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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971027028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897102702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897102702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-27
- Monat1897-10
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Der Hosbericht der „Karls ruher Zeitung" meldet die Ankunft des Reichskanzlers Hohenlohe am gestrigen Tage in Baden-Baden, der mit seinem Sohne dem Prinzen Alexander und dessen Gemahlin, sowie der Fürstin Bariatinsky und Fürst Radziwill zur Tafel geladen war. Heute Vormittag hielt sich der Reichskanzler längere Zeit beim Großherzoge auf und wurde zur Früh- stückstafel hinzugezogen. Nachmittag empfing derReichs- kanzler einen längeren Besuch des Grobherzogs. Und wenn das Schweigen des Darm städter Hoforakels als beweiskräftig dafür gelten darf, daß dort ein weniger reines Gewissen herrscht, so ist auch dieser Beweis erbracht, denn das Darmstädter Hoforakel schweigt in allen lebenden und todten Sprachen. Da aber die Reise des Reichskanzlers nach Baden-Baden zweifellos auf ein in Darmstadl an ibn ergangenes Ersuchen zurückzufübren ist, so ist erfreulicher Weise auch anzunehmeu, daß das minder reine Gewissen sich zu reinigen und die fatale Angelegenheit aus der Welt zu schaffen sucht. Nur die Form in der das geschehen kann, scheint noch nicht gefunden zu sein. Man konnte sie ruhig abwartcn, wenn nicht einerseits der Darmstädter Local- patriotiSmuS sich bemüht zeigte, dem Großherzog von Baven einen gewissen Schuldantkeil an der moskowilischen Form der Ablehnung seines Besuches aufzubürden, und wenn nicht andererseits Liebedienerei gegen den Zaren ein „Weltblatt" veranlaßte, alle Schuld von diesem und seinem Cabinets- fecretair auf den Darmstädter Hof abzuwälzen. Jener Darmstädter Localpatriotismus tritt zu Tage in folgendem Telegramm der „Franks. Ztg": Darmstadt, 26. Lctober. Von destinformirter Seite wird versichert, daß das Verhalten de- Zaren gegen den Großherzog von Baden nichts mit hoher Politik zu thun hat. Dieses Verhalte» dürfte eher auf eine alte Verstimmung zwijchen dem badische» und dem hessischen Hofe zurückzufüyren jein. Die Verstimmung stammt wahrscheinlich aus der Zeit, wo der badische Erbprinz die Absicht! kundgab, die jetzige Großfürstin Sergei, die Schwester der russischen Kaiserin, zur Frau zu begehren. Der badische Prinz erhielt die Erlaubniß, an den hessischen Hof zn kommen, er reiste aber aus Darmstadt ab, ohne daß es ihm gelungen war, das Heirathsproject zu veiwirklichen. Dieser Vorsall schuf eine tiefe Verstimmung aus der hessischen wie auf der badischen Seite. Der Großberzog von Baden wollte durch eine Einladung an den Zaren offenbar den Weg zur Beilegung eines alten Zwistes ebnen, während der Zar durch die Ablehnung der Einladung kundgegeben hat, daß er sieb mit der Familie seiner Frau in dieser Angelegenheit solidarisirt." Es ist klar, daß der Großherzog von Baden, wenn er trotz eines seinem Sohne vor Zeiten in Darmstadt ertbeilten Korbes dort seinen Besuch angekündigt Kälte, damit einen Schrill gethan haben würde, den der hessische Hos und sein kaiserlicher Gast freudig hätten begrüßen müssen. Dieser Versuch, den Großherzog von Baden eines unvorsichtigen oder wohl gar aufdringlichen Annäherungsversuches zu zeihen, ist also ein sehr verfehlter und unglücklicher. Das Gleiche gilt von der Behauptung, die beim Zaren seit langer Zeit herrschende Bcrstimmung gegen seinen Großoheim, den Großfürsten Michae lN iko la jewitsch,den Schwager dcö Großberzogs von Baden, habe sich auch aus diesen all- mählig übertragen, was dem Großberzog bätte bekannt sein und ibn zur Unterlassung seiner Besuchsankündigung bätte veranlassen müssen. Auch wenn aus solchem Grunde eine Verstimmung zwischen dem Zaren und dem Großberzog? von Vaden bestanden hätte, so bälle ein entgegenkommender Schritt des GroßberzogS Dank und nicht Kränkung verdient. Wider wärtiger aber noch, als diese Versuche, den Großberzog von Baden als verdientermaßen abgewicsencn Ausvringling erscheinen zu lassen, sind die Versuche der „Köln. Ztg.", alle Schuld an dem Zwischenfalle dem Darmstädter Hofe auszubürden. Wir haben schon gestern mitgetbeilt, daß dieses Blatt sich erdreistet bat, dem Darmstädter Hofe vorzuwerfen, er habe die schroffe Antwort deS Zaren an den Großberzog Friedrich direct veranlaßt und also einen fremden Herrscher zur Kränkung eines deutschen Bundesfürsten geradezu genöthigt. Heute finden wir in dem rheinischen Blatte folgenden Versuch, diesen Vorwurf zu begründen: „Unsere Annahme, daß die Vereitelung des Besuches des Groß herzogs von Baden beim Zaren in Darmstadt aus eine Ver stimmung des hes fischen Hofes gegen den badischen zuriick- zuführen sei, erfährt heute eine indirekte Bestätigung dadurch, baß uns aus zuverlässiger Quelle in Darmstadt gemeldet wird, daß am 24. Oktober, also am Tage nach der auffälligen Ver öffentlichung der „Karlsruher Zeitung", auf Befehl des Zaren der russische Hofzug in Darmstadt zu einer Fahrt bereit gestellt und die Lokomotive mehrere Stunden unter Dampf gehalten worden ist, daß aber schließlich die Be- Nutzung des Zuges unterblieben ist. Man wird wohl nicht fehlgehen in der Annahme, daß hier in der Thal feite ns des Darmstädter Hofes Einflüsse sich geltend gemacht baden, welche die bedauerliche Kränkung des badischen Hofes hervorgerufen haben." Was in aller Well nölbigt denn dazu, die Bereitstellung und Nichtbenutzung des russischen Hofzuges dem Darmstädter Hofe in die Schube zu schieben? Was, wenn nicht die Sucht, den mächtigen Zaren oder auch nur einen seiner Beamten aus Kosten des Fürsten eines kleinen deutschen Staates zu entlasten? Seit wann läßt sich der Zar sein Tbun und Lassen, seine Telegramme, die Bereitstellung und Nichtbenutzung seines Hofzugeö von einem deutschen Fürsten dictiren? Läßt nicht gerade diese Hofzugsgeschickle daraus schließen, daß der Zar von der Notbwendigkcit eines entgegenkommenden Schrittes gegen den Großherzog Friedrich überzeugt war und diesen Schritt nur deshalb unterließ, weil er in dem deutschen Reichskanzler einen geeigneteren Vermittler fand? Uebrigens beweist die „Köln. Ztg." selbst, daß sie an die Schnlv des Darmstädter Hofes nicht glaubt, denn sie schreibt an anderer Stelle: „Wir glauben den oft bewährten Patriotismus des Großherzoqs von Baden richtig zu deuten, wenn wir daran die Mahnung knüpfen, dem Vorfall nicht eine politische Bedeutung unterzuschieben, die ihm nicht innewohnt, denn über die Formen des gesellschaftlichen Verkehrs hat rklcht die politische Meinung, sondern das Taktgefühl zu Gericht zn sitzen. Wie aber auch dessen Wabrspruch ausfallen mag, er wird den Zaren nicht berühren, denn er ist Gast aus deutschem Boden und nach gutem alten Brauch ist dem Deutschen das Gastrecht heilig." Und ein solches Blatt untersteht sich, von „Taktgefühl" zu reden! Der Großberzog von Baden weiß, was er sich und seinem Lande schuldig ist. Er wird nicht mebr fordern, als was er nach Lage der Verbältnisse fordern darf. Aber darauf wird er bestehen und bestehen müssen, schon um in Frankreich die Meinung nicht aufkommen zu lassen, ein deutscher Fürst begreife die Pflicht des Zaren, aus Rücksicht aus den Zweibund deutsche Fürsten schroff behandeln zu lassen, und lasse sich deshalb eine solche Behandlung demüthig gefallen. Die „Köln. Ztg." beklagt den Streit über die Frage, ob Bayern Anspruch aus einen obersten Militairgerichts- hofeS habe, und bemerkt: „Unseres Erachtens wird dabei der Kernpunkt der Frage, wie unseren Söbnen und Brüdern im Heere das beste und gerechteste Strafrechts verfahren zu gewährleisten ist, in unzulässiger Weise in den Hintergrund gedrängt." Das ist ganz unsere, wiederholt geäußerte Meinung. Es hantelt sich hier um eine Angelegen heit, die zwar mittelbar, weil sie auf den Grad der Volks- tbümlichkeit unserer HeereSeinrichtungen starken Einfluß hat, von größter nationaler Bedeutung ist, aber eine Frage der Ausgestaltung des Reiches um der Einheit selbst willen ist die der Militairftrafprocestordnnug nicht in erster Linie. Boran steht die Nothwendigkeil eines besseren Rechtes für die große Mehrzahl der deutschen HeereSangehörigen. Und die diesen „Kern" unmittelbar um gebende Schicht bat gleichfalls keinen unmittelbar nationalen Charakter in dem gedachten Sinne. Hinter dem materiellen Bedürfniß kommt vor allem Anderen in Betracht, daß eine Zusage gegeben worden ist, deren Nichterfüllung dem Reicks gedanken viel mehr Abbruch tbun würde, als ein Zugeständ- niß an Bayern, das ein solches nach einer von uns nicht getbeilten, aber doch einmal vorhandenen und auch von Unbefangenen vertretenen RechtSaufsassung nicht einmal ist. Die „Köln. Zig." bebt noch aus dem Gutachten des, wie bekannt, daö Vorhandensein eines bayerischen Reservatrechls behauptenden Professors Seidel hervor, daß die Compclcnz der Reichögesetzgebung in dieser Materie, auch waS Bayern anlangt, unzweifelhaft sei, daß also in jedem Falle, auch wenn ein Neservatrecht anerkannt wird, dem Reiche eS zusteht, die Verfassung und das Verfahren eines obersten bayerischen Militairgerichtshofes zu bestimmen. Dies ist eine Bestätigung der Ansicht, daß die Frage der RechtSeinheit von einem obersten Particulargerichtöhose nicht so stark berührt wird, daß eS gerechtfertigt wäre, jene Frage anstatt des Interesses an der Rechtspflege und des Vertrauens zu der durch jenes Ver sprechen gebundenen Negierung in den Mittelpunkt der Er örterung zu stellen. Wir hoffen, daß die „Köln. Ztg." auf ihrem Standpunkte, von dem aus die Frage: ob Neservatrecht oder nicht, gar nicht diScutirt zu werden braucht, beharren wird, und noch dringender zu wünschen wäre, daß das Blatt Recht behielte mit seiner Annahme, wenn der Reickslag zusammenträte, also in etwa vier Wochen, würden zuverlässige Grundlagen zu einer sachlichen Beurtbeilung der Angelegen heit gegeben sein. Wir haben unsere Zweifel. In die verzweifelte innere Lage der österreichisch-ungarischen Monarchie ist durch die Rede, welche der ungarische Minister präsident Baron Banffy am Montag im Abgeordnetenbause gehalten hat, ein neues Moment der Verwirrung gekommen. Nach seinen Aeußcrungen knüpft die ungarische Verfassung die dualistischen Einrichtungen an die Voraussetzung, daß in Oesterreich verfassungsmäßig regiert werde. Wird in Oester reich die Verfassung umgestürzt — und das müßte eintreten, wenn di' Parlamente bei der Herbeiführung des gemeinsamen Ausgleich) versagten —, so entfällt die Vereinbarung über die Quote, so wird kein Vertrag über das Zollbündniß geschlossen, so schwebt auch die Existenz der Delegationen in der Luft. Nichts hindert dann Ungarn, seinen Beitrag nach eigener Wahl zu bestimmen und eS Oesterreich zu überlassen, was cs mit dem Nest tbun will. Die Verzehrungssteuer aus Zucker, Branntwein, Bier und Petroleum tonnte nach freiem Gefallen festgestcllt werden; der Dualismus wäre vernichtet, die Einheit der Monarchie preiögegcben. Baron Banffy hat sein lebhaftes Bedauern darüber auögedrückt, daß cs zur Handhabung dieser VcrfassungSbcstimmung kommen könnte, aber zugleich keinen Z weifel darüber gelassen, daß die ungarische Negierung im Falle der Noth entschlossen sei, von derselben Gebrauch zu machen. Zn Oesterreich ist man über diese Ministerrede natürlich aufs Höchste entrüstet, und namentlich die „Neue freie Presse" zieht gegen Banffy und dessen „Beutepolitik", die nur auf die politische Stärkung der einen und die Schwächung der andern Reichöhälfte hinausgche, scharf zu Felde. Sie schreibt, wie schon kurz angedeutet, u. A.: Die österreichische Verfassung ist noch nicht autgchoben. Trotz dem hat sich die ungarische Regierung in einer amtlichen Erklärung mit der Möglichkeit eines Staatsstreiches bereits abgejunden. In Oesterreich ist von einer gewaltsamen Lösung der parlamen tarischen Schmierigkeiten osficiell noch kein Wort gesprochen worden, und ein fremder Minister hält eS für schicklich, den Verfassungs bruch öffentlich zu erörtern und gegen alle Gevflogenheit im Völker verkehre die Achtung vor der Beständigkeit unserer Grundgesetze schon durch die Tbatsache zu verletzen, Laß eine auswärtige Regie- rnng sich ohne jede unmittelbare Nothwcndigkeit im Reichstag über die Folgen eines noch nicht vollzogenen Umsturzes äußert. Ter ungarische Minister - Präsident hatte keinen zwingenden und nicht einmal einen ausreichenden Grund, die österreichische Ver fassung so zu behandeln, als läge sie bereits auf dem Sterbe bette. Noch trennen uns zwei Monate vom letzten Termin für die Verlängerung des Ausgleiches, und bis dahin sind wir Niemandem irgend welche Rechenschaft über unsere inneren Verhältnisse ' schuldig und hat auch Las ungarische Ministerium nicht das Recht, das Ansehen unseres Staates durch die unziemliche Hyvolhese einer Verfassungswidrigkeit herabzusetzen. In zwei Monaten kann viel geichehen, ja es mag sogar mit dem Grafen Babeni eine der größten Schwierigkeiten der Krise beseitigt werden. Tic ver dächtige Eile Les ungarischen Minister-Präsidenten muß also den Eindruck Hervorrufen, daß die Politik jenseits der Leitha von dem Gedanken beherrscht wird, Oesterreichs Verlegenheit sei Ungarns Gelegenheit, um die separatistische Politik neuerdings zu stärken, mit einem Complimente vor dem Dualismus in Wirklichkeit die Idee der Unabhängigkeitspartei durchzusührcn, mit einer Verbeugung vor der pragmatischen Gemeinschaft und vor den großen Ueberlieferungcn eines Teak in Wahrheit den selbstständigen Willen der ungarischen Gesetzgebung der Monarchie auszucrlegcn. Kein ernster Mensch, der nicht aus Eigennutz heuchelt oder durch Leidenschaft verblendet ist, wird bestreiten, daß der Dualismus für immer tief erschüttert und für alle Zeit unheilbar geschädigt werde, wenn Ungarn nur einmal die Probe macht, daß es die Quote selbst ständig regeln könne, daß unsere Maaren drüben nicht auf Grund eines Vertrages, sondern nur und ausschließlich auf Grund eines Parlamentsbeschlusses die Zollsreiheit genießen, daß der ungarische Reichstag den Anspruch erbebe, die Befugnisse der Delegationen und die Festsetzung des gemeinsamen Budgets an sich zu reißen. Daß die ungariscke Regierung vor der äußersten Conse quenz nickt znrückschrccken wird, darüber braucht man sich bei dem energischen Charakter derselben keinem Zweifel hinzu geben. Dieser Erkcnntniß wird sich auck Kaiser Franz Josef nicht verschließen. Da er nun notorisch den Ausgleich um jeden Preis will und entscklossen scheint,es nickt zur Handhabung des ominösen Paragraphen der ungarischen Verfassung kommen zu lassen, bleibt ihm nur übrig, den Grafen Bade ui und sein deutschfeindliches System, Las allein die haltlose parla mentarische Lage verschuldet hat, fallen zu lassen, je eher desto besser. Die spanische Antwortnote in Betreff Eubas wird nach dem, was über ihren Inhalt verlautet, den Standpunkt der nationalen Würde voll und ganz aufrecht erhalten, das beißt, sic gesteht den Amerikanern durchaus nicht das Recht zu, sich, gleichviel unter welchem Vorwande, in die cubanischen Angelegenheiten einrumischen. Es ist dies ein durchaus correcteS Verfahren spanischerseits, denn WaS man auck immer von der Beschaffenheit des spanischen ColonialregimeS und von dem natürlichen Recht der Colonialbevölkerung, gegen eine Behandlung, die Cuba nur als milchende Kuh gelten läßt, sich aufzulehnen, urtheilen mag, so stebt doch jeden falls nicht den Amerikanern die Befngniß zu, sich in einem Handel zwischen einem fremden Staatswesen und dessen colonialer Depcndenz zu Schiedsrichtern anfznwerfen. Die Monroedoctrin, so verstanden, wie cs in Gestalt einer darauf sich gründenden Einmischung der Union in die spanisch-cubanischen Streitigkeiten der Fall sein würde, wäre nur eine Umschreibung für das Reckt deS Stärkeren, sich einem Schwächeren gegenüber jedwede Rücksichts losigkeit herauSzunehmen. Spanien hat also nicht nur Las formale, sondern auch das sachliche Recht für sich, wenn es den Amerikanern gegenüber unumwunden mit der Sprache herauSgeht. Eine andere Frage ist, ob den heroischen Worten auch ein entschlossener Wille zur Seite steht. Man wird sich kaum im Ernste zu dem Glauben bekennen wollen, daß Spanien um Cubas willen eS auf einen Krieg mit Len Vereinigten Staaten ankommen lassen werde. Wenn Spanien sich gleichwohl jede Einmischung der Ameri kaner entschieden verbittet und, mebr als das, der Regierung in Washington sogar die Leviten liest, weil sie den Durch- steckereien amerikanischer Staatsangehöriger mit den In surgenten durch die Finger siebt und dadurch sich zum Mit schuldigen deS cubanischen ChaoS macht, so kann der außen stehende Beobachter sich diese Sprache nur dadurch erklären, Laß man in Madrid triftige Grünte zu der Annahme haben muß, Amerika werde sich hüten, Spanien zum Aeußerslen zu treiben. Zn der Thal entspricht die Wehrverfassung ter Ver einigten Staaten weder zu Wasser noch zn Lande auch nur entfernt Len Aiisorderuiigen, die im Kriegsfälle an sie berantreten würden. Ein spanisch - amerikanischer Krieg dürfte schwerlich isolirt bleiben, und nicht Amerika dürfte es sein, Las für seine Sache Bundesgenossen fände? Die jetzige Haltung der amerikanischen Cubapolitik darf Fettilletsn. Onkel „Fridolin's unglückliche Liebe. 3s Novellette von Anna Klie. Nachdruck verboten. Am Abend diese- Tages vor dem Zubettgehen stand Aendel ein Weilchen regungslos vor dem «piegel und sprach dann ziemlich kleinlaut: „Amalie Caroline, findest Du meinen Hut eigentlich auch so scheußlich?" Amalie Caroline, die bereit- im Bett lag, horchte neu gierig auf. „Na — aber sicher!" lautete ihre prompte Antwort, das habe ich Dir doch schon einmal gesagt! Wer findet eS denn noch?" Eine Pause folgte der Frage. Dann tönte eS ans dem Nebenraume mit dem Klange offenkundiger Bctrübntß: „Doctor Wittfeld hat ihn einen Svatzensckeucher genannt!" „Siehst Du wohl?" Amalie Caroline fuhr triumphirend im Bett in die Höhe. „Die Wittfeld'S verstehen WaS von Toilette! Du hättest nur sehen sollen, wie genau der Student den Besatz meiner Blouse und meine Broche betrachtete!" Aendel schwieg. Nach einem Weilchen, al- ihre Cousine bereit- dem Ein schlafen nahe war, schlüpfte Aendel im Nachtgewand zu ihr in- Zimmer und setzte sich auf den Rand ihre- Bette-. „Du, ich habe eine Entdeckung gemacht, Amalie Caroline! Diese entzückende Zngeborg — findest Du sie nicht auch be- ranbernd? — Amalie Caroline bejahte gähnend — scheint sich für Onkel Fridolin zu interessiren! Weißt Du, was ich möchte? Daß sx sie zur Fran nähme! Dann wär: sie unsere Tante und r— und — na ja, wir wären dann Alle mit einander verwandt. Zngeborg als Tante fände ich hin reißend! Du nicht auch?" Amalie Caroline begann zu lachen. „Du Schäfchen!" sprach sie im Tone gereifter Lebens erfahrung, „darauf freue Dick nur nickt! Zch weiß genau durch Tante Else, daß Onkel Fridolin eine unglückliche Liebe hat und deshalb nie bciratben wird!" „Zst sie todt?" fragte Aendel mit großen Augen. „Nein, aber wahrscheinlich verheirathet! Sie war seine Kranzjungfer auf einer Hochzeit und gab ihm einen Korb und verschwand dann auf immer. So war die Geschichte! Und jetzt sitze da nicht noch länger mit nackten Füßen, sondern gebe in Dein Bett. Zch sterbe vor Müdigkeit! WaS brauchen überhaupt so alte Herren wie Onkel Fridolin noch zu bciratben? Zch glaube, er ist schon über vierzig Zähre! Gute Nackt, Aendel!" Aendel Kürenberg begab sich in ibr Bett, aber sie ver mochte nickt sogleich einzuschlafen. Während im benachbarten Zimmer ein muntere- Schnarchen verkündete, daß Amalie Carolinen'S Nachtruhe dnrch keinerlei Sorgen beeinträchtigt wurde, überlegte Aendel, wie man Zngeborg von des Onkels unglücklicher Liebe in Kenntniß letzen könne, und ob eS nicht Menschcnpflicht sei, hier einem doppelten Unglück vorzubeugen. Aber wie war dasanzufangell? ZcdenfallS durfte Zngeborg nicht die geheime Absicht der Warnung merken. — Guter Rath kommt über Nacht! Da- war Aendel'S letzter klarer Gedanke. Warum sollte auch ihr nicht durch einen einschlägigen Traum ein Fingerzeig für ihr wackeres Vorhaben zu Tbril werden? Als sie jedoch am andern Morgen erwachte, entsann sie sich, daß sie von Doctor Wittfeld geträumt habe, der ihren Hut aufgesetzt hatte und sie fragte, ob er sich so in die Erbsen stellen könne? „WaS hockst Du denn da wieder barfüßig vor Deinem Koffer, Aendel?" erkundigte sich Amalie Caroline mit schläfriger Stimme, mußt Tu mich denn immer durch Deine Kraspelei vor Tage aufwecken?" „Ach, ich suche etwa- in meinem Traumbuch«. Hast Du vielleicht auch geträumt? Dann sage mir nur gleich, WaS? DaS Nachsehen ist jetzt ein Abmachen!" „Ja, von einer dicken Spinne, Aendel! Es war nicht schön!" „Spinne? Merkmal! Hier — Spiel, Spiegel — Spinne! Eine Spinne sehen — Du mußt vor Gericht!" „Aendel, Du bist närrisch! Herrgott, die Uhr ist ja schon acht! Nun aber hurtig! Sollen wir nicht um neun Uhr die Wittfeld'- treffen?" — ES war zwei Tage später beim Frühstück, als Onkel Fridolin in ganz beiläufigem Tone gegen seine Schwester äußerte: „Uebrigens — Rammelsberg hat jetzt auch Zimmer frei! Er hat sie mir angeboren. WaS meinst Du zu einer Uebersiedelung nach Altenau? ES lohnt sich Wohl kaum noch für die paar Tage?" „O, das wäre ja in Erwägung zu ziehen! Zch bätte nichts dagegen!" versetzte Tante Helmine in nicht minder gleichmüthigem Tour. Niemand, der ihre Antwort ver- nominell bätte, würde auf die Vcrmutbung gekommen sein, daß ihr die Vorgänge auf jener verhänginßvollen Hochzeit bekannt seien. So ward denn ein allgemeiner Auszug nach Altenau in- Werk gesetzt und dort war man von nun an täglich mit Wiktscld'S zusammen. Am Abend deS ersten Tages in Altenau setzte Aendel mitten in der Nackt ihre Cousine in berechtigte- Erstaune» durch die Frage: „Ack, Du schliefest? Dann entschuldige, daß ich Dich angerusen habe, ich kackte Du wachtest auch. Sage doch einmal, Amalie Caroline, glaubst Du, daß man hier im Harze irgendwo einen Hut kaufen kann?" „Einen Hut? So laß Dir doch einen von Haus schicken!" „Ack, das gebt ja nicht! Mama ist doch verreist und alle Schränke sind zugeschlossen!" „Na, so gehe nur ruhig auch ferner mit deinem Spatzen- scheucber! Doctor Wittfeld wird sich wohl nachgerade daran gewöhnt haben. Er macht Dir ja trotzdem eifrig genug Cour!" „Dummes Zeug!" gab Aendel zurück, froh, daß nächtliches Dunkel der Gefährtin ihr Errötben ve-'-arg. — Za, Amalie Caroline sprach die Wahrheit: Kurt Wittfeld war Aendel Kürenberg stets auf Len Fersen. Aber Onkel Fridolin trieb eS doch eigentlich noch ärger, namentlich für einen Mann mit einer familicnkundig gewordenen unglück lichen Liebe! „Ich muß und muß Zngeborg einen Wink geben!" dachte Aendel mit kühnem Entschlüsse. Und es kam eine Gelegenheit, die ihrem Vorhaben günstig war. Der Tag der Abreise für Onkel Fridolin'S Nichten nahte heran. Es ward beschlossen, noch gemeinschaftlich mit Witt- feld's eine» letzten großen Ausflug nach Harzburg zu unter nehmen, dem elegantesten, jüngst zur Stadt erhobenen Bade orte der Nachbarschaft. Die Neisevorbercitungen zur Rückkehr waren beendet. Amalie Caroline batte bereits Tage laug vorder ein Wühlen und Kramen unter ihren Habseligkeiten erhoben, ihre beschädigten Lackschuhe und einen Fleck in ibrem himmelblauen StaatSkeide bejammert, der nicht „bcrauS- gcben" wollte. Aendel halte mehrmals ihr Taschengeld uach- gczäblt und sich und ihre Cousine durch fruchtloses Nach rechnen geplagt, um das nicht auszuklärende Schicksal eines zu viel verausgabten Groschen- zu ermitteln. Das war nun Alle- glücklich überstanden. Die Koffer hatte man voraus- gesandt und befand sich auf der Wanderung nach Harzburg. Auf dem Wege geschah e«, daß Aendel ein vierblättrigcs Kleeblatt fand und dasselbe ihrer Angebeteten, ihrem Zdeale, ter schönen Zngeborg verehrte. Freundlich dankend nahm eS diese in Empfang und stand still, um es in ihrem Notiz büchlein zu verwahren. So blieb sie mit ihrer kleinen Ver ehrerin ein« Strecke hinter den Urbrigen zurück.
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