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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971122022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-22
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Daraus, daß die „Germania" sich das Geständniß entschlüpfen läßt, auch sie sehe das Vordringen des Polen- thnmS nicht besonders gern, schöpft die „Post" die Hoffnung, daß wenigstens ein Tbeil des EentrumS bei den bevor stehenden NeichStagSwahlen auf seine Pflicht dem Reiche gegenüber sich besinnen und sich bereit zeigen werde, wieder werkthatig an den deutschen Nationalaufgaben mitzuarbeiten. Wir können leider diese Hoffnung nicht theilen. Wenn freilich die Centrumsführer aus den Auslassungen der polnischen Presse herauslesen wollten, wie die Polen von den Deutschen denken, die ihr Deutschtbum zu Gunsten des PolenthumS ver leugnen, so würden sie die Parole auSgeben müssen, daß kein deutscher Katholik einem polnischen Candidaten seine Stimme geben dürfte. Gerade jetzt spricht eS die „Gazeta Grudziadzka" mit aller wünschenswertsten Deutlichkeit aus, was sie von Leuten hält, die ihre Muttersprache im Stiche lassen. DaS in Graudenz erscheinende Blatt schreibt nämlich wörtlich: „Manche polnische Eltern verkaufen die polnischen Seelen ihrer Kinder selbst, indem sie letztere der deutschen Abtheilung (zum katholischen Beichtunterricht) übergeben. Hier die Beweise: Als wir vor zwei Wochen am Sonntage aus Tarpen zu gingen, trafen wir zwei Weiber, die zur Ausnahme der Kinder zur Kirche gingen. Auf die Frage, weshalb sie die Kinder zur deutschen Abtheilung sendeten, antworteten sie, dort sei es mehr „sein". Arme, dumme Wesen! Deswegen also, weil es mehr „sein" ist, verkauftihrdemTeufeldieSrelenEurerKindrr! Tenn daß die Seelen derjenigen Kinder, welche der „Feinheit' wegen in die deutsche Abtheilung gehen, wo ihnen die Lehre nicht so zu Herzen gehen kann, wie diejenige, welche ihnen mittels des lebendigen polnischen Wortes ertheilt wird, daß diese Seelen dem Teufel zufallen, ist sicher, da auf denjenigen, welche sich des ihnen von Gott selbst verliehenen Schatzes der Muttersprache entäußern, schon ein solcher Fluch GotteS lastet. Erschlafft erst in ihnen die Liebe zur Muttersprache, dann wird auch die Liebe zum heiligen Glauben schwächer und der Satan wird ihre Seelen besitzen. Dafür haben wir zahlreiche Beweise... Wehe Euch Eltern, Gottes Gericht wird über Euch kommen nnd über Eure Kinder. Verdammt werdet Ihr und sie sein!" Selbstverständlich muß ein Blatt, das die Polen, „die sich des ihnen von Gott selbst verliehenen Schatzes der Mutter sprache entäußern", als verdammt und dem Teufel verfallen bezeichnet, das Gleiche von den Deutschen denken, die diesen Schatz^ an ihre Feinde auszuliefern erbärmlich genug sind. Daß sich daS Blatt und seine Gesinnungsgenossen die Hilfe von Äerräthern des Deutschthums gern gefallen lassen, ändert nichts an dem Urlbeile über diese Verrärher. Aber das Centrum macht sich aus solchem Urtheile seiner „Freunde" nicht mehr, als Herr Eugen Richter, dem es vollständig gleichzillig ist, ob ibn die Polen zum Danke für seine Unter stützung unter die Verdammten werfen, wenn er nur durch diese Unterstützung seinem Ziele näher kommt. Und das hofft er ebenso, wie das Centrum unter der Führung des „Mußpreußen" vr. Lieber es hofft. Die Polen sind „oppo sitionell" und deshalb Herrn Eugen Richter ebenso will kommen, wie Herrn vr. Lieber, der im Reiche die stramm oppositionellen polnischen Elemente zu demselben Zwecke braucht, wie sein Freund Wacker in Baden die Socialdemokraten: zum Zwecke eines Druckes, der die Regierung den kirchenpolitischen Forderungen des UltramontauiSmus geneigt machen soll. Was schadet es groß, sofern dieser „fromme" Zweck erreicht wird, wenn die Polen einige Centrumssitze erobern und die Sieger die „deutschen Freunde" verachten und als Höllenfutter ansehen? Die „Post" wird es daher erleben, daß das Centrum bei den Wahlen Arm in Arm mit den Herren Richter und Jäckel den Feinden der deutschen Muttersprache zu Hilfe eilen, trotz „Gazeta Grudziadzka" und anderer Beweise polnischer Ver achtung vor Verächtern und Verräthern der Muttersprache. Die Freisinnige Bolkspartet hat in der letzten Zeit wenig Glück; es vergeht kaum eine Woche, wo nicht zwischen ihren Worten und Thaten klaffende Widersprüche zu Tage treten. Bemüht sich der Klerikalisinus um klerikale Stadtverordnetensitze in Berlin, dann heißt eö: Das Berliner Stadtverordnetcn-Collegium sei kein Concil. Im Reichstag nimmt man aber dankbar das erste Vice- präsidium von Centrumsgnaden an, ist herzlich froh, im Schatten des Centrums die Zelte aufschlagen zu dürfen, und entrüstet sich über jeden, der auch den Reichstag für kein „kirchliches Concil" und die freisinnig-klerikale Verbindung für einen Widersinn ansehen will. Das Dreiclassenwahl- recht in Preußen ist das größte aller liebel; es bedrückt jeden echten Freisinnsmann bis in den Traum seiner Nächte. So bald aber die Socialdemokratie konsequenter Weise verlangt, daß auch in Berlin bei den Communalwablen dieses „elendeste aller Wahlsysteme" durch das ideale Reichstags wahlrecht ersetzt werde, dann hört der freisinnige Idealismus auf und seine Ohren verhärten, denn diese Ersetzung könnte den Freisinn um den größten Tbeil seiner Sitze im Rotsten Hause bringen. Für den Volksschullehrer bat bekanntlich der Freisinn ein besonders „warmes Herz". Nun kam daS preußische LehrerbesoldungSgesetz, das als Ansangsminimal- gehalt WO festsetzte; die Nationalliberalen beantragten 1000 -L, die Freisinnigen sogar 1200 Da aber ereignete sich in der Commission der berühmte Unfall des Herrn Knörcke, der sich überzeugt hatte, daß das Gesetz in die „allergrößte Gefahr" käme, selbst wenn das Grundgehalt auf 1000 normirt würde. Nur stielt er „auch heute noch grundsätzlich daran fest, daß ein Grundgehalt von 1200 „E für die Lehrer das Wünschenswertbe wäre und das Ent sprechende". Mit der diplomatischen Mission des Herrn Knörcke war freilich die Fraction nicht ganz einverstanden; sie ließ durch denAbg.vr.Hermes erklären, seine Freunde seien principiell der Meinung, daß ein „Anfangsgehalt von 1200 angemessen sei, und daß wir an diesem Princip so lange sesthalten, als die Möglichkeit vorliegt, damit durchzudringen!" Die Mög lichkeit lag vor — soeben in der Berliner Stadt- verordneten-Versammlung, deren Ausschuß für die Lehrer ein Anfangsgehalt von 1200 verlangte. Wo sind aber da die Principien vom Abgeordnetenbause geblieben? Sie gingen des Wegs, den so manches freisinnige Princip gegangen ist, wenn man baar bezahlen sollte, was man verzehrt; man erklärte 1000 für genug. In Berlin hat man „es eben nicht nölhig"; die Lehrer wählen ja doch meistens in der dritten Classe. So steht es beim Freisinn um Theorie und Praxis. In der gegenwärtige» Tagung des Colonialrathes soll zum ersten Male eine ausführliche Begründung des Togo - Abkommens gegeben werden. Weiter wird eine gleiche Begründung desselben im Reichstage erfolgen, die einen mehr öffentlichen Charakter trägt und Wohl zu einer Erörterung führen wird. Der Zufall hat eS nun mit sich gebracht, daß sich gerade um diese Zeit an jener westasrika- nischen Küste ein Vorgang vollzieht, der mit den Fragen über das Hinterland von Togo in nahem Zusammenhänge steht. Die Engländer wollen sich dem Vordringen der Franzosen im inneren Nigerbogen nicht allein im Osten von Lagos aus, sondern auch im Westen, in dem Hinterlande der Goldküstencolonie, entgegensetzen. Unter Führung des Oberst lieutenants Northcote ist daher eine starke Truppe von 1100 Mann unterwegs, um von Cape Coast Castle an der Gold küste aus nach dem Hinterland vorzurücken. Die Expedition fand in den ersten Tagen dadurch ein Hinderniß, daß die dafür angenommenen Träger wegen Lohnstreitigkeitsn streikten. Nach »eueren von uns mitgetheilten Nachrichten ist aber durch Bewilligung der geforderten Fleischrationen ein Ausgleich herbeigeführt worden und die Truppe kann nun ihren Marsch antreten; auf ihrem Wege wird sie auch durch das neutrale Salagagebiet kommen. Wenn auch dieses Gebiet nach dem Vertrage von 1888 den Briten ebenso wie den Deutschen offen steht, so greift doch, wie die „Berl. N. N." hervorheben, noch eine andere Frage hinein, welche Deutschland nahe angebt. Im Norden deS neutralen Salagagebieles sind mehrere Ortschaften vorhanden, wie Wal-Wale, Gambakha, Sansame-Mango, welche nach dem deutsch-französischen Abkommen zum deutschen Gebiete gehören sollen. Auf diese Ortschaften machen nun bekannt lich auch die Engländer Anspruch; so hatten sie im letzten Frühjahre Gambakha besetzt und den kleinen deutschen Posten dort zum Rückzüge gezwungen auf Grund der vom Mulatten Ferguson 1894 dort getroffenen Abmachungen. Nach dem Eintreffen des Oberstlieutenants Northcote in jenen Landstrichen wird sich bald Herausstellen, welche Stellung England zu den deutsch-französischen Abmachungen einnimmt, d. h. ob man cnglischerseits den beiden Vertrags mächten das Recht bestreitet, über die fraglichen Orte und Landschaften zu verfügen und ob man sich nicht vielmehr selbst dort festsetzcn will. Die englische Negierung hatte 1894 infolge deutschen Einspruchs den ganzen Zug Fcrguson's des- avouirt, trotzvem aber berief man sich bei der Besetzung Gambakhas zu Anfang dieses Iabres auf Ferguson'S Ver träge. Durch den Zug Northcote's und seiner Expedition wird jedenfalls die Nothwendigkeit näher gerückt, vaß Deutsch land und England sich über das Salagagebiet endgiltig ver ständigen. Tie letzten Tage hasten im österreichischen Parlamente zweierlei gebracht: Erstens die Fertigstellung des Ausgleichs provisoriums im BudgetauSschusse und zweitens die Wahl des deutschklerikalen Abgeordneten von Fuchs zum zweiten Vice präsidenten. Die Durchberathung deS Ausgleicksprovisoriums im BudgetauSschusse erfolgte natürlich unter Vergewaltigung der deutschen Minderheit und unter Beiseitelassung sonstiger parlamentarischer Gebräuche. Die Deutschen fühlten sich dadurch begreiflicherweise verletzt und so kam es im Ausschüsse zu einer jener heftigen Scenen, an die man im Plenum des österreichischen Parlamentes schon längst gewöhnt ist. Der deutsche Abgeordnete Menger nannte den tschechischen Ab geordneten I)r. Stransky einen Lümmel, worauf dieser er widerte, er würde Menger fordern, dieser sei aber nicht satis- facticnsfähig. Was die Wahl deS vr. von Fuchs an belangt, so war ein solches Nachgeben der deutsche» Klerikalen gegenüber den Wünschen der slavischen Bundesbrüder wohl zu erwarten, nachdem der Parteiführer vr. Ebenhoch in einer Volksversammlung in Linz erklärt hatte, man möge ja nicht etwa glauben, daß die Ablehnung der ersten Präsidenten stelle durch ihn ein Abrücken seiner Partei von der Mehrheit bedeute. Wenn nun auch naturgemäß vr. von FuckS als zweiter Vicepräfident nicht so in den Vordergrund treten wird, wie es Vr. Ebenhoch als erster Präsident hätte thun müssen, so wird man es doch nicht vergessen, daß in der gegenwärtigen Zeit ein Deutscher sich dazu hergegeben hat, in das Präsidium des österreichischen Abgeordnetenhauses einzutreten und da durch der Handlungsweise der beiden ersten slavischen Präsi denten ein gewisses Relief zu geben. Man hat schon genug an den beiden deutschen Klebe-Ministern im Cabinet Badem. Die Absichten des englische» Colonialministers Chamberlain, die C o l o n i e n in enge handelspolitische Verbindung mit dem Mutterlande zu bringen, haben, seitdem in Verfolg dieser Politik derHandelsvertragmik Deutschland gekündigt worden ist, nur sehr bescheidene Fort schritte zu verzeichnen. Chamberlain selbst versuchte auf einer jüngst in Glasgow gehaltenen Rede allerdings den gegentheiligen Einfluß zu erwecken. Die einzige positive Thatsache indeß, auf welche er hinzuweiscn vermochte, ist das Vorgehen der Regierung von Neu-Seeland, welche ihrem Parlamente eine Vorlage unter breitet hat, nach welcher englische Fabrikate bei der Verzollung günstiger gestellt werden sollen als Maaren aus anderen Ländern. Sieht man indeß genau zu, so ergiebt sich, daß auf der Juni- conferenz der Premierminister der Colonien sich bereits der von Neu-Seeland für den engeren Anschluß an das Mutterland aus gesprochen, aber nur bei seinem College» von Tasmania Nach folge gefunden hat, während die übrigen Premierminister dafür waren, es bei den gegenwärtigen politischen Beziehungen zwischen England und den Colonien bewenden zu lassen. Daß aber einer dieser Letzteren seine Meinung geändert, ist nicht bekannt gc worden. Außerdem aber soll die britische Einfuhr nach Neu- Seeland nur soweit Vorzugszölle erhalten, als sie den neusee ländischen Erzeugnissen keine Concurrenz macht. Unter diesen Umständen erregt die Rede Chamberlain's den Anschein, als ob sie eigentlich bezweckt, im Interesse der großbritischen Zoll politik auf einen für England möglichst günstigen neuen Handels vertrag mit Deutschland hinzuwirken, und die dabei errungenen handelspolitischen Erfolge im Sinne der bisher wenig erfolg reich gebliebenen Politik zu verwerthen. Die deutsche Regierung hat bisher, nachdem sie die ihr notificirte Kündigung des deutsch englischen Handelsvertrages zur Kenntniß genommen, die Zurück haltung beobachtet, die in Rücksicht darauf beobachtet werden konnte, daß nach Ausweis des deutsch-englischen Verkehrs Eng land genau dasselbe große Interesse an einer befriedigenden Re gelung der gegenseitigen Handelsbeziehungen wie Deutschland hat. Bis zum 30. Juni ist aber noch geraume Zeit, um in aller Ruhe einen Vertrag vorzubereiten, der den thatsächlichen wirth- schaftlichen Beziehungen beider Länder entspricht und daher auch einige Bestimmungen enthalten muß, welche den deutschen Aus landshandel nicht von den Absichten der englischen Regierung, die Colonien durch das Mutterland auszubeuten, abhängig machen. Deutsches Reich. " * Berlin, 2l. November, vr. Carl PeterS bat sich in London über den gegen ihn geführten Disciplinarproceß von einem Berichterstatter des „Daily Cbronicle" interviewen lassen. Er erklärt, einen! Bericht der „Frkf. Ztg." zufolge. Ferrrlletsn» Der Page. 2lj Roman von A. Heyl. Nachdruck verboten. Emil's Wangen färbte höheres Roth. Um Antwort verlegen, spähte er nach der Portiere, das Eintreten seiner Herrin ersehnend. Eine kleine Hand schob die Falten zurück, Melanie stand auf der Schwelle. „Was hast Du mit meinem Pagen, Edgar?" wandte sie sich an ihren Mann. „Der arme Junge steht da, als ob Du ihn in peinliches Verhör genommen hättest. Geh, Emil, es liegen Briefe zur Besorgung auf meinem Schreibtisch." Der Page ließ sich das nicht zweimal sagen, im Nu war er aus dem Speisesaal verschwunden. Melanie kam näher, und ihren Gatten zornig anblitzend, fuhr sie fort: „Ich muß schon bitten, mein Lieber, daß es ein für alle mal bei unserem Abkommen bleibt. Niemals forsche ich Deine Diener aus, und es wäre anständig von Dir, wenn Du mir gegenüber gleiche Rücksicht walten ließest." „Du hast wohl hinter der Portiere gelauscht?" spöttelte er. „War Dir bange, der Page könnte aus der Schule schwatzen? Hast Du ein böses Gewissen? — Doch zur Sache. Mir scheint, Du treibst Deine Gefallsucht etwas zu weit, ich hoffe. Du wirst sie nicht so weit treiben, einen Skandal herbeizuführen." Melanie lachte hell auf: „Ei, ei, bist Du wirklich eifersüchtig auf den armen Schelm, den Hans Sturm? Ha, ha, ha —" „Der Mensch macht von sich reden", fiel der Graf ärgerlich ein. „Ich werde ihm das Haus verbieten." „Damit mir der einzige Spaß genommen ist, den ich auf der Welt habe", eiferte sie. „Hans Sturm, der naive Müllerssohn, kann Dich doch nicht geniren, und mich omüsirt er durch seine abnorme Vertrauensseligkeit und durch seine grenzenlose Schwärmerei für mich —" „Er ist toll in Dich verliebt", warf der Graf ärger lich ein. Sie zuckte die Achsel: „DaS kann ich ihm nicht ver bieten. Aber ich versichere Dich, er ist Dir und mir voll ständig ungefährlich, und daß mich ein Spielgefährte aus der Jugendzeit besucht, das kann doch nichts Auffallen des sein." Der Graf vermochte für den Augenblick dieser Logik nichts zu erwidern, so daß die Unterredung fürs Erste mit einem Siege der Gräfin endete. Als der Graf sich entfernt hatte, schob Melanie die Portiere zurück und rief: „Emil, bist Du noch da?" „Ich habe auf weitere Befehle gewartet, Herrin!" antwortete der Gerufene, aus dem angrenzenden Zimmer herbeieilend. „Das war vernünftig von Dir, mein Junge. Du bist der Zuverlässigste unter Allen." Ohne sich durch dieses Lob besonders geschmeichelt zu fühlen, dankte der Page mit leichtem Kopfneigen und fragte nach den Wünschen seiner Gnädigen. „Du mußt Dich im Hospitale wieder einmal nach dem armen Blessirten aus dem Circus erkundigen. Ver sichere ihn meiner Theilnahme, suche zu erfahren, ob er nach seiner Genesung hier zu bleiben gedenkt. Auch will ich Dir ein paar Zeilen an Hans Sturm mitgeben." Die zornfunkelnden Blicke des Pagen folgten der Dame und hafteten an der kleinen, weißen Hand, die da be strickende Worte zu Papier brachte, um einen harmlos Ver trauenden, den sie sich zum Spielball erkoren, in seiner Täuschung zu bestärken. „Diesen Brief giebst Du Herrn Sturm und sagst ihm, es thue mir unendlich leid, ihn in den nächsten Tagen nicht empfangen zu können, der Graf sei so übler Laune, er wünsche kein Besuche." Der Page empfing daS duftende Billet, barg es in der Brusttasche seines Sammtrockes und empfahl sich mit der üblichen Verbeugung. In tiefen Gedanken ging er auf das Haus zum Bärenkopf in der Schlofsergasse zu, reiflich überlegend, ob er es wohl wagen dürfe, ein warnendes Wort in die Botschaft einfließen zu lassen. Frau Secretair Klimper kam ihm auf der Treppe entgegen. Sie floß über von Freundlichkeit. „Ah, da kommt mein schöner junger Herr! Sie haben gewiß einen Auftrag von Frau Gräfin Rivero an Herrn Sturm. Kann ich etwas ausrichten, etwas be sorgen?" „Danke, ich muß selbst mit dem Herrn sprechen", lehnte Emil ab. „Er ist auf die Anatomie gegangen und wird vor Mittag nicht nach Hause kommen", berichtete Frau Klimper mit wichtiger Miene. „Sie sehen mich erstaunt an, mein junger Herr, ja, aus die Anatomie. Wir haben Erfreuliches erlebt, seitdem Sie zum letzten Male da waren." „Erfreuliches, was Herrn Sturm betrifft?" fragte der Page, rasch näher tretend. „I freilich, mein Lieber", bestätigte die kleine Dame und legte zutraulich ihre Hand auf den Arm des Pagen. „Begleiten Sie mich durch die Schlossergasse, dann können wir über die Sache sprechen " »Ja, ja, junger Herr", Hub Frau Klimper auf der Straße wieder an, „ich bin nicht ohne Einfluß und greife bisweilen glückbringend in die Schicksale Anderer ein. Der arme Reservelieutenant jammerte mich, wenn ich daran dachte, er müsse wieder in seine alte Mühle, müsse arbeiten wie ein Knecht — seinen Studien entsagen. — Einen so vortrefflichen Miethcr hätte ich sobald nicht wieder be kommen. Um mir ihn zu erhalten, schrieb ich dem alten Sturm einen Brief. Ich appellirte an sein Vaterherz, an sein Gewissen, an seine Erinnerungen, die ja auch weh- müthiger Natur sind, und stellte ihm vor, daß er eines Tages Rechenschaft ablegen müsse, ob er das Glück seiner Kinder nach Kräften gefördert habe. Hierauf schilderte ich ihm den Seelenzustand seines Sohnes. Und ich erzielte einen überraschenden Erfolg. Der alte Sturm schrieb seinem Sohne, er habe sich entschlossen, ihm in der Wahl seines Berufes volle Freiheit zu lassen und ihm, falls er ein Studium wähle, sein mütterliches Erbe zur Verfügung zu stellen. Nun hänge es allein von ihm ab, ob etwas Richtiges aus ihm werde oder nicht. Ich habe das Schreiben dieser Tage beim Räumen des Zimmers gefunden und habe mir erlaubt, Einsicht davon zu nehmen. Das ist kein Unrecht, junger Herr, denn ich thue Alles nur in bester Absicht —" „Und Herr Sturm wird Ihnen auch dankbar sein", meinte Emil. Die kleine Frau legte lächelnd die Finger auf den Mund. „Bst! Nicht verrathen! Er ahnt nicht, daß ich helfend in sein Schicksal eingegriffen habe, ich fürchte, er würde es übel nehmen. Er ist so schweigsam, so ver schüchtert. Es hat ihn redlich Mühe gekostet, mir die Mittheilung seines längeren Verweilens zu machen und zugleich die freudige Botschaft von der Verlobung seiner Schwester zu verkünden. Er schnitt ein Gesicht dazu, als ob er mir einen Trauerfall mitzutheilen hätte, und das Lieschen macht doch eine brillante Partie, sie heirathet den reichen Groll vom Wasserhof, man wird sich nur darüber freuen." „Aber Herr Sturm wird sich doch wenigstens über die günstige Wendung seines eigenen Geschickes freuen", bemerkte der Page. Aurora zuckte die Achsel: „Ich weiß es nicht; man wird nicht klug aus ihm, er vergräbt sich hinter seine Bücher und verkehrt wenig mit Anderen." Der Page verabschiedete sich nun von der redseligen Frau und eilte in das städtische Krankenhaus. Auf seine Frage nach dem Kunstreiter Bolivar wurde er in ein Separatzimmer geführt und mit dem Patienten allein ge lassen. Bolivar saß in einem bequemen Lehnstuhl und las Zeitungen. Den Arm trug er noch in der Binde. „Guten Morgen, Philipp", grüßte der Eintretende. Der Begrüßte sah von der Lectüre auf und blickte den Pagen verwundert an. „Du bist's? Setze Dich. Was führt Dich zu mir?" Emil verharrte stehend: „Ich wollte mich nach Deinem Befinden erkundigen, Philipp." Bolivar sah den Pagen mit schlauem Blick an und sagte: „Das wird wohl nicht der einzige Grund Deines Kommens sein; ich wette, daß Du mir von der schönen Gräfin etwas zu sagen hast, was Du nicht gerne aus richtest. Du blickst überlegend zu Boden — heraus mit der Sprache!" „Einen besonderen Auftrag für Dich habe ich wirklich nicht", versicherte Emil im Widerspruch mit der Wahrheit. „Ich soll mich nur erkundigen, wie es Dir geht, und fragen, bis wann Du von hier abzureisen gedenkst?" „Das weiß ich noch nicht. Weiß sie, daß ich Drin Bruder bin?"
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