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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971111029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897111102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897111102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-11
- Monat1897-11
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Gröbere «christrn laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Taris. t?Mra-Beilagen (gesalzt), nur mit d» Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördtrunj 60.—, mit Postbesörderung 70.—. AnnahmMluß für Änzeigen: Abeud-AnStzabe: Bormittag-Z 10 Uhr. Rtorgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Erpesitio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 577. Donnerstag den 11. November 1897. S1. Jahrgang. Die Thronrede zur Eröffnung des sächsischen Landtags. Die Thronrede, mit der heute König Albert in Dresden den sächsischen Landtag eröffnet hat, hat folgenden Wort laut: „Meine Herren Stände! Ich habe Sie zur Wiederauf nahme Ihrer verfassungsmäßigen Tbätigkeit berufen und heiße Sie herzlich willkommen. Ihr diesmaliger Zusammen tritt erfolgt noch unter dem Eindrücke der verheeren den Heimsuchungen, von welchen verschiedene Landestheile durch die Ueberschwcmmungen im Monat Juli d. I. betroffen worden sind. Habe ich es zu jeder Zeit mit tiefer Betrübniß zu empfinden gehabt, daß durch die verhängnisvolle Katastrophe, welche auch Opfer von Menschenleben gefordert hat, ein beträchtlicher Theil der Bevölkerung jener LandeStheile durch Verlust an Hab und (Hut schwer geschädigt worden ist, so gereicht eS Mir nunmehr zur lebhaften Befriedigung, daß unter wirk samer Theilnahme opferreicher Wohlthätigkeit die erlittenen Schäden zum Theil schon haben ausgeglichen werden können. Es ist Mir Bediirsniß, angesichts des in allen Kreisen und insonderheit auch außerhalb der Grenzen des engeren Vaterlandes zu Gunsten der Bedrängten be tätigten WohlthätigkeitssinnS Meinen königlichen Dank zum Ausdruck zu bringen. Zn der Erkenntniß, raß zur Be hebung des in den heimgesuchten Gegenden entstandenen Schadens die unverzügliche Gewährungaußero rd en t- licher Staatsbeihilfen dringend geboten sei, hat Meine Regierung in' der Voraussicht Ihrer spateren Gutheißung die hierzu nöthigen Schritte bereits ein geleitet und auch auS den vorhandenen, ver fügbaren Beständen größere Beträge angewiesen, um insonder heit den in ihrem Besitze Geschädigten vorläufig die nöthige Hilfe zur Sicherung ihrer Existenz und ihres Eigentums angedeihen zu lassen. Ueber die zu diesem Behufe bereits gemachten und ferner noch erforderlichen Aufwendungen sind Ihnen von Meiner Regierung in einem NachtragS-Etat auf die laufende Finanzperiode die nöthigen Anträge unterbreitet worden, und Ich darf erwarten, daß dieselben bei Ihnen eine wohlwollende Aufnahme finden werden. Hat nun auch die über ein verhältnißmäßig weites Gebiet verbreitet gewesene Katastrophe bemerkenswerte Störungen im Erwerbsleben verursacht und ist ferner die trotz augenblicklicher Preissteigerungen noch immer unter einem beengenden Drucke stehendeLan dwirth schäft obendrein durch die Unbilden der Witterung während der diesjährigen Erntezeit in ihren Erträgnissen erheblich geschädigt worden, so kann doch die wirthschaftliche Lage des Landes angesichts der auf dem Gebiete des Handels und der Industrie zu verzeichnenden Stetigkeit des WachSthumS im Allgemeinen als eine günstige bezeichnet werden, wenngleich einzelne Industriezweige unter dem Zusammenwirken verschiedener ungünstiger Zustände, ins besondere aber unter der durch Zoll-Maßnahmen im Auslande herbeigeführten Störung der Ausfuhr ihrer Erzeugnisse zu leiden haben. ES soll und wird das eifrigste Bestreben Meiner Regierung sein, für die Förderung der Interessen der in ihrer Fortentwickelung und Aus dehnung gegenwärtig beengten Berufs- und Erwerbsstände nach Möglichkeit Sorge zu tragen. Die Landesfinanzen gewähren zur Zeit ein erfreu liches Bild günstiger Entwickelung. Auf allen finanziell wesentlich in Betracht kommenden Gebieten der Staats- wirthschaft zeigen sich Mehr-Erträgnisse gegen den Voranschlag im Etat, namentlich auch bei dem StaatS-Eisenbahn-Betrieb, welcher in Folge uner warteter Steigerung des Verkehrs überaus günstige Er gebnisse geliefert hat und noch liefert. Es ist daher auch möglich gewesen, bei dem Voranschlag für die nächste Finanzperiode ungeachtet mannigfacher Mehrersordernisse das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben ohne Steuererhöhung zu erreichen. Allerdings hat dies nur geschehen können unter theilweiser Zurückstellung der von Mir und Meiner Negierung gehegten und auch von Ihnen getheilten Wünsche bezüglich der Wiederaufnahme erhöhter Schuldentilgung und der Wiedereinstellung aller Auf wendungen für Bauten zu unproductiven Zwecken in den ordentlichen Etat. Muß dieses Ziel fortdauernd im Auge behalten und kann andererseits auf eine unbegrenzte Fortdauer der dermaligen günstigen Verhältnisse nicht mit Sicherheit gerechnet werden, so gilt cS, in Zeiten Vorkehrungen dahin zu treffen, daß der SlaatScasse in Zukunft ohne Schwierigkeit erhöhte Mittel zugesührt werden können, soweit e» das Be^ffrfniß erfordert. Dieser Aufgabe soll die Ihnen von Meiner Negierung unterbreitete Vorlage zur Wetterführung der vor zwanzig Jahren begonnenen Reform der directen Steuern dienen. Die bezügliche Vorlage gilt den auf dem letzten Landtage und auch schon früher aus Ihrer Mitte ge gebenen Anregungen, indem sie behufs gerechterer Vertheilung der Steuerlasten nach der wirklichen Leistungsfähigkeit von der übernächsten Finanzperiode ab eine erhöhte Heranziehung des fundirten Einkommens in Aussicht nimmt. Dieses Ziel wird zu erreichen gesucht durch Beschreitung deS Weges der VermögenSbcsteuerung, nach den beiden Richtungen der fortlaufenden Besteuerung des Vermögens besitz eS und der einmaligen Besteuerung des lucrativen Vermögenserwerbs durch Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen. Die fortlaufende Besteuerung des Ver mögensbesitzes wird durch den Vorschlag der Einführung einer allgemeinen, allenthalben nach gleichen Grundsätzen zu ver anschlagenden, neben der Einkommensteuer alljährlich zu ent richtenden Vermögenssteuer angestrebt. Die ein malige Besteuerung des lucrativen Vermögenserwerbs erfordert einen weiteren Ausbau der bestehenden Erbschaftssteuer, unter deren progressiver Ausgestaltung und unter Einbeziehung der gegenwärtig befreiten Verwandtschaftsgrade in den Kreis der Steuerpflichtigen, unbeschadet der schonenden Rücksichtnahme auf die bei diesen Graden in Betracht kommende, auch das wirthschaftliche Verhältnis erfassende Intimität der in der Familicngemeinschaft begründeten Beziehungen zum Erblasser. Wenn der zur Neueinsührung vorgeschlagenen allgemeinen Vermögenssteuer auch das im Grundbesitz angelegte Ver mögen zu unterwerfen sein wird, so erscheint die gegenwärtig in der Grundsteuer erfolgende Präcipualbesteucrung des Grundbesitzes, welche von dessen Vertretern immer als eine Ungerechtigkeit empfunden worden ist, nicht länger angängig. Es wird Ihnen daher vorgeschlagen, die Grundsteuer auS dem Staatssteuersystem aus zuscheiden und sie unter voller Aufrechterhaltung der be stehenden Grundstcuerverfassung und der Verwaltung dieser Steuer durch den Staat ausschließlich für Rechnung der Schulgemeinden forterheben zu lassen. Hierdurch findet zugleich die in den letzteren seither nach Höhe der Hälfte der Grundsteuereinnahme gewährte und bis zum Schluß deS nächsten Finanzjahres noch fortlaufende Dotation aus der Staalscasse vom Anfang der übernächsten Finanzpcriode ab ihre Erledigung. Neben der Steuerreform werden Ihnen, und zwar mit Wirkung bereits vom Jahre 1899 ab, auch einige Ab änderungen des Einkommensteuergesetzes vor geschlagen , um diese in ihren Grundlagen unveränderte Steuer von einigen ihr noch anhaftenden Härten zu be freien und zugleich den von Ihnen auf dem vorigen Land tage geäußerten Wünschen nach Steuerbefreiung der Gemeinden und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sowie der milden Stiftungen und der gleichen Zwecken dienenden Personen-Vereine Rech nung zu tragen. Die finanziellen Beziehungen der Bundes staaten zum Reiche entbehren zur Zeit leider noch immer der vou den verbündeten Regierungen angestrebten grund sätzlichen Regelung, ohne welche die Finanzwirthschaft der Bundesstaaten immer bedenklichen Störungen aus gesetzt bleiben muß. Meine Regierung wird die endliche Erreichung der erwähnten Reichsfinanz-Reform fortgesetzt im Auge behalten und die auf dasselbe Ziel gerichteten Bestrebungen der anderen Bundesregierungen ihrerseits stets nachdrücklich unterstützen. Für die Forderung der landwirthschaftlichen Inter essen dürsten die auf veterinär-polizeilichen Ge bieten geplanten Maßnahmen zweckdienlich erscheinen, welche durch die Ihnen zugehenden Gesetzentwürfe und Einführung einer allgemeinen obligatorischen Fleischbeschau und einer Schlachtviehversicherung, sowie über die Bekämpfung der Tuberculose der Rinder in Vor schlag gebracht werben. Hiernächst wird Ihnen,in Entsprechung der wiederholt zum Ausdruck gebrachten Wünsche ein Gesetzentwurf über d'. Verwaltungsrechtsfrage, sowie eine Gesetzesvorlage zu gehen, welche die Aufhebung der im Gesetz vom 22. No vember 1850, daS Vereins- und VersammlungSrcch: betreffend, über den Verkehr derVereineuntereinandeo getroffenen einschränkenden Bestimmungen bezwecken. Im neuen Etat macht sich die Bereitstellung von Geld mittel» zur Verbesserung der Eisenbahnanlagen un: zur Vermehrung der Betriebsmittel in außer gewöhnlich hohem Maße nöthig, um den Ansorde runzen des über Erwarten gestiegenen Verkehrs allen: halben zu genügen und dabei die Sicherheit unt Ordnung des Betriebes aufrecht erhalten zu könne:. Auch ist zu diesem Zwecke eine in mehrfacher Hinsicht ver änderte Organisation, sowie eine Vermehrung de: Betriebs Personals bei der Staats-Eisenbahnverwaltuu/, beabsichtigt. Gleichzeitig wird eine Verbesserung der Ge balte der unteren Staatseisenbahnbeamten in. Vorschlag gebracht, deren Einkommen zu den in den letzten Jahren gestiegenen Arbeitslöhnen, sowie zu den Beamtengehaltcn in anderen Staatsverwaltungszweigen nicht mehr durchgängi-.i in richtigem Verhältnisse steht. Die Umgestaltung dc. Dresdener Bahnhöfe nimmt ihren planmäßigen Fort gang und nähert sich links der Elbe ihrer Vollendung. Für die kommende Etatspcriode ist auch der weitere Ausbau unseres Eisenbahn-Netzes durch Anlage einer Anzahl neuer Linien vorgesehen, bezüglich deren Ihnen die Anträge Meiner Regierung zugehen werden. DaS am 1. Januar 1900 in Wirkung tretende Bürger liche Gesetzbuch für daS deutsche Reich und die damit in Verbindung stehenden weiteren Reichsgesetze erfordern zu ihrer Ausführung inSachsen eineReihe gesetzlicherBestimmunzeu.Die entsprechenden Entwürfe werden Ihnen zur verfassungsmäßigen Berathung vorgelegt werden. Dasselbe wird geschehen mit zwei Kirchengesetzen über die Ausführung deS Kirchen- patronatS und über die Besetzung geistlicher Stellen in der evangelisch-lutherischen Kirche: soweit darin das Gebiet der staatlichen Gesetzgebung berührt ist, wird die von der Landcssynode seit längerer Zeit erstrebte Erhöhung des M i n i m al e i n k o m m e n S der evangelisch-luthe rischen Geistlichen, als auch eine Erhöhung des Staatszuschusses zu den Zulagen an Geistliche une geistliche Stellen ermöglicht werden. Auch die Besol- dungsverhältuisse der Lehrer an den höheren Unter richtS an stallen haben sich in den letzten Jahren als der Besserung bedürftig erwiesen. Diese wird sich durch d-e vorgeschlagene Maßnahme der Einführung von Tiens:- alterSzulagen und der Erhöhung der Anfangs- und End gehalte in kräftiger und nachhaltiger Weise erreiche» lasten. Die in Aussicht genommene Steuerreform wird auch die willkommene Füglichkeit schassen, die Dienst- alterSzulage der Volksschullebrer in dem durch das nothwendige Bediirsniß gegebenen Umfange aus die Staats- Der Page. 13f Roman von A. Heyl. Nachdruck verboten. Tockmann stieß ein kurzes höhnisches Lachen aus: „Du hältst mich wohl kaum für einen verrückten Schwärmer, der auf solche phantastische Gelöbnisse Werth legt. Ein Hohl kopf, der sich mit Träumen begnügt. Du hast für Deine Person jedenfalls die bequemste und dehnbarste Art der Treue ausgesucht, Melanie! Während Du mit einem An deren lustig und in Freuden lebst, soll ich am Knochen der Er innerung nagen und mit dem zweifelhaften Bewußtsein vor lieb nehmen, daß Du in Augenblicken der Langeweile oder des Mißmuthes die Gnade hast, meiner zu gedenken. Sehr verbunden für den guten Willen, aber ich bin zu realistisch anaelgt, als daß mir derartige imaginäre Liebesfreuden zusagen könnten. Ich will Alles oder nichts. Entweder die Braut —" „Und das Geld meines Vaters", warf Melanie verächt lich ein. „Warum nicht, ich nehme auch das Geld", gab Tockmann unumwunden zu. „Oder?" fügte Melanie fragend bei. „Oder Unheil und Verderben für uns Alle", ergänzte Tockmann in drohendem Tone. Monhardt's schöne Tochter erbleichte, ihre Augen funkelten wie die einer gereizten Tigerin; sie beherrschte sich mühsam. „Das klingt ja sehr tragisch. Bedaure, mich auf weitere Erörterungen nicht einlassen zu können, bis ich mit meinem Vater Rücksprache genommen habe." „Mit Deinem Vater habe ich Alles ins Reine gebracht. Heute reise ich noch nach Galizien, um das Ritter gut Brankowitz in seinem Auftrage zu kaufen. Bis ich zurückkehre, muß die Verlobung mit dem Grafen gelöst sein, Melanie, hörst Du? Ich rathe Dir, füge Dich, dann kann noch Alles aut werden. Willst Du thun, was ich von Dir verlange?" Sie verbarg einige Minuten das Gesicht in den Händen und schluchzte: „Ich bin ein unglückliches Mädchen! Man benützt mich als Mittel zum Zweck. Man geht mit mir um, wie mit einem Spielball, den Einer dem Andern zu wirft. Ist das ein menschenwürdiges Dasein? Ich wollte, ich wäre todt, dann hätte ich Ruhe. Meine Person hat gar keinen Werth. Das Geld ist der Köder, der die Freier lockt." „Du irrst, Melanie", lenkte er ein. „Deine Person ist mir mehr Werth, als Dein Geld. Es läge in meiner Macht, auch ohne Dich den größten Theil davon zu er halten. Du mußt mein werden, ich gönne Dich keinem Anderen, und wenn Menschenleben darüber zu Grunde gehen." Er wollte den Arm um ihren Nacken schlingen, doch sie entzog sich seinen Liebkosungen. „Ich gehe schon, es ist jetzt nichts mit Dir anzufangen", sagte er. „Du hast Deine allerschlimmste Laune. Nachmittag reise ich ab, vielleicht läßt Du mich bis dahin noch rufen, um mir Lebewohl zu sagen." Sie hoffte sich seiner zu entledigen. Ein halblautes „Vielleicht!" kam zögernd über ihre Lippen. Er reichte ihr die Hand mit den Worten: „Auf ein freundlicheres Wieder sehen, Melanie." Sie berührte die dargebotene Rechte kaum einen Moment und wünschte dagegen: „Glückliche Reise!" Vor der Thür ballte Tockmann die Faust, schüttelte energisch den Kopf und murmelte: „Die muß gezogen werden." Melanie lauschte den verhallenden Schritten des Mannes, der es gewagt hatte, ihr Trotz zu bieten, ihr zu drohen. Nachdem es stille im Corridor geworden, sprang sie auf, ließ der Erbitterung, dem Haß, die sie bis jetzt mühsam unterdrückt hatte, volle Gewalt über sich. Sie hob die Hand wie zum Schnmr: »Du willst es, wohlan, es sei. Ein Kampf auf Lebeik Mrd Tod. Du sollst mich kennen lernen, eitler Thor, ich bin Dir gewachsen." Diese Worte stieß sie grimmig aus, ging dabei ruhelos in ihrem Boudoir auf und nieder, schmiedete Pläne, verwarf sie wieder als unausführbar und marterte ihre Einbildungskraft, neue Mittel auszusinnen, die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg haben konnten. Tockmann mußte beseitigt werden. Aber wie? Dieses „Wie" so einzurichten, daß ihre Person aus dem Spiele blieb, womöglich selbst dem Werkzeug, das ihren Willen ausfllhrte, nie bekannt wurde, darin lag die Schwierigkeit. Während sie ihren bösen Gedanken nach hing, klopfte es leise an die Thüre, der Page trat ein und fragte nach den Tagesbefehlen seiner gnädigen Herrin. Bei seinem Anblick durchzuckte ein blitzartiges Begreifen ihre von unstäten Bildern erregte Phantasie, ein Begreifen, daß dieser Knabe unbewußt ihr die Wege zum erwünschten Ziele bahnen mäste. Sofort beherrschte sie ihre Züge und begrüßte den Eingetretenen überaus freundlich: „Wie geht es Dir, mein Junge; ich habe Dich noch gar nicht gefragt, wie es Dir im Schlosse gefällt. Du wirst doch kein Heimweh nach Deinen Gefährten haben?" „Keinen Augenblick sehne ich mich nach ihnen, meine Gnädige, ich danke Gott für die Erlösung aus drückenden Banden." Seine Worte trugen den Stempel der Wahrheit, Melanie war geneigt, daran zu glauben. Sie streckte sich behaglich auf der Chaiselongue aus und fuhr in ihrem Verhör fort: „Der Mefferkünstler ist wohl ein gefährlicher Mensch, Du fürchtest ihn?" „Ich kann nicht „Nein" sagen, meine Gnädige!" „Er sieht aus, als ob er mit kaltem Blute seine Klinge in des Feindes Nacken werfen könnte", meinte die Dame. „Im Jähzorn wäre er das fähig", gab der Page zu. Melanie dachte eine Weile nach, dann spann sie dasselbe Thema weiter aus. „Dieser Dorset ist Dein Stiefbruder, wie Du mir schon mitgetheilt hast?" Der Page bejahte. „Ich wundere mich, daß er Dich für eine so geringe Summe ziehen ließ, mein Junge. Habgierig scheint er nicht zu sein." „O, nur zu sehr, meine Gnädige! Philipp liebt das Geld über Alles, jedoch nicht um es zu ersparen, sondern um seiner Genußsucht damit zu fröhnen. Ich war mit seinem Thun selten einverstanden, er hatte triftige Gründe, mich ungehindert ziehen zu lasten." Melanie winkte dem Pagen, näher zu kommen, be deutete ihm, auf einem seidenen Kiffen zu ihren Füßen Platz zu nehmen und ihr allerlei Unterhaltendes aus seinem Nomadenleben zu erzählen. Emil gehorchte. Seine Schil derungen waren frisch und lebendig, sie übten auf die Zuhörerin den Reiz der Neuheit aus. Hier und da warf diese ein paar Worte ein, um die Gedankenrichtung des Erzählers auf Zustände, auch auf Personen zu lenken, um derentwillen sie das Gespräch angeknüpft hatte. „Und nach welcher Himmelsrichtung wird nun die Bande ziehen?" erkundigte sich Melanie. „Nach Osten, meine Gnädige!" „Ah so", lächelte die Dame, ihre Befriedigung schwer verbergend. „Wirst Du sie nicht bisweilen unterstützen?" „Wenn es meine Herrin erlaubt, werde ich etwas Geld nach Wien schicken", antwortete der Page. „Schön von Dir, mein Junge", lobte Melanie. „Du hast ein gutes Herz. Das Geld werde ich Dir schenken, damit Du es nicht von Deinem Lohn zu nehmen brauchst. Bis wann glaubst Du es abschicken zu können?" „In vierzehn Tagen, meine Gnädige!" „Wohl, mein Junge, ich werde es nicht vergessen." Sie fuhr mit der Hand durch das krause Haar des schönen Knaben. „Was Du für seidenweiches Haar hast." Der Page erröthete, erhob sich rasch und fragte, ob die Dame noch etwas zu befehlen habe. Sie wußte im Augenblick nichts. „Führe Dein Hündchen nach der Mühle, lasse ihm frische Milch geben und grüße den kranken Müllersohn von mir." Emil beugte ein Knie und küßte der Dame die Hand. Sie sah ihm freundlich nach, als er das Boudoir verließ. Siebentes Capitel. Nicht ganz drei Wochen nach diesen Begebenheiten kauerte der lahme Janos zu Wien auf der steinernen Staffel eines alten Hauses, das in einer engen Seitengasse unweit des Hauptpostgebäudes stand. Er hielt einen Brief in der Hand, den er nun bereits zum dritten Male mühsam durchbuchstabirte, und zog, nachdem er am Schluffe an gelangt, einen kleinen Lederbeutel aus der Tasche. Aus der Tiefe dieses Beutels lachte ihm ein Zwanzigmarkschein entgegen, der dem pogto restante - Briefe eingefügt war, den er soeben abgeholt hatte. Zwanzig Mark! Ein Ver mögen für den armen, krüppelhaften Knaben. Mehr als durch das Geschenk, mehr als durch die guten Nachrichten, die der Brief enthielt, fühlte er sich von dem Gedanken beglückt, der ehemalige Gefährte bewahre ihm ein freund liches Andenken. Ein zweites geschloffenes Schreiben, von welchem in Emils Brief nichts erwäbnt war, lag kaum
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