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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-27
- Monat1897-11
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8728 ' worden sein Seg«» 10 Uhr Abends war die Ruhe vollständig wlederhergestellt. U. stiruz, 26. November. (Privattelegramm.) Die Be völkerung von Graz ist heute Mittag in fieberhafter Auf« rrgung iu folge der Wiener Nachrichten. Abends zog eia« vieltausendköpfig« Menge, Studenten, Bürger und Arbeiter, zum Kaiser-Joses-Denkmal, wo unter stürmischen Heilrusen zündend« Reden gehalten wurden. Die immer mehr anwachseadr Menge zog zur Burg, der Residenz de» Statthalter-, dir vo» der Wach« abgrsperrt war. Unterdessen marschirt« Militair auf, mit fürchterlichem Pfeifen und Rusen: Abzug Badenti" „Nieder mit der polnischen Wirthschaft!" empfangen. Auf eine Anrede des Professors von Graff zerstreuten sich die Studenten, aus dem Haupt- platze jedoch kam eS zu einem Zusammenstoß zwischen Wache und Volk. Die Wache hieb mit Säbeln darein. Zahlreiche Ver wundungen kamen vor und Verhaftungen wurden vor genommen. Gegenwärtig, wo die Gährung noch zuntinmt, lind alle Straßen mit Militair besetzt, der Verkehr gehemmt; eben rückt Cavallerie aus. (Wiederholt.) Wo das enden wird, läßt sich heute nicht sagen. Bei der gestrigen Demonstration m Wien wurde mit lauter Stimme gerufen: ,.Wo ist vr. Lueger, der Bürgermeister von Wien, in dem Augenblick, wo die» die deutsche Bevölkerung von Tschechen und Polen mit Füßen getreten wird?- Wie ein« Antwort auf diese Frage liest sich die folgende unS zugegangene Meldung: * Wie«, 26. November. In der heutigen Sitzung de» EemeinderathrS brachten die beiden Dice-Bürgermeister und mehrere christlich-sociale Gemrindrräthe den Antrag ein, den Stadlrath zu beauftragen, über Schritte zu berathen, welche die Stadt Wie» zur Wiederherstellung versasfungSmäßiger Zustände im Parlamente unternehmen solle, und darüber Bericht zu erstatten. Aehnliche Anträge wurden von den Deutsch- Rationalen und Len Liberalen riogebracht. Die Anträge wurden dem Sladtralhe überwiesen. Auch der erste Bürgermeister scheint »ach seinem Ver halten iu der Mittwvchsitzung durch das ungesetzliche Vor gehen der Mehrheit in die Reiben der enlschievenen Oppo sition gedrängt worden zu sein, aber es dürfte gut fern, wenn er den VermittelungSversucheo, die anscheinend unter nommen werden sollen, fern bleibt, denn als Prolegü Bateni's muß er al» zum Mindesten befangen gellen. Viel versprechen wir uns von Versuchen einer Körperschaft, die in der Entwürdigung des Parlamentarismus babubreckend gewesen ist und selbst oft einem Haufen TolldäuSler gleicht, überhaupt nicht, zumal keine Partei mehr zurück kann. Ter einzig denkbare Vermittler wäre der Kaiser, der aber weilt in — Amstetten. Zn England beginnt man zur Besetzung der Ktao-Tschau Vttcht durch Deutschland einen gezwungeu-freundlicheu Ton anzuschlageu, da man einzuseheo scheint, daß man allein Deutschland nicht bindern kann, zuzugreifen. .Daily Tele graph-, wegen seiner Deulschfeindlichkeit ein unverdächtiger Zeuge, kommt in einem Leitartikel über die verschieteuen diplomatischen Streitfragen Deutschland- auf unsere gegen wärtigen Bestrebungen zu sprechen und führt dabei aus, wie Wissenschaft, kommerzieller Unternehmungsgeist, Geduld und Ausdauer die vornebmlichsten Waffen seien, mit denen di« Deutschen sich den Weg rn die vorderste Reihe der Nationen Europas erkämpft und einen beträchtliche» Theil der Welt märkte gewonnen haben, um kann forlzufahren: Ihr wunderbarer Erfolg ist, wer auch dabei mittelbar leiden mag, voll verdient und sollte von ua» aicht als «in Gründ zum Neide, jonderu als ein Antrieb zu gröberen Anstrengungen be trachtet werden. Der commerzielle und polttiiche Ehrgeiz de» brutschen Volke» bleibt indessen unbefriedigt. Wie einst Rom und beule England und Rußland, streben sie noch einer Weltmacht. Das Ziel ist berechtigt und lobenewerth, aber nur Lurch über« meuschtiche Anstrengungen erreichbar. Auswärtiger Handel uud politische Macht gehen heutzutage Haud in Hand und keinS der beiden kann lauge besieh«» ohne di« Stütze einer mächtig«» Flotte. Dies politische Axiom bewahrheitet sich in unirrer eigenen uud jeder anderen Nation Geschichte ... Eta moderne- Reich muß tolvine» besitzen. Deutlchland ist zum großen Theil noch vo» jeiarn Nach barn abhängig. Fall- z. B. Rußland seinen Willen ändern uud französische oder englische Waareu mit Au»ichl>eßung der deutschen begünstigen sollt», oder fall» w r einen dritilchro Zollverein errichieleu, was wurde auS Deutlchland- politischer Macht werdrn? . . . Staatsmänner müssen wich« Möglichkeürn im Auge behalten und Raum für dir Ellbogen deS Volkes schaffen. Da- ist doch einmal «iu ehrliche- FrinveSwort, wie man eS von jenseits de» Canal« uvch nicht gehört hat. „Tbruer ist mir der Freund, doch auch drn Femb kann ich nützen. Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Femd Watt ich soll.- Sowohl in Rom, wie in Pari- und London tritt mit aller Bestimmtheit da» Gerücht von einem Zusammenstoß der vogkSutzer uud der Krauzofen bei Nikki, im Hmterlanv von Dahometz, auf. Eine französische Uebermacht soll die englische Expedition angegriffen uud nach deftigem Wider stande nahezu ausgrrirben haben. Bestätigt sich die Meldung, so kann sie zu bedenklichen Confequenzen führen. Sie wird aber, vielleicht eben darum, von amtlicher Stelle nock bestritten. ES liegen unS hierüber folgende Mitlbeilungen vor: * Paris, 26. November. Beim hiesigen Ministerium für die Colonien ist, wie die „Agencc HavaS" erfährt, keinerlei Meldung über einen Zusammenstoß zwischen der franzö sische» und dir englischen Expedition in Nikki ein gegangen. De« Colonial-Amt erscheine die Nachricht durchaus umvobrscheiulich. (Wiederholt.) * London, 86. November. Abend- 8','« Uhr. (Meldung deS „Reuter'schen Bureau»".) Da- dem Eolonialamt zugegangrne Geiücht vou einem Zusammenstoß zwilchen Engländern und Franzosen in Nikki ist durch Eingeborene verbreitet worden; man miß« im Ministerium dem Gerücht keinen Glauben bei. Zn amtlichen Kreiien glaubt mau, das Gerücht werde aus einen Conflict zwilchen Francosen und Eingeborenen zurückzusühre» sei». Ferner wire daraus dingewiejen, daß ja die Franzose» Nikki seit mehreren Monaten bc.etzi halten. Dic Verhandlungen über da« strittige Gebiet wurden be kanntlich am 20. October in Paris eröffnet, geriethea aber alsbald ins Stocken. Die Engländer beherrsche» daS ganze untere Gebiet d«S Niger; erst von Say (am Niger, direct nörd lich von Nikki) au ist französische Interessensphäre. Zm Zabre t894 haben, wie die „Frkf. Zlg." in Erinnerung bringt, beide Staaten als Grenze ihrer Interessensphären eine Lioie an genommen, die von Say südwestlich über Gurma dis zur neutralen Zone (Jendi, Salaga) geht. Zetzt bat sich das Be- dürsniß geltend gemacht, auch für da- Hinterland von Dabomey, in dem sich die Franzosen inzwischen festgesetzt baden, Be stimmungen zu treffen. Der Streitpunkte auf diesem Gebiete sind eS mehrere. Ein Hauptpunkt liegt in der Frage, ob die Ostgrenze von Dabomey in gerader nördlicher Richtung bis Say gezogen wird, wir die Engländer wolle», oder ob sie in einem nach Osten geführten Boge» nach Boussa am Niger geben soll, wir dir Franzose» wollen. Es bandelt sich dabei nicht blos um drn Besitz einer bedeutenden Strecke des rechten Niger-UferS, sondern auch um eine ausgedehnte Land schaft, deren Mittelpunkt der Ort Nikki ist. Wird nun die Grenze nach Say gezogen, so bleibt Nikki englisch, während es französisch wird, wenn die Grenze nach Boussa gebt. Ein zweiter Hauptpunkt ist der, daß die Franzose» verschiedene Punkte beanspruchen, die sic gcgenwärlig deirtzt hallen, wobei sie sich auf die Bestimmungen der Congo-Acle berufen; die Engländer dagegen macken frühere Besitzrechte geltend, und da ist es ihnen ganz gelegen gekommen, daß sie sich auch aus den neuen deutsch-französischen Vertrag berufen können, in welchem der Grundsatz aufgestellt worden ist, daß daS Datum entscheidet, daß also derjenige der rechtmäßige Be sitzer ist, der zuerst einen Ort besetzt hat. Der englische Major Lugard hatte schon im November 1884 Nikki besetzt. Bis dahin batte kein französischer Reisender, Missionar oder politischer Agent daS Land besucht. Kurz nachdem Major Lugard seinen Vertrag abgeschlossen batte, zogen französische Truppen nach Nikki und zwangen dessen Äinig, ein Schriftstück zu unterzeichnen, worm er sich von dem mit den Briten abgeschlossenen Vertrag lossagte und sein Land unter französischen Schutz stellte. So behaupten die Engländer. Zn letzter Zeit ist Nikki von Franzosen besetzt gewesen, und die Engländer sind erst später dabin gekommen. Obgleich Lord Salisbury nock vor Kurzem sehr entschieden erklärt bat, daß England Anderen nicht gestalten könue, seine Rechte zu verletzen, scheinen die Franzosen koch nicht zu glauben, daß die engliscke Regierung diese Rechte mit Gewalt aufrecht zu erhalten versuchen werbe, und darin werden die Franzosen wohl Recht behalten. Deutsche- Reich. L Berit«, 26. November. Dir Berliner Stadt- vrrordoeten-Versammlung hat sich gestern über di« Gehaltsnormirung der stävtiscken BolkSschullebrkräste endgiltig schlüssig gemacht und auch dir Gekäster der Lebrerinnen niedriger angesetzt, als e- der Ausschuß der Stadtverordueten-Versarnmlung für angemessen erachtet batte. Dabei gab eS scharfe Auseinandersetzungen innerbalb der Freisinnigen Partei, die nicht nur zu „ohrenbetäubendem Lärm und unverständlichen Zwilchenrufen- Anlaß gaben, sondern auch zu einer sehr energischen Handhabung der Ge- schästSordnung. Es wurde einfach „Schluß gemacht- und der Mmwrilät, bei der auch diejenigen Freisinnigen waren, die sich verpflichtet dielten, so viel für die Lebrer zu lhun, wir eü dic Parteifreunde im Abgeorenrteuhause beim Lebrer- besoldungsgesetz für durchaus noldwendig erachtet, das Wort entzogen. Bezeichnend war die Auseinandersetzung zwischen dem Stadtverordneten Professor Virchow, der auch Mit glied der freisiunig-volkSparteilichen Fraktion des Abgeordneten hauses ist, und dem Stadtverordneten l)r. Preuß wegen Theilaahme deS letzteren an einer öffentlichen Versammlung, welche da» Verhalten der freisinnig - volk-parteilichen Führung im Stabldause nicht im Einklang mit dem „ledrerfreundlichrn" Auftreten derselben Herren im Ab- georvnetenhause zu finde» vermochte. Herr Professor Virchow bezeichnete die Kritik, die in der Volksversammlung einige Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung erfahren, als „Ostraki-muS", worauf ihm I)r. Preuß, der Referent des mit seinem AufdefferungSvorschlagr unterlegenen Ausschusses erklärte, wenn man nicht meße in öffentliche Versammlungen geben dürfe, dann sei e« besser, sie gleich ganz abzuschaffea. Auch in Vieser Behandlung de» Versammlung-recht«- be kundete sich, waS der Haltung der Freisinnigen in der Stadt verordnetenversammlung im Gegensatz zu der Haltuug der Landtagssractiou im Allgemeinen gilt (wir bedienen un« dabei der Worte freisinniger Organe); mau werde wirklich ver legen, wen» nun gesagt werk«: „Die Freisinnigen stellen liberale Forderungen, wo sie «iwt» zu sagen habe«, und lasten liberale Forderungen unerfüllt, wo sie wa» j« sagen haben." 14 Berlin, 26. November. ES durfte schon seit längerer Zeit als ziemlich sicher angesehen werden, daß der Reichstag in seiner nächsten Tagung nicht wieder Gelegenheit erhalten würde, sich mit der in der vorigen Tagung bis zur zweiten Lesung im Plenum vorbereiteten Unfallversicherungsnovelle zu beschäftigen. Aeuherungen des StaatSsecretairS des Reichsanmts des Innern Staatsministers Grafen von PosadowSky ließen hierauf mit einiger Gewißheit schließen. Nunmehr scheint eS aber auch, als ob dem in der vorigen Tagung gleichfalls unerledigt gebliebenen Jnvaliditätsversicherungsgesetz - Entwürfe dasselbe Schicksal wie der Unfallversicherungsnovelle bevorstehe. Dem Bundcsrathe ist ein solcher Entwurf bisher nicht wieder zu gegangen, man hat auch nichts von Vorarbeiten kür die Wieder holung desselben an den zuständigen amtlichen Stellen gehört. Nun wäre es aber nicht sehr zweckmäßig, einen so umfangreichen Entwurf mit so vielen Einzelheiten, wie ihn die Novelle zum Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetz wenigstens in ihrer früheren Fassung dargestellt hat, in einem vorgerückten Stadium der Session dem Reichstage vorzulegen. Jedenfalls würde die Möglichkeit der vollständigen Erledigung dadurch desselben stark beeinträchtigt werden. Vor Weihnachten wiederum dürfte der Entwurf nun, nachdem er bisher an den BundeSrath nicht gelangt ist, kaum dem Reichstage unterbreitet werden können. Au» diesem Stande der Dinge kann man entnehmen, daß der Entwurf nicht wieder vorgelegt werden oder daß, wenn die» doch der Fall sein sollte, er wenigstens nicht in der früheren umfangreichen Fassung wieder zum Vorschein kommen wird. * Berlin, 26. November. Zn einem Berliner Bericht der „Schles. Ztg." über den Ende Januar in Dresden statt findenden konservativen Parteitag wird u. A. die demerkenSwerche Tbaisacke mirgetbeilt, daß die Abhaltung de» Parteitages in Dresden erfolgt, um gegen die particula- ristischen Bestrebungen innerhalb der Partei ein Gegengewicht zu schaffen. Der Mitarbeiter der „Sckles. Ztg.- schreibt: „Wenn der ogenaoute „Tivolitag", der für die couiervottve Partei ohne Zweifel von voiwiegend guter Bedeutung war, nach außen hin nicht so befriedigt hat, wie er hätte befriedig,» sollen und könue», so lag das wohl zu einem großen Tbeilr daran, daß er nickt besonder- gut vorbereitet war; fehlte doch damals jede Erfahrung auf diesem Gebiete; denn es war im Jahr» 1892 da erste Mal, daß die Lonservativeu einen allgemeinen Parteitag ab- hielten. Schon damals aber hat e» sich gezeigt, daß für ein solches Unternehmen die Reich-Hauptstadt nicht der richtige Ort i st, und daß eS besser gewesen wäre, den Parteitag, wie von einigen Seiten vorgeichlage» war, tn Breslau adzuhalteu. Diesmal kam Brerlau allerdings nicht in Frage, weil von voruherein die Absicht, einen außerpreußischen Tagungsort zu wählen, onsgrivroche» war. Gegenüber den vou gewissen Elemente» hervorgckehrtrn Parti- cularistiscken Tendenzen glaubten die Tonsrrnativen, ihre Parteiversammlung diesmal nicht ia Preußen anberaumen zu tollen." Auf dem Parteitag wird, der „Schles. Ztg." zufolge, die sociale, die gewerbliche und die Agrarfrage erörtert werden, ferner die Stellung zu den anderen Parteien und nameutlich »u den Antisemiten. Die „Cons. Corr." giebt die Losung au«, daß der Besitzstand der Antisemiten bei den Wahlen nicht geschont werden dürfe; sie schreibt: „Dieser „Besitzstand" ist doch nur die Frucht antisemitischer Einbrüche in konservative Wablkreise. Soll dieser durch un redlichen Wettbewerb geschaffene „Besitzstand- wirklich für alle Zellen refpectirt werden, während andererseits von antisemitischer Seite immer neue Einbrüche geschehen und io großem Umfange geplant werden? Wir glauben, dieses Verlangen wäre zu absurd, um diScutirt werden zu können." — Der Kultusminister hat angeordnet, daß die vom Minister der öffentlichen Arbeiten verfügten Aenderungen der Ver- tragsbdingungen für dir Ausführung von Hochbauten auch bei allen sein Ressort berührenden Bauten in vollem Umfange zur Anwendung zu bringen sind. U. A. wird danach der Unternehmer verpflichtet, auf Baustellen die zur ersten Hilfeleistung vor Ankunft deS Arztes erforderlichen Verband- mittel und Arzneien nach den Anordnungen der bauleitenden Behörde bereit zu halten. Hauptsächlich beziehen sich die Aen derungen auf dieKrankenversich«rung der Bauarbeiter. — Im Reichstagswahlkreise PotSdam-Spandau- O st Havelland haben die Conservattven für die be vorstehende Reichstagswahl als Candidaten den Rechtsanwalt Ludicke in Spandau in Aussicht genommen. Der jetzige Ver treter, Reichs- und LandtagSabgeordneter Pastor Schall in Kladow, will kein Mandat für den Reichstag mehr annehmen. — Ablwardt will auf den Wahlkreis Friedeberg- AruSwalde nickt verzichte«; wenn die antisemitische Partei ihn übergehen sollte, so ist er eutscklossen, sich selbst als Ean- didalen für die ReichötagSwahl aufzustellen. em, — Heute fanden di« fünf Stichwahl«« i« d» drittln Lbth«iluog zur Stadtverord»«ten»Bersam mlung statt. Gewählt wurden 3 Liberale, l Lntisrmit «ud l Socialdrmokrat; somit sind im Ganzen in der drittrn Abtheilung 8 Liberale, 5 Socialdemokratrn und t Antisemit gewählt. Di« Liberalen hatten bei der ErgänzungSwahl iu der dritten Abtheilung 7 Mandate zu vertheidigen, haben also 1 Mandat gewonnen; die Socialdemokratrn verfügten über 6 Mandate, haben also eine- an die Liberalen verlöret!' und zwar da» im 10. Bezirk (Tempelhofer Vorstadt), welches die Liberalen in der Hauptwahl «rob«rt hatten; die Anti semiten haben den einen Bezirk, welch«» sie iu» „Rothen Hause- besaßen, behauptet. — Die „Corr. d. Bundes d. Landw." schreibt a«gr* die „Nordd. Allg. Ztg": Zu Gras Caprivi'Z Zeilen körten wir stets harte, strafende, selbst drohende Reden; jetzt werden unS immer Lteben-ivLrdigketteu aus- gillickt. Die „Nordd. All». Ztg.", welch» früher w«ge» ihrer Grob- bett verschrien war, wirft jetzt wie ein Balletmädcheo Kußhände nach allen Seiten; sie hat förmlich ein EnaroSueschäfe oo» Herzens güte und Herablassung. Die Agrarier sind aber nicht solche Leute, daß sie sich unter Rosen ersticken lassen; sie halteu es mit dem gute» Spruche: „Der Worte sind genug gewechselt — laßt uns »uu «lldtich Thatrn seh'» — indrß Ihr Complimente drechselt — kann etwas Nützliches gescheh'»." Die Praxis ist aber jetzt kaum viel anders, als zu Gras Caprwi's Zeiten, Tbaten sieht man immer noch nicht. Was nützt es do, wenn man „liebenswürdiger" gegen un» austritt?! Am „Mundspitzeu" liegt uns wenig, eS soll auch „gepfiffen" sein. Mit schönen Reden wird der landwirldschaft- lichen Noth nicht gesteuert; der Landman» verlangt „Butter bei den Fischen!" — In den Organen der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe werden in Rücksicht auf die Wahl des Gutspächters v. Tungeln die holsteinischen Bauern wegen ihrer „Klugheit und politischen Reife" belobt. Wir bringen in Erinnerung, daß zur selben Zeit, wo in Posen der 2. Vorsitzende de» Bunde», Guts besitzer V Rösicke-GerSdorff betonte, daß die Bundesleitung auf den großen Mitteln, einschließlich der Getrridesprrrr, be stehen müsse, der Abg. v. Tungeln ausdrücklich erklärt hat, daß er sieverwirft. Die „Freisinnige Zeitung" selbst hat sich beeilt, die Bundesleitung darauf aufmerksam zu machen. — Dem „Hambg. Corr." wird von bier gemeldet: „Die Kieler gegentbeiligen Meldungen sind irrig; die „Gefion" geht nack Ostasien, der „Geier" nach dem Mittelmeer." — Ein seit Wochen wabrender AuSstaud iu einer hiesigen Möbelfabrik <Eberbardt) gelangte vor dem Ge werbegericht zur Verhandlung. Die Ursachen deS Streiks i» der Fabrik bezieben sich auf Lobnstreitigkeilen. Nach Wiederbolten Verhandlungen mit der GeschäslSleitung batten 65 Tischler, 5 Drechsler und 25 Polster die Arbeit nieder gelegt. Nach mehrstündigen Verbandlungeu wurde der Streik durch Vergleich beendet. Es kam ein Uebrreinkommen zu Stande, daS folgende Punkte enthalt: „1) Die Finna Eberhardt verpflichtet sich, auf ihre Kosten daS Holz zum Zweck der Zubereitung vom Zimmerplatz nach der Wert statt zu schaffe»; 2) ein Arbeiterausschuß wird von Seiten der Firma anerkannt; 3) die Forderung der Arbeiter, die entlassenen Drechsler wieder einzuslelleu, wird fallen grlasien; 4) dl« Arbeiter erklären, daß ihre Forderung auf Wieder- einstellung aller Streikenden durch Entlassung der letzt Arbeitenden ungerechtfertigt ist. Dagegen verpflichtet sich 5) die Firma, binnen vierzehn Tagen 20 der Streikenden wieder ein- Anstelle», 14 Arbeiter sollen nach Bedarf Beickäfitgung erhalte»; 6) Maßregelung,» sollen nickt vorgenomme» werden und 7) dürfen dir wieder eintreteuden Arbeiter ihren am Streik nicht be- theiligten College» nickt zu nahe treten." — Die Zahl der Privatpostanstalten in ganz Deutschland ist, wie der „B. Z." geschrieben wird, ruud sechzig. Zn ibrem Betrieb sind etwa zehntausend Personen beschäftigt. Welchen Umfang allein der Verkehr der Berliner Packelfakrtgesellschast bat, ergiebt sich aus ibrem letzten Geschäftsbericht. Danach bat sie in dem Jabr vom 1. April 1896 di- 3l. März l897 68 Millionen Briefe, Karten und Drucksachen, eine kalbe Million Einschreibebriefe, 235 000 Geld anweisungen, anderthalb Million Packele und 60 Millionen Kilo Güter befördert und eine Million Quittungen eincassirt. Eine ganze Reibe vo» Behörden deS Staat«, de» Reich-, der Stadt und deS Hofs bedient sich der Packet- fabrtgrsellschast, beispielsweise auch die königliche Bibliothek. I Trotz der niedrigen Briefgcbübren bat die Gesellschaft in den letzte» drei Zabren 25, 25 und 20 v. H. Dividende an die Aclionaire vertbeilt. Ungeachtet des Wettbewerbes der Privatpost aber ist der Stadtverkehr der Reickspost nicht zurückgrgangen, sondern von 4891 bis 1895 um rund 50 Millionen Briefe, Karten und Drucksachen gestiegen. — Staat-Minister von Bülow hat heute die Geschäfte deS Auswärtige» Amtes übernommen. — Rach dem Ausspruch des Professors vr. Renners, der bei der Behandlung de» Herzogs Ernst Günther zu Schleswig-Holstein hinzugezogea w»rdr, ist die entzündliche Erscheinung in der Blind- darmgrgend i» langsamer Rückoildung begriffen. * Bromverg, 25. November. Zm ReickStaaSwablkreise Bromberg dal der Versuch der freisinnigeu VoikSpartei, Mit den Nationalliberalen einen Compromiß zu schließen, rin negatives Ergebniß gebabt, da die National- der Gräfin vorbeizuschlüpfen, um den Ausgang zu ge winnen, doch Melanie ließ ihm nicht Zeit dazu, sie versetzte ihm unversehens einen derben Stotz in den Rücken, er verlor da» Gleichgewicht und stürzte kopfüber in den Wand behälter. Hinter ihm wurde die Thüre zugeschlagen, der Schlüssel abgezogen, die zweite Thür fiel ebenfalls geräusch voll zu, auch da drehte man den Schlüssel um. Der Page war gefangen, lebendig begraben, er war, wenn ihm Gott nicht Hilfe schickte, dem Hungertode preisgegeben. Er rang die Hände, er rief um Hilfe, er jammerte und flehte. Niemand hörte ihn. Er stemmte sich gegen die Thüre, um sie einzudrücken, doch das Eichenholz widerstand seinen Kräften. Allmählich wurde er ruhiger, allerhand Trost- gedanker verdrängten die jähe Verzweiflung, welche ihn be fallen hatte. Clotilde mutzte sein Verschwinden bemerken und Nachforschungen anstellen, die gewitz auf die rechte Spur führen würden; sie hatte ihn ja vor der Gräfin gewarnt, es war mit Bestimmtheit anzunehmen, dah sie alsbald Verdacht schöpfen und kein Mittel unversucht lassen würde, über daS Verbleiben ihres Schützling» sichere Kunde zu erhalten. Un terdessen durfte er nicht rathlos hier auf den Knien liegen, er mutzte versuchen, wenigstens in den kleinen Gang zu ge langen. Um i^r war Fmsternih, daS Licht war ihm an der Hand gefallen und erloschen. Emil tastete am Boden, um den Leuchter zu finden, in dessen Untersatz ein Zünd holzbehälter angebracht war. Nach längerem Umhertasten fand er den Leuchter in einer Ecke auf, vorsichtig untersuchte er den werthvollen Fund. Die Kerze war herausgefallen, aber es fanden sich glücklicherweise ein paar Zündhölzer vor. „Gottlob, Licht in der Finsternitz." Mit diesen Worten begrützte er das flackernde Flämmchen, bei dessen Schein er die Kerze entdeckte, anzündete und wieder auf dem Leuchter befestigte. Nun begann er behutsam umherzuleuchten. Der Gefangene gewahrte jetzt daS alte verrostete Thürschloß und untersuchte eS genau. Es war anders als die Schlösser, die er bisher aesehn hatte, nirgend- ein Schlüsselloch, auf der linken Seite sah der plumpe Griff eines eisernen Schiebers vor. An diesem Griff begann er zu ziehen, der Schieber bewegte sich knarrend. Das Her« schlug dem Pagen hörbar bei dieser glückverheißenden Entdeckung. Unschlüssig und bang wagte er vorerst nicht, in seinen Versuchen fortzu fahrrn, weil er -«fürchtete, jede» verdächtige Geräusch könne seine Todfeindin aufmerksam machen und neue Gefahren heraufbeschwören. Zuerst wollte er lauschen, ob in den Ge mächern der Gräfin Alles ruhig blieb. Mit einem Male schien es daneben lebhaft zuzugehen, der Page hörte schwere Tritte, ein Gewirr von Stimmen, und er konnte die befehlen den Zurufe der Gräfin deutlich unterscheiden. „Man trägt ihre Koffer fort, sie reist ab", sprach er zu sich selbst, „sie wird so lange fortbleiben, bis sie sicher zu sein glaubt, mich todt zu finden und dann — war das Ganze ein unglücklicher Zufall." Diese Vermuthung sollte nach kurzer Zeit verstärkt werden, er hörte Peitschenknallen und Pferdegetrappel von der Landstraße herüber, am Rollen der Räder erkannte er die Equipage. Nachdem er bange lauschend keinen Ton mehr in den angrenzenden Zimmern vernehmen konnte, wagte er einen erneuten Versuch, daS Schloß zu öffnen. Dieser Versuch war mit Erfolg gekrönt, der Schieber ging zurück, die Thüre war offen, er trat hinaus in den Gang. Mit dem Gefühle unaussprechlicher Dankbarkeit richteten sich die Blicke deS schwer Bedrängten nach dem Stückchen Himmel, welche- durch das runde Fenster sichtbar war. Jetzt aber stellte sich eine vollständige Er schlaffung ein. Emil konnte sich kaum mehr auf den Füßen halten und beschloß, zuvor einige Zeit auszuruhen. Au- den kostbaren Kleidern, die er in der Garderobe vorfand, richtete er sich ein Lager zurecht, hüllte sich fest in einen Pelzmantel, löschte die Kerze und legte sich nieder, um zu schlafen. Aber eS dauerte noch längere Zeit, bis der Gequälte in einen tiefen, traumlosen Schlaf verfiel, auS dem er spät erwachte. Nach der Stille zu urthetlen, mutzte es tief tn der Nacht sein, die Sterne schienen durch» Fenster und schufen ein flimmernde- Dämmerlicht; er zündete die Kerze wieder an, suchte sich unter den vorhandenen Kleidung-stücken einen passenden, warmen Anzug au-, den er anlegte. So weit war er ge kommen, al- die Kirchenuhr von Wiesenbach die zwölfte Stunde schlug. Jetzt machte er sich daran, da- Thürschloß zu bearbeiten, dessen Verschluß seiner Freiheit ein letztet Hinderniß entgegensetzte. Er mutzte Gewalt anwenden und begann an der Thüre zu heben und zu rütteln. In dieser schweren Arbeit wurde er al-bald gestört. Dom Zimmer her fragte «in« Männerstimme in gedämpftem Tone: „Ma in de- Kuckuck- Namen geht denn da drinnen vor?" Schrecken und Freude rangen tn der Seele de- Gefangenen um die Oberhand. Wer konnte um diese Stunde hier ein gedrungen sein? Gleichviel, es war Hilfe, eS war Be freiung. „Um Gottes Barmherzigkeit", flehte der Angerufene, „öffnen Sie mir diese Thüre. Man hat mich eingesperrt, ich muß verschmachten, verderben, wenn mir nicht Rettung wird." „Eine neue Schandthat von Melanie Monhardt", klang es dagegen. Alsbald vernahm der Gefangene, wie draußen an dem Schloß gearbeitet wurde. Der Mann schien über eine schöne Anzahl Schlüssel zu verfügen, er probirte einen um den Andern, bis der Richtige gefunden war. Die Thür wurde weit geöffnet; mit einem tief empfundenen „Gott lohne es Ihnen" trat das arme geängstigte Wesen über die Schwelle und stand einer hohen vermummten Männerge« statt gegenüber. Mit einer am Gürtel befestigten Blend laterne auSgestattet, einen eisernen Ring mit Dietrichen in der Hand, trat der Fremde ein paar Schritte zurück und musterte mit unverhohlener Neugierde die elegante Dame, welche ihm gegenüber stand. „Mein Fräulein", sagte der Vermummte sich verbeugend, „unser Zusammentreffen an diesem Orte ist ein eigenthümliche-, e- wird un- vielleicht Briden erwünscht sein, wenn eine Vorstellung unterbleibt. Wir haben eine gemeinschaftliche Feindin, da- genügt. Helfen wir unS gegenseitig! WaS kann ich für Sie thun?* Die Dame hob die gefalteten Hände bittend empor und rief mit thränenfeuchten Blicken: „Ich mutz fort von hier, womöglich noch in dieser Stunde. Stehen Sie mir bei! Gott wird e» Ihnen lohnen!" „Schon recht, schon recht! Auf den Lohn warte ich nicht, Seien Sie übrigens außer Sorge. Melanie Monhardt wird Ihnen nicht- mehr zu Leide khun; ich bin hier, um end giltig mit ihr abzurechnen; ich eiwarte sie schon geraume Zeit." „Sie warten vergeben-, die Gräfin ist heut« vormittag abgereist und — sie wird vielleicht — eine Zeit lang von hier fern bleiben " „Bis sie sicher ist, Sie al- Leiche zu finden", ergänzte die Stimme de- Vermummten. „Der Teufel hole die Kam- merkatze, sie hat mich schlecht unterrichtet, und ich habe sie so gut bezahlt. Darf ich fragen, warum Sir eingesperrt wurden, mein Fräulein?" Emilie Dorset, wie wir sie fortan nennen wollen, er zählte den Hergang, verschwieg aber die Ursache, welche den Haß der Gräfin zu solcher Höhe gesteigert hatten. „Ohne Sie, mein Herr, war meine Rettung fraglich." „Dann bereue ich nicht, hierher gekommen zu sein", sagte er. „Was ich weiter vorhatte, kann auch ein andermal aus geführt werden. Die Schlange entgeht mir nicht. Unter meinen Fäusten haucht sie ihr Leben aus." Dem Vermumm ten konnte es nicht entgehen, wie diese in wilder Rachsucht ausaestoßenr Drohung bei seiner Zuhörerin Schrecken und Entsetzen erregte, und eS schien ihm dies nicht ganz gleich- giltig zu sein. „Halten Sie mich nicht für einen gemeinen Verbrecher, mein Fräulein. Ich will nicht rauben und mor den, ich will eine Schandthat sühnen, die an mir begangen wurde. Diese Gräfin Rivero war mit mir verlobt, ich hatte ihr Eheversprechen und bestand auf meinem Rechte. Sie hat ein frevelhaftes Spiel mit mir getrieben.. Als sie meiner müde war, suchte sie sich meiner zu entledigen. Im Verein mit ihrem Vater, dem hartgesottenen Sünder, lockte man mich fort und gab mir Auftrag, in Galizien ein Rittergut zu kaufen. Leider ging ich in die Falle. Dort wurde ich von einem gedungenen Unterhändler in Räuberhände ge liefert. Ich wurde im Gebirge herumgeschleppt, behandelt wie ein Vieh, und war jede Stunde daraus gefaßt, grausam abgeschlachtet zu werden. Aus den Andeutungen meiner Peiniger entnahm ich, daß ein Herc Philipp, ein Fran-rose, aufgefordert war, mich durch einen geschickten Dolchstoß in-Jen seits zu befördern. Dieser Strolch nahm den Auftrag an, er scheint aber nebenbei auch ein schlauer Geschäftsmann zu sein, der sich herauSrechnete, mein Tod werde ihm weniger eintragen, al- meine Auslieferung an die Räuber, mit denen er vermuthlich daS Lösegeld thetten wollte. Während die Unterhandlungen wegen deS Geldes sich in die Länge zogen, gelang e» mir, zu entkommen „Und ich danke Gott, daß er Sie beschützte", fügte Emilie bei, sichtlich ergriffen von dem Gehörten. „DaS ist schon da» zweite Mal, daß Sie mich aus einer schlimmen Situation befreien, Herr Tockmann." < Fortsetzung folgt.)
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