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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971130017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897113001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897113001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-30
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In Leipzig abonnirt man für L 65 mit Bringerlohn L und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: Johannesgasse 8, Katharinenstraße 14, KönigSplatz 7 und Universitätsstratze 3, die Filiale«: sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 35 Herr L. 0. Littet, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr Meoä. keter. Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 6. b. Kellubvrt's Xaelitoixer, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Ttraste(Thomasiusstraßen-Ecke) Herr vtloLranr, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Luunrü UetLer, Colonialwaarenhandlung, Nürnberger Straste 45 Herr 11. L. 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Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Ium Wiederzusammentritte des Reichstags. K Am 25. Juni bat Deutschland nicht ohne ein Gefühl des Abscheus seinen Reichstag nach einem langwierigen, durch viele unwürdiHe Vorgänge die Geruld erschöpfenden Beisammen sein schließen seben. Wenn die Nation dennoch der ersol' genden Wiedereröffnung mit unvei kennbarem Interesse ent gegensieht, so ist dies nicht einer inzwischen gestiegenen Werth schätzung des ProducieS vom 15. Juni 1883, sondern der Wichtigkeit der Angelegenheiten zuzufchreiben, die die lepte Tagung dieser Legislaturperiode ausfüUen werde». Es ist eine theilS durch die Regierung, theilS durch den Reichs tag verschuldete unersreulich« Nothwendigleit, daß ein seinem nahen Ende entgegensedenbeS Parlament mit Gegenständen von der Tragweite der Militairstraf- Proceßordnung und der M a r i n e v o r l a g e be faßt wird. Und noch dazu ein so beschaffenes Parlament. Allein beide Angelegenheiten vertrugen keinen wt>le»eo Auf schub. Die ein« nicht, weil sie eine bleunend gewordene Frage der Sicherung des Reiches und feine» Ansehens in sich birgt, die andere, weil ihre Erledigung au» nubr als einem Grunde ein Gebot der politischen Moral geworden ist. Was die Vorlage über die Refoim des Strafverfahrens im Heer« angeht, so muß deren amtliche Bekanntgabe abgewariet werden. Vorder fei nur der Hoff nung Ausdruck gegeben, der Entwurf werte so gestaltet sein und von den Regierungen bei der Beralhung mit so vielem militärisch erlaubten Entgegenkommen gegenüber dem Reichs tage behandelt werden, taß, wenn — was wir nicht wünschen — vor den Neuwahlen die beiden wichtigen Vorlagen nicht zu Stande kommen sollten, da» Verhalten der Negierenden in der Angelegenheit der Militairslrafproceßorknuvg es den national- gesinnten Wählern nicht erschwert, durch lhreStimmenabgabr die Regierenden bei der Florteuverstäckung zu unterstützen. In der Sache selbst sehen wir, nachdem die Vorschläge der Marineverwaltung bekannt geworden sind, ein solches Hinterniß nicht. Im Geaentheil erscheint un» die Kunst der Demagogie durch das Maß der Regierungsfvrderung für die Flotte und deren tadellos solide Begründung auf eine harte Probe gestellt. Nur darf natürlich der günstige Ein druck, den die Marinevorlage hervorgebracht hat, nicht durch außerparlamentarischen Druck und durch die wiederholte Erregung von Zweiseln über die Bestimmung der ver mehrten Kriegsschiffe wieder verwischt werben. Militaitstrafprokeßordnung und Marinegesetz werten den Reichstag vollauf beschästigen, zumal da man wohl einer im Vergleiche zu ihren Vorgängern kurzen Tagung entgegensehen muß. Wir könne» nicht glauben, baß bie Re gierung das Bedürfnis empfinde, die Zahl der Streit gegenstände, die unter allen Umständen nach dem Reichstag»- Muss« noch vorhanden sein werden, dadurch um «men zu vermehren, daß sie die ReichStagSwahlea nach dem 15. Juni n. I. sich vollziehen läßt. Nach der vorherrschenden Ansicht läuft an diesem Tage die Gesetzgebungsperiode ab. Finden aber die Wahlen im Juni statt, so wird die Wahlbewegung vor spätestens Ende März — Ostern fällt in die erste April- bälste — auf die Abgeordneten eine Anziehungskraft aus- üben, die daS Zusammenhalten des Reichstages selbst bei den minimalen Ansprüchen an den Besuch, an den uns die letzten Jabre gewöhnt haben, zu einem Dinge der Unmöglichkeit macht. Sollte eine Auflösung erfolgen, so würde diese» Er- rigniß wobl auch vor Ostein stattfinden. Der Ausblick auf eine kurze Tagung bat nun keineswegs etwas Betrübendes. Den zwei erwähnten Vorlagen wollen wir da» Horoskop nickt stellen, aber auch wenn sie im erwünschten Sinne beschiessen werden, für die so noth- wendigen dauernden Aenderungen im Partei wesen erwarten wir von dieser Tagung nichts. Dazu feblt es vor alle» Dingen an einer führenden, einer da« Vertrauen in ihr Ziel bewußtsein und in ihre Festigkeit sich erfreuenden Negierung, die wir auch dann nicht haben werden, wenn es ihr gelungen sein sollte, Mehrheiten in den beiden großen Angelegenheiten ter Sessicn zusammen zu bringen. Die Stellung des Fürsten Hobenlobe muß beule, da der Reichstag angesichts dieser Vor lagen Zusammentritt, al» befestigt gelten. Nock vor Kurzem war sie, wie schon so ost, ersä litte«, und die „Nat.-Zlg." Mrzcicknel sogar, daß vor dem letzten Besuche re» Reichskanzler» beim Großberzog von Baden, also vor wenigen Wochen, „eö böckst zweifelhaft war, in welcher Zusammensetzung, mit welchen hauptiäcklichen Vorlagen und mit welcher politischen Methode die Regierung in die ReichSlagssession einlreten würde." Wie der Eintritt beschaffen ist, weiß man beute ungefäbr. Wer aber kann wissen, welche» die Methode morgen sein wird? Fürst Hobenlobe bietet einige, wenn auch, wie d«r Ritt in das Vereinsgesetz Abenteuer zeigte, schwache Garantien gegen die Politik der augenblick.ichra Eingebungen. Wer und waS aber garankirt auch nur für Wochen für die Kanzler schaft deS Fürsten? Und siebt man von dessen Person ab, so kommt die „neugedilkele" Regierung für die Rückkehr zu einem Regiment mit geordneter Verantwortlichkeit gar nicht in Betracht. Der Reichstag findet den früheren Reichs- schatzfecretair Grafen v. PosadowSky als Vorstand deS politisch bedeutungsvolleren ReichSamtS de» Innern und siebt die Stellungen der Slaaissecreiane deS Auswärtigen, de» Schatzamtes, der Neicksmarine und de» Reicktpostamtes durch die „Neuen Männer" von Bülow, von Thiel- mann, Tirpitz und von PodbielSki besetzt. Wir folgen lediglich einem journalistischen Braucht, indem wir die beim Schluffe des Parlaments nock nicht ernannten Regierung, Mitglieder bei der Wiedereröffnung aufzählen, irgend welche politische Bedeutung darf man dem Wechsel >n den Rrichsämtern nickt beilegen und waS die Ernennung ve» Finanz ministers vi. v.Miquel zumVicepräsirrnten des preußischen Staa>»mmisteriumS anlangt, so ist sie schon vor geraumer Zeit erfolgt, obne daß er mehr al» sein Vorgänger al« „ministerielles Bekleidungsstück" —um mit Bismarck zu reden — benutzt worden wäre. Indem Herr v. Miquel in einer Rede das „Sammeln" als die hauptsächlichste politische Ausgabe bezeichnete, aber verschwieg, wie und wo die Zusammenschaarung sich vollziehen solle, und auch späterhin kein Panier aufpflanzte, hat der Minister nichts weiter geihan, als die Nacht der Programmlvsigkeit der Regierung durch einen Kolopboniumblitz für eine Sekunde zu erleuchten. Ein officiöser Zeitungsartikel, der neulich ver sickerte, an keiner Stelle der Regierung beständen „absolu- tistiscke Absickten", stand mit der Rede deS Herrn v. Miquel auf der gleichen Höbe praktischer Bedeutungslosigkeit. Wir versteifen unS nicht auf da» Wort. Thatsäcklich bilden die wichtigen Entscheidungen, di« gemäß der Verfassung und der StaatSnolbwenrigleit nur im Emoerstäavniß mit den da» Ganze der Politik thatsäcklick übersehendln Ministern getroffen werden sollen und auch wirklich so getroffen werden, nicht die Regel. Bleibt aber auch bei der Klärung und Besserung der RegierungSverbältuisse den Männern an der Spitze der höchsten Aemter da» Beste zu tbun, so ist nickt in Abrede zu stellen, daß der Reichstag nützlich wirken könnte, wen» er Impuls« nach dieser Richtung gäbe. Das -st bisber nicht geschehen. Die Kritik, die sonst an dem Regiment im Reichs tage grübt wnrde, war nicht von der Absicht gegeben, die Zustände zu bessern, sondern sie im Parteiinteresse zu ver wirren, da» Sinken der Autorität zu beschleunigen und schadhaft geworbene politische Reputationen durch rhetorische Erfolge einigermaßen zu restauriren. Es wäre die Ausgabe der nationalen Parteien gewesen, die Sonde in die Wunde zu senken. Man glaube ja nicht, daß die gerade io den Kreisen der treuesten Anbänger von Kaiser und Reich am tiefsten gebende Unzufriedenheit mit den Berliner Dingen durch daS Stillschweigen der Gesinnungsgenoffen im Reichs tage eingksckläjerl werde» könnte. Sie wirb vielmehr dadurch verstärkt und, was eben die große Gefahr ist, zu einer Ver bitterung werden, die ihren nationalen Uriprung vergißt und schließlich sich von selbstsüchtigen Anklägern der herrschenden Politik gegen da» Reich kehren läßt. Die nationale Presse bat ihre Pflicht gegenüber diesem bedrohlichen Zustande nickt verkannt. Aber die Presse, mag sie zu Zeiten einflußreicher sein als das Parlament, nl nickt die geordnete Vertretung des Volke» gegenüber den Regierenden, die zudem in bei Lage sind, sich der Keuntmß- nabme der in Zeitungen erhobenen Beschwerden zu entziehen. Die Parteiprefse kann die Fraktion niemals ersetzen. Diese Meinung ist nun auch von einem ReickStagSabgeordneten kundgegeben worden, Herrn l)r. Cassel mann, der in einer Sitzung deS LandeSausschuffeS der nativnallibcralen Partei de» rechtsrheinischen Bayern» unter stürmischem Beifall der Zuhörer au»gesprochen hat: „Die Aufgab« der Partei beruhe, sowie die Dinge im Reiche heute leider liegen, nicht nur darin, da« lib«rale Bürgerthum in Stadt und Land zu sammeln gegen den Radikalismus und Ultra- montanismuS, wie er sich bei unS in geradezu bedenklicher Weise breit mache, sie bestehe auch darin, in ganz entschiedener Weise der Reichsregierung da entgegen zu treten, wo sie Wege wandle, die wir nur billigen könnten, wenn wir unsere ganze politische Ver gangenheit verleugnen würden. Der Einfluß der CentrumSpartei und ihre» Führers Lieber auf di« Reichsregierung, der an di« Stelle der früheren zielbrwußten kräftige» Regierung getretene Zickzackcurs und verschiedene sonstige Vorgänge in Berlin hätten speciell in Bayern eine Verstimmung bi» tief hinein in durchaus national gesinnte Kreise hervor gerufen, die äußerst bedenklich und beklagens- werth sek. Diese Verstimmung wieder zu heben, sei nur möglich, wenn man ohne jede Rücksicht und sreimüthig der Reichsregierung »in energische«: „Bis hierher und nicht weiterl" zn- rufe und ihr die furchtbare Gefahr dringend vor Augen führe, di« aus einer solchen verkehrten Politik für den nationalen Reichs gedanken speciell im Sitten erwachse. Eine Partei, die mit Begeisterung an der Gründung des Reiches mitthätig gewesen, die jederzeit treu zn Kaiser und Reich gehalten habe und heute noch treu für sie einstehe, hätte Anspruch darauf, gehört zu werden." Wer gekört werden will, muß reden. Daß dies in der beginnenden Tagung die nationalliberale Fraktion „ohne jede Rücksicht und freimiitlng" thun werde, ist der starke Wunsch und die schwache Hoffnung von Hunverttausenteu politisch gereifter Vaterlandsfreunde. Deutsches Reich. * Berlin, 28. November. Wann läuft daS Mandat deS gegenwärtigen Reichstages ab? Diese Frage wird neuerdings in der Presse erörtert; sie wird vermuthlich auch die Regierung schon beschäftigt baden. Die Legislatur periode dauert gesetzlich fünf Jabre. Da» Ende deS Mandats ist also lenkt zu bestimmen, wenn man über den Anfang einig ist. D>e Wahlen haben am 15. Juni 1893 stattgefunden, die Eröffnung des Reichstages am 4. Juli. An welchem dieser Tage bat die Legislaturperiode begonnen? Oberbergrath vr. A. Arndt, Professor der Rechte in Halle, antwortet aus diese Frage: „Die Periode kann vom Tage der Wahl oder vom Tage des ersten Zusammentritt» ve» Reichs tages berecknet werden." Jene Ansicht sei die herrschende, für die gegentbeilige Entscheidung spreche jedoch, daß der ReickSlag erst durch die Einberufung des Kaisers „existent" werde. Die preußische SlaatSregierung berechne die gleiche Frist deS Artikels 73 der VcrfassungSurkuude vom Tage des ZusammentretenS des Abgeordnetenhauses. Die gleiche Ansicht finde sich auch bei Seyvrl, bayerisches Staat-recht ll S. IS'i Gegen diese Bezugnahme erhebt indessen Seyvrl selbst Ein- Theodor Mommsen. Eine Skizze j« seinem so. Geburistage (SO. November), von 0«. tzaa» Hassetkamp. «achdruck ixriolen. In den großen Bibliotheken Europa», in Berlin und Pari», in der Vatikan« zu Rom und dem British Museum zu London, taucht MommsenA charakteristisch« Gestalt noch jetzt häufig auf. Dann arbeitet der greife Gelehrte unverdrossen »eben dem jüngsten Studenten; er holt sich selbst die Büch«, zusammen, die er braucht, schiebt dir Brille auf dir Stirn und beginnt mit einem Eifer nachzuschlagen und zu notirrn, daß er seiner Um gebung ersichtlich bald völlig entrückt ist. Und wenn e» wieder geschähe, daß der Papst in den Gaal träte, so würde Theodor Mommsen vermuthlich wieder ruhig bei seinen Büchern sitzen bleiben, indeß alle Anderen ehrfürchtig sich erheben: er sieht und hört dann nicht» von dem, wa» um ihn vorgrht, sein Geist weilt fern im alten Rom oder im Byzanz de» Kaiser» Constantin, da» ihm au» halb vergilbten Blättern lebendig vor Augen tritt. Er ist eine ebenso eindrucksvoll, und interessant« wir schwer zu deutend« Erscheinung, dieser Forscher. Man kann bei ihm nicht so recht eigentlich von einem Gelehrtenkopf sprechen. Helm- Holtz hatte ein,« klassischen Gelehrtenkops: da »ar Alle» ge- sammelte Ruhe, vollendete Objektivität, Au» Mommsen'» Er- scheinung hingegen spricht «in« entschiedene Subjrcttvität. Di« lebhaften blitzenden Augen, die vielen beweglich spielenden, man möchte fast sagen: sprechenden Falten de» Gesicht», die eigen artige Ausarbeitung aller Formen, all die» deutet auf ein aus gesprochene» Temperament, auf eine polemisch angelegte In dividualität. Ja, e» haftet der markanten Erscheinung de» Manne» fast etwa» FruilletonifiischeS an; man fühlt, daß hier ein Geist lebt, der zu überraschenden Einfällen und scharfen Pointen neigt. Und doch — wie wenig erschöpft dieser Eindruck da» Wesen Mommsen'»! Denn zuglnch lebt in ihm wieder eine Gelehrten natur, oeren Bedeutung und Stärke, je genauer man sie kennen lernt, um so mehr verblüfft. Eben derselbe Mann, der so scharf geschliffene Urthrile bildet, so geistreiche, kühne An schauungen äußert, der al» Journalist im 2age»leb«n gestanden, und an den stürmischen Bewegungen von 1848 Antheil genommen hat, — eben derselbe Mann ist ein nüchterner, strenger, un bestechlicher Forscher ersten Range». In dieser Beziehung möchten wir ihn mit Rudolf Virchow vergleichen, dem Meister der natur- wissenschaftlichen Beobachtung. Mommsm nimmt eine ähnliche Stellung in den Geisteswissenschaften ein. Natürlich zeigen sich seine eigentlich wissenschaftlichen Vorzüge ganz vornehmlich in den yacharbeiten, in erster Linie in seinem großen Lebenswerke, dem Oorpu, Inaoriptionnm Inttnarnm. Kaum kann sich der Lair eine recht« Vorstellung von der Art und dem Umfange der hier geleisteten Arbeit machen. Welch eine enorme Kenntniß de» gesummten Staat»- und Privatleben» der Römer gehört das», au» den dürftigen Resten und Trümmern einer Inschrift de- sonnen und doch kühn ein Ganze» herzustrllen, da» wieder Sin« und zugleich Berechtigung hat! Kaum ein Anderer unter den lebenden Gelehrten verfügt noch über dies Wissen, über diese Vorsicht und Genialität der Lombination, kaum ein Anderer wäre daher im Stande gewesen, diesen überaus bedeutungsvollen Bau wichtiger historischer Dokumente aufzurichten. Und wie hat dann Mommsen selbst den von ihm erschlossenen Quellrnschatz für die wissenschaftlich« Erkenntniß auSgenutzt! DaS Publicum be- urtheilt di« Thätigkeit der Philologen oft so, wie Mommsen die vieler Archäologen charakterisirt hat: daß sie nach dem forschen, waS Keiner wissen will und Keinem frommt. Auf Mommsen trifft da» jedenfalls in keiner Weise zu. Denn er hat stet» nach großen geschichtlichen Gesichtspunkten gearbeitet, stets den Zusammenhang mit dem Ganzen und die Bedeutung dafür im Auge behalten. Und so hat er, ob er nun über da» Munzwesen oder dir Chronologie der Römer, über die römische Tribu» oder über altitalisch« Dialekte geschrieben hat, stet» echt historische Werke geliefert, die wesentliche Momente zur Klärung unserer Vorstellungen von der Geschichte Alt-Rom» brachten. Wenn Mommsen so die üblen Philologen-Eiaenschaftrn ganz abgehen, so schreibt sich da» vielleicht auch daher, daß er nicht von Lause au» Philologe ist. Sein eigentliches Studium war die Jurisprudenz, und al» Professor de« römischen Rechte» hat er nacheinander in Leipzig, Zürich, Bre»lau und Berlin ge wirkt. Dieser Gang seiner wissenschaftlichen Entwickelung ist für seine ganz« Thätigkeit und ihre Gestaltung von hoher Wich tigkeit grtvorden. Er hat nicht nur in der strengen Zucht der Zuri»p,ud«nz die haarscharfe Forschung und die stete Fest- Haltung de» großen Zusammenhang«» gelernt, sondern auch seine Stellung zu den geschichtlichen Dingen überhaupt ist durch dir Rechtswissenschaft bedingt worden. Während die, die von d-r Geschichte von vornherein auLgehen, wie z. B. Ranke, fast immer den Hauptreiz der Forschung in dem großen Geheimnisse der Historie, in den Persönlichkeiten finden, wandte sich der Jurist Mommsen zuerst den Zuständen und Einrich tungen zu. Der Organismus der römischen Verfassung, die Mechanik der Verwaltung waren eS, an die er zunächst heran ging, denen er schließlich auch sein großes „Römisches Staatsrecht" gewidmet hat. In diese Gebiete ist nun Mommsen vermöge der glücklichen Vereinigung zweier wissenschaftlichen Methoden, di« sich bei ihm vollzogen hat, tiefer als irgend ein anderer Gelehrter eingedrungen. Ihm ist der Bau und das Leben der römischen Staatseinrichtungen wahrhaft lebendig geworden. Wir, die wir noch das Glück hatten, zu seinen Füßen zu sitzen, erinnern unS, wie er die Verfassung und Verwaltung deS by zantinischen Reiches unter Constantin dem Großen vortrug. Gewiß ein trockenes Thema! Aber Mommsen war eS keines wegs trocken. Wie er da in großen Zügen da» complicirte System der Verwaltung ausrollte, glich eS nicht einem todten Schema, sondern einem lebenden Bilde, in dem die Beamten und Würdenträger in Thätigkeit zu sehen waren, die Geschäfte von Hand zu Hand gingen, daS höfische Leremonirll sich ent wickelte und Alle» an seiner Stelle arbeitete und schaffte. Geradezu verblüffend war die Sicherheit, mit der dieser Mann den complirirten Mechanismus diese» Staatswesen» beherrschte. Wohl kein Palastmeister Diokletian'» hat seine Pflichten so genau gekannt, wie Mommsen sie kennt. Und durch diese sou- veraine Beherrschung de» Stoffe», dies« Meisterschaft in der be lebten Darstellung, wurde der Gegenstand auch den Hörer« an ziehend und lebensvoll.
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