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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971123012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897112301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897112301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-23
- Monat1897-11
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung ./t 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 587. Dienstag den 23. November 1897. 9l. Jahrgang: Graf Goluchowski über -ie internationale Lage. —-d. Die Ausführungen deS österreichisch-ungarischen Mi nisters des Auswärtigen Grafen Goluchowski über die auswärtige Politik bewegten sich durchaus in dem Rahmen, der durch die Ansprache des Kaisers Franz Joseph an die Delegationen vor gezeichnet war. Nur wurde hier und da durch eine schärfere Beleuchtung das entworfene Bild wirkungsvoller gemacht. Der Grundton der Rede Goluchowski's ist ein durchaus friedlicher; wenn man den in die Zukunft hinüberstreifendcn Theil der Auslassung ins Auge faßt, erscheint er sogar nahezu opti mistisch. Um die Anschauungsweise des österreichisch ungarischen Ministers zu verstehen, muß man sich gegenwärtig halten, daß durch den Dreibund und durch die Schwenkung der russischen Politik in der Orientfrage für Oesterreich-Ungarn die beiden Hauptquellen äußerer Gefahren verstopft sind. So lange der Dreibund besteht, bleiben die irredentistischen Be strebungen in Italien eine mehr oder minder harmlose Spielerei, die durch die Macht der Thatsachen verhindert wird, zu einer ernstlichen Gefahr für Oesterreich-Ungarn sich auszuwachsen. Ebenso hat die orientalische Frage so lange ihren gefährlichen Charakter verloren, als Rußland an seiner seit einigen Jahren befolgten Orientpolitit festhält. Die Fortdauer des Dreibundes erscheint, darin werden dem Grafen Goluchowski die Freunde wie die Gegner des Friedensbündnisses beipflichten müssen, für absehbare Zeit ge sichert. Es ist das großartigste Gebilde seiner Art, das jemals in der Geschichte eine bedeutungsvolle Rolle gespielt hat. Es entspricht auf das Vollkommenste den Lebensinteressen der be- theiligten Staaten, es schützt sic vor muthwilligen Angriffen, ohne ihnen die Freiheit zu schmälern, nach allen Richtungen die besten Beziehungen zu pflegen und auf diese Art für den friedenerhaltendrn Grundgedanken des Bündnisses werbend zu wirken. Weil seine Vorzüge so klar zu Tage liegen, darf man sich der Hoffnung hingeben, daß der Dreibund noch ungezählte Jahre ungeschwächt fortbestehen und an erster Stelle mitwirken wird, um Europa eine volle friedliche Entwickelung zu sichern, wie sie Graf Goluchowski vorgezeichnet hat. Daß uns eine solche friedliche Entwickelung beschicken sein wird, die uns gestattet, unsere ganzen Kräfte in den Welt- kampf um das wirthschaftliche Uebergewicht, in erster Linie mit Nordamerika und Ostasien, zu stellen, kann man hoffen, nicht aber mit Bestimmtheit damit rechnen. Die Vorgänge im Orient werden noch für lange Zeit eine Quelle der Beunruhigung für Europa bleiben. Aller dings hat die russische Politik gegenüber der Türkei eine Richtung angenommen, welche, so lange sie eingehalten wird, die Gefahr ausschließt, daß die noch bevorstehenden orientalischen Ver wickelungen Europa in Mitleidenschaft ziehen; allein Niemand vermag vorauszusagen, daß der jetzt verfolgteCurs nicht gewechselt wird. Man kann mit ziemlicher Be stimmtheit von dem Zeitpunct der Ernennung des verstorbenen Fürsten Lobanow - Rostowsky zum Leiter der aus wärtigen Politik Rußlands die Wendung der russischen Orient Politik herleiten. Zu der genauen Kenntniß, die dieser Staats mann sich als Botschafter in London und in Wien bezüglich der englischen und der österreichisch-ungarischen Politik zu eigen gemacht hatte, kam das besondere Interesse des jungen russischen Herrschers für die asiatischen Gebiete seines Reiches. Von der Erkenntniß geleitet, daß Rußland vor Oesterreich-Ungarn nichts zu besorgen hat, daß aber der Orient für England stets das Mittel abgiebt, um Rußland von einem Drängen nach Asien abzulenken, erweiterte Lobanow die russische Politik zu einer wirklichen Weltpolitik und leitete sie in jene Richtung, für welche auch Kaiser Nicolaus II. die meiste Neigung hatte. Bezüglich des Orients nahm Rußland eine Defensivstellung ein und wan delte sich aus dem Erbfeinde der Türkei in deren Beschützer um, während England, welches im Grunde schon mit der Besetzung Egyptens sich auf die Seite der Feinde der Türkei gestellt hatte, seine Feindseligkeit gegen dieselbe immer offener zur Schau trug. So ist die Lage auch jetzt noch, und sie wird voraussichtlich noch geraume Zeit ihre Grundzüge nicht ändern. Immerhin läßt sie sich nicht als das letzte Wort der Weltgeschichte über die Orientfrage auffassen. Wenn auch für absehbare Zeit zurückgedrängt, werden die p a n s l a w i st i s ch e n Bestrebungen in Rußland unter der Oberfläche weiter genährt werden. Sie haben sich auch während der jüngsten orientalischen Ereignisse nur widerwillig der höheren Macht gefügt. Sobald sie zu dem Glauben gelangen, daß ihre Stunde wieder geschlagen hat, so werden sie mit erneuter Kraft an die Verwirklichung ihrer Pläne herantreten. Diese Gefahr ist nur zurückgedrängt, nicht beseitigt. Es erscheint deshalb schon im Hinblick auf die orientalischen Angelegenheiten einigermaßen optimistisch, wenn Graf Golu chowski meint, daß die Nationalitätenfrage, welche unser Jahrhundert beherrscht hat, zunächst durch den Kampf um das Dasein auf handelspolitischem Gebiete in den Hinter grund gedrängt werden wird. Die Nationalitätenfrage wird gerade für Oesterreich-Ungarn noch lange von großer Bedeutung bleiben und zwischen Deutschland und Frankreich bleibt auch tief ins nächste Jahrhundert hinein Elsah-Lothringen als trennendes Glied. Ueberdies wird der Gegensatz zwischen England und Deutschland auf handelspolitischem Ge biete von Jahr zu Jahr schärfer. Wir glauben, daß das kom mende Jahrhundert in erster Linie durch den russisch englischen Gegensatz und in zweiter Reihe durch die colonialen Be st rebung en der großen europäischen Na tionen beherrscht werden wird. Ohne Zweifel wird sich auch der wirthschaftliche Kampf immer mehr zuspitzen. Soweit aber in demselben internationale Vereinbarungen als Waffe dienen sollen, wird man sich auf engere Gebiete beschränken müssen als auf Gcsammteuropa. Wenn man sich die Schwierigkeiten vor Augen hält, welche so manche Vertragsverhandlungen zwischen zwei Ländern zu überwinden hatten, wird man die Lösung dieser Frage auch auf engerem Gebiete nicht leicht nehmen können. So sehr man auch nach alledem die Ausführungen des Grafen Goluchowski, soweit sie sich auf die Vergangenheit und Gegenwart beziehen, mit Befriedigung aufnehmen wird, so muß man doch hinsichtlich seines Ausblicks in die Zukunft Vor behalte machen, da eine Ablenkung des politischen Denkens auf daS rein wirthschaftliche Gebiet leicht eine Schwächung der Thatkraft auf anderen lebenswichtigen Gebieten zur Folge haben kann. Deutsches Reich. * Leipzig, 22. November. Am 1. Januar n. I. tritt Herr Reichsgerichtsrath vr. Stenglein, nachdem nunmehr sein PensionirungSgesuch genehmigt ist, in den Ruhestand. Mit ihm scheidet ein hochverdienter, auch im öffentlichen Leben vielgenannter Jurist aus dem Amte. Reichsgerichts rath vr. Stenzlein wurde am 4. October 1825 in Bayreuth als Sohn des dortigen späteren Regierungspräsidenten Stenglein geboren, er stndirte in Würzburg und Heidelberg, machte sein erstes juristisches Examen im Frühjahr 1849, sein zweites im December 1850, wurde 1854 dritter Staats anwalt am Bezirksgerichte München l/J., 1857 zweiter Staats anwalt, 1862 erster Staatsanwalt am Amtsgericht zu Passau, 1865 erster Staatsanwalt am Bezirksgericht München r/J., 1868 Vortragender Rath im Justizministerium mit Titel und Rang als AppellationsgerichtSrath, nahm 1872 seinen Abschied und war von Ende 1872 bis l. October 1879 Advocat in München, seit dieser Zeit Reichsanwalt, später Reichsgerichtsrath. Bon 1863 bis 30. September 1879 gehörte vr. Stenglein der bayerischen Kammer der Abgeordneten an, und zwar bis 1869 als Mit glied der großdeutschrn liberalen Partei, von 1869 an der vereinigten liberalen Partei. Dort hatte er Ge legenheit , in militairische Fragen einzugreifen. Der erste Entwurf des Gesetzes vom 30. Januar 1868, be treffend die Wekrvcrfassung, durch das in Bayern die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, entstammt als Privat arbeit seiner Feder; ferner war er Referent des Ausschusses der Kammer über das Militairstrafgesetzbuch und die MilitairstrafgericbtSordnung, welche letztere zur Zeit noch mit wenigen Abänderungen in Gebrauch siebt. Bon 1873 bis 1876 war I)r. Stenglein Mitglied des Reichstages und gehörte der n a t i o n a l l i b e r a l e n Fraction an. — Auch literarisch bat ReichSgerichtsath 1)r. Stenglein eine umfangreiche Tbätigkeit entfaltet; so besorgte er die Herausgabe der Zeitschrift für Gerichlspraxis 1862 bis 1879, 18 Bände, die Herausgabe des Gerichts saales seit 1889 (nach dem Tode von Holtzenvorff's) und die Bearbeitung des Rudorff'schen Eommenlars zum Strafgesetzbuch 3. und 4. Auflage, gab einen Eommentar zur Strafproceßordnung (1897, 3. Auflage), ein Sammelwerk der strafgesctzlichcn Rebcngesetze deS deutschen Reiches in Verbindung mit Anderen (1895, 2. Auflage) und ein Lehrbuch des Slrafproceßrewts 1887 heraus; noch jetzt ist er Mitherausgeber der „Deutschen Juristenzeitung", die im zweiten Jabrgange steht. 0. II. Berlin, 22. November. Hinsichtlich der deutschen Kriegsschiffe im Auslände sind in den letzten Wochen die mannigfaltigsten Veränderungen eingetreten, auch die Neubesetzungen der Commandantenstellen haben stattgefunden, so daß es lohnenswerth erscheint, eine genaue Zusammen ¬ stellung der deutschen Schiffe im Auölande zu geben. Augen blicklich befinden sich 18 deutsche Schiffe im AuSlande. Zu nächst die vier Schulschiffe: I) „Cbarlotte" (Capitain zur See Thiele, August), 2) „Stein" (Capitain zur See Olbrichs), 3) „Gneisenau" (Capitain zur See Hofmeier), 4) „Nixe" (Corvettencapitain Goeckc), dann kommt die Kreuzerdivision, verstärkt durch den Kreuzer „Kaiserin Augusta", also 5) „Kaiser" (Capitain zur See Stubenrauch), 6) „Irene" (Corvettencapitain Obenheimer,) 7) „Prinzeß Wilhelm" (Cor- vettencapitain Truppe!), 8) „Kaiserin Augusta" (Capitain zur See Köllner), 9) „Arcona" (Capitain zur See Becker), 10) „Cormoran" (Corvettencapitain Brussatis). Auf ter australischen Station befinden sich 11) „Bussard" (Cor vettencapitain Maudt), 12) „Falke" (Corvettencapitain Wallmann), 13) „Moewe" (Corvettencapitain Merten). Auf der osiafrikanischcn Station sind 14) „Seeadler" (Corvettencapitain Kindt), 15) „Condor" (Corvetten capitain Meyer). Auf der westafrikanischen Station befinden sich !6) „Habicht" (Corvettencapitain Schwartzkopf), 17) „Wolf" — auf der Hinreise — (Corvettencapitain Sckroeder, Johannes). Auf der Mittelmeer-Station ist 18) „Loreley" (Capttain-Lieutenant v. Witzlcben). Als 19. Schiff kommt „Deutschland" nach Haiti hinzu und vielleicht als 2o. „Gefion" (Corvettencapitain FolleniuS) nach Kreta; jedoch scheint in den maßgebenden Kreisen immer mehr die Meinung Boden zu gewinnen, daß das zuletzt genannte Schiff für die Ausbildung der Heizerschüler rc. in den heimischen Gewässern unentbehrlich sei. * Berlin, 22. November. Eine Versammlung der anti semitischen Vertrauensmänner deS Kreises West- prignitz hat folgende Resolution angenommen: „Gegenüber den wahrheitswidrigen Behauptungen verschiedener Zeitungen („Cons. Correjp.", „Ärcuz.Zlg", „Reichsbote" rc.), alS sei das Ergebnis der Stichwahl in Weuprignitz durch eine Coalition oder gar ein Cartell der deutsch-socialen Reforinpartei mit den Frei sinnigen und Socialdemokraten herbeigefiihrt, erklären die Ver trauensmänner, daß weder mit dem Freisinn noch gar mit den Socialdemokraten überhaupt Verhandlungen gepflogen sind, Laß sich sogar die Vertrauensmänner in Willenberge und Lenzen öffentlich sür Herrn v. Caldern erklärt haben. Die Mit- glieder der deutsch-socialen Reforinpartei in Westprignitz hegen auch keineswegs irgendwelche Sympathien für Herrn Schulz oder die freisinnige Volkspartei; ein Theil von ihnen hat auch nach- weislich den conservativen Candidaten als das kleinere Uebel an- gesehen. Das Ergebniß der Wahl ist, abgesehen davon, daß es die Conservativen gar nicht der Mühe für wcrth gehalten haben, die Unterstützung der deutsch-socialen Resorrnpartet zu erbitten, die Folge der von conservativer Seile ausgehenden, gewaltsamen Unterdrückung der Antisemiten. Die Ve- hauplung, die Mitglieder der deutsch-socialen Reforinpartei hätten durch die Stichwahl eine veränderte Stellung zur Judensrage ein genommen, indem sie einen JuLenfreund gewählt, weisen sie als eine thörichte Unterstellung zurück. Herr v. Saldern hat sich in öffentlichen Versammlungen stets als Judenfreund, alS grundsätz lichen Gegner deS Antisemitismus erklärt, so daß in dieser Hinsicht ein Unterschied zwischen beiden Candidaten nicht vorhanden war." Hierdurch wird lediglich bestätigt, daß die große Mehrheit der Antisemiten deS Wahlkreises Westprignitz den Candidaten der freisinnigen Bolkspartei gewählt hat. Die heilige Cacilia. Bon Vr. F. Sauer her tag. Nachdruck »«rieten. Die Vollendete technische Ausführung eines malerischen Vor wurfs macht allein noch nicht dir Größe eines Künstlers aus; dazu gehört vor Allem eine gewisse Reife der Conception und eine von einer erhabenen Idee getragene Eomposttion. Wer Larin das Hervorragendste geleistet, kann man aber am besten aus einer vergleichenden Kunstbetrachtung von Malerwerken des selben Inhalts kennen lernen, die bisher merkwürdiger Weise noch zu wenig geübt worden ist. Aus diesem Grunde wollen wir im Nachfolgenden die bedeutendsten Gemälde, welche die Schutz patronin der Musik, die heilige Cacilia, zur Darstellung bringen, einer Betrachtung unterziehen. Ganze Scenen auS dem Leben dieser Heiligen, die um das Jahr 230 n. Chr. den Märtyrertod erlitt, haben sowohl Lorenzo Costa und Francesco Francia in der Kirche Santa Cecilia zu Bologna, als auch besonders Domenichino zu Anfang des 17. Jahrhunderts in San Luigi de Franzesi zu Rom als Fresko- bildcr gemalt. Eine Besprechung dieser Kunstschöpfungen unter lassen wir, da es sich für uns hier nur um die Einzeldarstellungen handelt; wir beginnen daher gleich mit dem bedeutendsten der artigen Bildwerk, mit Raffael's „heiliger Cäcilia". Das Gemälde, das der Künstler im Auftrage des Cardinals Lorenzo Pucci für San Giovanni in Monte zu Bologna im Jahre 1513 vollendete, befand sich daselbst bis zum Jahre 1796 und wird seitdem in der Academie zu Bologna aufbewahrt. Es stellt die jugendlich schöne christliche Schutzpatronin der Musik dar, um geben zur Rechten vom Apostel Paulus, zur Linken von der heiligen Magdalena, hinterwärts von dem Evangelisten Jo hannes und dem heiligen Augustinus. Die kleine Orgel nur mechanisch in den Händen haltend, den Blick nach oben gerichtet, horcht sie verzückt auf die himmlische Musik, die gleichsam als Widerhall ihres soeben beendeten Spiels, von sechs auf dem Wolkenrande sitzenden Engeln als Gesang writergeführt, vom Himmel herabtönt. So mancher, der das Original in seiner wunderbaren Pracht gesehen hat, schätzt dies Werk Raffael's noch höher al» eine seiner berühmten Madonnenbilder, wie z. B. die Sixtinische Madonna zu Dresden. Aus beiden Bildern strahlt dem Beschauer jene» Unaussprechliche, Aetherisch-Gött- liche entgegen, das nur ein Raffael seinen Werken rinzuhauchen vermocht hat. Aber während in letzterem Gemälde das Göttliche selber in Person sich herabsenkt und den Menschen zu frier- lichem Ernst und demuthsvollrr Andacht stimmt, schwingt sich die Seele jener Heiligen beim Empfinden des unsichtbaren Gött lichen in seligem Entzücken empor und schwelgt in den melo dischen Tönen der himmlischen Musik. Zudem ist bei der „hei ligen Cäcilia" die Zwanglosigkeit bewundernswerth, in der sich die verschieden charakterisirten Gestalten zu einer harmonischen Gruppe vereinigen; während die Kunstkritiker heute noch nicht einig sind, wie die Erscheinung der „Madonna- des heiligen Sixtus" aufzufassen ist. Daß der Wiedergabe einer so hervorragenden Schöpfung bedeutende Künstler, Maler sowohl wie Kupferstecher, ihre Kräfte widmeten, ist sehr natürlich. Einer Nachbildung in Oel suchten unter andern Denijs Calvaert (gest. 1619), sowie Guido Reni (gest. 1642) gerecht zu werden; die von Ersterem angefertigte Copie befindet sich in der Dresdener Galerie, während Guido Reni's Bild die obengenannte Kirche San Luigi de Franzesi zu Rom schmückt. In Kupfer wurde Raffael's Werk gestochen von dem Engländer Strange, dem Italiener Mauro Gan- dolfi, dem Franzosen Beisson und Massard; neuerdings lieferten vorzügliche Kupferstiche desselben A. LefSvre im Jahre 1857 und vor Allem Joseph Kohlschein, der für seine Arbeit 1880 in Düsseldorf die goldene Medaille erhielt. Als Einzelfigur stach die heilige Cäcilia Johann Burger. Von allen denjenigen Malern, welche ebenfalls die heilige Cäcilia im Bilde dargestellt haben, hat bisher keiner das Gemälde jenes großen Meisters weder in der Composition noch in der Großartigkeit der Auffassung erreicht. Fast sämmtlich be gnügen sie sich mit der Darstellung der einzelnen Heiligen in ganzer oder halber Figur, theils lassen sie sie singen, theils die Orgel, Harfe oder Baßgeige spielen. Von den bedeutendsten derartigen Bildwerken nennen wir zunächst das im kaiserlichen Hofmuseum zu Wien befindliche Gemälde des Bologneser Malers Pellegrino Tibaldi (gest. 1591), der die heilige Cäcilia darstellte, wie sie, hinter einem mit allerlei Musikinstrumenten bedeckten Tisch stehend, aus einem Buche singt, das sie auf geschlagen in der linken Hand hält, während zu beiden Seiten je ein Engel, die Laute und die Harfe spielend, sie in ihrem Gesänge unterstützen. Ebenfalls singend, aber sich selbst auf der Harfe begleitend, so wurde die Heilige von dem fran zösischen Maler Pierre Mignard im Jahre 1691 ver bildlicht. Unter einer Halle, durch deren Säulen und Vorhang sich der Ausblick auf eine Landschaft eröffnet, sitzt die heiligt Cäcilia, in reichem Gewände und mit einem turbanartigen Kopfputz und singt, die Augen zum Himmel erhoben, zur Harfe aus einem aufgeschlagenen Notenbuch, das ein neben ihr stehender Engel hält. Das von I. Bouillard in Groß-Folio, von Ulmer in Royal-Fokio gestochene Bild befindet sich in der Galerie deS Louvre zu Paris. Gab Mignard dem Heilgenbilde die Baßgeige nur als Staffage bei, so malte der bereits oben genannte Domenichino (gest. 1641) für den Cardinal Ludovisi die Heilige als Baßgeigentünstlerin. Die» neben Raffael'» Gemälde wohl am meisten geschätzte Bild, das ebenfalls im Louvre aufbewahrt wird, und von I. G. von Müller im Jahre 1809 und von Lignon im Jahre 1812 als Groß-Folioblatt in Kupfer ge stochen wurde, stellt die heilige Cäcilia — in Kniestück — dar, wie sie, auch hier mit einem kostbaren Gewände und einem turbanartigen Kopfputz bekleidet, den Blick aufwärts gewendet, mit eleganter Bogenführung die Baßgeige spielt; letztere fußt auf einer Tischplatte, auf der, links von der Heiligen, ein Engel steht, der ein aufgeschlagenes Notenbuch mit beiden Händen über dem Kopfe hält. Wohl am häufigsten ist die Darstellung der heiligen Cäcilia, wie sie, an der Orgel oder am Spinett sitzend oder die kleine Orgel in der Hand haltend, theils den Gesang der Engel mit ihrem Spiel und Gesang begleitet, theils allein für sich in stiller Andacht ihre Finger über die Tasten gleiten läßt. In ersterer Weise, mit drei Engeln bezw. mit einem Engel, malten sie Michael de Coxcie (gest. 1592) und Leonello Spada (gest. 1622), deren beider Gemälde sich im Prado- Museum zu Madrid befinden; ferner Arnould de Vuez (gest. 1720), dessen ursprünglich für die Kirche St. Pierre in Lille angefertigtes Gemälde — Cäcilia im Gemach am Spinett sitzend und mit Gesang einen Engelchor begleitend — später in das dortige Museum kam. Darstellungen derart, daß die heilige Cäcilia ohne Unterstützung der kleinen Himmelsboten sich dem Orgelspiel widmet, hat u. A. der ferraresische Maler Garofalo (gest. 1559) geschaffen. In einer offenen Säulenhalle, über deren Ballustrade hinweg man eine gebirgige, mit Bauwerken bestandene Landschaft erblickt, steht die mit einem bunten Ge wand und weihen Kopftuch bekleidete Gestalt neben einem nur wenig sichtbaren Marmorsarkophag, auf den sie die mit beiden Händen erfaßte kleine Orgel stützt; den Blick hat sie schwärmerisch nach links gewendet, während ein von rechts heranfliegender Engel einen Kranz Uber ihrem Haupte hält. Das zart ausgeführte kleine Bild befand sich bis zum Jahre 1892 in der Sammlung .Habich zu Cassel. Hier reiht sich sodann das mit der ganzen Gluth seiner Farbengebung von Rubens gemalte Bild an, welches die Heilige, eigentlich das Bild seiner zweiten Gattin Helene Fourment, in lebensgroßer ganzer Figur am Clavier darstellt. Aus dem Antlitz der von seelischer Erregung durch bebten Gestalt strahlt eine schwärmerische Begeisterung wieder, während die wunderbar zarten Hände leicht über die Tasten gleiten. Zwei Engel hinter ihr lauschen dem Spiel, ein dritter klettert am Fuße des Instruments hinauf, während ein vierter, in der Luft schwebend, die Heilige mit Rosen zu bekränzen im Begriff steht. Das Gemälde befand sich in den Wohnräumen des Rubens'schen Hauses zu Antwerpen, wurde 1641 mit des Künstlers Nachlaß versteigert, dann für eins der preußischen Königsschlösser angekauft und bildet jetzt eine Zierde der Berliner Gemälde-Galerie im Alten Museum. Einen meisterhaften Kupferstich dieses lebensfriscben Bildes schuf im Jahre 1890 Gustav Eilers. Vor der Orgel sitzend, aber in nüchterner Auf fassung stellte Carlo Dolci (gest. 1686) die heilige Cäcilia (Gestalt in Halbfigur) dar. Das Gemälde befindet sich in der Dresdener Galerie und wurde von P. A. Kilian für das Dresdener Galeriewerk, außerdem im Jahre 1845 von Knolle in Kupfer gestochen. Von derartigen Compositionen aus neuester Zeit sind zunächst die beiden Cäcilienbilder von Friedrich Augu st von Kaulbach hervorzuheben. Er malte sowohl in enger Anlehnung an Dolci's Bild 1886 eine heilige Cäcilia an der Orgel (Halbfigur), als auch in ganz eigenartiger Auffassung eine heilige Cäcilia, die als Nonne, offenbar verscheidend, an der Orgel sitzt und zum letzten Mal mit den schon halb erstorbenen, marmorbleichen Fingern stillselig die Tasten berührt. Dieses Malerwerk des bekannten Mün chener Künstlers, das mit so tiefer Empfindung und in so vorzüglicher Msfiihrung den Abschied von einem reinen, gott geweihten Leben darstellt, rief auf der Internationalen Kunst ausstellung in München 1892 mit Recht allgemeine Bewunderung hervor. Ganz neuerdings, 1893, hat Wilhelm Volz eine heilige Cäcilia zum Gegenstand der Darstellung gewählt; sein Gemälde, das 1894 auf der Ausstellung des Vereins bildender Künstler zu München erschien, wurde für die Kunsthalle in Karlsruhe angekauft. Im Freien — den Hintergrund bildet eine Berglanvschaft — sitzt die Heilige in lebensgroßer Gestalt auf einem steinernen Thron und spielt die Orgel, während hinter ihr, zur Rechten, eine Schaar weiß gekleideter musizierender Engel ihr Spiel begleitet. Ebenso wie dieses Bild hat auch die heilige Cäcilia des jungen Königsberger Malers Naujok durch Photographie und Kupferätzung eine weite Verbreitung gefunden. Letzterer malte die Heilige als eine von einem faltenreichen Unter gewand umschlossene mädchenhafte Erscheinung, die ein schwerer, goldverbrämter Purpurmantel umfängt; beim Orgelspiel hat sie die Augen gen Himmel gerichtet, während zwei Engel über sie Rosen ausstreuen. Betrachtet man die stattliche Reihe tüchtiger Maler, die sich die Gestalt der heiligen Cäcilia zum Vorbild für eine Composition genommen haben, so muß man sich wundern, daß gerade diese Heilige in der bildenden Kunst so außerordentlich bevorzugt worden ist. Gleichwohl ist außer der heiligen Magdalena eine heilige Cäcilia am häufigsten gemalt worden, und zwar wie wir vermuthen, nicht etwa auS materiellem Interesse, um den zahlreichen „Cäcilia"-Musikvereinen einen Saalsckunuck zu liefern, sondern weil Raffael's unsterbliches Werk alle diejenigen Künstler, die die weibliche Gestalt nicht blos als Actsigur oder dergl. zum Malsujet sich wählen, derart begeisterte, daß sie ihren künstlerischen Ehrgeiz in der bildlichen Verherrlichung einer so hehrem Dienst geweihten Heiligen zu befriedigen suchten.
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