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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971029025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897102902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897102902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-29
- Monat1897-10
- Jahr1897
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Bülow's Ernennung zum Staatssecretair des Aus wärtigen Amtes im „Reichsanzeiger" stand, während sein Vorgänger Frhr. v. Marschall, obwohl ihn die „Kreuzztg." bereits als „Botschafter in Konstantinopel" aus der Reichshauptstadt abgereist sein läßt, noch immer „anderweiter dienstlicher Verwendung" harrt. In Berlin — cs liegt in der Feststellung kein Vorwurf, die Nähe des Stand punktes verengert naturgemäß das Gesichtsfeld — sieht man eben auf die Details. Das Land, die durch Einzel heiten weniger beirrten, zurückgestoßenen und besorgten Patrioten gehen aufs Ganze. Sie lassen die Eonsequenzen des Berliner Regiments sich entwickeln. Aus Verzweif lung vielleicht die Einen, die Mehrzahl, um Ereignisse reden zu lassen, wo Beschwörungen »«gehört verhallt sind. Von den badische» nationalgcsinnten Mäklern, die eS am Mittwoch haben geschehen lassen, daß eine ultramontan- svcialdemokralisch-demokratische, eine reichsfeindliche Mehrheit in die Vertretung des durch seine Reichslreue aus gezeichneten badischen Landes einzieht, sind wir überzeugt, daß sie nicht aus Resignation, sondern in der Absicht, aufzurütteln, gehandelt haben. Es wird ja vielerlei „Locales" zur Er klärung der gar nicht zu leugnenden ernsten Niederlage der badischen Nationalliberalen beigebracht werden. Man wird auch daran erinnern, daß diese Partei schon mehrmals seit dem Jahre 1891 ihre bis dahin seit dreißig Jahren behauptete Mehrheit in der Kammer eingebüßt habe. Aber es ist nicht zu verkennen, daß diesmal die Ursacken des Mißerfolges nicht im Lande zu suchen sind. Zn Baten hat sich nichts zuge tragen, was die Bevölkerung erregen oder verstimmen konnte, Volkswirthschafl und Staatsfinanzen sind blühender als zur Zeit der voraufgegangenen Wahlen. Der Aus fall hat dem extremen Agrarlerthume, das denn auch keinen Gewinn zu verzeichnen hat, die Segel nicht gebläht, und was in Baden die Hauptsache ist: Unzufriedenheit mit den kirchenpolitischen Verhältnissen spricht sich in den Wahlergebnissen nicht aus, da wiederum überwiegend, ja fast ausschließlich katholische Wahlkreise natioualliberal gewählt haben, während die atheistische Socialdemokratie, Dank ultramontancr Unterstützung, und die für Trennung der Kirche vom Staate schwärmenden Demokraten, Dank der gleichen Hilfe, Erfolge davontragen. Der Unwille über die R e i ch s p o l i t i k, der sich durch Schmäle rung einer reichstreuen Partei zum Ausdruck verhelfen wollte, hat diese Wahlen gemacht. Aehn- lichcs hat man kürzlich bei der Neichtagsersatzwahl in Wiesbaden erlebt, wo die Wahlenthaltung nationallibcraler und gemäßigt-konservativer Wähler eine ungeheuere war. Ob in Baten außer Wahlenthaltung auch ein Uebergang ins gegnerische Lager staltgesunden hat, läßt sich zur Zeit noch nicht über sehen; in Karlsruhe, das zwei Socialoemokraten und einen Demokraten wählte, wird jedenfalls das Fernbleiben von der Urne den Ausschlag gegeben haben. Doch ist der Unterschied nicht erheblich, da in dem einen wie in dem andern Falle dem Verhalten der positiv gerichteten und oppositionell Wählenden die Absicht zu Grunde gelegen hat, keinen Zweifel über die herrschende Mißstimmung aufkommen zu lassen. Die „Kreuzztg.", als ein von den abnormen deutschen Zu ständen in Berlin profitirendes Zunkerblatt, hat neulich höhnisch bemerkt, die Klagen der Presse über die Berliner NegierungSverbältnifse würden nicht substanliirt. Das ist bis zu einem gewissen Grade richtig. Aber der Grund ist, daß das Strafgesetz der Benennung der Dinge bei ihrem richtigen Namen im Wege steht und Preßprocesse, wie sie die Substantiirung nach sich ziehen mußte, von keinem Ver ständigen als Heilmittel angesehen werden können. Die Wähler brauchen nicht zu „substantiiren", das verstehen die stets bewährten badischen Wählergruppen, die ein Warnungszeichcn aufpflanzen zu sollen glaubten, sehr wohl. Daß die Unzufriedenheit mit der reichsschädigenden Regierungspolitik den geborenen Reichsschädlingen zu Statten kommt, ist tief zu beklagen, aber unvermeidlich gewesen. Darüber, daß Reichstreue Badens einen Triumph ces Pfarrers Wacker zugelassen haben, kann sich am wenigstens die Berliner Politik beklagen, die die Verhätschelung des Ultramontanismus systematisch betreibt. Es wird sich verschmerzen lassen, daß Baden für zweiJahre sich mit einerKammermehrbeit, die der des bayerischen Abgeordnetenhauses politisch und national ähnelt, behelfen muß. Sehr schlimm aber wäre es, wenn man in Berlin die Lcction nicht verstände, die in einem reickSpoli- lisch vorbildlichen Lande soeben ertbeilt worden ist. Die Militairstrafproccßordnung, das Vereinsgesetz, die Unberechen barkeiten des Syslemes haben diese Wahlen gemacht. Sie sind ein Menetekel für die Negierung und für die national liberale Reichstagssraction, die ihre Stimme gegen das verbängnißvolle Berliner Wesen hätte erbeben können, was den Parteigenossen in der badischen Kammer nicht angestanden hätte, und für deren Unterlassungssünde die Freunde im Südwesten nun büßen müssen. Daß der „TarmstäStcr Zwischenfall" auf direktem Wege durch eine Verständigung mit dem badischen Hofe beglichen worden sei, wird jetzt auch der „Köln. Z tg." aus Darmstadt versichert. Eine Aufklärung in dem ofsiciellen Organe, der „Darmstädter Zeitung", so wird hinzugefügt, habe man schließlich für überflüssig gehalten. Und dann heißt es weiter: „Hoffentlich ist auf keiner Seite auch nur die geringste Miß stimmung zurückgeblieben. AlS der Großherzog Ernst Ludwig seinerzeit dem Großherzog von Baden einen Besuch ab stattete, bat er ihn in der herzlichsten Weise, ihm ein Freund und Berather in schwierigen Fallen zu sein. Diese Thatsache er höht das Gewicht der Auffassung, daß der hiesige Hof in freundschaftlich st er Beziehung zu dem badischen Hose steht, ebenso bestellen die allerherzlich st en Beziehungen zwischen Len beiderseitigen höchsten Hofbeamten. Ich kann natürlich nicht beurthcilen, inwieweit auch hier Fehler ge macht worden sind, davon bin ich aber vollkommen überzeugt, daß hier keinerlei verletzende Absicht bestand. Die vom hiesigen Hosbericht gemeldete Saujagd am Montag war, wie ich bestimmt weiß, seit Wochen für diesen Tag bestimmt, die Ein ladungen waren ergangen, die Veröffentlichung kann hiernach also auch nicht als „Gegenlrumpf" auf die Karlsruher Veröffentlichung angesehen werden. Auch bezeichnete mein Gewährsmann die Mit theilung, Laß der russische Hofzug zu einer Fahrt bereit gestellt worden sei, als die Folge einer Verwechselung, indem der Hof zug für das am Montag Abend im Hofzug von dem Zaren gegebene Nachtessen hergerichlet worden sei." Jedenfalls bat der Darmstädter Hof keine Ursache er halten, gegen den Karlsruher Hof verstimmt zu sein, denn dieser trägt keine Schuld daran, daß die Liebedienerei deS rheinischen „Wellblatteö" gegen die mächtigen Gäste am Darmstädter Hofe diesem den schnöden Vorwurf zuschleuderte, er habe die schroffe Antwort auf die Anmeldung des Besuches des GroßberzoqS von Baden veranlaßt. Um so mehr Ursache aber hat der Darmstädter Hof, empört über daS Verbalten der „Kölnischen Zeitung" zu sein. Wenn diese trotzdem mit einem blauem Auge davon kommt und einer Beleidigungsklage entgeht, so dankt sie dies lediglich der Rücksicht, die der Darmstädter Hof seinen Gästen schuldig ist. Diese müßte er in irgend einer Form einer Schuld zeihen, wenn er gegen die „Köln. Ztg." vorgeben wollte, und daS verbietet sich natürlich. Deshalb sucht man auch um eine offici eile Erklärung in der „Darmstädter Zeitung" herumzukommen. Jedenfalls wird der Karlsruher Hof die Rücksichten würdigen, die man in Darmstadt zu nehmen hat. Ob er aber auf alle und jede officielle Erklärung verzichten kann, ist fraglich. Wenn er cs thut und sich damit begnügt, in irgend einer Form durch dir „Karlsruher Ztg." erklären zu lassen, er sei davon überzeugt worden, daß der im Hosberichte dieses Blattes mitgetheiltcn Antwort eine kränkende Absicht nickt zu Grunde gelegen habe, so beweist er damit eine Rücksicht nahme, die ihm in Darmstadt und von den russischen Gästen hoch ungerechnet werden muß.Die „Köln.Ztg." sorgt übrigens selbst dafür, daß ihr Verhalten bei dem Zwischenfalle im rechten Lichte erscheint. Sie weist nämlich nach, daß die führende französische Presse „mit anerkennenswerthem Tact und würdiger Ruhe" die Sache behandelt und der naheliegen den Versuchung, den Zwischenfall zu Gehässigkeiten gegen Deutschland auszubeuten, sorgfältig aus dem Wege geht. Mit diesem Nachweise vollführl die „Köln. Ztg." eine Selbst züchtigung, mit der man am Ende auch in Darmstadt zu frieden sein kann. An dem vollständigen Fiasko der General st reik- hetzer in den belgischen Grubenbezirken ist kein Zweifel mehr möglich. Die zum I. November angedrohte allgemeine Arbeitseinstellung, falls die geforderte löprocentige Lohnerhöhung nicht bewilligt würde, entpuppt sich als ein bloßes Einschüchterungsmanöver, das an der entschlossenen, einmüthigen Haltung der Arbeitgeber wirkunglos abprallt. Seitdem es fest stand, daß das Gros der Arbeiterschaft sich durchaus nicht in den Generalstreik hineinhetzen lasten wollte, machen die social demokratischen Agitatoren aus der Noth eine Tugend, indem sie mit gut gespielter Entrüstung gegen die „infamen Gerüchte der Bourgeoisblätter" protestiren, die von einer socialdemokratischcn Generalstreik-Campagne fabelten. Etwas derartiges ist den socialdemokratischen Biedermännern angeblich niemals auch nur im Traume eingefallen; die Arbeiter sind ihrerseits mit den ent gegenkommenden Antworten, welche ihre Delegirten seitens der Unternehmer erhalten haben, sehr zufrieden und lasten sich an der von den meisten Werken letzthin bewilligten Sprocentigen Lohnaufbesserung genügen. Ohne auf die Friedfertigkeit der Arbeitcrbevölkerung Häuser zu bauen, ist dieselbe für den Augen blick doch sicher ernst genieint. Es geht zum Winter, und da streikt es sich schlecht, wenn man für Weib und Kind zu sorgen hat und keine unbedingt leistungsfähige Streikkasse hinter sich weiß. Das warnende Beispiel des englischen Maschinenbauarbeiter streikes kommt hinzu, um die belgischen Grubenarbeiter von Ge neralstreikmucken gründlich zu curiren. Nach den ruhmredigen Prahlartikeln der ganzen continentalen Umsturzjournalistik sollte von den englischen Maschinenbauarbeitern die Sache der Arbeiter in der ganzen Welt verfochten werden, und der Verlauf ihres Ausstandes vorbildlich sein für die Zukunft der internationalen Arbeiterbewegung überhaupt. Jetzt werden die Hetzer aller Orten wohl bereuen, so sehr mit bombastischen Reden um sich geworfen zu haben, denn die Niederlage der englischen Streikaktion ist nur noch eine Frage der kürzesten Zeit, und wenn man in Arbeiter kreisen die socialdemokratischen Prahlhänse beim Worte nehmen wollte, so wäre in absehbarer Frist die Hetztaktik vollständig lahm gelegt. Denn wenn selbst die als Streikpraktiker berühmten Ge nosten jenseits des Canals vor der geschlossenen Phalanx der Ar beitgeber die Waffen strecken müssen, was soll da auf dem Conti- nent werden, wo weder die Organisation noch die Finanzirung der socialdemokratischen Arbeiterverbände auch nur entfernt den Ver gleich mit dem englischen Vorbilde aushält. Das Scheitern de- projectirten belgischen Generalstreikes steht, wie man sieht, in einem gewissen Zusammenhänge mit der für die Hetzer un günstigen Wendung der englischen Streikaction. Vor einigen Wochen wurde aus England berichtet, daß Vv. Jameson, der Führer des räuberischen Einfalls in die Süd afrikanische Republik mit dem Weiterbau des afrika nischen Ueberland -Telegraphen von Nyassaland aus nordwärts nach dem Tanganyika und darüber hinaus beauf tragt sei. Jetzt liegen nähere Nachrichten darüber vor. Danach wurde im April d. I. der Bau, der unter Hinzunahme von Grund und Boden des Congostaates bis nach Nyanda weitergeführt werden soll, von Blanryre in Nyastaland aus fortgesetzt; am 20. Juli war man schon 93 Kilometer über das Fort Johnston am Südende des Nyasta hinausgelangt. Am 5. August sind sechs Weiße von Blantyre abgereist, um den Draht zwischen Karonga am Nyasta und dem Tanganyika zu legen. Zweihundert Tonnen Material, die zum Bau von etwa 250 Kilometer ausreichen, sind in Chinde an der nördlichen Mündung des Sambesi Ende Juli cingetroffen; dieselbe Menge wird im August dort erwartet und dürfte ausreichen zur Herstellung der Linie bis zum Tanganyika. Der Major Forbes glaubt, daß der Telegraph den Südpunct des Tanganyika im März oder April nächsten Jahres erreichen wird. Von dort wird er unverzüglich am westlichen Ufer dieses Sees weiter fortgesetzt, um endlich Uganda zu erreichen. Deutschland hat, wie man sich erinnert, im Jahre 1894 Einspruch erhoben gegen den englisch-kongole sischen Vertrag, weil in ihm die Verpachtung eines 25 Kilo meter breiten Streifen Landes zwischen Deutsch-Ostafrika und dem Congostaate zu Zwecken des Telegraphenbaues festgesetzt war. Man war aus guten Gründen der Ueberzeugung, daß dadurch die Lage im inneren Afrika zu unseren Ungunsten verändert würde. Auf Deutschlands Einspruch wurde denn auch der auf die Ver Pachtung bezügliche Artikel des Vertrags gestrichen, und der deutsche Protest trug mit dazu bei, daß der ganze Vertrag nach einem Proteste Frankreichs zu Falle kam. Nun haben sich Eng land und der Congostaat offenbar ganz in der Stille geeinigt, um das Unternehmen in neuer Form doch noch zu Stande zu bringen, denn es ist wohl wenig Unterschied, ob England den bc treffenden Grund und Boden in Pacht (ä. ball) nimmt oder em leiht (empluntant). An Stelle eines offenen internationalen Vertrages hat man unzweifelhaft einen heimlichen geschäftlichen Vertrag abgeschlossen. DieWirkung ist aber dieselbe, zumal da die von Herrn C. Rhodes geleitete Gesellschaft für den Ueberland Telegraphen Rechte auf das fragliche Gebiet in Anspruch nimmt, die der Erwerbung der Landeshoheit fast gleichkommen. Der Bau des Telegraphen in der jetzt geplanten Form kann ebenfalls nicht mit den Pflichten der Neutralität und den sonstigen dem deutschen Reiche gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten des Congo staates in Uebereinstimmung gebracht werden, wie es schon in einem Schreiben des Frhrn. v. Marschall vom 9. Juni 1894 hieß. Deutschland wird wohl auch jetzt wieder die Mittheilung nach Brüssel richten wüsten, daß es einen entscheidenden Werth darauf legt, unverzüglich von der Stellung unterrichtet zu werden, welche Feirrllstsn. Oer Page. 2j Roman von A. Heyl. Nachdruck verboten. Die Schloßfrau rang die Hände. Eine kostspielige Dienerschaft und keine Bedienung! Wie sollte das werden, wenn morgen der Bräutigam mit seiner hochgeborenen Verwandtschaft eintraf? Die aristokratischen Herrschaften würden naserümpfend auf sie herabsehen. Wo waren die Leute, die hier arbeiten sollten? Wahr scheinlich in der Küche, um sich an den Leckerbissen, die für die hochzeitliche Tafel bestimmt waren, gütlich zu thun. Wo befand sich die Braut, welche hier anordnen und Aufsicht führen sollte? Im höchsten Grade gereizt, eilte Frau von Monhardt in den Seitenflügel des Schlosses, wo Melanie's Gemächer lagen, und trat unerwartet in deren Boudoir ein. In diesem mit raffinirtem Luxus ausgestatteten Raume hielt sich die junge Dame mit Vorliebe auf, die Mutter war sicher, sie da zu treffen. Sie lag auch wirklich in den schwellenden Atlaskissen ihrer Chaiselongue und war so vertieft in die Lektüre eines Romans, daß sie die An wesenheit ihrer Mutter Anfangs gar nicht beachtete. Diese mußte sie mehrmals beim Namen rufen, bis sie sich bewogen fand, die gesenkten Lider zu heben, den Kopf ein klein wenig zu wenden und die verdrießlichen Worte aus zustoßen: „Laß mich in Ruhe, cbero maman." Dann setzte sie die unterbrochene Lektüre fort und nahm keine Notiz mehr von der Anwesenheit ihrer Mutter. Der Verdruß über so viel häusliche Widerwärtigkeiten, welcher Frau von Monhardt in das Zimmer ihrer Tochter geführt, steigerte sich bei deren auffallender Ungezogenheit bis zur Wuth. Sie vergaß in diesem Augenblick ihre Vor nehmheit ganz und gar und verfiel wieder in volksthümliche Manieren und Ausdrucksweisen. „Du und Dein stumpfsinniger Vater, Ihr bringt mich noch vor der Zeit unter die Erde. Euere Trägheit grenzt ans Lasterhafte. Er sitzt den ganzen Tag in seinen vier Wänden, rührt sich kaum, glotzt in eine Ecke oder zur Ab wechslung auf ein schreckenerregendes Bild und überläßt es anderen Leuten, sich an seiner Stelle zu ärgern. Besser gar keinen Mann, als einen solchen! — Du überspannte Gans streckst die faulen Glieder auf dem Sopha aus und wenn es im Hause drunter und drüber geht, so ficht Dich das wenig an. Du blickst von Deiner unnahbaren Höhe auf die häusliche Misäre herab, wie eine Fremde, die dem Allen ferne steht, und wenn ich einmal meinem gepreßten Herzen Luft machen will, dann hast Du für meine Klagen nur ein mitleidiges Lächeln. Auf meinen schwachen Schultern liegt die ganze Last allein. Ich muß sorgen, schaffen, ord nen, mit dem widerspenstigen Gesinde kämpfen und wenn dann ein Versehen in der Hausordnung fühlbar wird, be komme ich Vorwürfe. Es ist abscheulich!" „Du verstehst nicht, zu befehlen, cböre maman", versetzte Melanie in ruhigem, gleichgiltigem Ton, während sie ein Blatt in ihrem Buche umwandte und weiterlas. „So spricht ein unerfahrener Gelbschnabel", platzte Frau von Monhardt los. „Ich befehle den ganzen Tag, ich wiederhole Alles zehnmal, ich frage eben so oft, ob das Befohlene geschehen ist, und ich soll es nicht verstehen? Es liegt nicht am Befehlen, am mangelnden Gehorsam liegt eS." Melanie legte das Buch bei Seite, warf der Mutter einen bösen Blick zu und entgegnete in schärferem Tone als bisher: „Das ist es ja, was ich meine. Wo nicht recht be fohlen wird, wird auch nicht recht gehorcht. Aber wozu Worte verschwenden? Du verstehst mich ja doch nicht und verfällst, so bald Dich etwas aufregt, in Deine plebejischen Manieren zurück, die mir, nimm es nicht übel, in der Seele zuwider sind. Es wäre sehr wllnschenswerth, wenn Du ein bischen auf Dich Acht geben wolltest. Die geballten Fäuste, der grimmige Gesichtsausdruck geniren mich nicht bei einem Höckerweib, die gellende Stimme, die drastischen Redens arten mögen einem solchen wohl anstehen — aber meiner Mutter stehen sie nicht an. Es wäre peinlich für mich, wenn der Graf und seine Familie diese Schwächen gewahr würden. Was sollten sie. denken? Du weißt, es sind sehr vornehme Leute!" Sie dehnte die Vorsilbe dieses Prädikats bis ins Unendliche. Verdruß und Beschämung kämpften bei Frau von Mon hardt um die Oberhand. „Melanie", rief sie in strafendem Ton. „Lasse mich jetzt in Ruhe", fuhr diese zürnend auf, „Du machst mich nervös." Wenn Melanie anfing, nervös zu werden, dann lenkte Frau Monhardt ein, um häuslichen Skandal zu vermeiden. Diese Nervosität steigerte sich zuweilen ins Ungeheuerliche, sie artete zuletzt in Wuthanfcille aus, in denen das zarte Wesen alle Gegenstände, deren es habhaft werden konnte, in Scherben zertrümmerte, die kostbarsten Kleider in Fetzen riß und dabei wie eine Besessene tobte. In Anbetracht dessen fand Frau von Monhardt für gut, sich schweigend zurückzuziehen und die Tochter wieder mit ihrem Roman allein zu lassen. Die letzte Instanz, an die sie sich in ihrer Bedrängniß wenden konnte, war der Gatte. Die Zeit drängte, sie konnte sich und ihm die Un annehmlichkeiten nicht ersparen und beschloß daher, ihn so fort aufzusuchen. Seine Zimmer lagen abseits, auf der Rückfront desselben Flügels, nicht sehr weit von denen seiner Tochter entfernt. Hier herrschte tiefe Stille. Von Haus und Hof drang kein Ton hier ein. Die Fenster gingen auf eine ausgedehnte Wiese, die sich ostwärts bis zum Saum des Eichwaldes erstreckte. Westwärts wurde die Aussicht durch Hügel begrenzt, von deren höchstem Gipfel eine Capelle ins Thal herabschaute. Um ein Gelübde zu erfüllen, er baute vor vielen hundert Jahren Franz Ritter von Adlers hof diese Capelle seinem Schloß gegenüber. Die Abkömm linge dieses edlen Geschlechts waren im Laufe der Zeiten verkommen, das Schloß kam in Besitz von Emporkömm lingen, Alles war anders geworden, nur die Capelle stand unverändert; zwar vom Zahn der Zeit benagt, morsch und baufällig, aber doch noch brauchbar, um ein uraltes Gnaden bild zu beherbergen und die frommen Seelen aus der Um gegend unter ihrem Dache aufzunehmen. Eine Menge Sagen und Legenden knüpften sich an dieses Fleckchen Eide, verliehen dem Hügel eine gewisse Weihe und erstreckten sich auch auf das Quellwasser, das unweit der Capelle entsprang, über Steingeröll jäh abwärts stürzte und sich am Fuße deS Hügels in den Bach ergoß, der die Räder der Capellmühle trieb. Von dieser Seite des Schlosses bot sich dem Be schauer ein Blick in das friedliche Leben der Natur. Menschen sah man zumeist nur aus der Ferne, Dorfbewohner, die nach der Mühle gingen, oder Andächtige, die den Hügel erstiegen, um in der Capelle zu beten, dann aus der Quelle Wasser zu schöpfen, oder von den am Ufer sprossenden Kräutern zu pflücken, um Heiltränke für Menschen und Vieh daraus zu brauen. Nur zur Zeit der Heuernte war es lebendig auf der Wiese, nachher wurde dieselbe kaum noch von einem menschlichen Fuße betreten. Wer ein Herz für die herrliche Schöpfung Gottes und für seine Geschöpfe in Wald und Flur hatte, der fand Ergötzen an dem Anblicke der bunten Vögelein, die durch die Lüfte schwirrten oder auf schwan kenden Zweigen sich wiegend ihre Lieder sangen. Hier und da huschte ein Eichhörnchen durch die Wipfel der Bäume oder ein Rudel Rehe kam gegen Abend zum Waldessaume, um zu äsen. Ein sinniges Gemllth mochte sich daran er götzen, der Schloßherr kannte dergleichen Empfindungen nicht. Die Aussicht war ihm gleichgiltig. Er suchte nur Ruhe, d. h. Geräuschlosigkeit, und da er in dem weiten Bau keinen stilleren Winkel finden konnte, so schlug er hier seinen Sitz auf, entfernt von Allem, was ihn störend an das ge schäftige Treiben der Welt erinnerte. Die Einrichtung der Zimmer machte einen düsteren Ein druck. Schwere Gardinen von dunkelgrünem Seidenstoff dämpften das eindringende Licht. GrabesLhnliche Ruhe und unheimliches Dämmerlicht lagen über dem Raum, in dem sich Herr von Monhardt vorzugsweise aufhielt. Dunkel- rothe Sammettapeten bedeckten die Wände. Der Plafond war im Geschmack des vorigen Jahrhunderts mit vergoldeten Stuckarbeiten überladen. Bausbackige Amoretten, Füll hörner tragend, machten Miene, die anwesenden Sterblichen mit den darin enthaltenen Schätzen zu überschütten, und diese lachenden Genien, die Zeugen einer üppig heiteren Zeit, paßten wenig zu dem finsteren Ernste, der die übrige Ein richtung kennzeichnete. Die Möbel von Rosenholz waren kostbar, auch bequem, aber keineswegs dem Auge gefällig. Ebenso wenig konnte sich der Blick an den Bildern erfreuen, welche in schweren Goldrahmen die Wände zierten, sie ver gegenwärtigten nur Schreckensscenen zu Wasser und zu Lande und berührten trotz ihres hohen Kunstwerthes unan genehm. In der Mitte des Zimmers stand ein massiver, runder Tisch. Ein großer Globus, Land- und Seekarten, Comvaß, ein Fernglas, Cursblätter, Bücher Uber Land- und Völkerkunde, aus- und inländische Zeitungen lagen darauf bunt durcheinander und unter diesen merkwürdiger
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