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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971113010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897111301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897111301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-13
- Monat1897-11
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Die Morgen-Ausgabe erscheint uia '/,? Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Filialen: Dito Klemin'S Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche. Katbarinenstr. 14, Part, uud Königsplatz 7. Ne-action und Expedition: ÄohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezugs-Preis tu der Hauptexpedition oder den NN Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- aabesrellrn ab geholt: vierteljährlich ^i4ck0, vei zweimaliger täglicher Zustellung inS L>au« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^tl S—. Direkte tägliche Krruzdandirndung iuS Ausland: monatlich 7.50. 58V. Morgen-Ausgabe. ApMer TaMalt Anzeiger. AmtsMtt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Ruthes nn- Rolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Sonnabend den 13. November 1897. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclumen unter demRedaetionssirich (4ge- spalten) 50/^, vor den Famiiiennachrichten (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. l-rtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung .ck! 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je eiue halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig. Sl. Jahrgang. Die Taubstummen-Fürsorge. e. Wie die ärztliche Wissenschaft eS immer mehr als eine ihrer wichtigsten Aufgaben anerkennt, Krankheiten zu ver hindern, so betrachtet auch die heutige Socialpolitik die Er greifung vorbeugender und fürsorgender Maßregeln als ihre ernste Pflicht. Dieser Geist beseelt sowohl die Aroße Socialgesetzgebung deS Reiches, wie unsere gegenwärtige Armenpflege und auch die Hilfstbäligkeit für Schwache und Gebrechliche. Mir der Politik kluger Vorbeugung hat man namentlich auch auf dem Gebiete der Taubstummen pflege den Erfolg erzielt, diese Gebrechlichen, trotz ihres Unglücks, zu nützlichen und tüchtigen Gliedern der Gesellschaft zu machen. Wie wichtig das auch für ein Staatswesen ist, wird man ermessen, wenn man berücksichtigt, daß nach den neuesten, allerdings nickt ganz zuverlässigen Feststellungen in Deutschland etwa 30 000, in Europa 220 000 und auf der ganzen Erde rund 1 Million Taubstumme leben. Durch jene Erfolge hat die preußische Regierung die Anregung zu einem Gesetzentwurf empfangen, der den Besuch der Taubstummen-Anstalten für Taubstumme obli gatorisch macht. Der Entwurf soll in nächster Zeit dem preußischen Landtage vorgelegt werden und die Regierung bezweifelt, wie ein Vertreter derselben in der kürzlich in Dresden abgebaltenen diesjährigen Hauptversammlung deutscher Taub stumme niedrer versicherte, nicht, daß der Landtag jenen Entwurf annehmen werde. Das ist zu hoffen, denn der Staat erfüllt mit einer zweckentsprechenden Taub stummenfürsorge eine sittliche Pflicht znm Besten des Ganzen. Zn der Dresdener Versammlung gaben namentlich Ober lehrer Batt er-Frankfurt a. M., Reallehrer Hollerbach- Gerlachsheim und Director Gutzmann-Berlin ein Bild von dem Charakter der modernen Taubstnmmenfürsorge. Zur Erziehung der Kinder sind in erster Linie die Eltern berufen. Wenn aber das Elternhaus schon für die Erziehung der normalen Kinder der öffentlichen Unterstützung durch die schule bedarf, so ist dieses nock viel mehr der Fall bei den gebrechlichen, insbesondere den taubstummen Kindern. Der größere Theil der Eltern ist infolge seiner socialwirtbscbaft- lichen Lage außer Stande, den taubstummen Kindern die er forderliche Pflege und Erziehung angedeiben zu lassen. Eltern in besseren Ständen machen nickt selten aus übelangebrackter Rachsicht und wohl auch aus verwerflicher Scham die gröbsten Erziehungsfehler. Das einer angemessenen Erziehung er mangelnde taubstumme Kind stedt bei seinem Eintritt i» das schulpflichtige Aller meistens auf der niedrigsten Stufe geistig sittlicher Entwickelung, weil das Gebrechen der Taubheit und der damit verbundene Mangel der Wortspracke die Bildung des Beistandes, die Einwirkung auf Gemülh und Willen erschwert. Der Taubstumme hat als Mensa» dieselbe zeitliche und ewige Bestimmung wie der Vollsinnige. Auch die Taubstummen- crziebnng hat daher kein anderes Ziel zu verfolgen, als die Pädagogik im Allgemeinen. Die Fürsorge für Taub stumme muß bereits in den ersten Lebensjahren eiusetzen; zu diesem Zweck sollten überall, wo eine genügende Zahl taub stummer Kinder im vorschulpflichtigen Alter vorhanden ist, besondereVorschulen für dieselben eingerichtet werden. Wo dieses nicht möglich ist^ sollen die taubstummen Kinder bis zu ihrem 7. Lebensjahr die wohl in jeder Gemeinde bestehende Kleinkinderschule besuchen. Zn kleineren Orten ohne Kindergarten sind die meist unbeaufsichtigten oder vielfach auch unmündigen hörenden Geschwistern überlassenen kleinen Taubstummen tagsüber einer besseren Familie, vielleickt der deS OrtslebrerS, anzuvertrauen. Vom 7. Lebensjahre ab fällt die Hauptaufgabe der Erziehung der Taubstummen anstalt zu. Damit diese ihre Aufgabe möglichst vollständig lösen kann, sind ein rechtzeitiger Eintritt in die Anstalt, ge nügende, etwa achtjährige Bildungszeit und natürlich auch eine zweckentsprechende Einrichtung dieser Anstalten erforder lich. Der gesetzliche Schulzwang für Taubstumme ist die Vorbedingung wünschenSwerlher Erfolge. Da für die Erziehung die Familie der beste Boden ist, so empfiehlt sich diejenige Anstaltserziehung am meisten, die den Familiencharakter am besten wahrt. Große Internate mit mehr als 60—80 Zöglingen sind unbedingt zu verwerfen. Wo ein großer Tbeil der Schüler im Elternhaus? wohnen kann oder wo wirklich tüchtige hingehende Pflegeeltern zu fiiiten sind, welche den Weisungen der Anstaltsleitungen gerne nackkommen, haben Externste ihre Berechtigung. Am voll kommensten lösen ihre Aufgabe kleine gutgeleitete Znternale, wo die Zöglinge engen Anschluß an die Familie des Anstalts leiters finden. Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen der Charakterbildung ist das familiäre Verhältniß zwischen Hauseltern und Zöglingen, denn es schließt die Herzen auf, knüpft ein sittlickes Band und legt so einen festen Grund für häuslichen Sinn, gesunde Frömmigkeit, Rechtschaffenheit und gute Sitte. Doch darf das natürliche Band, weiches taub stumme Kinder mit ihren Eltern verbindet, nicht gelockert werden. Die schulfreien Stunden werden ausgcfüllt mit Spiel und Arbeit; Müßiggang wird nickt geduldet. Stets ist über die Zöglinge gewissenhafte Aussicht zu führen, die dem Einzelnen eine bestimmte persönlicke Freiheit zu lassen bat, Venn nur dann können sich die Ansätze zu einem wirk lichen Charakter bilden. Auch Anstalts-Familienfeste. Kinder feste und sonstige Vergnügungen dürfen nicht fehlen. Unter den Zöglingen soll «ine trübe, gedrückte Stimmung, kein knechtiscker Sinn, sondern Frohsinn und ein freies offenes Wesen herrschen. Da die für die hörende Zugend eingerichteten Fort bildungsschulen von den Taubstummen mit Vortbeil nicht besuckl werden können, so sind für die auS der Taubstummen anstalt entlassenen Kinder besondere Fortbildungs schulen einzurichtcn. Ter Unterricht in diesen bat die in der Schule erworbenen Kenntnisse zu befestigen, zu erweitern und mit dem praktischen Leben in enge Beziehung zu bringen. Die Tanbstumn en sind in jenen Schulen auch zu belehren über die verschiedenen Einricktungen des bürgerlicken Lebens, z. B. über staatliche und communale Verwaltung, über bürgerliche Rechte und Pflichten, über das heutige wirlh- schaftliche Leben und über die für das gewerbliche Leben wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen; speciell auch über die Rechtsverhältnisse der Taubstummen. Oberste Forderung jeder Taubstummen - Erziehung und -Fürsorge muß allerdings die Heranbildung zu sittlich guten Menschen sein, aber dabei darf natürlich die Erziehung für das Leben mit seinen wirthschaftlichen Anforderungen nicht vernachlässigt werden. Es herrscht daher das Bestreben, den Zöglingen eine möglichst gute Lautsprache zu lehren, sie mit den Verhältnissen des bürgerlichen Daseins vertraut zu machen und sie im praktischen Rechnen, Zeichnen, Lesen, Schreiben, im Anfertigen von Gesckäftsaufsäyen und in der einfachen Buchführung zu üben. Ein Haupterziehungsmittel für daS praktische Leben bildet bei den Knaben der Hand fertigkeits-Unterricht und bei den Mädchen die I n - dustrie- und Haushaltungsschule. Zn größeren Städten sind kleine besondere, nach Ge schlechtern getrennte Anstalten für derartige UnterrichtSgegen- stände für die Taubstummen-Erziebunz sehr wünschenswertb. Im Anschluß an diese HandfertigkeitS- und Haushattsschulcn ließen sich Einrichtungen schaffen, welche die oft recht schmierige berufliche Ausbildung der Taubstummen unter die Ober aufsicht der Anstalt stellen und so den Uebergang aus dieser in das Leben erleichtern. Nach derartigen Grundsätzen etwa muß sich, nach der in Dresden zum Ausdruck gelangten Anschauung der Fachleute, die heutige Taubstummen-Erziehung gestalten, wenn dieselbe den Anforderungen unserer Zeit genügen soll. Die Haupt aufgabe wird immer den Anstalten zufallen müssen. Zm Jahre 1895 gab es in Deutschland 97 Taubstummen- Bildungsanstalten mit 6550 Schülern und 680 Lehrern und Lehrerinnen; etwa 1000 taubstumme Kinder wuchsen bei unS ohne entsprechenden Unterricht auf. In Oesterreich Ungarn gab cs nur 29 Anstalten und 5000 Kinder blieben ohne Unterricht. Tie Annahme des erwähnten Gesetzentwurfs vom preußischen Landtage würde ein weiterer Fortschritt der Taubstummen-Fürsorge in Deutschland sein. Deutsches Reich. * Leipzig, l2. November. Der vielbesprochene „Darm städter Zwischenfall", von dem der Hosberichterstatter ter „Karlsruher Zeitung" der erstaunten Welt die erste Kunde brackte, ist bekanntlich alsbald ans brieflichem Wege zur Genugtbuung deS GroßberzogS von Baden beglichen worden. Aber die öffentliche Meinung in Deutsch land war durch diese Art der Begleichung noch nickt zu- friedengestcllk; sie glaubte eine öffentliche Genugtbuung für den gekränkten deutschen Fürsten fordern zu müssen. Auch dieie ist ihm jetzt durch einen Ukas des Zaren geworden, der die Einsetzung eines ständigen russischen Geschäftsträgers in Karlsruhe verfügt und den bis herigen außerordentlichen Gesandten bei dem würtlcmbergiscken und dem badischen Hofe, Fürsten Kantakuzene, seiner Stellung beim letzteren Hofe enthebt. Durch die Einsetzung eines ständigen Geschäftsträgers in Karlsruhe bekundet der Zar, welchen Werth er auf ein ungetrübtes Verhältnis) zum badischen Hofe legt, durch die Enthebung des Fürsten Kantakuzene von seiner Stellung bei diesem Hofe deutel er an, daß er diesem Würdenträger einen Schuldantbeil an dem unliebsamen Zwischenfalle beimißt. Wahrscheinlich besteht dieser Schult antheil darin, daß Fürst Kantakuzene es verabsäumt hat, den Zaren rechtzeitig davon zu unterrichten, daß schon mehrere Tage, bevor Großherzog Friedrich in Darmslatt seinen Besuch ankündigte, die badiscke Presse die Reise des Großherzogs nach Darmstadt in bestimmte Aussicht ge stellt hatte. Hätte der Zar hiervon Kunde gehabt, so würde seine Antwort auf die Ankündigung deö GroßberzogS jedenfalls anders gefaßt worden sein. Auf alle Fälle darf tie öffentliche Meinung in Deutschland in der Enthebung des Fürsten Kauta kuzene von seiner Stellung beim badischen Hofe und in seiner in Aussicht genommenen Ersetzung durch einen ständigen Geschäftsträger eine eclatanke öffentliche Genugtbuung für den Großherzog von Baden erkennen. Sie cbrt den Zaren, der mit Verachtung auf jene wenigen deutschen Blätter blicken wird, die in erbärmlicher Kriecherei vor dem mächtigen russischen Gaste die Schuld an jenem Zwischenfalle dem Darmstädter Hofe in die Schuhe zu schieben suchten. -ist- Leipzig, 12. November. Eine Ehrung des ver ewigten SlaatssecreiairS deS Reicks-Postamts, vr. von Stephan war schon vor Monaten durch die An gehörigen der Post- und Telegraphenverwaltung beschlossen worden. Ta nun die hierzu erforderlichen Geldmittel vor Händen sind, ist jüngst die Ausführung in folgender Form fest beschlossen worden. Auf dem Friedhöfe wird ein Grab- Denkmal errichtet und im Lichthofe des Reichs-Post- Museums eine überlebensgroße Statue deS Verewigten ausgestellt werden. Das neue imposante Dienstgcbäute an der Leipziger und Mauerstraße in Berlin mit den schönen Räumen für das überaus werlhvolle Postmuseum ist bekannt lich die letzte größere Schöpfung des Staatssecretairs ge wesen. Die Entwürfe zu beiden Bildwerken kommen auS der Hand des bewährten Berliner Künstlers Uphues, von dem das jüngst enthüllte Kaiser-Friedrich-Denkmal in Wiesbaden auS- gcführt worden ist. Das Grabdenkmal ist in Form eines Obelisken geduckt, an welchen sich eine trauernde weibliche Figur lehnt. Das Modell dieser Figur batte bereits bei der Leichenfeier vr. von Stepban's im Lichthofe deS Post museums Verwendung gefunden und war durch seine ideale Schönheit allgemein aufgefallen. Für diese Wahl ist außer dem der Wunsch der Witlwe maßgebend gewesen, kein Bild ihre? Gatten an dem Denkmal angebracht zu sehen. Für das Postmuseum hat Upbues ein Standbild entworfen, welche» den Staatssecrelair verkörpert, wie ihn die Beamten täglich gesehen haben, in einfachem Uebcrrock. Beide Bildwerke werden in griechischem Marmor gearbeitet werden. Der Rest der vorhandenen freiwilligen Beiträge wird ter Kaiser-Wilbelm-Stiftung für Angehörige der Posiverwaltung zugefübrt werden. Auch diese Stiftung ist auS einer An regung Stcpban'S kervorgegangen, weshalb gerade ihr der ansehnliche Capitalzuwachs zugewendet werden soll. Feurllstsn» E1wa§ über den Frostschmetterling und über Flugunfälligkeit bei Schmetterlingen. Eine zeitgemäße Betrachtung. Nachdruck verbdtin. Gar Mancher hat schon den Kopf geschüttelt und es als einen Anachronismus empfunden, wenn er an einem wind stillen Novemderabend um die Laternen an der Promenade und noch mehr an den Candelabern mit den elektrischen Bogenlicktern zahlreiche kleine graue Schmetterlinge bat herumgaukeln sehen. „Jetzt, da der Winter vor ter Tbür siebt, fliegende Nachtfalter, daS ist mir denn dock eine'curiose Sache", mag er zu sich selbst oder zu einem begleitenden Bekannten gesagt haben. Und das ist es auch, geht aber doch mit ganz natürlichen Dingen zu. Jene grauen Schmetterlinge sind Individuen von dem in einem Jabre zahlreicher als im andern auftretenven kleinen Frotts Panner oder wie er mit dem wissenschaft lichen Namen beißt: Hiberuia ober Obeimatvbia brumuta: der, oder eigentlich richtiger die „fiöstliche Winterling", Winterling daS eine Mal auf Lateinisch, das andere Mal auf Griechisch. Will man die Tbicrcken näher kennen lernen, so muß man fick jetzt bei Tage die Stämme der in ihrem Flug gebiet stehenden Laubbäume betrachten, wo sie zu ruhen pflegen. Viel ist nn Allgemeinen gerade nicht an ihnen zu sehen, denn sie sind nichts weniger als farbenprächtig. Wenn sie so ruhig tasitzen, bilden sie ein fast gleichseitige« Dreieck, denn sie gehören zu den Spannern, die beim Eitzen, wie die anderen Nacklschmetterlinge, die Schwärmer, Spinner, Eulen und die meisten Kleinsckinetkerlinge, die Wickler, Motten und Schaben, ihre vorderen Flügel über die Hinteren gedeckt tragen. Die Angehörigen einer zweiten Gruppe der Spanner strecken beide Flügelpaare seitlich gerade von sich ab und nehmen dadurch die Stellung ein, die man den für die Sammlung bestimmten Schmetterlingen durch das Auf spannen künstlich giebl. Deshalb He tzen aber die betreffenden Znsecten nickt etwa Spanner, das Hal einen anderen, später zu würdigenden Grund. Die Flügel de« etwas über 30 mm klafternden Frostspanners sind zart, durchscheinend und nur sckwach bestäubt, die vorderen lrüb bräunlickgrau mit mehreren dunkleren, gewellten Quer- lioien, die Hinteren sind Heller und ohne Zeichnung. Tie Fühler sind fadenförmig und haben nicht wie bei manchen anderen Spannern die Gestalt einer Feder oder eines Doppel kamm«. Damit habe ich dem freundlichen Leser nur di« eine Hälft« der Frostspanner vorgestellt, die andere, die bessere, sieht wesentlich anders aus, ist aber durchaus nickt die schönere. Bei den Weibchen sind nämlich, wie das bei den weiblicken Individuen einer ganzen Anzahl von Arten der Spinner, Spanner und Kleinschmetterlinge der Fall ist, die Flügel ver kümmert. Die weiblichen Frostspanner sind, zufolge der Ent wickelung der beiden, zusammen 300—400 Eier enthaltenden Eierstöcke besser bei Leibe als die Männchen, von einer in differenten, grauen Färbung und haben slummelartige, nur wenige Millimeter lange vordere Flügel mit 2 dunkleren Quer streifen, während die noch kürzeren Hinteren bloS einen solchen aufweisen. Die auffallend langen, weitzgeflcckten Beine geben den Tbierchen etwas Spinnenartiges, jedoch sind es ihrer blos 6, nicht wie bei den Spinnen 8. Schönheiten sind mithin diese Tbiere nickt, nicht im männlichen und erst recht nickt im weiblicken Geschlechte, und können sich mit den meisten anderen Schmetterlingen nicht vergleichen. Ein prächtiges Kleid würde ihnen aber wenig nützen, ganz im Gegentbeil, in ihrem bescheidenen Habitcken huschen sie so mit durch. Ihre einzigen Feinde sind jetzt, wenn wir einmal von der Obstbau treibenden Menschheit abseben, insektenfressende Vögel. Tie werden sie aber nur durch Zufall finden, da sie in der Meinung, in der jetzigen Jahreszeit sei doch Derartige« nicht vorhanden, gar nickt nach ihnen suchen. Wären sie aber scharlachrot!), himmelblau, schwefelgelb oder spangrün, dann würden sie sich von der Baumrinde, auf der sie sitzen, abheben wie ein Tintenklex von dem Papier, die Aufmerksamkeit der streichen den Meisen auf sich lenken und einen kläglichen Kampf um bas Dasein kämpfen. Daran sieht ein verständiger Mann einmal wieder, daß eS gut ist, so wie eS ist, und damit mag er sich trösten. „Ja, höre ich Einen einwersen, daß die schlickte Färbung die Frostspanner schützt und daß sie einen wesentlichen Vor- theil davon haben, da« leuchtet mir schon ein. Aber warum die Weibcken so benachtbeiligt sind und keine recht ausge bildeten Flügel haben, sondern nur Stummelchen, das will mir nicht in den Kopf. Wenn sie, wie ich einmal annehmen will, nickt zu fliegen brauchen (wenn ich auch noch nicht ein sehe, weshalb), da wäre e« doch viel einfacher, sie hätten überhaupt keine Flügel, al« die elenden Läppchen, die ihnen doch nichts nützen?" Gemack, mein Bester — eins nach dem Anderen; verlaß' Dich darauf: eS ist wirklich gut, so wie eS ist. Zuerst wollen wir einmal zu erörtern versuchen, wie e« kommt, daß die weiblichen Frostspanner nicht fliegen können, um erst später der Beantwortung der Frage, weshalb sie da dennoch Flügel- rrstchen haben, «aber zu treten. Bei einer großen Menge von Gliederthieren haben die au-gebildeten weiblichen Individuen die Bewegung-fähigkeit ! mehr oder weniger eiogebützt, namentlich dann, wenn si« «schlechter ungcflügelt sind und einigermaßen rationcn am Fliegen verhindert hätte, endlich auch weniger auSseben, weshalb dir Gattung den Namen I gut entwickelte Flugwcrkzeuge erhalten würden. Das ist nicht muß schon ein ungünstiger Zufall sein, Procentsatz der fliegenden Znfecten wa Verhältnisse bringt Tmbryopsis, „die wie eine unreife Larve, wie ein Embryo Aussebende", bekommen bat. Die Flugsabigkeit schwindet bei Schmetterlingen stets zufolge Nicktgebrauckcs der Flügel. Die Seidenspinner sind seil Taufenden von Jahren HauStbiere, die in Tausenden aufeinanderfolgender Generationen, eben weil sie Hauslhiere waren, nickt in die Lage kommen, stiegen zu müssen und in einigermaßen größerem Umfange überhaupt fliegen zu können. Ihre nächsten frei lebenden Verwandten, darunter ihre ver muthliche Stammform (Lvmbvx llutwni), fliegen sehr gut. Wenn auch anders, so doch in gewissem Sinne ähnlich liegen die Gründe der Flugunfähizkeit bei dem Eulchen von Kerguelen, der einzigen SchmcttertingSart, die überhaupt auf jener öden, unwirthlicken, fturmumtvbten Inselgruppe ge funden wird. Es ist keine seltene Erscheinung der Jnsccten-, besonders Käferarten, die auf dem Festlande einen wohl entwickelten Flugapparat haben und auch gut und oft fliegen, auf kleineren Inseln in flugunfähiger Gestalt auftreten, wie eS z. B. bei den meisten Käfern der Madeira-Gruppe der Fall ist. Worauf beruht diese merkwürdige Erscheinung? Nun, rin Jnsect ist fast immer ein schwaches, hinfällige- Gescköpf, und ein fliegendes der Spielball jedes stärkeren Windstoßes. Aus weiten Landflächen bat ja da« nicht viel zu sagen, denn cs muß schon ein ungünstiger Zufall sein, der einen erbeblicken Procentsatz der fliegenden Znfecten während LeS Flugs in Verhältnisse bringt, wo sie zu Grunde geben müssen. Aber auf einer kleineren Insel liegt die Sacke anders. Werden die Tbiercken hier von einem starken Luftzug gefaßt, so ist Hundert gegen Eins zu wetten, daß er sie auf das Meer hinaus und in ihr sicheres Verderben trägt. Individuen fliegender Jnsectenarten, die sich unter solchen Umständen gar nicht aus das Fliegen einlassen, werden nickt in dieLage kommen, bei stürmischer Witterung vom Lande abgetrieben zu werden, sie haben daher bessere Chancen, am Leben zu bleiben und sich zn vermehren. Dasselbe ist der Fall mit ihren unmittelbaren Nachkommen und so von einer Generation zur anderen, unk wenn so das Bedürsniß, zu fliegen, nach uud nach verloren gebt, so wird auch die Fähigkeit zu dieser Bewegungsart endlich verloren geben — der Nichtgebranch von Organen führt zn der Un fähigkeit ihre- Gebrauches und damit zu ihrer Rückbildung und zu ihrem endlichen Verschwinden. In dieser Beziehung steben die in seit Jahrtausenden währender Gefangenschaft befindlichen Seidenspinner und die Jnsrlinsecten ganz aus derselben Stufe. Auf kleinen Inseln, aus Tristan d'Acunah, den Sand wichs, Rodrizuez, J«le de Bourbon rc., leben und lebten Vogelformen, die durch Nichtgebrauch ihrer Flügel daS Flug vermögen ebenso wie Jnfelinsccten eingebüßt batten, und eS steht zn vermntben, daß Tauben, die man seit vielen Gene festsitzende oder äußerlich schmarotzende Formen sind. AuS nabeliegenden Gründen (damit die Art nicht ausstirbt) müssen die Männchen frei beweglich sein. Bei weiblicken Individuen einheimischer SchmetterlingS- arten, aber nicht bei Tagfaltern, Schwärmern und Eulen, ist daS Unvermögen, zu fliegen, oder richtiger die Reduction deS Flugapparat« sehr verschieden entwickelt, und eS finden sich allerlei Uebergänge und Bindeglieder. Die Weibchen der Spinner sind im Allgemeinen höchst träge, unbeholfene, dick leibige Wesen. Die deS Schifferdeckers oder Nagelflecks Tun) und deS SckildkrotspinnerS (kuäromw rrn-si- oolvra) haben gut entwickelte Flügel, fliegen aber trotzdem nicht. Sie sitzen im Frühling, besonders im April versteckt zwischen dem dürren, vorjährigen Laube der Birken und Eichenbüsche, dem sie in ihrer Färbung ungemein gleicken, während die Männchen mit höchst schnellem Flug am Tage unruhig umhersaußen. Man säugt die Weibcken, indem man die Büfche abklopft, wobei sie schwerfällig zu Boden flattern. Bei anderen Spinnern, z. B. bei dem Aprikoscnspinner (OrgzZa uutiqua), sind die Weibchen, die mit Beziehung auch alsSonder- linge und Lastträger bezeichnet werden, eigentlich nichts Anderes al« lebende Eierpatronen, entsprechend dick und mit ganz kleinen Flügelitummelchen. Unter den Spannern haben außer bei dem Frostspanner noch bei andern Arten die weiblichen Individuen rudimentäre Flügel. Am weitesten aber geht die Flugunfähigkeit bei den Weibcken einer Anzahl kleiner merk würdiger Spinner, deren Männchen schwärzlichgraue, dünn beschuppte Flügel haben und die der Familie der Psyckiden bilden, und einiger Motten. Diese Jnsecten sind sogenannte Sacklräger, das beißt beide Geschlechter leben bei ihnen al« Raupen in selbstvcrfertigten, auS zusammengesponnenen Fremdkörpern, Stückchen von Fleckten, allerlei dürren Pflanzenstengelcken und ähnlichen Dingen bestehenden Ge häusen oder Köchern, in denen sie auch ihren Puppenstand verbringen. Aus den männlichen Puppen geht ein regel rechter, geflügelter Schmetterling hervor, der nicht nur die Pnppenbülse, sondern auch deu Köcher verläßt und lebhaft un.verfliegt. Die auSgekrochenen Weibcken sehen der Raupe sehr ähnlich und verlassen niemals ihren Köcher, in dem sie auch Mütter werden. Bei dem unter langer häuslicher Zuckt stehenden, gemeinen Seidenspinner (Lomb)x mori), der zufolge der Pflege seitens de« Menschen in vielen Puncten seine natürlichen Fähigkeiten und Eigenibümlickkeiten eingebüßt hat, sind in der Regel beide Geschleckter fast ganz unfähig, zu fliegen und haben je nach den verschiedenen Culturrassen in verschiedenen Graden reducirte Flügel. Auch ziebk eS einen wilden Schmetterling, eine die Insel Kerguelen bewohnende Eulenart, bei der gleich falls beide Geschlechter ungeflügelt sind und einigermaßen wie Raupen '
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