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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897113002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897113002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-30
- Monat1897-11
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnitz. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra »Beilage« (gefalzt), nur mit da. Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderunz öL—, mrt Poftbeförderuog 70.—. Annahmrschluö fiir Anzeigen: Nbeud-Au-gab«: LormfttagS 10 Uhr. -storgrn-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annabmestrllea je «in halbe Stunde früher. Anreise« sind stet« an di« -rpebttto» zu richt«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig, kll. Dienstag den 30. November 1897. 91. Jahrgang. Die Thronrede zur Eröffnung des Reichstags. » Erst unmittelbar vor dem Schluß der Redaction, ungleich später al- sonst, gebt unS die Tbronrede zu, mit der heute der Kaiser im Weißen Saale deS Berliner Schlöffe- de« Reichstag eröffnet hat; sie lautet: Geehrte Herren! Beim Beginn der letzten Tagung der 9. Legislaturperiode deS Reichstage- entbiete Ich Ihnen Namens der verbündeten Regierungen Gruß und Willkommen. Die Borlagen, welche Ihre Thätigkeit in Anspruch nehmen werden, stehen zwar dem Um fange nach hinter dem Arbeitsstoffe der letzten Tagung zurück, sind aber zum Theil von weittragender Bedeutung. Die Entwickelung unserer Kriegsflotte entspricht nicht den Aufgaben, welche Deutschland an seine Wehrkraft zur See zu stellen gezwungen ist. Sie genügt nicht, bei kriegerischen Verwickelungen die heimischen Häfen und Küsten gegen eine Blockade und weiter- gehende Unternehmungen des Feinde- sicher zn stellen. Eie hat auch nicht Schritt gehalten mit dem lebhaften Wach-lhum unserer überseeischen Interessen. Wclkrend der deutsche Handel an dem Güteraustausche der Welt in steigendem Maße theilnimmt, reicht die Zahl unserer Kriegsschiffe nicht hin, unseren im AuS- lande thätigen Landsleuten das der Stellung Deutschlands entsprechende Maß von Schutz und hiermit den Rückhalt zu bieten, den nur die Entfaltung von Macht zu gewähren vermag. Wenngleich es nicht unsere Ausgabe sein kann, den See mächten ersten Ranges gleichzukommen, so muß Deutschland sich doch in den Stand gesetzt sehen, avch durch seine Rüstung zur See sein Ansehen unter Len Völkern der Erde zu behaupten. Hierzu ist eine Verstärkung der heimischen Schlacht flotte und eine Vermehrung der für den Auslandsdienst im Frieden bestimmten Schiffe erforderlich. Um für diesen dringen- den und nicht länger hinauszuschiebenden Maßnahmen einen festen Boden zu gewinnen, erachten die verbündeten Regierungen es für geboten, die Stärke der Marine und den Zeitraum, in welchem diese Stärke erreicht werden soll, gesetzlich festzulegen ^u.^dtcsi l/ch ecke wird Ihnen ein.' Vorlage behufs verfassungs mäßiger Beschlußnahme zugehen. Zur Förderung unserer überseeischen Interessen ist auch der Ihnen schon in der letzten Tagung vorgelegte Gesetzentwurf bestimmt, welcher die Verbesserungen der Post» Dampfschiffs-Ver bindungen mit Ostasien bezweckt. Nachdem dieser Entwurf wiederholter Prüfung unterzogen worden ist, wird er Ihrer Beschluß fassung von Neuem unterbreitet werden. Nach vieljährigem ernsteu Bemühen ist es den verbündeten Negierungen gelungen, für eine Reform deS Militair-Straf- verfahrens eine Grundlage zu finden, welche unter möglichster Anlehnung an den bürgerlichen Strafproceß den für die Erhaltung der ManneSzucht unbedingt nothwen- digen Forderungen Genüge leistet. Der hiernach ausgestellte Entwurf einer Militairstrafgerichtsordnung wird Ihnen unverzüglich vorgelegt werden. Ich hege die Zuversicht, daß Sie, geehrte Herren, tcin Bestreben, rin gleichmäßiges gerichtliche- Verfahren für die gejammte bewaffnete Macht einzuführen, Ihre verständnißvolle Mit- Wirkung gewähren werden. Tas neue bürgerliche Recht kann nicht ins Leben treten, vlme daß auch da- Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, soweit e- schon auf gemeinsamem Rechte beruht, nach mehrfachen Be-1 ziehungeu abgeändert und, soweit es uoch nicht für das ganze Reich geregelt ist, neugestaltrt wird. Es wird daher zu dem Entwürfe eines Ge- ! setze- über die Angelegenheiten derfreiwilligenGerichtSbarkeit, sowie zu Entwürfe» von Gesetzen, betr. Aenderuugen der Civil- proceßordnung und der CoucurSorduung, Ihre Zustim mung eingeholt werden. Mit der Verabschiedung dieser Gesetze und der zugehörigen Neben ge setze soll die Rechtseinheit aus dem Ge- biete deS bürgerlichen Rechtes zum Abschlüsse gelangen. Die verbündeten Regierungen geben sich der sicheren Hoffnung hin, daß in gemeinsamer Arbeit mit Ihnen uoch im Laufe der gegenwärtigen Tagung dieses hohe, vom deutschen Volk so lange ersehnte Ziel endlich erreicht werden wird. Nachdem die gesetzliche Regelung der Entschädigung un schuldig Verurtheilter in Verbindung mit der erstrebten Verbesserung deS Strafverfahrens nicht zum Abschluffe gelangt ist, wird jetzt ein Gesetzentwurf den Gegenstand Ihrer Berathung bilden, welcher lediglich die Entschädigung der im Wiederaufnahme- Verfahren freigrsprochrnen Personen bezweckt. Die allgemeine Finanzlage zeigt rin befriedigendes Bild. Auch für da- nächste Rechnungsjahr sind in dem HauShallplane deS Reiches dir Matricularbetträge nur in solcher Höhe vorgesehen, daß den Bundesstaaten ein« materiell» Belastung daraus nicht erwächst. Dabei ist nicht nur die von dem Reichstage seit Jahren verlangte, wegen der Ungunst der Finanzlage bisher aber zurück gestellte Verbesserung der M a n u s ch a f t s k o st für das Heer und die Kriegsmarine zur Durchführung gebracht, sondern es ist ferner der sehr erhebliche Aufwand für die zeitgemäße Umgestaltung deS Artillerie-Material-, welcher im lausenden Jahre noch der Anleihe zur Last gelegt werden mußte, aus die regel mäßigen Einnahmen übernommen worden. Ta die Vor anschläge für die Reichssteuern mit gewohnter Vorsicht ausgestellt sind, lassen sich auch für die Folge Mehreinnahmen erwarten. Es wird Ihnen deshalb zugleich mit dem Haushalts plan rin Gesetzentwurf zugehen, welcher Vorsorge trifft, daß rill erheblicher Theil der zu erhoffenden Urberjchüsse, wie in den Vorjahren, zur Verminderung der ReichSschuld Ver wendung findet. Zur Vorbereitung und Begutachtung handelspoli tischer Maßnahmen ist aus Vertretern der Industrie, der Land- wirthjchast und deS Handels ein wirthschaftlicher Ausschuß gebildet worden, mit dessen sachkundigem Beirathe die Bedingungen und der Umfang der weitverzweigten heimischen Gütererzeugung klargestellt werden solle», um für die künftige Gestaltung des Zolltarifs und der Handelsbeziehungen zum Ausland eine feste, den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechende Richtschnur zu gewinnen. Es würde Mir zur hohen Genugthuung gereichen, wenn diese gemeinsame Thätigkeit, zu der sich hervorragende Vertreter der großen Erwerbsgruppen zusammengefunden haben, dazu beitrüge, einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenartigen An sprüchen unseres Erwerbslebens herbeizusühren und damit die Schärf« der wirthschaftlichen Gegensätze zu mildern. Dir Entwickelung unserer Schutzgebiete ist im Allgemeinen zufriedenstellend. Infolge deS Auftreten- der Rinderpest in Süd west-Afrika während deS Sommer- hat sich dir Nothwendig- keit ergeben, sofort an eine Besserung der Transport verhältnisse durch Legung von Schienengleisen heranzu- trrtrn. Ueber die Festlegung der Grenzen zwischen Togo und Dahomey sind mit der französischen Regierung Verhandlungen gepflogen worden, von deren Ergebniß zu erwarten ist, daß es den beiderseitigen wirthschaftlichen Interessen zum Vortheile gereichen wird. Die Ermordung deutscher Missionare und die Angriffe auf eine der unter Meinem kaiserlichen Schutze stehenden und Mir am Herzen liegenden Missionsanstallen in China haben Mich ge- nöthigt, Mein ostasiatiscbes Geschwader in die dem Thatorte nächstgelegene Kiao-Tschau-Bucht einlausen und Truppen dort landen zu lassen, um volle Sühne und Sicherheit gegen eine Wiederkehr ähnlicher beklagenswerther Er eignisse zu erlangen. Die politischen Beziehungen zu den fremden Staaten sind durchaus erfreulich. Meine Begegnungen mit den ver bündeten und befreundeten Monarchen, sowie der glänzende und herzliche Empfang, welcher Mir bei Meinen Besuchen in Prterhof und Pest zu Theil wurde, haben Mir hierfür aus- Neue werth volle Bürgschaften geliefert. Alle Anzeichen berechtigen zu der Aussicht, daß Wir mit Gottes Hilfe auch fernerhin der friedlichen Entwickelung Europas und deS deutschen Vaterlandes entgegen sehen dürfen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. November. Daß die Marine-Borlage es den Gegnern jeder Ver stärkung unsrer Wehrkraft zur See unmöglich macht, auch künftig mit dem Schlagworte „Uferlose Flottenpläne" zu operiren, können nach der Mittbeilung deS ,Reichs anzeigers" über die Vorlage diese Gegner selbst nicht ver kennen, denn die Vorlage will eben nickt nur bis zum Jahre 1904, sondern auch für eine fernere Zukunft die Ufer festlegtn, in denen der Flottenbau sich bewegt. Herr Richter sucht daher nach einem andern Schlager und glaubt ihn gefunden zu haben in dem Satze: „Die Flottenfrage ist in eminentem Sinne eine Frage deS politischen Vertrauen-". Auf waS und wen dieser Satz gemünzt ist, braucht nicht näher dargelegt zu werben. Aber eben deshalb ist der Satz gerade dieser Vorlage gegenüber unglücklich gewählt, weil sie gesetzliche Schranken allen Faktoren auferlegen will, denen durch die ReichSverfassung ein Einfluß auf die Gestaltung unserer Flotte eingeräumt ist. Von diesem Einflüsse handeln die folgenden drei Verfassungsartikel: Art. 53. Die Kriegsmarine des Reiches ist eine einheitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung derjelben liegt dem Kaiser ob, welcher die Osficiere und Beamten der Marine ernennt und für welchen die>elben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zn nehmen sind. . . . Ter zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird au- der Rnchscoffe bestritten. Art. 69. Alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushaltsetal gebracht weroen. Art. 71. Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr bewilligt, können jedoch in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden. ES stehen sich demnach ein gesetzlich unbeschränktes Organi sationsrecht deS Kaisers und ein ebenso unbeschränktes Ans- gabenbewllligungSrecht deS Reichstag« unvermittelt gegenüber. Sind daraus bis jetzt uoch keine schweren Conflicte entstanden, so batte es doch zur Folge, daß Gerüchte über „uferlose Flotten pläne", die an höchster Stelle gebilligt und gefördrrt würden, Glauben fanden und Verwirrung stifteten unv daß andererseits der Reichstag auf die Zusammensetzung der Flotte gar keinen Einfluß üben konnte, sofern nur die betreffenden Maßnahmen keinen finanziellen Effect batten, der über die bewilligten Summen hinau-ging. Das soll nun anders und besser werden. Wie nötbig daS ist, setzt zu reckter Zeit einer der angesehensten StaatSrechtS- lchrer, Prof. Vr. La band in Straßburg, in der „Deutschen Iuristenzeitung" in einer Abhandlung über „Die gesetz lichen Grundlagen der Marine-Organisation" auseinander. Mit Entschiedenheit tritt er dafür ein, daß ebenso, wie für das Heer die Grundlagen der Organisation reichsgesetzlich sestgestelll sind, auch für das andere Glied der bewaffneten Macht, für die Marine, diese Grundlagen reichs gesetzlich festgesetzt werden, und sagt zur Begründung dieser Forderung: „Bei der Errichtung der Norddeutschen Bundesverfassung waren nur geringe Anfänge in der preußischen Mariae vorhanden; die Reichsmarine sollte erst geschaffen werden; man konnte der Ent wickelung nicht durch voreilige Ausstellung einer gesetzlichen Schablone vorgreifen. Auch jetzt kann nicht davon die Red« sein, die Ent wickelung durch detaillirte Vorschriften zu hemmen und technische Fortschritte zu erschweren, oder durch zu weit gehende Gesetzes vorschriften in das verfassungsmäßige Recht de- Kaisers rin- zugrriftn und da- Budgetrecht deS Reich-tage- zu ver kümmern. Aber der Hinblick auf das Herr zeigt, daß eine gesetz liche Ordnung der Grundlagen der Organisation sehr wohl möglich ist, ohne daß solche Folgen rintrrten. War da» Verlangen nach einer gesetzlichen Ordnung der Grundlagen de- Heerwesens vom Standpunkte des konstitutionellen Staat-recht- au- rin wohl- begründete-, so erscheint es al» eine un begreifliche Inkonse quenz, für den andern Theil der bewaffneten Macht rin ent sprechendes Verfahren abzuweisen. Für die Heeresorgauisation wesentlich sind di» Art und Anzahl der CadreS des stehenden Heere- und die Friedrnsprasenzstärkr. Diese grundlegenden Bestimmungen sind für eine bestimmte Anzahl von Jahren (Septennat) festgestellt worden. Die Bedeutung, welche dieCadres der verschiedenen Waffengattungen und die FriedenS- Präsenzstärke für das Heer haben, kommt bei der Marine der Zahl und Art der zur Verwendung bereiten Schiffe und ihrer Indienststellung zu. Auf diesen beiden Faktoren beruhen die Organisation und Formation der Flotte und der Marineetat. Sollen dieselben eine rechtebestündige Grundlage erhalten, so muß durch ein Gesetz bestimmt werden, wievielr Schiffe von jeder der üblichen Hauptarten als dauernder Bestand der Flotte vorhanden sein sollen, und es muß ferner bestimmt werden, in welchem Umfange sie in Dienst gestellt und mit der erforderlichen Be satzung versehen sein sollen. Sowie ferner für die im Kriegsfall nolhwendige Verstärkung des Heeres durch Reserve und Landwehr bereits im Frieden gewisse Vorbereitungen getroffen werden müssen, so setzt auch die Verstärkung der Flotte im Kriege da- Vorhanden- ein von Reserve schiffen voraus; soll rin Flotten-Organisations- grsetz vollständig und genügend sein, so wird es auch den Bestand dieser Schiffe nach Zahl und Art, sowie die Größe der Besatzungs stämme frslstrllen müssen. ^-»rrHstssr. Der Page. L3j Roman von A. Hehl. Nachdruck verboten. Nach längerer Panse sagte Clotilde theilnahmsvoll: „Ich verstehe, was Dich forttreibt, liebes Herz. Hast Du außer diesem fatalen Stiefbruder keine Verwandten mehr? Wo war Dein Vater beheimathet und wo Deine Mutter?" „Mein Vater stammt aus der Gascogne", berichtete Emilie. „Seine Familie besteht aus Artisten. Alle führen sie das Nomadenleben, dem ich glücklich entronnen bin. Wenn ich ihren Aufenthalt erforsche und mich ihnen an schließe, dan muß ich wieder von Ort zu Ort ziehen —" „In dem Fall erforschen wir deren Aufenthalt nicht", meinte Clotilde. „Suchen wir lieber die Verwandten Deiner Mutter, denn sie war Deinen Schilderungen ge mäß eine Frau, die auf geregeltes Leben und geordnete Ver hältnisse hielt." Mit traurigem Lächeln schüttelte Emilie den Kopf: „Auch dieses edle Vorhaben läßt sich nicht verwirklichen. Du siehst, es ist schwer, mir zu helfen. Meine Mutter war armer Leute Kind und hat abenteuerliche Schicksale bestanden, ehe sie meines Vaters zweite Frau wurde. Nur ungern sprach sie von der Vergangenheit. Ihre Schicksale wären mir unbekannt geblieben, hätte sich nicht in ihren letzten Lebenslagen ein krankhaftes Heimweh eingestellt, das alte Erinnerungen wieder neu belebte und sie mit theilsamer gemacht hätte. Erst da machte sie mich mit ihrer Lebensgeschichte bekannt, verschwieg aber ihren Namen, ihren Geburtsort, auch die Familiennamen der Personen, welche verhängnisvoll in ihr Geschick eingegriffen haben." Auf den dringenden Wunsch Clotildens um Mittheilung dieser Lebensgeschichte, begann Emilie: „Meine Mutter war eine Deutsche. In einem schönen Dorfe, nicht weit von einer großen Stadt, erblickte sie daS Licht der Welt. Ihr Vater war Schäfer und nebenbei Heilkünstler für Menschen und Vieh. So lange er lebte, ging eS der Fa milie leidlich gut. Nach seinem Tode verfolgte daS Miß geschick meine arme Mutter. Kaum den Kinderschuhen ent wachsen, mußte sie sich selbst ihr Brod verdienen; sie kam als Magd in eine Mühle, wo sie für kargen Lohn hart arbeiten mußte. Hübsch, flink, anstellig, heiteren Sinnes, erwarb fir sich die Zufriedenheit der Herrschaft. Die jungen Burschen bewarben sich um ihre Gunst, vor Allem der Mühlknecht. Sie hielt Jeden fern — ihr Herz hing mit heißer Liebe an dem Müllersohne, der ihr ewige Treue geschworen und die Ehe versprochen hatte. Sie glaubte und vertraute ihm zu ihrem Verderben. So lange dieser Herzensbund der Umgebung ein Geheimniß blieb, waren die Beiden glücklich. Sie bauten Luftschlösser und ahnten nicht, wie bald dieselben zerstört werden sollten. Der ab gewiesene Mühlknecht wurde zum Verräther. Der alte Müller gerieth in Wuth, jagte meine Mutter mit Schimpf und Schande aus dem Hause, seinen Sohn schickte er auf die Wanderschaft, drohend, er werde ihn enterben, wenn er sich gegen des Vaters Willen auflehne. Nachdem sich die- Strafgericht vollzogen hatte, glaubte der Mühlknecht, nun sei für ihn die Bahn frei; aber meine Mutter wies dem gehässigen Menschen neuerdings mit harten Worten die Thür. Einen Fluch auf den Lippen ging er von ihr weg. In der darauf folgenden Nacht brannte des Müllers Scheune ab, der Mühlknecht bezeugte mit seinem Eide vor Gericht, meine Mutter sei die Brandstifterin gewesen, er habe daS mit eigenen Augen angesehen. WaS hast Du, Clotilde?" unterbrach Emilie die Erzählung. „Was ist Dir? Du starrst mich so durchdringend an —" „Erzähle weiter, weiter", drängte Clotilde. Emilie fuhr fort: „Die Gendarmen drangen in die Hütte meiner Großmutter ein und schleppten meine Mutter fort. Alle Bitten, alle Betheuerungen halfen den jam mernden Frauen nichts. Ein Haufen Leute verfolgte die Unglücklichen johlend und höhnend, an ihrer Spitze der Mühlknecht." Das junge Mädchen schwieg und holte tief Athem. „Ich will Dir die Geschichte zu Ende erzählen, denn ich sehr, es greift Dich an", brach Clotilde daS Schweigen. „Die Unschuld Deiner Mutter kam an den Tag. Sie wurde frei, gab den Lockungen eine- gewissenlosen Agenten Gehör und wanderte aus — nach Afrika —" Ein Schrei unterbrach die Rede. Emilie war auf gesprungen und stand hochaufgerichtet, bleich bis an die Lippen, mit blitzenden Augen vor ihrer Freundin. „Clotilde, Du weißt darum?" Die Befragte bejahte. „Ja, hier, hier in der Capellen mühle hat sich die Geschichte zugetragen." „Und sein Vater? — der alte Sturm war —?" forschte Emilie Weiler. „War jener Müllerssohn, der eine so verhängnißvolle Rolle in dem Leben Deiner Mutter spielte", ergänzte Clo tilde die stockende Rede des aufgeregten Mädchens. „Und die arme alte Frau, welche in mir die längst ver schollene Tochter zu erkennen glaubte?" „Das ist Deine Großmutter, liebe Emilie, Magdalena Klein, genannt Kräuterlene." Weiter brachte Clotilde dann die ferneren Fahrten und Abenteuer der Hartgeprüften zur Sprache: „Erfahre denn, daß ich auch diejenigen kenne, welche Grete Klein als Sclavin verkauften — sie wohnen droben in Adlershof." „Verflucht sollen sie sein!" stieß Emilie leidenschaftlich aus. „Ich hasse sie!" Clotilde legte begütigend die Hand auf Emiliens Schulter. „Verscheuche die finsteren Gedanken und sinne lieber nach, wie Du der alten Frau drüben in der Mühle eine froh« Stunde bereiten kannst." Clotilde hielt inne und lauschte: „Es kommen Schritte die Treppe herauf, das ist mein lieber Mann und — er kommt nicht allein." Emilie Dorset war, als sie die Schritte der Ankommen den hörte, erschreckt davongeeilt; die Doctorin eilte ihrem Manne entgegen. „Grüß Dich Gott, lieber Schatz!" rief der Doctor freudestrahlend. „Da bring ich Dir den ver lorenen Sohn mit, er soll bei uns bleiben, bis ich den Alten in der Mühle günstig gestimmt habe. Gehe hinein, HanS, laß eS Dir bei uns gefallen und nimm vorlieb. Ein Kalb werden wir Dir zu Ehren nicht schlachten, das überlasten wir Deinem Vater." Mit diesen Worten führte der glückliche Gatte seinen Begleiter ein. „Hans Sturm!" rief Clotilde überrascht. „Das ist ja schön, daß Sie sich Ihrer alten Freunde wieder er innern." Es lag ein leiser Vorwurf in diesen Worten; HanS fühlte dies sofort heraus, sein bleiches Gesicht röthete sich, er zog die ausgestreckte Hand schüchtern zurück. „Ich habe so Viele verletzt, die mir lieb und theuer sind", sagte er, „ich kann kaum hoffen, sie wieder zu versöhnen." „Führt mir keine sentimentale Scene auf", legte sich der Doctor ins Mittel. „So was ist mir in der Seele zuwider. Der Hans hat dumme Streiche gemacht, wie junge Leute öfters zu thun pflegen. Er ist zeitig zur Vernunft gekommen, empfindet Reue und will sein Unrecht wieder gut machen. Das ist Alles, was man verlangen kann. Jetzt bitte ich mir aus, daß ihm das Herz nicht schwer gemacht wird." Diese Worte wirkten. Das alte Zutrauen und die alte Gemllthlichkeit kehrten in dem kleinen Kreise wieder ein. Erlebtes und Empfundenes wurde eingehend be sprochen und schließlich Rath gehalten, wie man den alten Sturm an einer schwachen Seite fasten und ihn bestimmen könne, den Sohn, besten Handlungsweise er schonungslos verurtheilt hatte, wieder in Gnaden anzunehmen. „Lieschen vermag viel über den Vater", bemerkte Hans. „Sie allein hat ihn dazu gebracht, mich studiren zu lasten, vielleicht gelingt es ihr auch, ihn zu versöhnen —" Clotilde schüttelte den Kopf: „Sie hat kein Lebens glück mehr in die Waagschale zu legen, das ist verspielt." HanS starrte die Sprecherin erschrocken an: „Meine Schwester?" rief er, „sie wird doch meinetwegen nicht —" Der Doctor ließ ihn nicht ausreden: „Wir müssen auf andere Mittel sinnen, deS Müller- steinern Herz zu rühren. Es wird uns schon etwas einfallen." Clotilde nickte. „Mir ist es so wie eine Erleuchtung gekommen — aber ich weiß nicht recht — Kennt unser Freund die Jugend geschichte seines Vaiers?" „Jawohl; aber was in aller Welt hat die alte Geschichte mit unserem Vorhaben zu thun?" „Sehr viel", versicherte Clotilde. „Was sagst Du dazu, lieber Alter, wenn ich Dir mittheile, daß wir die Tochter der unglücklichen Grete im Hau» haben?" „Wir? Geh, Du träumst wohl?" zweifelte der Doctor. „Es ist so. Emilie hat mir vorhin die Lebensgeschichtt ihrer Mutter erzählt." „Emilie Dorset? Na, das wäre was, wenn es sich wirklich so verhält, liebe- Frauchen." „Dorset — Dorset", wiederholte HanS Nachdenkens „Der Name kommt mir bekannt vor."
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