Mama?" erkundigte sich der Graf, den die Geschichte zu interessiren anfing. Frau von Monhardt neigte zustimmend das Haupt. „Habe öfters von dem tragischen Ende der Familie er zählen hören. Geschlecht uralt, sechzehn Ahnen, sie waren früher begütert, zuletzt verarmt. Der letzte Abkömmling ist also entartet? Fatal! Man muß ihn ignoriren, ihn als Luft behandeln —" Die letzten Worte des Grafen wurden von Melanie nicht mehr beachtet. Sie vernahm den Schall von Trommeln und Trompeten, dazwischen das Jauchzen einer erheiterten Volks menge, die im Schloßhof einzog, und eilte auf den .Balcon, um zu sehen, was es da gäbe. " Ihre Mutter und der Graf folgten langsam nach. Eine Gauklerbande unternahm es, in das ländliche Still leben geräuschvolle Abwechslung zu bringen. Der Ausrufer der Bande trat vor und verkündete nach dreimaligem Tusch, die berühmte Künstlergesellschaft „Dorset" werde die Ehre haben, vor hohen Herrschaften und verehrtem Publicum eine Vorstellung zu geben. Graf Rivero war der Ansicht, man solle den Leuten ein Geldgeschenk schicken und die Vor stellung untersagen, damit Papa nicht in seiner Ruhe gestört würde. Frau von Monhardt erklärte sich vollständig ein verstanden, doch Melanie wollte nichts davon wissen. „Papa liegt im entgegengesetzten Flügel des Schlosses, seine Fenster gehen nach der Waldwiese, es wird kein Laut bis zu ihm dringen. Es ist langweilig genug bei uns", meinte sie, die Miene verziehend, „ich dachte, wir könnten froh sein, wenn uns eine Zerstreuung geboten wird. Gerne möchte ich die Production mit anseAn." Sie trat weiter vor und stützte den Arm auf das Ge länder und rief den Leuten zu, die Vorstellung zu beginnen. Dieser Weisung wurde bereitwilligst Folge geleistet. Ein alter Teppich markirte die Bühne, auf diesem stellten sich zwei Clowns als Pierrot und Piccolo dem Publicum vor. Sie gaben sich alle Mühe, durch komische Sprünge und Körperverdrehungen die Zuschauer zu ergötzen. Sie gingen auf den Händen, schlugen Purzelbäume und Räder und balancirten eine Schale mit Wasser im Kreise, ohne einen Tropfen zu verschütten. Lauter Beifall belohnte die Künstler am Schluß ihrer Leistungen. Ein burschikos gekleideter Herr trat an ihre Stelle; er schien nicht recht zu seiner Um gebung zu passen. Unzweifelhaft der romanischen Rasse ent sprossen, zeigte sein regelmäßiges, scharf geschnittenes Gesicht die Spuren von Intelligenz; zierliche Hände und Füße, eine elegante Figur und eben solche Bewegungen ließen auf bessere Abkunft schließen. Seine stechenden schwarzen Augen musterten keck die Zuschauer auf dem Balcone, er verneigte sich höflich, aber durchaus nicht unterwürfig, ließ sich dann von einem Knaben ein halbes Dutzend glänzender Kugeln reichen und begann damit ein Spiel, das er mit großer Ge wandtheit vollfllhrte. Dann ließ er sich ebensoviele Messer reichen, ersuchte die Umstehenden, deren Schärfe zu prüfen, und wiederholte alsbald dasselbe Spiel mit einer kecken Sicherheit, die sogar Melanie imponirte. Sie betrachtete den Mann mit unverkennbarem Interesse und folgte dem Spiel, das seiner Gefährlichkeit wegen etwas Aufregendes für die Zuschauer hatte, mit neugierig kritischen Blicken. Der unerschrockene Jongleur beschäftigte ihre Phan tasie. Sie hielt ihn für einen angehenden Dreißiger, viel leicht war er auch jünger, man konnte das nicht so genau be urteilen, denn das Vagabundenleben und die lustigen Zeiten, welche diesem vorausgegangen sein mochten, waren nicht geeignet, das Aussehen zu conserviren. Er hatte etwas von einem Cavalier, sein Anzug war neu und echt, die Wäsche blendend weiß. Der braune Sammtrock, reich mit Schnüren benäht, hob den schlanken Wuchs vorteilhaft hervor und das Sammtbarett, das schief auf dem krausen, schwarzen Haare saß, vervollständigte den unternehmenden Eindruck, welchen die Persönlichkeit hervorbrachte. Nachdem er die Messer zum letztenmal aufgefangen und zum Beschluß seiner Kunstleistungen eine Verbeugung gemacht hatte, wurde ihm von Melanie's Hand ein Goldstück zugeworfen. Er bückte sich nicht, die Gabe aufzuheben, sondern er winkte dem kleinen Diener, dies an seiner Stelle zu thun. Mit einem viel sagenden Blick nach der schönen Geberin drückte er das Ge schenk an die Lippen, verbeugte sich nochmals und trat zurück. Graf Rivero betrachtete den Vorgang mit zunehmendem Mißbehagen: „Es war unklug, Melanie, diesen Messer helden auszuzeichnen. Wäre passender gewesen, das Geld durch den Bedienten zu schicken. Allzu große Leutseligkeit ist nicht nach meinem Geschmack." Diese in schnarrendem Tone ausgesprochene Miß billigung wollte der Braut durchaus nicht gefallen. „Du fängst bei Zeiten an zu Hofmeistern, mein Lieber", versetzte sie gereizt. „Meinte ich doch, nur bei bejahrten Männern fände sich diese unangenehme Eigenschaft." „Bei mir müssen die Dehors gewahrt werden, wer dies versäumt, hat Tadel zu erwarten", entgegnete er scharf. Melanie war im Begriff, eine trotzige Antwort zu geben, doch die besorgte Mutter nahm ihr das Wort vom Munde: „Wenn Mißhelligkeiten wegen dieser Gauklerbande entstehen, so dringe ich auf schleunige Entfernung derselben." „Die Leute sollen bleiben", erwiderte die verwöhnte junge Dame, mit dem Fuße stampfend. „Mache nicht so viel Wesen aus ein paar spitzen Worten, Mama. Edgar und ich söhnen uns wieder aus, nicht wahr, mein Freund?" Der Freund war hierzu bereit, und um der Braut angenehm zu sein, meinte er auch, man solle die Vorstellung nicht unterbrechen. „Der arrogante Lümmel hat sich zurückgezogen, sehen wir, was weiter kommt. Ei, ei, ein allerliebster Page auf kleinem Pferde. Der Junge ist bildhübsch, sieh nur, Me lanie, wie er sein Rößlein tummelt —" „Und sieh nur das weiße Hündchen, das in possirlichen Sprüngen nebenher hüpft", fügte Melanie belustigt bei. Sie legte ihre Hand auf den Arm des Grafen, er streichelte dieselbe zärtlich; sie waren vollständig ausgesöhnt und ergötzten sich Beide an den Kunstleistungen, welche der Page mit Hund und Pferd dem Publicum zum Besten gab. Das hübsche Bürschlein konnte kaum fünfzehn Jahre zählen, obwohl der ernste Ausdruck, sowie die scharf aus geprägten Linien um Augen und Mundwinkel dem Kinder gesicht etwas Altkluges und Frühreifes gaben, daS im Widerspruch zu der übrigen Erscheinung des Knaben stand. Das Rößlein, bunt geschirrt, war stolz auf seinen Reiter, gehorchte willig jedem Winke und zeigte Verständniß für die Bewunderung, die man ihm zollte. Nachdem sich Roß und Reiter genügend producirt hatten, stieg der Knabe ab und führte das weiße Hündchen vor, dessen Geschicklichkeit alles bisher Dagewesene übertraf. Er bekleidete das nied liche Thier mit einem rothseidenen Mantel, setzte ihm ein Hütchen mit wallenden Federn auf, gab ihm einen kleinen Sonnenschirm zwischen die Vorderpfoten, ließ es Ver beugungen machen, herumspazieren und tanzen. Seine Leistugen bildeten den Glanzpunct der Vorstellung, welche unter stürmischem Beifall beendigt wurde. Die Clowns begannen Geld zu sammeln, vom Balcon fielen ein paar Mark herab, dann folgte die Weisung, der Page möchte heraufkommen, die Herrschaft wünsche ihn zu sprechen. „Wenn er mir gefällt, werde ich ihn in Dienst nehmen", sagte Melanie zu ihrer Mutter. Diese widersetzte sich dem Verlangen. „Welche Idee! Pagen sind längst aus der Mode. In Hofkreisen wird man es Dir verdenken, wenn Du den Landstreicher im Hause hältst." Melanie verzog den Mund zu einem geringschätzigen Lächeln: „Weißt Du so genau, wie man in Hofkreisen denkt, Mama?" Mama ärgerte sich über diese impertinente Bemerkung, deren verletzenden Stachel sie wohl fühlte. Sie ließ die Frage offen und antwortete mit einer Gegenfrage: „Wozu willst Du einen Pagen, was soll er thun?" „Er soll mir das Taschentuch aufheben, wenn ich es fallen lasse", versetzte die junge Dame, ihre Mutter mit hochmüthigem Blicke streifend. Die excentrischen Gelüste verwöhnter Schönheiten waren dem Grafen sattsam bekannt, er hatte nur ein überlegenes Lächeln für das Begehren des großen Kindes, überzeugt, es würde das neue Spielzeug bald wieder überdrüssig werden. „Gieb Dich zufrieden, Herzchen! Sollst Deinen Pagen haben", sagte er zu seiner Braut, „verstehe vollkommen, welche Functionen Du dem Bürschlein übertragen willst; er soll sich im Vorzimmer aufhalten, Besuche anmelden. Befehle an Dienerschaft vermitteln, er muß den Papagei füttern, das Schooßhündchen, das Du unzweifelhaft an schaffen wirst, spazieren führen, Dir die Schleppe tragen bis zur Equipage, wenn wir in Gesellschaft oder zu Hofe
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