Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189711219
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18971121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18971121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-21
- Monat1897-11
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1897
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Größere Schriften laut unserem Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. 8xtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbejörderung 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang: Sonntag den 21. November 1897. Aus -er Woche. Wie so Diele» unter dem neuen Cur», hat sich auch die militairische Rhetorik gewandelt. Sonst auf Prägnanz und Kürze gestellt und vor allen Dingen selten in Anspruch genommen, geht sie jetzt darauf aus, einen wichtigen Unterschied zwischen bürgerlichem und militairischem Leben zu verwischen. Der Soldat bekommt einen Hauch des parlamentarischen Geiste- der Zeit zu spüren, e» wird Politik an ihn herangebracht. Freilich meist nur — wenn auch nicht ausschließlich —die politische Frage, die aus der Existenz einer Partei herauSwächst, die die Armee untergraben möchte. Aber immerhin eine politische Frage. Nun sind wir ein Volk in Waffen, der gediente Mann wird zwei, drei Jahre nach dem Ausscheiden auS dem activen Heere an die Urne berufen, er soll sich dann politisch be- thäligen. Aber dies doch erst nach dem Ausscheiden. Ob der Recrut, der zunächst Soldat, weiter nichts als Soldat werden soll, militairisch gefördert wird, wenn ihm in un gewohnter Sprache neue, nicht praktisch-dienstliche Ge sichtspunkte vorgetragen werden, das ist eine Frage, die vielleicht viele mit der Ausbildung und der Erziehung der jungen Leute beauftragte Persönlichkeiten verneinen werden. Den meisten Neueingereihten wird die Ansprache, die neuer dings an sie gerichtet zu werben pflegt, unverständlich sein; einmal war sie es nicht, als von der Pflicht, unter Umständen auf Pater und Mutter zu schießen, die Neve war; aber jene Faßlichkeit war nicht von Gutem. Es ist aber nicht recht glaublich, daß die jungen Soldaten durch Worte angefeuert werden, deren Sinn ihnen nicht recht aufgeht. Wir haben in der Presse und in Versammlungen wenigstens die Erfahrung gemacht, daß einfache Leute, namentlich Leute vom Lande, für eine Sache zum Mindesten nicht erwärmt werden, die ihnen in einem für sie zu hoben Tone empfohlen werden. Der Kaiser bat am Donnerstag den Berliner Necruten Selbstzucht und Selbstverleugnung zur Pflicht ge macht. Wenn die meisten Zubörer, wie anzunehmen, mit diesen Begriffen nichts anzufangen wissen, so hat dies wohl noch nicht viel, zu sagen. Der Hinweis auf die Ver suchung, namentlich in dienstlichem Verhältnis dürfte aber viele junge Menschen neugierig machen und denen, die nur zu gut verstehen, was gemeint ist, Ge legenheit bieten, ihren — im besten Sinne des Wortes — ein fältigen Kameraden eine auch dienstlich nicht erwünschte Er läuterung zu geben. DaS Verständnrß für die soldatischen Pflichten und ihre hohe Bedeutung scheint doch nur auf einem Wege vermittelt werden zu können: indem man die Eingereihten diese Pflichten allmählich üben lehrt. Ist das geschehen, dann kann und wird der Hauptmann oder Ritt meister den zur Reserve Abgehenden den Sinn der Worte des Kaisers als gute, weil begriffene, Worte mit auf den Weg geben. Der ausgebildete Soldat hat seine Vorgesetzten selbst zwei, drei Jahre unermüdlich Pflichten üben, eine nach feinem schlichten Verstände als solche erkennbare Arbeit verrichten sehen. Schon aus diesem Grunde versprechen die Abschiedsermahnungen des Hauptmanns eine nachhaltige Wirkung. Der neu gebildete WirthschaftS-Ausschuß wird von einer Gruppe von Politikern anzefallen, deren Charakter eine ersprießliche Wirksamkeit des ZollbeiratbS beinahe garantirt. Unter Führung des „Schutzverbandes- machen der linke Frei sinn und die Socialbemokratie in der Meinung, vernichtende Scheiterhaufen anzufachen, um die in ihrer großen Mehrzahl von der Harmonie der Interessen überzeugten Sachverstän digen ihre Feuerchen herum. Die Antisemiten fehlen noch, aber die den Dingen innewohnende Nothwendigkeit wird sie auch in dieser Angelegenheit an die Seite der Barth und Bam berger treiben. Alles in Allem wird es eine — natürlich numerisch genommen — nicht sehr respectable Minderheit sein, die sich mit einer Hetze gegen den Zollbeirath vergnügt. Der Name ist zwar noch nicht ossiciell; ihn dem Wirthschafls- ausschusse schon jetzt beizulegen, wäre verfrüht gewesen, aber er bezeichnet doch zutreffend die Bestimmung der Commission. Es handelt sich um die Vorbereitung der künftigen Handelsverträge. Daß man versteinerte Cobden-Anbeter nicht in den Ausschuß mit hinein geschleppt hat, versteht sich dabei von selbst, denn unsere Handelsvertragspolitik wird auf lange binauS eine Zolltarifpolitik sein. Aber eben auch zugleich eine Vertrags politik, und darum wäre das Vorstandsmitglied des Bundes der Landwirthe, vr. Rösicke, der in Posen allen festen Ver trägen den Krieg angekündigt und autonome Tarife für allein zulässig erklärt hat, ebensowenig ein geeigneter Mitarbeiter in dem Wirtschaftsausschuß wie Herr Eugen Richter. Rösicke's Genosse, Herr v. Ploetz, gehört allerdings dem Beiratb an, und eS fehlt nicht an Stimmen, welche in dieser Berufung ein Zeichen der Schwäche der Regierung erblicken. Vielleicht hat man den Agitator in die Lage versetzen wollen, unumstößlichen Thatsachen und unverrückbaren Verhältnissen ins Auge blicken und unter Verzicht auf populäre Schlagwörter sich mit ihnen abfinden zu müssen. Das kann ja wohl erreicht werden, aber nicht mehr. Herr v. Ploetz ist der Mann dazu, am grünen Tisch stillschweigend oder ausdrücklich eine Tkatsache an zuerkennen und sich hierauf in eine Versammlung zu begeben, wo er eben diese Tbatsache leugnet ober auf den Kopf stellt. Die kommissarische Beratung des Antrags Kanitz hat nach dieser Richtung und nicht nur über Herrn v. Ploetz genügend Licht verbreitet. Im klebrigen wird aus die Berliner Leitung des Bundes nicht so sehr viel ankommen,wenn einerseits die preußischen Eonservativen, deren Führer Gras Limburg-Stiruni in BreSlau ja auch gegen jede Handelsvertrags-Politik gesprochen hat, und wenn andererseits die Landes- und Provinzialausschüsse des Bundes verständige agrarische Politik machen. Es sieht da nicht überall so schlimm aus wie in Brandenburg und Hannover. Mit großer Genugtuung finden wir heute im „Berliner Tageblatt" einen Schmerzensausbruch darüber, daß sich in der Provinz Schleswig-Holstein Nationalliberale, Eonservative, Freiconservative und der Bund der Landwirthe über Reichö- tagscandidaten geeinigt haben. Wenn dabei der bereits auf gestellte Herr v. Tungeln als Antisemit bezeichnet wird, so muß man das der besonderen Empfindlichkeit des Organs des Herrn Mosse in diesem Punkte zu Gute halten. Herr v. Tungeln ist kein Antisemit oder er ist es höchstens in dem Sinne wie Professor Virchow, den wir im preußischen Abgeordnetenbause das Schärfste haben aussprechen hören, was, abgesehen von dem Gassenantisemilismus, jemals gegen die Juden gesagt worden ist. Und gegen Herrn Virchow hat das „Berliner Tageblatt" doch nichts einzuwenden. Wie Schleswig-Holstein, so kann auch Oberfranken dem Blatte Thränen erpressen. Wie wir schon mitgetheilt, ist cs im Wahlkreise Bayreuth nichts mit dem von irgend einer Seite gemeldeten Zusammengehen der Nationalliberalen mit der Freisinnigen Volkspartei. Man geht vielmehr mit den „Bauernschaften". Daß die National liberalen Nürnbergs einen der Volkspartei zu Gute kommen den Verzicht auf eine eigene Candidatur ausgesprochen haben, erklärt sich aus den Verhältnissen. Es kann dort nur die möglichst wirksame, allerdings auch Lei der Einigung aller bürgerlichen Elemente wenig aussichtsreiche Bekämpfung der Socialdemokratie in Frage kommen. Dem Wahlbündnisse der bisher nationalen Parteien erwächst allerdings eine neue Gefahr durch die schon nicht mehr zweideutige, sondern direkt oppositionelle Haltung, die die Leitung des Bundes der Landwirthe in der Flotten frage anzunebmen begonnen hat. Unsere Leser haben in einer Posener Rede des Herrn vr. Rösicke eine Probe von dem Tone bekommen, den man in dieser Angelegenheit anzu schlagen beliebt. Die „Freisinnige Zeitung" ist denn auch schon bei der Hand, in einem langen, „Nationalliberale Heißsporne" überschriebenen Artikel unsere Partei als die einzige ernst hafte Trägerin des Gedankens einer dem dringendsten Bedürf- niß genügenden allmählichen Flottenvcrstärkung hinzustellen. Hoffentlich strafen auch die preußischen Eonservativen Herrn Richter Lügen; von den sächsischen sind wir davon ohne Wei teres überzeugt. Es braucht natürlich nicht widerlegt zu werden, wenn die „Freisinnige Zeitung" sagt, die Nationalliberalen möchten „offenbar unter allen Umständen in demonstra tiver und sensationeller Weise die Marinefragen in die Mitte des Wahlkampfes rücken", noch mehr, sie (die National liberalen) „brennen förmlich darauf, daß so bald wie möglich die Negierung mit der Reickstagsmehrheit in einen Conflict geräth". Das gerade Gegentheil ist der Fall, und es gekört die ganze Unehrlichkeit des Herrn Richter dazu, aus der Mahnung des amtlichen Organs der Partei, den „Mit theilungen für die Vertrauensmänner", bei der Vorbereitung der Wühlarbeit auch mit der Möglichkeit einer Reichs- tagsauslösunz zu rechnen, eine Aufforderung zur Auslösung herauszulesen. Mit uns haben viele nationalliberale Organe es angesichts der heutigen wirthschaftlichen Verhetzung als einen Fehler bezeichnet, neue Kriegsschiffe zur alleinigen Wahlparole zu machen. Daß die nationalliberale Partei sich selbst aufgeben würde, wollte sie sich mit Parteien verbünden, die wie Herr Rösicke über die Marinefrage denken, versteht sich nichtsdestoweniger von selbst. Wie die Berliner Bundesleitung die Landesvertheidigung preisgiebt, so auch das Deutschthum in den Ost- m jx^Tix In Posen bat nach der wiederholt erwähnten Re»<: des Hrrrn Rösicke eine Versammlung des Bundes eine Resolution beschlossen, in der vom Schutze des Deutsck- thums mit keinem Sterbensworte die Rede ist. Es ist charak teristisch für Herrn Rösicke, daß eine Bundesversammlung in Graudenz, die vom Berliner Besuch verschont geblieben war, fast gleichzeitig sich für die Vertheidigung des deutschen Volks- thums erklärt hat. Für die Ultramontanen hat die Ermordung katholischer Missionare in China neben der menschlichen und kirchlichen Seile in diesem Augenblick auch eine politische. Es gebt nicht an, in China um Schutz zu rufen, Haiti und Brasilien aber für Bagatellen zu erklären; das Zusammenfällen mehrerer Aufgaben für die Flotte hat aber deren Unzulänglichkeit wieder klar bewiesen. Nun hat die „Germania" aber doch einen Punkt gefunden, von dem aus man auS Anlaß der entsetzlichen Vorgänge in Cbina in die Opposition und natürlich vor Allem in die Marine-Oposition einlenken kann. Die Ermordung deutscher Geistlichen in China hat — so ist es wirklich zu leien — die Unhaltbarkeil deS Je suit engesetzeö dargethan: „Wenn die in Cbina ermordeten Missionare I Jesuiten gewesen wären, so wäre die deutsche Regierung in I die Lage gebracht, für den Schutz deutscher Männer im Aus- I lande einzutreten, die sie aus dem deutschen Heimatblande vertrieben hat". Ergel: „Die Aushebung des Ausnahme gesetzes (nämlich des Jesuitengesetzes) ist eine nationale Pflicht!" Der Jesuit, der das geschrieben hat, ist übergescheut. Die Jesuiten sind nicht aus Deutschland vertrieben — die alte Lüge kommt aber immer wieder —, nur die Ordenstbätigkeit der Jesuiten ist in Deutschland untersagt. Nun haben wir aber in dem sogenannten Spreng stoffgesetz auch ein „Ausnahmegesetz" gegen die specifische Tbätigkeit der Anarchisten, ohne daß das die deutsche Re gierung gehindert hätte, sich in Barcelona für einen deutschen Anarchisten — also auch einen „deutschen Mann", wie die „Germania" unrichtig statt „deutschen Reichsangehvrigen" sagt — zu verwenden. Die Aufhebung des JesmtengesetzeS ist also so wenig eine von dem Rechte jedes Reichsangehörigen im Auslande auf Schutz bedingte nationale Pflicht, wie die Beseitigung des Gesetzes gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. Zum Schuhe der Deutschen und des deutschen Handels in den überseeischen Ländern. Es ist eine der ersten und schönsten Pflichten eines großen Gemeinwesens, seine Angehörigen in allen Welttheilen für ihre Personen, ihr Eigenthum, ihren Geschäftsbetrieb mit seinem nachdrücklichen Schutze zu umgeben. In dem alten römischen Reiche, dessen Herrschaft den halben Erdkreis umspannte, war cS ein Stolz jedes einzelnen Römers, zu wissen, daß in allen bekannten Welttheilen, wo immer er sei, er sicher sein könne, daß Niemand ihm zu nahe zu treten wage, sobald er nur sage: „Ich bin ein Römer". Das Gleiche rühmte der englische Minister Lord Palmerston von seinen Landsleuten, den Söhnen des meerbeherrschenden Albion. Auch unser deutsches Reich, wennschon es sich darin mit England nicht messen kann, muß doch darnach streben und strebt darnach, keinen seiner Angehörigen selbst im fernsten Aus lande schutzlos zu lassen. Und in einer Beziehung hat Deutsch land nicht weniger Grund als das britische Jnselreich, diesen Schutz seiner Angehörigen so weit als möglich auSzudehnen und so wirksam als möglich zu machen. Denn unser Handel, der immer größere Verhältnisse annimmt, der in allen Welt- theilcn mit dem englischen und dem französischen den Mit bewerb besteht, ja vielfach beide überflügelt, bedarf in eben diesem Maße eines immer größeren und zuverlässigeren Schutzes vom Mutterlande aus. In manchen Fällen hat sich dieser Schutz bereits als wirksam bewährt, in anderen erwies er sich als zu langsam oder unzureichend, weil dem deutschen Reiche trotz seiner gewaltigen Wehrkraft zu Lande doch gerade zur See die bereiten Machtmittel dazu versagten. Eben jetzt hat ein solcher Fall mit Recht lebhafte Be stürzung im ganzen deutschen Volke erregt. In dem kleinen, nur halb civilisirtcn Staate Haiti ist ein deutscher Reichs bürger ungerecht behandelt, ins Gefängniß geworfen, ist der Vertreter des deutschen Reichs, der sich seiner annahm, mit seinem Protest von den Behörden deS Landes, bis hinauf zum Präsidenten, schnöde abgewiesen worben. Bliebe dieser Vorgang ungesühnt, so möchten leicht nicht nur auch in andern überseeischen Ländern unsere dort leben den und geschäftlich verkehrenden Landsleute die Folgen einer solchen Mißachtung des deutschen Namens schmerzlich zu empfinden haben, sondern es würde auch das Ansehen, ja die Ehre des deutschen Reiches schweren Schaden leiden. Feuilleton. Der Todtencultus bei -en Egyptern und Labyloniern. Von E. Glaser. Nachdruck verboten. Daß der Todtencultus bei allen uns bekannten Völkern des Alterthums eine große Rolle spielte, beweist die ungeheure Sorg falt, mit der man die Todten bestattete. Bei diesen Bestattungs gebräuchen hat sich bei aller Mannigfaltigkeit ein Grundsatz herausgebildet, nämlich der, daß man die Todten zu ehren habe, daß Jeder, nur der Verbrecher nicht, eines Begräbnisses theilhaftig werde. Den verschiedenen Bestattungsarten lag der Gedanke zu Grunde, daß mit dem Tode nicht alle Beziehung zwischen dem Verstorbenen und dem Zurückbleibenden aufgehört habe, daß auch fernerhin noch sich ein geheimnißvolles Band um Beide schlinge, kurz, daß nach dem Tode ein gewisses Fortleben statt finde. Der Glaube an ein zukünftiges Leben gehört zu den stärksten und verbreitetsten Instinkten und Bedürfnissen der menschlichen Seele, er ist der menschlichen Natur ebenso gemäß wie der Glaube an das Walten eines höheren Wesens. Dieser Glaube zerfällt in zwei verbundene Lehren, die sogar vielfach ineinander Ubergreifen. Die eine derselben, die Lehre von der Seelen wanderung, hat sich, von der niedrigsten Stufe ausgehend, über die ungeheuren religiösen Gemeinschaften Asiens verbreitet, die doch zum Stillstand gelangt sind und in ihrer Entwicklung nicht weiter fortzuschreiten scheinen. Weit verschieden davon hat sich die Geschichte der andern Lehre ausgebildet, die Lehre von der unabhängigen Fortdauer der persönlichen Seele in einem zukünftigen Leben nach dem Tode deS LeibeS. Vielfach sich umgestaltrnd im Lauf der geistigen Entwicklung des Menschengeschlechts, hat dieser Glaub« mannig faltige Veränderungen und Erneuerungen bei den verschiedensten Bölkrschaften durchzumachen gehabt und kann von seinen erste« rohen Anfängen bei den wilden Rassen bis zu seiner Aufnahme in das Christenthum verfolgt werden. Hier bildet der Glaube an ein zukünftiges Leben zugleich einen Antrieb zum Guten, eine tröstende Hoffnung in der Todesstunde wie in den Leiden des Lebens, eine Antwort auf die Frage von Glück und Elend in diesem irdischen Dasein durch die Erwartung der Verbesserung und Vergeltung in einer andern Welt. Das Volk der Egypter verwendete am meisten Sorgfalt auf seine Todten, eine Sorgfalt, die einzig dasteht in der Geschichte aller Völker und aller Zeiten. Herodot sagt II, 123, daß die Egypter die Ersten waren, welche behaupten, daß die Seele des Menschen unsterblich sei. Nichts widerspricht dieser Angabe, denn aus Allem, was wir von Egypten wissen, alle Gräberfunde haben die Bestätigung gebracht, daß sie diesen Glauben besaßen, und zwar in einer solchen Stärke, daß Diodor I, 51 sagt: „Sie achten die Zeit dieses Lebens sehr gering, aber die nach dem Tode, wo sie ihre Tugend in Andenken erhalten soll, sehr hoch, daher nennen sie die Wohnungen der Lebenden Herbergen, weil sie nur eine Zeit lang darin wohnen, die Gräber der Verstorbenen aber ewige Häuser. Daher verwenden sie auf die Erbauung ihrer Häuser nur geringe Mühe, die Gräber aber werden auf außerordentliche Weise ausgestattet. Bei den Egyptern bestand der Mensch aus Vernunft (Ka), Seele, Körper und Geist. Diese vier Theile bilden in ihrer Gesammtheit den Menschen, verbunden durch ein geheimnißvolles Band, das so lange anhält, als das Leben währt. Der wichtigste Theil davon ist die Vernunft (Ka), denn kein Mensch, selbst kein Gott, kann seines Ka entbehren. Er ist gewissermaßen der Doppelgänger des Menschen, der mit ihm aufwächst, neben ihm hergeht, der ihn leitet und beschützt, der ihn lehrt, das Gute von dem Bösen zu unterscheiden. Ist nun der Mensch gestorben, so hört die Verbindung der einzelnen Theile des Menschen auf. Da nun aber die Egypter eine blos geistige Fortdauer nicht denken konnten, der Ka auch im Tode noch als der eigentliche Vertreter des Menschen galt, lehrte man die Auferstehung des Fleisches und knüpfte daran die weitere Existenz. Damit diese aber möglich sei, damit der Körper nicht verwese, sucht man ihn zu conserviren, balsamirt man ihn ein, begräbt ihn an Orten, die sicher vor der Ueberschwemmung des Nil sind, also ent weder im Sande der Wüste oder in den Felsen der lydischen Bergkette, kurz, trifft alle möglichen Vorrichtungen, um das Grab und damit die Ruhr der Verstorbenen vor jeder Störung zu sichern. So glaubte man die Wiedervereinigung des irdischen Stoffes mit seinen geistigen Bestandtheilen zu ermöglichen und damit den Eintritt der Seele in das Westreich, in das Gefilde Aalu, zu bewerkstelligen. In dem Gefilde Aalu erntete sie mühe los an klaren Wassern, bis sie, von allen Unreinigkeiten des Stoffes befreit, nicht nur von Osiris ausgenommen, sondern geradezu Osiris ward. Sie kehrte zur Weltseele zurück, von der sie den Ausgang genommen hatte, war leuchtend und rein und hatte Theil an der Leitung der Welt. Aber es stand ihr auch frei, auf die Erde zurückzukehren und sich dort in allen Gestalten, die sie sich erwählte, zu zeigen. Die Seele des Ver- urtheilten hatte schreckliche Strafen zu bestehen und dann während einer bestimmten Zeitperiode die Leiber der Thiere zu durch wandern, bis sie endlich in die wohlerhaltene Mumie zurück kehrte und sich abermals nach dem Tode den Richtern stellte. lieber die Trauer um die Gestorbenen sagt Herodot II, 85: „Wenn ein Angesehener stirbt, bedecken alle Frauen der Wohnung ihr Haupt, ja, selbst ihr Gesicht mit Straßenstaub, sie lassen den Todten im Hause, und mit entblößter Brust und auf geschürztem Gewände sich schlagend, laufen sie durch die Stadt, begleitet von all ihren Verwandten. Ebenso raffen die Männer ihr Gewand auf und schlagen sich die Brust. Darauf trägt man den Todten an den Ort, an dem die Einbalsamirung vor sich genommen wurde." Dieser Ort befand sich immer in der Nähe der Begräbnißstätten und wurde nicht nur von den Kolchiten und Taricheuten, die die Einbalsamirung und Bestattung der Todten zu besorgen hatten, sondern auch von den Handwerkern, die dabei beschäftigt waren, bewohnt. An einer andern Stelle II, 36 sagt derselbe Schriftsteller, daß, während alle andern Menschen, sobald sie in Trauer sind, sich das Haar scheeren, die Egypter allein ihr Haar wachsen lassen, das sie doch sonst am Kopfe und am Kinn abscheeren. Dasselbe sagt auch Diodor I, 91, nur fügt er noch hinzu, daß bei einem Todesfall die Egypter bis zum stattgehabten Begräbniß weder baden noch Wein trinken, noch eine bessere als die gewöhnliche Speise zu sich nehmen, und daß sie weiße Kleider anlegen. Was nun die Einbalsamirung betrifft, so berichtet Herodot II, 86: „Das Geschäft des Einbalsamirens besorgen Leute, die cs im erblichen Besitze haben. Sobald diesen ein Todter gebracht wird, zeigen sie den Ueberbringern hölzerne Bilder von Todten, die durch Malerei nachgeahmt sind, und erwähnen dabei, daß die beste Art die sei, die einst dem Osiris zu Theil wurde, die andere sei weniger gut, aber früher vollendet, die dritte aber sei die billigste. Man spendet dem Todten auch Todtenopfer, bestehend aus Speisen und Getränken, diese wurden später durch hölzerne oder steinerne Nachbildungen ersetzt, ja, man ging noch weiter, und die bloße Wiederholung der Worte: „Tausend Brodte, tausend Weinkrüge, tausend Rinder, tausend Gewänder für den Verstorbenen N. N." galt als hinreichend, um dasselbe Ziel zu erreichen, ein Vorgang, der nun auch dem Unbemittelten die Möglichkeit bot, für sein leibliches Wohl nach dem Tode zu sorgen. Aus demfelben Grunde wurden auch dem Todten kleine hölzerne Modelle von Küchen mitgegeben, in denen das Gesinde Speisen für seinen Herrn zubereitete, ferner kleine Holz- oder Thonfiguren, „Uschebte", d. i. Antworter, genannt, weil sie, wenn der Name des Verstorbenen in den seligen Gefilden zur Arbeit aufgerufen wurde, für ihn antworten und für ihn arbeiten sollten, denn es wäre doch nicht schicklich, daß die, die im Leben in Folge ihres Rcichthums nicht zu arbeiten brauchten, nun im Jenseits dies thun müßten. An die Stelle des Herzens wurde ein steinerner Skarabäus gelegt. Dieser große Mistkäfer der südlichen Länder galt als ein besonders geheimnißvolles Wesen, dessen Bild bei den Egyptern ebenso typisch geworden ist, wie z. B. das Kreuz bei den Christen oder der Halbmond für den Muhamedaner. Wenn man daher das sündige Herz durch dieses billige Zeichen ersetzt und überdies noch durch eine Aufschrift dieses bittet, nicht als Zeuge gegen dasselbe aufzutreten, muß dies von großem Nutzen für die Todten sein, — ein Beweis, wie sehr der ganze Todten cultus von Zauberwesen überwuchert war. Der Leichnam wurde mit Bändern umwickelt und zwar derart, daß jeder Theil des Körpers einzeln eingewickelt wurde, also die Finger, die Hand, der Arm rc., am sorgfältigsten das Gesicht. Der Zweck dieser Einwicklung war jedenfalls der, den Körper vor dem Zutritt der Luft zu bewahren, man brauchte dazu oft 600—1000 Ellen Binden. Sehr häufig wurde das Antlitz, die Nägel an den Händen und Füßen, vergoldet, Goldbleche auf Augen und Mund gelegt, ja, selbst die Augen durch künstliche aus Email oder Stein ersetzt. Die Haare wurden entioeder im aufgelösten Zustande gelassen oder auch frisirt. Das Merk würdigste, was dem Todten neben den vielen Amuletten, Sta tuen mitgegeben wurde, war eine Papyrusrolle, die entweder das ganze sogenannte Todtenbuch oder wenigstens einzelne Ka pitel desselben enthielt. Die Ursache war eben der Glaube, daß die darin befindlichen Zauberformeln nicht nur gesprochen, sondern auch geschrieben schon ihre Wirkung haben. Das Todtenbuch sollte gewissermaßen als Reisehandbuch und Paß für die be vorstehende Wanderung der Seele in der Unterwelt dienen. Die Ruhe der Todten wurde oft durch Beraubungen gestört. Wir besitzen durch einen glücklichen Fund Aktenstücke aus der Zeit des Königs Ramses IX. (1050 v. Ehr.), die uns einen Beweis von großartigen Leichenberaubungen liefern. Es sind dies nämlich die Acten eines Processes gegen die Leichrndiebe der thebanischen Nekropole. Aus denselben erfahren wir, daß nicht nur Privatgräber, sondern auch die Gräber der Könige geöffnet und beraubt wurden. Wohl traf die Regierung alle erforderlichen Maßregeln, um die Gräber vor fernerer Beraubung zu schützen, jedoch sie erwiesen sich als erfolglos. Da brachte die Regierung, um wenigstens die Leichen der Könige des neuen Reiches vor der töabsucht der Leichendiebe zu schützen, diese in die unzugängliche Schlucht von Dehr el Bahari. Das Versteck war gut gewählt, denn erst in unseren Tagen, im Jahre 1875, wurd« e» von
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