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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971115014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897111501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897111501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-15
- Monat1897-11
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Triniwaffer er- giebt sich hieraus die Folge, daß nur ein geringer Theil mit Grundwasser versorgt werden kann, während die große Zahl der vorhandenen offenen Flußläufe Veranlassung bot zu vielfachen Anlagen von Quellwasserleitungen theils mit natürlichem Ge fälle, theils mit künstlichen Hebungsanlagen. Herr Civilingenieur Grohn (Hannover) hat bei der in diesem Jahre in Leipzig abgehaltenen XXXVII. Jahresversammlung des deutschen Vereins von Gas- und Wasserfach männern über diese Angelegenheit einen Vortrag gehalten, aus welchem folgende interessante Angaben entnommen sind. Die Bevölkerung Sachsens ist die intensivste innerhalb der deutschen Bundesstaaten (252 pro 1 Quadratkilometer) und zwar befinden sich 62,9 Procent in Ortschaften von über 2000 Einwohnern. Bekanntlich befinden sich solche Ortschaften Sachsens nicht nur im Flachland, sondern erstrecken sich weit hinauf in das Gebirge, besonders in das Erzgebirge, das stark besiedelt wurde in Folge des ehedem daselbst betriebenen reich ergiebigen Silberbergbaues, und dessen Bewohner trotz vielfacher Noth und zahlreicher Hungerjahre an ihrer heimatlichen Scholle hängen und dieselbe höchst ungern verlassen. Aber auch in den Ortschaften selbst, welche theils Städte herab bis zu 550 Ein wohnern, theils Dörfer bis hinauf bis über 10 000 Einwohner bilden, ist die Belegung der Häuser in Sachsen eine ziemlich intensive, da auf ein Haus im Durchschnitt 2,4 Haushaltungen und 10,8 Bewohner entfallen. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß aus wirthschaftlichen und hygienischen Gründen in allen Orten des Königreichs Sachsen das Bedürfniß nach gutem Brauch- und Trinkwasser ein sehr hervorragendes war und wir centrale Versorgung in den meisten größeren Ortschaften vorfinden. Die ältesten derartigen Wasserversorgungen (Wasserkünste) bestanden wohl in Bautzen und in Leipzig. Am ersteren Orte legte Meister Gregor aus Breslau im Jahre 1496 eine Wasserkunst an, bei welcher durch ein von der Spree getriebenes Wasserrad das Wasser 48 Meter hoch nach einem hölzerne" Thurm gedrückt wurde, wo ein kupfernes Bassin aufgestellt war. Von dort erfolgte die Vertheilung in Messingrohren, welche bis in die erste Hälfte dieses Jahrhunderts in Betrieb gewesen sind und sich auszeichnen durch eine überaus große Gleichmäßigket und Stärke ihrer Wandungen. Fast ebenso alt ist die Wasserkunst, welche Thilo von Trotha in der Zeit zwischen 1504 und 1514 an der Pleiße in Leipzig für die Gärten des Benediktiner-Nonnenklosters Herstellen ließ und welche durch die Wasserkraft der Nonnenmllhle betrieben wurde. Nachdem die Stadt die letztere im Jahre 1521 für 400 rhein. Gulden erworben hatte, wurde am rechten Pleißeufer im Jahre 1539 die sogenannte rothe und im Jahre 1555 die sogenannte schwarze Kunst angelegt. Trotz mehrfacher Unter brechungen und Zerstörungen sind diese beiden alten Anlagen für die Versorgung der Stadt Leipzig in Benutzung geblieben bis zum Jahre 1865, wo auf Anregung des Baudirectors Dost oie Connewitzer Anlage mit Hochdurckreservoir an der Probst- heidaer Straße fertiggestellt war, welche jetzt bereits wieder durch die Naunhofer Anlage ersetzt ist. Auch Zwickau, Glauchau und Großenhain, sowie z. Th. Dresden besahen seit langen Jahren schon Wasserleitungen, wobei allerdings das natürliche Gefälle benutzt werden konnte, sodaß künstliche Hebung nicht erforderlich war. Besonderes In teresse bietet die Wasserversorgung der Stadt Dresden insofern, als daselbst im ersten Drittel dieses Jahrhunderts eine ganz eigenthümliche Theilung bestand, indem für den am linken Elb- ufer gelegenen Theil aus 3 Stellen des Weißeritz-Mühlgrabens und vom Dorfe Leubnitz her, für die Neustadt aus den Teichen im Prießnitzgrund Wasser entnommen wurde und dafür 1848 im Ganzen 51 verschiedene Zuleitungen, und zwar 13 staats- fiscalische und 39 private Leitungen, letztere im Besitz von 21 sogenannten Gewerkschaften vorhanden waren, welche an 1218 Hausbesitzer von den Theilungströgen aus durch die so genannten Heimröhren (Hauszuleitungsröhren) Wasser abgaben. Auf Veranlassung der Regierung wurde ein großer Theil der hierfür vorhandenen Hauptzuleitungsrohre bis zum Jahre 1850 in gebohrte Sandsteinrohre umgewandelt. Vom Jahre 1854 bis 1872 erstrecken sich die vielseitigen Verhandlungen und Erörterungen, welche endlich zur Anlage des 1875 in Betrieb gesetzten durch Ingenieur Salbach erbauten städtischen Wasser werkes an der Saloppe führten. Das erwähnte Wasserwerk Dresdens ist zwar dicht am Elb- ufer errichtet, verwendet aber Grundwasser, welches aus einer 1438 Meter langen, 30—70 Meter vom Ufer entfernten, bis 4,4 Meter tief unter Terrain liegenden Rohrleitung entnommen wird. Wie in Leipzig, wird auch hier das aus den Sammelbrunnen geschöpfte Leitungswasser in ein Hochreservoir gehoben. Das für eine Maximal-Tagesleistung von 33 000 Kubikmeter be stimmte Wasserwerk genügt dem Bedarf der Stadt Dresden nicht mehr und ist deshalb ein neues Werk am linken Elbufer oberhalb Blasewitz angelegt worden; es wird durch Ueber- pumpstationen auch eine höher gelegene Versorgungszone von Räcknitz und Zschertnitz berücksichtigen können. Die Wasserwerksanlage von Chemnitz bietet insofern be sonderes Interesse, als das bei Erfenschlag gewonnene Grund wasser schon bald nach der Vollendung des Werkes am I. Juli 1875 als für den Bedarf ungenügend sich erwies und man daher durch Zuleitung des Wassers vom nahe dabei fließenden Zwönitzbache eine Vermehrung sich schaffte, wobei Kiesfiltration und zum Theil Berieselung zur Anwendung gelangte. Weiteres Interesse bietet ein 3800 Meter langer Zuleitungsstollen und ein damit in Verbindung stehendes Staureservoir bei Einsiedel mit 360 000 Kubikmeter Fassungsraum, für eine tägliche Abfluß menge von 2200 Kubikmetern berechnet; es hat dasselbe ein 180 Meter lange, bis 20 Meter hohe Absperrmauer, besitzt im ange spannten Zustand eine Wasserfläche von 4 Hektar und ein Sam melgebiet von 270 Hektar. In ähnlicher Weise drängten auch in anderen Städten Sachsens die Verhältnisse zur Anlegung cen traler Wasserversorgungen und es hat sich in den letzten 20 Jahren eine Anzahl von Wassertechnikern besonders mit solchen Anlagen befaßt. Neben Baurath Salbach und Geh. Bergrath Henoch, welche zuerst verschiedene Projecte ausarbeiteten, waren Ingenieur Cramerder Königin-Marienhütte, A.-G., zu Cainsdorf, Civil ingenieur Menzner in Leipzig und Ingenieur Löffler in Freiberg besonders thätig auf dem Gebiete der städtischen Wasser versorgung; seit dem Jahre 1885, wo die Versorgung der Stadt Leipzig Veranlassung bot zu seiner Uebersiedelung von München nach Leipzig, hat man als besondere Autorität besonders auf dem Gebiet der Ausnutzung von Grundwasser vielfach Herrn Baurath A. Thiemin Leipzig zu Rath gezogen und mit Ausführungen beauftragt. Stellt man zunächst einen Vergleich an zwischen den Wasser werksanlagen der 3 größten sächsischen Städte, so ergeben sich folgende interessante Ergebnisse: Leipzig Dresden Chemnitz 1875 1895 1875 1895 1875 1895 Einwohnerzahl.... 127387 39640? I97O0O 334066 79207 160343 Eonsum in Kubikmct. als Tagesmittel . . 8320 23340 7508 29623 1600 6978 Eonsum in Rubikmet. als Maximum p. Tag 10526 37229 14200 45744 1740 11248 Desgl. pro Kopf als Tagesmittel 65 58 38 91 20 44 Desgl. pro Kops als Maximum pro Tag 83 92 72 141 22 70 Rohrlänge in Metern 72209 304599 122800 213274 35497 101592 Zahl der Hydranten . 534 2266 1346 2193 360 712 Angcjchlossene Grund stücke 2924 8521 4907 9867 746 4345 Eonsum p. Grundstück ä Tag in Litern . . 1851 2710 1530 3000 2150 1610 Zahl der Wassermesscr 457 10178 1580 6016 750 4509 Zahl der öffentlichen Brunnen 20 öO 1 9 68 70 Zahl der öffentlichen Pissoirs 5 35 6 19 Zahl der Spring brunnen 1 3 20 2ü 9 12 Als Ergänzung der bisherigen Mittheilungen ist noch nachzu tragen, daß die im Jahre 1865 fertig gestellte Connewitzer Wasser werksanlage der Stadt Leipzig bereits im Jahre 1875 eine Er weiterung erfuhr, daß die Aufschließung eisenhaltigen Wassers aber Veranlassung gab zur Anlegung von Klärfiltern und daß neuerlichst diese alte Stammanlage vollständig beseitigt worden ist, nachdem sich die Naunhofer Anlage als brauchbar erwiesen und auch jüngst eine ansehnliche Erweiterung erfahren hat; etwas gegen Erwartung hat allerdings sich eine Enteisenung für das Naunhofer Wasser nothwendig erwiesen, welche mit den Hoch- reiervoirs bei Probstheida in Verbindung gebracht wurde Von den 26 größeren Städten — bis 10 000 Einwohner herab — im Königreich Sachsen besitzen jetzt alle centrale Wasserversor gung mit Ausnahme von 4, nämlich Crimmitschau, Meerane, Mttweida und Frankenberg, doch sind für die 3 zuerst Genannten bereits seit längerer Zeit Vorarbeiten zu einheitlicher Wasierver sorgung im Gange. Von den mit Wasserleitung versehenen übrigen 19 Städten besitzt Plauen i. V. 4 Gravitationsleitungen, welche die in 3 Zonen getheilte Stadt versorgen, während für Zwickau auf dem früheren Floßplatz zu Wiesenburg, 15 Kilometer von der Stadt entfernt, eine Grundwasserfassung im Muldcnthale mit 11 Hektar Fläche 1889 hergestellt und 1895 ansehnlich erweitert worden ist. Es würde zu weit führen, die Anlagen aller Städte ebenso genau zu beschreiben, obwohl dieselben noch manches Interessante bieten. So besitzt Freiberg z. B. seit dem Jahre 1871 eine ge trennte Versorgung für Trinkwasser und für Brauchwasser. In Folge der Lage einer großen Anzahl sächsischer Städte in einer Gebirgsgegend, wodurch die Ortstheile vielfach in recht vcrschie denen Höhen sich befinden, hat man stellenweise entweder die eine Zuleitung zur Versorgung verschiedener Höhenzonen in verschie den hoch gelegenen Reservoirs aufgespeichert oder auch verschiedene vorhandene oder nach und nach gefaßte Quellen nach verschieden hoch gelegenen Sammelbehältern geleitet und danach die Versor gung der Städte eingerichtet. Selbstredend bietet ebenso die Versorgung der kleineren Städte noch manches Interesse; es sind von den 117 Städten unter 10 000 Einwohner 71 mit centraler Wasserversorgung versehen, doch findet sich noch eine größere Zahl von Dorfgemeinden, be sonders in der Umgebung von Dresden und in der Kreishaupl- mannschaft Zwickau, welche sich gleichen Vortheiles erfreuen. — Zieht man die Einwohnerzahl in Betracht, so ergiebt sich folgendes Verhältniß: Von den 3 783 014 Einwohnern (1895) des König reichs Sachsen leben 48,4 Proccnt in Städten mit zusammen 1842 031 Einwohnern; 90 Proc. derselben genießen die Wohl that centraler Wasserversorgung, während 192 337, die Bewohner von 50 Städten, dieselbe entbehren und nach den Grohn'schen Er mittelungen nur 7,1 Proc. der nicht in Städten lebenden Bewohner eine centrale Wasserversorgung neueren Systems besitzen oder von Wasserleitungen benachbarter Städte mit versorgt werden (z. B. Stötteritz von Leipzig, Hilbersdorf und Gablenz von Chemnitz rc.). Alle neueren Anlagen haben vorwiegend gußeiserne Rohre für die Zuleitung verwendet und bedienen sich nur selten daneben noch der Chamotterohre für Strecken ohne Druck. Soweit künstliche Hebung zur Anwendung gelangt, dienen Wasserkräfte mit Rädern oder Turbinen oder Pumpen mit Betrieb durch Dampf, Gas, Petro leum oder Benzin hierzu. Ingenieur Cramer, Director der Eisengießerei in Königin-Marienhütte b. Cainsdorf, und Inge nieur Menzner in Leipzig haben eine größere Zahl dieser neueren Anlagen projectirt und ausgeführt. Die zur Zeit noch ohne cen trale Wasserversorgung versehenen 50 Städte haben theils noch Brunnen (16), theils verwenden sie alte Zuleitungen (22), viel fach noch mit Holzröhren, und Sammelkästen zur Wasserent nahme. Ein recht erhebliches Capital haben die Ortschaften für diese Wasserversorgung aufzuwenden gehabt — Leipzig und Dresden je 10 Mill. Mark! — und sehr verschieden ist der Erfolg, da man z. B. in den Städten herab bis zu 10 000 Einwohnern 60—160 Kubikmeter Wasser pro Tag und Kopf der Bewohnerschaft fick beschafft hat, dabei in einzelnen Orten dem mittleren Verbrauch von 62—43, d.i. ca. 52 Liter pro Kopf, sich ziemlich nähert, so daß nur wenig für die Vergrößerung der Orte Vorsorge getroffen ist. Nur für Chemnitz und Schnecberg findet Ansammlung des Wassers durch Aufstauung statt, vor der Verwendung wird das selbe einer Filtration unterworfen, was für das in einem Teiche angesammclte Brauchwasser Freibergs nicht der Fall ist; ledig lieh in Leipzig hat sich eine Filtration behufs Beseitigung des Eisengehaltes, eine Enteisenungsanlage, erforderlich gemacht. Die perlenfelder in Arkansas. Seit längerer Zeit hat das wirthschaftliche Leben der großen nordamerikanischen Republik auf vielen Gebieten eine so ungc sunde Entwickelung genommen, daß durch die schnell aufeinander folgenden Geschäftskrisen weite Kreise in ihrem Erwerb schwer betroffen oder auch ganz zu Grunde gerichtet worden sind. Selbst der unverwüstliche Optimismus der Amerikaner, die mit einem wunderbaren Vertrauen die Zukunft ihres Landes stets im rosigsten Lichte sehen, konnte darüber ins Schwanken kommen. — Um so begieriger lauschten diesen Sommer zahlreiche Existenz- Feuilleton. Eisenbahn-Plauderei. Von einem Eisenbahner. Nachdruck »irl'Sten. Die Statistik lehrt, daß jeder Bewohner des Königreichs Sachsen im Jahre 8 Reisen unternimmt oder durchschnittlich 28 Kilometer auf den sächsischen Staatsbahnen durchfährt. Da selbst ganz kleine Kinder nicht selten dem Schaffner zur vor sorglichen Beförderung überwiesen werden, diejenigen Landes bewohner aber immer seltener werden dürften, welche noch niemals eine Eisenbahn benutzten oder eine solche etwa noch nicht einmal sahen, so kann man wohl den statistischen Angaben insoweit Glauben schenken, daß man zugiebt, die Landesbewohner bethätigen sich fleißig an der zahlenmäßig festgestellten Bahn benutzung, wenn auch gerade in Sachsen ein sehr großer Verkehr von Durchreisenden und Fremden an den günstigen Betriebs ergebnissen Antheil hat. Die allseitige Benutzung der Eisenbahnen mag die Veran lassung sein, daß bei den für viele Reisende ganz unvermeidlichen Reiseunterhaltungen die Eisenbahnen selbst weit weniger den Gesprächsstoff bilden als tausenderlei andere Dinge. Man schämt sich beinahe, eine Frage über Eisenbahneinrichtung zu stellen und schweigt sich aus, um — seine Unkenntniß nicht zu verrathen. Als Beispiel wollen wir eine ganz gewöhnliche Erscheinung anführen: Der Zugführer giebt das Zeichen zur Abfahrt, der Lokomotivführer antwortet mit einem kurzen Pfiff, giebt Dampf zum Anfahren, bringt aber den Zug nicht in Bewegung. — Sind die Reisenden bereits miteinander bekannt, oder, wie nicht selten, miteinander bekannt geworden, so knüpft sich vielleicht hieran eine Erörterung und nicht selten hört man von einem Mitreisenden, der des Maschinenbaues kundig zu sein vorgiebt, die Aeußerung, daß die Lokomotive gerade auf dem todten Punkt gestanden habe und deshalb nicht anzuziehen vermochte. Die Lokomotiven bieten aber den Vortheil gegen über den Dampfmaschinen, daß sie einen sogenannten todten Punkt nicht besitzen, da der erste Erbauer derselben, Stephenson, bereits den Lokomotiven doppelten Betriebsmcchanismus, je 1 Dampfcylinder auf jeder Seite gab und dadurch erreichte, daß in jeder Stellung wenigsten» eine Seite in Wirksamkeit treten konnte. Der erwähnte Vorgang erklärt sich einfach da durch, daß die Personenwagen sehr elastische Puffer haben, um das Anziehen und Anhalten oder Zusammenstößen der Wagen den Passagieren möglichst wenig fühlbar zu machen. Sind nun die Wagen des Zuges so aufgestellt, daß alle Zugsketten voll ausgespännt sind, so muß die Lokomotive die ganze Reihe auf einmal — vielleicht zufällig gerade nur mit dem einen wir kenden Cylinder — anziehen, und da dies nicht gelingt, stößt der Lokomotivführer durch Gegendampf die Wagen nach rückwärts zusammen, um dann die einzelnen Wagen bequem losziehen zu können. Da man es nun einmal für zeitgemäß hält, Alles zu tadeln, so müssen auch alle Eisenbahneinrichtungen sich dies gefallen lassen, und der Tadel aller mit dem Verkehr auf den Eisenbahnen zusammenhängenden Hilfsmittel und Maßnahmen bildet einen wesentlichen Punkt der Unterhaltungen aller Eisenbahnreisenden. Die Eisenbahnwagen als Verkehrsmittel, die Einrichtungen der Bahnhöfe, das Zugpersonal, die Schnelligkeit, werden selten allen Passagieren genehm sein. Fängt einmal der Wagen etwas unangenehm zu rütteln an, so wird auf das alte Wagenmaterial geschimpft oder der Zustand des Gleises getadelt; wird irgendwo etwas länger gehalten, so beklagt man sich über den Schnecken gang; ist aber nicht alle Viertelstunden Gelegenheit, ein Glas Bier einzunehmen, so verschmachten angeblich mindestens Z aller Mitreisenden; die Heizeinrichtung der Wagen im Winter bildet nicht minder ein beliebtes Klageobject aller Fahrgäste, und wenn einmal der Zug auf freier Strecke halten muh, so fragt man ängstlich aus allen Abtheilungen heraus nach der Veranlassung. Dieses letztere Ereigniß bietet nun in der Regel in neuester Zeit Veranlassung zur Anknüpfung einer Unterhaltung über ein Thema, was in politischen Tagesblättern mehr erörtert wurde, als in Fachzeitschriften, über die Eisenbahn-Unfälle. Selbstverständlich hört man gelegentlich der Unterhaltung über dieses Thema in den Eisenbahnwagen ebenso oft ganz unbe gründete, ja, falsche Urtheile und Anschauungen, wie sie sich auch in Zeitungsartikeln finden, und geringfügige Umstände werden oft zu schweren Anklagen gegen die Beamten und die Verwaltung aufgebauscht, während man ganz gewichtige Dinge zur Erklärung und Entschuldigung nicht gelten lassen mag. So haben sich bekanntlich hölzerne Schwellen als Schienenunter lagen am besten bewährt und werden heute noch gegenüber solchen aus Eisen oder Stein bevorzugt. Es ist wohl keiner sparsam wirthschaftenden Bahnverwaltung zu verdenken, daß sie die Nutzungsdauer derartiger Holzschwellen, welche nur 12—18 Jahre beträgt, möglichst auSnutzt, und es ist üblich, diese Schwellen so lange liegen zu lassen, als die Schienennägel — das ist das Befestigungsmaterial der Schienen auf den Schwellen — in dem Holz noch festhaften. Dies ist aber der Fall, auch wenn die Oberfläche bereit- anfängt morsch zu werden oder vom Anstopfen die Schwellenköpfe nicht mehr ganz vollständig sind. Werden nun die gebrauchten Schwellen ohne große Sorgfalt aus dem Gleis genommen, so ist daS Aus sehen oft schlechter als die Beschaffenheit derselben, und häufig hört man daher der Verwaltung einen Vorwurf machen, daß faule Schwellen im Gleis liegen, hat auch Wohl bei Unfällen auf der Strecke eine vorgefundene einzelne stark abgenutzte Schwelle als Veranlassung des Unfalles bezeichnet, ohne die näheren Umstände irgendwie zu prüfen. Wenn auch erwiesener Maßen die Unfälle auf freier Strecke weitaus zurllcktreten gegen Unfälle wie Entgleisungen und Zusammenstöße auf Stationen, so können doch wohl Defekte am Gleis und an den Brllckenunter- bauten, Defekte am Betriebsmaterial, zufällige oder auch bös willige Zerstörung des Bahnkörpers, Veranlassung geben zu der artigen Unfällen. Weit seltener tritt wohl das Auffahren eines Zuges auf einen vorhergehenden ein, da zumeist die Anordnung getroffen ist, daß ein Zug stets nur abgelassen werden darf, wenn der vorhergehende auf der nächsten Station bezw. Zwischen station (Blockstation) eingetroffcn ist; ein Versagen der Signale, besonders bei großen Schneefällen, bietet allerdings in dieser Hinsicht noch einige Gefahr. Wenn hier bereits der Signale Erwähnung geschah, so ist sofort hinzuzufügen, daß dieselben ein wesentliches Sicherheits mittel zur Verhütung von Eisenbahnunfällen bilden, und doch andererseits auch nicht unwesentliche Gefahr bieten. Wenn nämlich anfänglich die sichtbaren optischen Signale dazu dienten, von Wärter zu Wärter die Ankunft eines Zuges zu melden, was allerdings nicht selten recht mangelhaft geschah, so hat man in Sachsen diese Zugmeldungsart im Anfänge der 70 er Jahre aufgegeben und dafür die Meldung durch elektrische Glockenläutewerke eingeführt, ohne daß jedoch deshalb die op tischen Signale ganz in Wegfall gekommen wären. Im Gegen- theil wurden dieselben so stark vermehrt, daß der Dienst der Lokomotivführer dadurch ganz erheblich erschwert wurde. Auf der freien Strecke wurden derartige Signale aufgestellt bei den erwähnten Zwischen- oder Blockstationen, bei Kreuzungen von Bahnlinien, bei Abzweigungen von Neben- oder Privatgleisen und endlich vor Einfahrt in sämmtlich« Stationen, selbst kleinsten Umfanges, zumeist auch noch mit einem Avertirungs- oder Vorsignal, welches auf weite Entfernung bereits die Stellung de» Signales anzeigt. Auf den Stationen selbst aber vermehrt sich die Zahl der Signale in einer für den nicht Orientirten un heimlichen Weise. Zu den oft zahllosen Weichenlaternen kommen Absperrsignale, weil größere Bahnhöfe zumeist in mehrere gegen einander abgesperrte Strecken getheilt zu werden pflegen, dazu zahlreiche GaS- und elektrische Laternen, so daß es für den Loko motivführer ungemein schwer wird, die für ihn gerade geltenden Signale herauSzufinden. Hier nun beginnt das Capitel der Bahnunfälle; nicht allein aus Ueberanstrengung des FahrpersonalS und insbesondere der Lokomotivführer kommen Nichtbeachtung der Signale vor. die Menge der Signallichter, insbesondere auch die Abschwächung ihres Eindruckes in Folge Einführung tageSheller elektrischer Be leuchtung, tragen wohl die Hauptschuld. Wenn auf den Stationen nun überdies falsche Weichenstellung erfolgt oder solche falsch an geordnet wird, die jetzt überall zur Anwendung gelangende elek trische Kraft einmal versagt, vorschriftswidrig auf Einfahrt» gleisen zu lange rangirt wird oder auch wohl einmal in Folge eines Defektes die Bremsvorrichtung versagt, so müssen sich die Gelegenheiten zu Unfällen auf den Stationen steigern. Man hat nun verschiedene Nebenumstände ausfindig gemacht, um das zeitweise sich mehrende Eintreten von Unfällen zu er klären; man hat mangelhafte Ausbildung der Beamten, für Preußen besonders die Verminderung der Aufsichtsbeamtcn in Folge Einziehung der Betriebsämter, ungenügende Einwirkung des Reichseisenbahnamtes und manches Andere dafür vorgebracht. Zumeist aber ist wohl viel zu wenig betont worden die ganz un gemein große Steigerung des Verkehrs und das ganz ziellose Bestreben nach Vergrößerung der Transportgeschwindigkeit. In dem letzteren Umstand, in dem Ueberhasten fast bei allen Zweigen der Eisenbahnverwaltung, liegt lediglich und allein die Ursache für die vielen Unfälle. Wenn in Zeitfolge von zwei und drei Minuten Züge abgelassen werden und wenn mit Ge schwindigkeiten bis zu 90 Kilometer die schweren Eilzüge Sta tionen durckjagen, muß die geringste Unregelmäßigkeit Unfälle veranlassen, und es müssen noch viele Anlagen der Bahnen ge ändert werden, bevor die Techniker eine größere Garantie für unge störten Verkehr bieten können als zur Zeit. Man hat auch gelegentlich der jüngsten Ereignisse dem Staats risenbahnbetrieb Vorwürfe gemacht, z. B. den Vorwurf über großer Sparsamkeit. Nun, die früheren Privatbahnen waren nicht minder sparsam, aber sie wurden wohl nicht ganz so streng geprüft wie heute die Bahnen von Berechtigten und Unberechtigten. Vielleicht ist ein Kleines richtig, was man den Staatsbahnen vorwirft — der weniger kaufmännische als bureaukratische Geist. Daraus mag ja zuweilen entspringen die Bedachtsamkeit gegen Einführung von Neuerungen, die seltenere Aussendung von Be amten für Studienzwecke, die Vielschreibern! Derartige Uebe! stände, besonders das letztere, führen aber Eisenbahnunfälle sicher nicht herbei; doch sie erschweren manchem Beamten den ohnedies schweren Dienst, ziehen auch wohl manchen von seinen eigentlichen Dienstverpflichtungen ab. Nur angestrengteste Aufmerksamkeit aller Betheiligten vermag Eisenbahnunfällen vorzubeugen, alle mechanischen Hilfsmittel unterliegen doch in letzter Linie stets der Willenskraft des Menschen. Daß diese und die Aufmerksamkeit aber einmal versagt, ist eben menschlich, daß dieses Versagen aber immerhin nur selten eintritt, verdient sich er Anerkennung und mag als Beruhigung dienen für die Millionen von Reisenden, die sich dem bevor zugtesten Verkehrsmittel der Jetztzeit, den Eisenbahnen, anver trauen!
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