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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971118029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897111802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897111802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-18
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Größere Schriften laut unserem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer und Zifserasatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunz' KO.—, mit Postbesördrruug 70.—. Anuahmeschluß fir Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. dstorgeu-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stunde srüher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. « Druck uud Verlag vou E. Polz in Leipzig, Donnerstag den 18. November 1897. 91. Jahrgang, Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. November. Daß die Gegner der deutschen Colonialpolitik über da« Urtbeil, da« der DiSciplinargerichtshof als Berufungsinstanz über den früheren ReichscommistarVr. PeterS gefällt hat, in Jubel ausbrechen würden, war vorauSzusehen und kann daher nicht überraschen, obgleich vr. PelerS schon durch da« mildere Urtheil der ersten Instanz für Deutsch land ein todter Mann war. Jenen Gegnern genügt aber das Verschwinden dieses Mannes von der Liste der „deutschen Afrikaner" nicht; sie wollen nickt nur den politischen Gegner unschädlich gemacht, sondern ihn auch so tief wie möglich gedehmüthigt sehen, weil sie glauben, daß mit ihm die Sache leide, der er trotz aller Verfehlungen mit Eifer und Erfolg gedient hat. Ihr Triumph über das Urtheil des Disciplinarhofes ist also, wie gesagt, begreiflich, be fremdlich aber sind die Auslassungen, die ein so colonial freundliches Blatt, wie die „Tagt. Rundlch", an dieses Urtbeil knüpft. Wenn dieses Blatt mahnte, trotz des Urtheils, die großen Verdienste nicht zu vergessen, die vr. PeterS um die Ausdehnung unseres colonialen Besitzes sich erworben, und wenn eS an diese Mahnung die weitere knüpfte, die Vergehungen dieses Mannes nickt unseren „Afrikanern" über haupt, vor Allem nickt vr. v. Wissmann und seinen nach seinem Vorbilde thätigen Jüngern und unserer ganzen Colonialpolitik zur Last zu legen, so wären solcke Mahnungen völlig berechtigt; statt dessen schreibt das genannte Blatt: „Was vr. Peters gethan, ist nicht erst durch Bebel im Reichs tage enthüllt worden, es war längst bekannt, aber damals galt die Ansicht, daß das, was heute von Amtswegen als strafwürdiges Verbrechen gebrandmarkt worden ist, nicht mit gewöhnlichem Maßstabe gemessen werden könne und daß die Verdienste des vr. Peters und die außergewöhnlichen Verhältnisse Vieles, wenn nicht entschuldigen, so doch verhüllen könnten. Tie deutschen Colonialpolitiker sahen sich damals vielsach genöthigt, in ihrem Urtheile über den deutschen Pionier eine merk liche Senkung eintreten zu lassen und sachte, aber entschieden von ihm abzurücken; das deutsche Colonialamt aber hielt diese Nach prüfung des persönlichen Urtheils nicht für nöthig, man schlug vr. Peters zu einer Beförderung vor und Vr. Kayser schenkte ihm sein Bild und schrieb ihm „Ihr Verfahren hat uns Achtung eingeflößt". Dann kam die Zeit, La Peters unbequem wurde und einen wirklichen Centrumsprinzen unsanft vom Platze stieß. Da brach es über ihn herein mit Schmutzfluthen so unerhört, Laß die englische Presse Tage lang ihre Spalten mit deutschem Unrathe füllen konnte. Und nun, da es zum Processe kam, war Peters ein verlorener Mann; denn ihn richteten Leute, die nie afrikanischen Boden gesehen, nie ihr Leben für ihr Vaterland und ihre Ziele in die Schanze geschlagen. Diese Richter konnten sich nur an das Gesetz und an ihre Rechtsanschauungen halten; hätten sie, wie verlangt, Afrikaner wie Wissmann zu Rathe gezogen, wären sie beirrt worden in der so einfachen, rein moralischen Ausfassung der Geschehnisse. — vr. Peters ist ab gehalftert, seine Kraft an England weggeworfen. Deutsch land hat einen un- oder übermoralischen Menschen und einen energischen Bahnbrecher weniger. Die Katze aber ist gerettet, das heißt die Wuth der deutschen Colonialfeinde, die von jedem Colonialpionier Sitten verlangen, wie sie Herr Drechslermeister Bebel in seiner Werkstätte nie angewandt hat, ist besänftigt und in ruhigere Temperatur zurückgesührt. Viel wird das ja nicht Helsen, denn unsere Colonialgegner haben nun einmal die Eigen- thümlichkeit, daß sie überhaupt jedes Colonisiren als Ver brechen und jeden Colonisator als gefährlichen Menschen ansehen. Zusriedengestellt werden sie erst dann sein, wenn wir die Colonien ans Abbruch verkaufen. Dann können sie wenigstens beweisen. daß wir Deutsche zum Colonisiren nichts taugen und derartige Dinge den herrlichen Engländern überlassen sollen, die einen Richter und Bebel trotz strasgesetzmüßiger Sündenlosigkeit doch als bewußte Schädiger des Vaterlandes ganz anders behandeln würden, wie wir den vr. Peters. Doch das ist englische vaterländische Realpolitik, die wir nach freisinnigem Zeitungsrecept an England mit geheimem Schaudern bewundern, für Deutschland aber ein für alle Mal ablehnen müssen." Das heißt mit dürren Worten, „man", also auck der Disciplinarhof, hätte die Verfehlungen des Herrn vr. Peters „verhüllen" sollen, obgleich sie längst bekannt waren; man hätte für Herrn vr. Peters eine besondere Moral nach jesuitischem Muster construiren sollen, nach welcher der Zweck jedes Mittel heiligt. Die „englische vaterländische Realpolitik" kennt eine solche „Uebermoral" für die „Afrikaner" allerdings; wir halten es aber für einen Vorzug des deutschen Gewissens, daß es gegen den Import solcher Waare aus England sich sträubt. Und weil es sich dagegen sträubt, würde eine „Ver hüllung" der Verfehlungen des Herrn vr. Peters unserer Colonialpolitik weit mehr Gegner als Freunde geschaffen haben. Welche Waffen würden die Herren Bebel, Eugen Richter und selbst viele ultramontane Freunde der Jesuiten aus einer „Verhüllung" deS Falles Peters schmieden und welchen Erfolg würden sie mit einer solchen Waffe haben! Einen um so größeren, mit je größerem Rechte sie stch gerade auf vr. v. Wissmann, sein Vorbild und seine Mahnungen bezüglich der Behandlung unserer „schwarzen Brüder" berufen könnten, den die „Tägliche Rundschau" hätte aus dem Spiele lassen sollen. Er hat bewiesen» daß es auch ohne „Uebermoral" geht und daß es ohne sie besser geht als nach Peters'schem Muster. Es wäre eine unerhörte Preisgebung Wissmann's, seiner Mahnungen und seiner Gesinnungsgenossen, wenn man die Verfehlungen eines PeterS „verhüllen" wollte, und zu einem solchen Nndanke, der zugleich eine Vernichtung unserer guten deutschen Moralbegriffe bedeutete, wird das deutsche Volk sich hoffentlich niemals durch englisches Vorbild verführen lassen. Die konservative» lassen die Leitung des Bundes der Landwirthe wieder einmal energische — Reden hören. Die „Cons. Corr." nimmt die Ankündigung eines antisemitischen Einbruchs in eine Reihe von jetzt conservativ vertretenen brandenburgischen und pommerschen Wahlkreisen zum Anlaß zu folgender Auslassung: „Eine bedeutsame Frage bei dieser antisemitischen Mobilmachung ist aber die: Wie wird der Bund der Landwirthe sich dazu stellen? Schon hat die landwirthschaftliche Sache durch die antisemitischen Treibereien, bei denen die antisemitische Zugehörigkeit zum Bunde der Landwirthe besonders betont zu werden pflegt, einige ihr wohlgesinnte Reichstags - Vertreter eingebüßt; er- folgt nun ein allgemeiner antisemitischer Ansturm auf conser- vative, von Agrargegnern bedrohte Wahlkreise, so wird es selbst- verständlich Pflicht des Bundes der Landwirthe sein, dazu grundsätzlich Stellung zn nehmen, und zwar wird dies alsbald, nicht erst in der Wahlbewcgung erfolgen müssen. Wir erachten es zunächst für absolut erforderlich, daß die Bundesleitung ihren Ver- lrauensmännern aufgiebt, gegen jede Sondercandidatur von vorn herein zu wirken, und daß sie vor den antisemitischen Einbruchs plänen warnt. Da dieselben unbestreitbar einen Act der Feindselig keit auch gegen die Agrarbewegung darstellen, sofern sie den Agrargegnern zu Gute kommen, wird ferner vom Bunde der Landwirthe erwartet werden müssen, daß er unzweideutig und grundsätzlich die Antisemiten dort als Gegner be handelt, wo sie Einbruchsverjuche anstellen. Es geht keinesfalls an, einer Partei gegenüber, die offen die Absicht ausspricht, lieber einem Freisinnigen als einem Conjervativen in den Reichstag zu verhelfen, mit wohlwollender „Unparteilichkeit" zu verfahren. Eine solche „Unparteilichkeit" wird unter diesen Umständen zur Gegnerschaft gegen die conservative Partei. Es wird also con>er- vatlverseits darauf gedrungen werden müßen, daß der Bund der Landwirthe ungesäumt zu den antisemitischen Einbruchsplänen eine unzweideutige und grundsätzliche Stellung einnimmt; denn wenn der Bund die Conservativen in dieser Angelegenheit im Stiche lassen wollte, würde das nicht nur der landwirthschastlichen Sache erheblich schaden, sondern auch den Bestand des Bundes selbst in Frage stellen." Das ist durchaus zutreffend und insbesondere auch vom rein agrarischen Slandpunct. Aber Las hier ausgesprochene Verbot der Unterstützung von antisemitischen „Ein brechern" durch den Bund ist doch nur eine lex imperfecta. Die „Cons. Corresp." getraut sich nicht, conservative Thaten für den Fall in Aussicht zu stellen, daß die Bundesleitung sich an das Verbot nicht kehrt. Ein fache Erklärungen imponiren dieser aber nicht. Sonst wäre die Neutralität und noch dazu eine den Antisemiten wohlwollende Neutralität bei der Wahl in der Westpriegnitz nickt procla- mirt und, soweit es gedachtes Wohlwollen eben zuließ, gar beobachtet worden. Denn die konservative Presse hatte vor und aus Anlaß dieser Wahl eben so energisch mit dem Bundesvorstände gesprochen, wie es jetzt die „Cons. Corr." tbut. Nun sage man nicht, in Hannover leisteten die Nationalliberalen ebenso wenig etwas von Thaten, wie die Conservativen in der Mark. Beide Parteien sind in ganz verschiedener Lage gegenüber dem Bunde. Herr Sckoof, der als Freund des Herrn vr. Hahn und nicht um der Vereins gesetznovelle für diese gestimmt hat, ist beseitigt, die ver bliebenen Mitglieder der nationalliberalen Fractionen, die Mitglieder deS Bundes sind, mißbilligen auf das Entschiedenste die frivole und, wie die „Cons. Corr." mit Grund sagt, antiaararische Politik der Bundesleitung. Diese setzt sich aus drei Conservativen zusammen, von denen zwei, der eine als Mitglied, der andere als Hospitant der Fractionen, der Parteibisciplin erreichbar sind. Sie blieben aber gänzlich unbehelligt. Wenn man des Muthcs zum Einschreiten ent behrt, sollte man sich auch der unausgesetzten Bemängelungen enthalten, die nachgerade — einförmig werden. Der Kaiser von Oesterreich empfing gestern zunächst die ungarische Delegation und alsdann die NeichSraths- delegation. Die huldigenden Ansprachen der beiderseitigen Präsidenten beantwortete der Kaiser mit einer Thronrede, auS der wir folgende Stellen hervorheben: „Im Lause des letzten Jahres hat die Lage im Orient zu manchen Besorgnissen Anlaß gegeben, die aber heute Dank dem einmüthigen Vorgehen der Großmächte glücklich beseitigt erscheinen. Das europäische Concert hat sich während dieser Zeit als mächtiger Factor zur Beilegung der orientalischen Wirren bewährt; und wenn es demselben auch nicht gelungen ist, den Ausbruch des sehr bedauerlichen kriegerischen Conflictes zwischen der Türkei und Griechenland zu verhindern, so ist es doch seiner unermüdlichen und zielbcmußten Thätigkeit zuzuschreiben, daß dieser Conslict localisirt und schließlich infolge der Intervention der Mächte auch beendigt wurde. Es wird jetzt die Aufgabe des europäischen Concerts sein, an die Regelung der Zustände auf Kreta zu schreiten, welches unter Wahrung der Souveräuitätsrechte Sr. Majestät deS Sultans eine weitgehende A uton omie und damit die Bürgschaften für eine bessere Zukunft erhalten soll. Mit Befriedigung kann ich betonen, daß unsere Beziehungen zu allen Mächten die besten sind. Nach wie vor bildet unser Bundesverhältniß zu Deutschland undItalien die unverrückbare Basis unserer Politik. Diese Basis zu erhalten und zu kräftigen, ist das beständige Bestreben meiner Regierung. Zu den bisher bestehenden Bürgschaften des Friedens ist die freundschaftliche Ausgestaltung unseres Verhältnisses zuni russischen Reiche hiuzugekommen. Die wiederholten Zusammenkünfte, die ich mit Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland hatte, über zeugten mich von der Uebereinstimmung unserer Gesinnungen und begründeten ein Verhältniß gegenseitigen Vertrauens zwischen unseren Staaten, dessen Conjolidirung nur Erfreuliches für die Zukunft verheißen kann. Mit Gefühlen warmer Genngthuung gedenke ich der Besuche, mit welchen mich Se. Majestät dec deutsche Kaiser, mein treuer Freund und Bundes genosse, hier in Wien und kürzlich in Budapest erfreut hat. Eins nicht minder dankbare Erinnerung bewahre ich meinem vorjährigen Aufenthalte in Rumänien und dem Gegen besuche Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Rumänien. Die Wahrung der Interessen des europäischen Friedens wird auch fernerhin die Hauptaufgabe meiner Regierung sein, und hoffe ich, daß wir der Zukunft in dieser Hinsicht mit Zu versicht entgegensehen können." Wenn es nach der Zusammenkunft Les deutschen Kaisers mit König Humbert auf deutschem, sowie mit dem Souverain der österreichisch-ungarischen Monarchie auf österreichischem Boden uud weiter nach dem Besuche des Grafen Goluchowski beim König von Italien in Monza noch eines Beweises dasür bedurft hätte, daß die Fundamente des Drei bundes noch ebenso fest sind wie bei seiner Gründung, so wäre er in der unzweideutigen Bekundung deS Kaisers Franz Joseph, daß das Bündniß die unverrückbare Basis der österreichischen Politik bilde, sowie darin enthalten, daß die italienische Presse die „einschneidende Art" begrüßt, mit welcher „der loyale Souverain" Denen geantwortet hat, welche behaupteten, daß der Dreibund erschüttert sei." Wenn die „Italic" meint, die Thronrede sei ein cclatanter Beweis der friedlichen Dispositionen Europas, so findet ihre Auslassung den richtigen Commentar in dem Hinweis deS „Popolo Romano", daß die Stelle der Thronrede, welche die Bezie hungen zwischen Leslcrreich-Uugarn und Rußland erwähne, neue Situationen enthülle, welche eine Gewähr gegen jeden möglichen Conslict über die Balkan- und die orientalische Frage zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland und dem nach ein neues Element des allgemeinen Friedens bildeten. Man darf hinzufügen, daß die Annäherung, welche zwischen Oesterreich und Rußland, sowie zwischen diesem und Deutschland sich vollzogen hat, wozu noch die immer festere Anlehnung Rumänieus an den Dreibund kommt, zu Gunsten der Erhaltung des europäischen Friedens auck nach Westen hin seine Wirkung nicht verfehlt und jenseits des Canals als Dämpfer für friedensfeindliche Gelüste empfunden wird. Wenn der „Popolo Romano" noch besonders hervor hebt, daß die Thronrede in der öffentlichen Meinung Italiens eine sehr beruhigende Wirkung hervorgerusen habe, so bezieht sich dies, wie man weiß, auf die dort vielfach gehegte Befürchtung, daß in Folge der Nobilant'schen Ent hüllungen eine Erkaltung zwischen Oesterreich und Deutsch land einerseits und Italien andererseits eingetreten sei, eine Befürchtung, welche die Rede des Kaisers zu zerstreuen in der That geeignet ist. Ferrrlletsn. Der Page. 18j Roman von A. Heyl. Nachdruck vrrboNn. „Glauben Sie das, Doctor?" forschte Hans. Der Doctor verneinte: „Ich weiß sogar mit Sicher heit, daß dem nicht so ist, doch ich habe meine Gründe, da rüber zu schweigen, junger Freund. Vielleicht kommt ein Tag, an dem ich Ihnen auch den zweiten Theil dieser merk würdigen Geschichte offenbaren werde. Lasten Sie sich vor erst an dem Gehörten genügen." Hans blickte vor sich hin und schüttelte unwillig den Kopf: „Mein Vater hat nichts gethan, um das Elend gut zu machen, das er heraufbeschworen hat —" murmelte er. Doctor Franz wurde ärgerlich: „Seien Sie kein Narr, Hans. An der Todtgeglaubten konnte er gar nichts gut machen und die alte Curpfuscherin begegnet ihm mit Flüchen und Verwünschungen, wenn er ihr in den Weg kommt. Er ist übrigens als ein Anderer von der Wanderschaft zurück gekehrt. Aus dem weichherzigen, lustigen Jüngling ist ein ernster, strenger Mann geworden. Ich bin ja auch lange Jahre in der Fremde herumgeschweift, und als mich die Sehnsucht wieder zurllckfllhrte nach dem Fleckchen Erde, auf dem meine Wiege stand, da war die junge Müllerin bereits gestorben und der Hausstand Ihres Vaters war derselbe, wie heute. Höchst selten hörte man von den Dorfbewohnern der alten Geschichte erwähnen und dann gewöhnlich in einer Weise, die den hochgeachteten Mann entschuldigte." „Wer im Glück ist, ist im Recht", bemerkte Hans bitter. Der Andere sagte: „Lasten wir die Sache auf sich be ruhen, mein Lieber. Ich habe jetzt ein paar nothwendige Geschäftsgänge zu machen, gegen Abend werde ich wieder vorsprechen, und wenn Sie dann bei guter Laune sind, be suchen wir miteinander den Circus. Ich möchte mal selbst mit ansehen, was in den Zeitungen so wunderbar beschrieben wird. Also auf Wiedersehen!" Doctor Franz reichte seinem jungen Freunde die Hand und verließ das Haus, ohne zu ahnen, in welch' unglücklicher Gemllthsverfassung er Hans zurücklirß. Zehntes Capitel. Die Räume des Circus Lorain, in welchem sich all abendlich die vornehme Welt Rendezvous gab, strahlten in Hellem Lichterglanze, die Herren und Damen vom Rennclub hatten ihre Plätze bereits eingenommen, die übrigen Logen füllten sich allmählich; auf der Gallerte, wo man nur mit Hilfe starker Ellenbogen noch einen Platz im Gedränge er kämpfen konnte, wurden bereits Zeichen der Ungeduld laut, als der Doctor mit Hans Sturm am Eingänge ihre Billete vorzeigten, um dann bescheidentlich zwei Rückplätze in einer Loge zweiten Ranges einzunehmen. Sie hatten sich bequem niedergelassen und hielten mit bewaffneten Augen Umschau in dem glänzenden Kreise vornehmer Herren und Damen. Der Doctor legte sein Glas bald weg, wischte sich die Augen und äußerte sich wenig befriedigt: „Es giebt gar keme schönen Frauen mehr, das ist Alles zusammen nicht der Rede Werth. In meiner Jugendzeit konnte man etwas anderes sehen. Das weibliche Geschlecht nimmt ab." Während er noch sprach, öffnete sich die Thüre der gegen überliegenden Loge, der hübsche Page Emil trat ein, um zwei Operngläser auf der Brüstung niederzulegen. Graf und Gräfin Rivero erschienen darauf, nahmen ihre Plätze ein und nachdem sie es sich bequem gemacht, stellte sich der Page hinter dem Sessel seiner Herrin auf. Aller Augen richteten sich auf das angekommene Paar, sogar der Doctor verschmähte es nicht, dem Beispiel der großen Menge zu folgen, nur Hans wandte nach einem flüchtigen Blick, der ihm alles Blut zum Herzen getrieben, seine Aufmerksamkeit dem rothen Vorhang zu, welcher den Zuschauerraum von der Garderobe der Künstler und Künstlerinnen trennte. Die Musik begann. Die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich alsbald dem arabischen Vollbluthengst Almanzor zu, der von seiner Herrin, Miß Bella, dem Publicum in allen mög lichen Gangarten vorgeführt wurde und zum Schluß durch überraschende Kunststücke von seiner hohen Intelligenz Zeug- niß gao. Von den Anwesenden folgte wohl keiner mit so ge ringem Interesse der Vorstellung als Hans. Er hatte nur Augen für Melanie. Er sollte, mußte entsagen und ver gessen, das war mehr, als ein junges Menschenherz ver mochte. — Sie war das Weib eines Anderen — ja, deß wollte er eingedenk bleiben, aber sie aus der Ferne lieben, heiß— mit verzehrender Leidenschaft lieben, das konnte voch die Rechte ihres Gatten, des blasirten Lebemannes, in keiner Weise beeinträchtigen. Niemand sollte etwas von dem ahnen, was ihn glücklich und elend machte. Er war ein Mann, und er würde die Kraft haben, seine Gefühle zu beherrschen. So dachte er, und während er mit der Hand über Stirne und Augen strich, irrte sein glühender Blick zwischen den Fingerspitzen hindurch, hinüber zu ihr, die in duftiger Toilette graziös in ihrem Sessel lehnte und mit dem Fächer spielte. Der Graf saß teilnahmslos an ihrer Seite, kalt, wie ein Steinbild. Hans ließ die Hand sinken und wollte sich abwenden, da zwang es ihn mit magischer Gewalt, noch einmal hinüber zu sehen. Im Hintergrund der Loge waren zwei Augen fest auf ihn gerichtet, Augen, so unergründlich, so traurig, so unsagbar mitleidsvoll, wie er sie vorher nie gesehen. — Der Page hatte ihn beobachtet und der frühreife Junge schien etwas von seinem Empfinden zu ahnen, ja, zu verstehen, das waren keine Kinderaugen. „Wie gefällt es Ihnen?" fragte der Doctor. „Sind Sie befriedigt?" „Vollkommen", beeilte sich Hans zu erwidern. „Der Schimmel ist vorzüglich dressirt." „Der Schimmel?" fragte der Doctor verwundert, „mir scheint es ein Rappe zu sein. Sehen Sie ihn für einen Schimmel an? Sie haben wenig Farbensinn, lieber Hans." „Pardon, Doctor, ich habe mich nur versprochen, das kann einem passiren. Ehrlich gestanden, interessire ich mich mehr für die Miß, als für deren Zögling." Nachdem sich Hans Sturm so aus der Verlegenheit geholfen, zwang er sich, dem Gang der Vorstellung seine Aufmerksamkeit zu widmen. Unter Fanfarenklängen wurde jetzt die nie dagewesene Kunstleistung eines neuen Mit gliedes, des Sennor Bolivar, angekündigt. Bei seinem Erscheinen hörte man Ausrufe der Bewunderung, unter mischt mit einem jähen, halb unterdrückten Schmerzenslaut, der aus der Loge des Grafen Rivero kam. Die Gräfin hatte sich abgewandt und sprach mit ihrem Pagen. Die Aufmerksamkeit des Publikums wandte sich in erhöhtem Maße wieder dem Künstler zu, der durch seine schöne Erscheinung sowohl als durch seine Leistungen das Interesse des Publikums verdiente. Sennor Bolivar stand hoch aufgerichtet auf dem breiten Sattel und spielte, während sein Roß stolz vorwärts schritt, mit farbigen Glaskugeln, warf sie mit fabelhafter Geschwindigkeit so gewandt, daß sie in der Luft Figuren bildeten, fing sie wieder auf und setzte dieses Spiel unter dem rauschenden Beifall mit immer neuen Abwechslungen fort, bis die Musik pausirte. Der Held des Abends stieg ab, um sich ein paar Augenblicke der Ruhe zu gönnen, führte sein Pferd langsam im Kreise und neigte sich dabei dankend vor den applaudirenden Zuschauern, besonders vor den Damen, die ihm Blumen als Zeichen ihrer Gunst zuwarfen. Er sah sehr selbst bewußt aus, dieser Bolivar, das violette Sammtbarert saß schief auf dem lockigen Haar. Der kecke, siegesbewußte Ausdruck seiner regelmäßigen Züge, das dämonische Feuer, welches in seinen schwarzen Augen glühte, und das ver führerische Lächeln, mit dem er seine Blicke begleitete, machten ihn dem weiblichen Theil der Zuschauer hoch interessant. Nur die Gräfin verhielt sich dieser Begeisterung gegen über sehr apathisch. Der Fächer verdeckte die untere Hälfte Les Gesichtes, sie fächelte sich Kühlung zu, schien in Gedanken versunken und gleichgiltig gegen das, was um sie her vor ging. Bolivar schwang sich wieder auf sein Roß, anstatt der Kugeln wurden ihm Mester gereicht. Er hatte die Kühnheit, dicht an die Logen hinzureiten, den Insassen die Mester zu reichen mit dem Ersuchen, solche auf ihre Schärfe zu prüfen. So kam er auch an die Loge der Gräfin Rivero. „Wollen Sie sich überzeugen, schöne Gnädige, daß ich mit scharfen Waffen arbeite." „Es bedarf dessen nicht", sagte der Graf in abweisendem Tone, doch das Mester lag bereits auf der Logenbrllstung, die Gräfin schien etwas außer Fassung gerathen, sie that, als ob sie die Spitze prüfe, und machte dann mit den Worten: „Es ist scharf", eine Handbrwegung, welche dem Reiter andeutete, man verzichte auf weitere Erklärungen. „Das ist ein frecher Kerl", murrte der Graf. „Den dreisten Burschen haben wir schon irgendwo gesehen. Kannst Du Dich nicht erinnern, Melanie?" Bei dieser Frage schreckte sie zusammen, faßte sich aber rasch wieder und antwortete in gleichgiltigem Tone: „Diesen hier sehe ich zum ersten Male." „Jetzt fällt es mir ein, der Bursch sieht jenem Jongleur in Adlershof, dem Du für sein kühnes Messer«
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