Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-01
- Monat1897-12
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug-.PreiA «« d« Hauptexpedition oder den Nn Stadt» drjtrk und de« Bororten errichteten Aut» Ladestellen ab geholt: vierteljährlich ^4.50, bei zweimaliger täglicher Anstellung in» Haut ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dirken tägliche Arruzbandsenduug tut Au-land: monatlich 7.50. Di« Morgen-Au-gabe erscheint um '/«7 Uhr, die Abeud-Autgabe vochentag« um b Uhr. Lr-action Erve-Mo»: Aohaunetgaffe 8. Die Srpedition ist Wochentag« annuterbroche» ««össtiel von früh 8 bit Abend« 7 Uhr. Filialen: Ltt» Klemm'» Sartin,. (Alfred Hatz», UnivrrsitSt-strahr 3 (Panlinum), Lauit Asche, Kathariuenftr. 14, pari, «h KSuiglpla» 7. Abend-Ausgabe. MpMer. TagMatt Anzeiger. Amlsölatt -es königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Rothes und Nolizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Anzeigeu-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf-, Neclamen unter dem RedactionSstrich (4g«> spalten) 50^, vor den Familieanachricht« ^gespalten) 40^. Größere «chriften laut unserem Preit» verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gesalzt), nur mit dm Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderunz' 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. AnnahmeschluK für Anzeigen: Abeud.Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Slorgeu»Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sei den Filialen uud Annahmestellen je «bl» halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Erpetttia» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz bi Lrlpzich 613. Mittwoch den 1. December 1897. 81. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. December. Ueber die Aufnahme, welche die Thronrede zur Er öffnung des Reichstags bei seinen Mitgliedern gefunden bat, liegen zuverlässige Meldungen noch nicht vor; manche der Herren werden sich erst in den Fractionssitzungen darüber schlüssig machen, wie sie die Thronrede aufnehmen wollen. Auch von den Auslassungen der Presse über die Rede ist wenig zu berichten. Aedes Blatt verhalt sich zu ihr so, wie eS sich zur Marinevorlage verhält. Mehrfach wird hervor gehoben, daß auS der ruhigen und sachlichen Sprache, in der die eigentliche Thronrede sich über dieses Thema vernehmen läßt, nicht die Kampfeslust wehe, welche die Gegner der Flotten verstärkung wie eiu SturmeSbrausen zu vernehmen behaupten. Der Wunsch ist der Vater der Sinnestäuschung. ES ist zwar nichts undankbarer, als heutzutage irgend eine Be hauptung über daS, was in den leitenden Kreisen beabsichtigt wird, aufzustellen, aber schwerlich ist die Annahme irrig, daß zur Zeit in diesen Kreisen Niemand an einen ungünstigen ÄuSgang der Berathungen über die Flottenfrage glaubt. Man halt die Gründe, die für die Marincvorlage sprechen, für zu durchschlagend, als daß sie ihre Wirkung auf die Mehrheit des Hauses verfehlen könnten. Daß der Kaiser von der besten Zuversicht erfüllt ist, gebt aus de» Worten, die er der Thronrede hmzugefügt hat, mit voller Deutlichkeit hervor. Aber gerade deshalb würde die Annahme gewagt sein, der Kaiser und seine hoben Verbündeten würden sich mit einer Enttäuschung ihrer Zuversicht leicht abfinden und der Ablehnung der gesetz lichen Festlegung der Flottenorganisation in der Hoffnung sich fügen, daß der nächste Reichstag eine der Erfüllung der Wünsche der Regierung günstigere Zusammensetzung haben werbe. Jedenfalls ist sogleich bei der Feststellung der Thron rede ein persönliches Nachwort des Kaisers in Aussicht ge nommen worden, denn vem PassuS der Rede über die Marine vorlage fehlt der Schluß, der irgend eine Hoffnung, Er wartung oder Mahnung enthält. DaS holt das Nachwort nach, auf dessen Wirkung besondere Hoffnungen gesetzt zu werden scheinen. Ob sich diese erfüllen werden, ist heute noch weniger vorauszusagen, als gestern, denn die Berliner Blätter, deren Vertreter dem EröffnungSacte beiwohnten, berichten grundvcrschiedeu über die Wirkung dieser Worte. Während einige von „eisigem Schweigen" reden, das den kaiserlichen Worten gefolgt sei, glauben andere „tiefe Er griffenheit" der Anwejenden constatiren zu können. Während der Verlesung der Thronrede selbst wurde Beifall nur nach den auf die auswärtige Politik und auf die Finanz lage bezüglichen Stellen laut. Es ist auch, wie wir bereits betont haben, sehr erfreulich, daß im nächsten Etatsjahre sogar die Aufwendungen für die Er neuerung des Artillerie-Materials ohne Belastung der Bundesstaaten aus den laufenden Mitteln bestritten werben können. Aber der Ausspruch der sächsischen Thron rede über die Unsicherheit des einzelstaatlichen Finanzwesens bleibt dennoch so lange berechtigt, bis die finanziellen Ver hältnisse zum Reiche gesetzlich anderweitig geregelt sein werden. Ueber die Ankündigung der Militairstrafproceß- ordnung konnten sich die uns heute vorliegenden Berliner Blätter noch nicht äußern. Die Einbringung wurde mit Bestimmtheit erwartet, aber der Anhalt der Vorlage wurde erst in Len späten Abendstunden bekannt. DaS ist jeden falls ohne Absicht geschehen, denn dieser Anhalt würde wahr scheinlich einen günstigen Eindruck auf die Mehrzahl der versammelten Abgeordneten gemacht haben. Ob dieser Ein druck bei genauer Prüfung der Einzelheiten vorhält, muß abgewartet werden; vorläufig erscheint die in der Thron rede ausgesprochene Erwartung, daß das Haus dem Be streben, ein gleichmäßiges gerichtliches Verfahren für die gesammte bewaffnete Macht einzusühren, seine verständniß- volle Mitwirkung gewähren werde, nicht zu kühn. Am Uebrigrn war am gestrigen Eröffnungstage recht wenig Zuversicht auf gedeihliches Arbeiten zu verspüren. Die durch zu geringe Frequenz herbeigeführte Unfähigkeit, den Reichstag zu constituiren — unseres Wissens der erste derartige Fall feit dem Bestehen deS Reichstags — war ein Scandal. Heute findet die Neuwahl des Präsidiums statt. Von conservativer Seite wird bekannt gegeben, daß die Fraction keinen Anspruch auf einen Sitz im Präsidium erheben und zwar für Frhr. von Buol stimmen, aber bei der Wahl der beiden Vicepräsidenten sich enthalten werde. Auf nationalliberaler Seite liegt, wie vor längerer Zeit bereits mitgetheilt, kein Anlaß vor, eine andere Stellung einzunehmen, als diejenige, die bisher in Consequenz des Verzichts auf eine der drei Präsidialsitze beobachtet worden ist. Die kommende Session wird also daS alte Präsidium behalten, wenn die Socialdemokratcn auf den ihnen zu stehenden Präsibialsitz verzichten. WaS daS „Bureau Dalziel" und das „Bureau Reuter" über die deutsche«« Forderungen an China zu berichten wissen — beide englische Quellen stehen in einzelnen Punkten im Widerspruch — kann natürlich nicht als authentisch an gesehen werden, vielmehr hat man darin nur Versuchsballons zu erblicken, in London aufgelassen, wo man gar zu gern erfahren möckte, was Deutschland wirklich verlangt. Daher ist eS gleichgiltig, ob daö „Bureau Reuter" davon spricht, Deutschland wolle Kiao Tschau als dauernde „Flotten station" oder, wie eine nachträgliche Berichtigung der betreffenden Meldung wissen will, nur als dauernde „Kohlenstation" besetzen. Ueber die russisch-französische Auffassung des deutschen Vorgehens schreibt der russisch- ofsicivse „Nord": „Alle«, was in den englischen Blättern über Schwierigkeiten erzählt wurde, die zwischen Ruß land und Frankreich einerseits und Deutschland andererseilS über die Besetzung von Kiao Tschau durch eine Abtheilung deutscher Truppen entstanden wären, entbehrt jeder Be gründung". Die übrige russische Presse fährt fort, dem deutsch-chinesischen Zwischenfall gegenüber sich mit fast demonstrativer Glcichmüthigkcit zu verhalten: die Kiao Tschau - Angelegenheit wird entweder gar nicht erwähnt, oder nur an zweiter oder dritter Stelle in dürrer Reproduction der Meldungen ausländischer Blätter, wobei zu bemerken ist, daß in der Auswahl dieser Excerpte gegenwärtig eher die Tendenz einer Parteinahme für die prasumirten Absichten Deutschlands, als die ent gegengesetzte sich bemerkbar zu machen scheint. Der Peters burger Correspondent deS „Figaro" sandte diesem Blatte folgendes Telegramm: „Die russische politische Welt ist keines wegs erregtdurch bieNachrichtvon der Occupatio» derBucbtund der Forts von Kiao Tschau durch die Deutschen. Falls diese Occu patio» sich als eine langdauernde erweist, wird Rußt and dar in keinerlei Unbequemlichkeiten für sich sehen. Der Handel Deutschlands im fernen Osten hat sehr bedeutende Dimen ¬ sionen angenommen, und darum ist eS ganz natürlich, daß diese Macht den Besitz eines Hafens in jenen Regionen an strebt. England, als der Hauptrivale Deutschlands auf dem Gebiete deS Handels, ist freilich bemüht, einer solchen Besitz nahme dieses HafenS Hindernisse zu bereiten, wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach seitens deS Petersburger Cabints nicht diejenige Unterstützung finden, nm die eS sich jetzt bewirbt." Das neue österreichische Ministerium Gautsch stellt sich als reines Beamtcnministerium ohne jeden parlamentarischen Einschlag dar. Die meisten neuen Minister sind bisher SectionSchefs ihrer Ressorts gewesen. Unterrichtsminister Graf Latour ist klerikal, und als Volksschulreferent steht ihm der klerikale Professor Hirn zur Seite, ebenso ist der Ackerbauminister Graf Bylandt klerikal. Dieser kon fessionelle Anstrich erregt bei den Deutschen Bedenken. Böhm, Wörber, Ruber, Mittel gelten als mehr neutrale Fachmänner. Die Stelle deS polnischen LandS- mannministers wurde vorläufig nicht besetzt, weil die Ab geordneten PininSki und Pientak sich weigerten, die Stelle anzunehmen, da Gautsch nicht bestimmt erklären konnte, ob er mit oder ohne Parlament regieren werde. Er beabsichtigt Ersteres, wahrscheinlich wird er zu Letzterem gezwungen sein, da sich sowohl wegen der Beseitigung der lex Falkenhayn, als wegen der Sprachenverordnungen große Schwierig keiten ergeben. Was die letzteren betrifft, so kennt man die Stellung der Parteien: sie halten an ihren alten Forde rungen fest. Aus der Mittheilung, daß „keiner der früheren Minister in daS Cabinet eintreten sollte, welche die Sprachenver ordnungen unterzeichnet haben" —und tatsächlich ist kein solcher berufen worden, — ließ darauf schließen, das; der neue Ministerpräsident beabsichtige, mit diesen Verordnungen gründlich aufzuräumcn. Andererseits ist aber auch, was die nächsten Absichten des BaronS Gautsch betrifft, nur von einer „Vereinbarung über die Sprachenfrage" und zwar provisorischen Charakters die Rede, woraus sich ergeben würde, daß er einer sofortigen radikalen Lösung der Frage nicht geneigt ist. ObGautschWillensist, die Sprachenverordnungen für die deutschen Bezirke einstweilen außer Kraft zu setzen, während sie in den tschechischen Bezirken aufrechterhallen bleiben, er scheint ungewiß, ebenso, ob er wieder wie Taaffe auf die Sprengung der deutschen Parteien hinarbeiten wird. Daher wächst wieder die Kampfstimmung in deutscher« Kreisen. Dies geht ». A. auch aus der folgenden Meldung hervor: * Wie», 30. November. Der Gemeinderath nahm die An« träge des Sladtraths Wähner an, der Gemeinderath möge dem Kaiser für die Entschließung vom 28. d. M. den ehrfurchtsvollsten Dank aussprcchen, und dabei der Erwartung Ausdruck geben, das neue Ministerium we«de die Sprachrnverordnungen, sowie den Antrag Falkenhayn beseitigen; des Weiteren möge der Gemeinderath das Bedauern auSsprechen, daß nicht kämmt« tiche deutsche Abgeordnete im Widerstände gegen die Sprachen« Verordnungen und in der Brrtheidigung der parlamentarischen Frei- heilen einig seien. Der Gemeinderath drückt den Obstruktion i st en den Dank für ihre Haltung aus und erwartet zuversichtlich, daß sie im Kampfe gegen die Sprachenverordnungen, Len Antrag Falken« Hayn und das Ausgleichsprovisorium verharren und nöthigensalls zu den äußersten parlamentarischen Mitteln schreiten werden, endlich möge der Gemeinderath die Entrüstung über die Ver« Wendung von Polizei im Parlament, sowie die Mißbilligung über das Vorgehen einzelner Polizeiorgane ausjprechen. Wenn in diesen Anträgen von der Uneinigkeit unter den Deutschen die Rede ist, so bezieht sich das auf den die Tiroler Abgeordneten umfassenden Theil der klerikale i Volkspartei, die unter dem Eindruck der letzten Abgeordneten- Haussitzungen sich der Opposition angeschlossen hatten, sich aber nachträglich von der Mehrheit wieder haben einfangen lasst::. Die andere Schwierigkeit ist die, daß daS schmachbeladen - Präsidium nicht weichen, die Linke nicht mit ihm unterhandeln und die Mehrheit die lex Falkenhayn nicht fallen lassen will. Der Schluß der Tagung zur Beseitigung des jetzigen Präsidiums und die E Öffnung einer neuen Tagung ist schwer, weil in der neuen Tagung alle Vorlagen, einschließlich des AusgleichS-Provi- soriumS, neu eingebracht werden müßten und auch die Dele gations-Mandate erlöschen würden, daher zunächst eine Diktatur Gautsch mit klerikalem Einschlag zu erwarten wäre, wobei auf Grund des NothParagraphen 14 (Regelun. deS Ausgleichs, so weit er Oesterreich angeht, durc!> die Krone) auch daS Ausgleichsprovisorium durchgefühn würde. Wie die Dinge liegen, wird eS überhaupt un umgänglich sein, seine Zuflucht zu dem Nothparagraphen zu nehmen. Der ungarische Ministerpräses Banffv gab in Wie«« die bestimmte Erklärung ab, nur bis nächsten Montag warten zu können. Falls bis dahin keine Bürgschaften gegeben sind, daß der ReichSrath da Provisorium annehmen werde, müßten Vorlagen zu einer selbstständigen Regelung deS wirthschaftlichen Verhältnisse-.- beider Staaten im ungarischen Reichstage ringebracht werden Welches Schicksal diesen Vorlagen aber bevorsteht, ist voll kommen unabsehbar. Zur beabsichtigten Theilung der südamertkanischcn Republik Bolivia wird unS von unterrichteter Seite mit getheilt : Vor drei Monaten richtete die Regierung der Republik Peru an die chilenische Regierung eine Note, in welcher sie erklärte, daß Pen« in der Lage sei, die süd peruanischen Provinzen, welche nach dem letzten Kriege zwischen den beiden Republiken an Chile gefallen waren, zurückzukaufen. Der Friedensvertrag läßt diese Möglich keit ausdrücklich zu, und falls sich Chile weigern sollte, auf den Antrag Perus einzugrben, so beabsichtigt letzteres, die Ver mittelung bezw. den Schiedsspruch der Bereinigten Staaten von Nordamerika anzurufen. Da nun aber Chile durchaus nicht geneigt ist, die reichsten und wichtigsten Salpeterprovinzen wieder berauszugeben, so schlug eS der peruanischen Regierung eine Entschädigung auf Kosten Bolivias vor. Begreif licherweise aber würde sich Bolivia eine solche Beraubung nicht gutwillig gefallen lassen, und da Peru nicht über die erforder lichen militairischen Streitkräfte verfügt, so würde Chile genöthigt sein, die Vollziehung durch sein gut organisirtes Heer allein vorzunehmen. Dies aber meinte Chile nicht umsonst tlmn zu können, woraufhin der Plan einer vollständigen Theilung Bolivias zwischen Pen« und Chile aufgestellt wurde. Derselbe sollte besonders für den Fall zurAuSführung gelangen, daß Argentinien anläßlich des jüngsten Bürgerkrieges in Uruguay diesen Staat annectiren würbe. Andessen wurde der Aufstand in Uruguay noch einmal ohne ein unmittelbares Einschreiten Argentiniens beigelegt, weshalb nunmehr Chile und Peru in Buenos Aires den Vorschlag machten, Argen tinien möge sich ebenfalls ar« der Theilung BoliviaS be theiligen. Das diesem angebotene Stück Land erscheint jedoch Len Herren in Buenos Aires als ziemlich werthloS, während sie eine weitere Vergrößerung Chiles und dessen endgiltige Verständigung mit Peru als sehr gefährlich für Argentinien i F-uillrton. Der Page. 29 j Roman von A. Heyl. Nachdruck verboten. „Nein und abermals nein. Ihr Geld ist nicht in Ge fahr, wenn Sie die dargebotene Hand ergreifen, aber Ihr Gewissen ist in Gefahr, wenn Sie die Hand zurückweisen. An den dummen Streichen, die der Junge gemacht hat, sind Sie in erster Linie selbst schuld. Dachten Sie wirklich, man könne einen Menschen wie Hans in beliebige Form lneten? Den begabten Jungen, dessen ganzes Streben danach ging, sich Kenntnisse und Bildung anzueignen, zwan gen Sie, die Bücher bei Seite zu legen, um Mehlsäcke zu schleppen. Er mußte sich fügen, wie sich auch sein Wille da gegen aufbäumte. Das war ein Tyrannenstücklein, Meister Sturm. Tyrannei erzeugt Revolution und so kam es zum Bruch. Und was seine dummen Streiche anbelangt," fuhr der Doctor unentwegt fort, „so muß ich sagen, daß ich diese Leidenschaft, die ihn erfaßte, unter den gegebenen Verhält nissen noch als ein Glück betrachte. Ist es Ihnen nicht lieber, Meister Sturm, Ihr Sohn hat sich vorübergehend in den Strudel des Lebens gestürzt, hat sich eine Weile von den hochgehenden Wogen treiben lassen und ist dann wieder ans Ufer geschwommen, als daß er, mit dem Geschicke grollend, den Tod in den Wollen des Mühlbaches suchte? Der Hans ist Ihr Sohn, gleich Ihnen ist er nicht unempfindlich gegen den Reiz der Frauenschönheit und trotzdem hat er bei Weitem nicht so viel Unheil angerichtrt, wie dereinst Sie, mein Verehrtester." Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Jakob Sturm bemühte sich, den Drang seiner Empfindungen hinter einer finsteren Miene zu verbergen. Schweigend starrte er zu Boden, während der Andere ungeduldig auf Antwort wartete. „Nun heraus mit der Sprache", platzte dieser endlich los. „Wie lautet der Bescheid?" „Ich will mirs überlegen", klang es dumpf von des Müllers Lippen. Doctor Franz machte ein böses Gesicht. Hastig griff er nach Hut und Stock und ging ohne Gruß nach der Thüre. Sturm eilte ihm nach. „Sie gehen im Unwillen von mir, Doctor " „O bitte recht sehr. Guten Tag, Herr Sturm!" Damit war der Doctor verschwunden. Unterdessen schritt der verlorene Sohn mit wechselnden Empfindungen in dem Fremdenzimmer des Doctorhauses auf und ab. Die Reue über sein Thun in der jüngsten Vergangenheit nagte an seinem Herzen. Was waren diese Monhardt's, diese Melanie für verabscheuungswllrdige Menschen! Wohin wäre er vielleicht getrieben, ohne die Warnung des Pagen? Er — vielmehr s i e war der ret tende Engel gewesen, der ihn am drohenden Abgrund vorbei geführt. Der Ruhelose trat ans Fenster und blickte in den Garten hinunter, da gewahrte er Emilie Dorset, die sich dort eifrig zu schaffen machte. Hier und da schweifte ihr Blick über den Feldweg, von wo der Doctor Heimkommen sollte, wenn er die Antwort des alten Sturm brachte. Eben bog die lange, hagere Gestalt des angstvoll Erwarteten um die Ecke. Als er näher kam, winkte er Emilie zu sich heran; sic sprachen miteinander, aber aus den ernsten Mienen Beider erkannte Hans, daß der Doctor keine versöhnliche Antwort erhalten. Der Doctor setzte seinen Weg fort, Emilie ging ins Haus. Bald hörte Hans ihren leichten Schritt vor der Thür, sein Herz pochte heftig. Jetzt stand sie ihm gegenüber. „Sprechen Sie das Wort aus, Emilie", sagte er traurig, „ich weiß es, es heißt: „Nein". Mein Vater stößt mich von sich — „Nicht doch, nein, nein", versetzte sie rasch, ihre Bewe gung bemeisternd. „So schlimm ist es nicht. Herr Doctor erwartete einen glänzenden Erfolg und mußte sich mit der Erklärung begnügen, Ihr Herr Vater wolle sich die Sache überlegen." „Das ist, so viel ich meinen Vater kenne, eine Absage in höflicher Form", sagte Hans, indem er erschüttert und tief aufseufzend auf einen Stuhl sank. Emilie konnte die Thränen nicht länger zurückhalten. Dann flüsterte sie dem Armen tröstliche Worte zu; er dürfe nicht verzweifeln, noch sei nicht alle Hoffnung aufzugeben. Und wie plötzlich von einem rettenden Gedanken belebt, raffte sie sich zusammen und mit den Worten: „Es wird noch Alles gut werden", verließ sie eiligst das Zimmer. Ihr schnelles Weggehen riß Hans aus seiner Versunkenheit empor. Was wollte sie thun, wohin wollte sie gehen? Er vermochte sich diese Frage nicht zu beantworten. Nach einigem Besinnen kam er zu dem Entschluß, den letzten Versuch einer Versöhnung mit seinem Vater durch ein Schreiben zu machen, in welchem er Alles ungeschminkt darlegen und um Vergebung bitten wollte. Nach vielen vergeblichen Versuchen hatte er das Schriftstück endlich aufgesetzt. Eben wollte er es zusammen falten, als die Thür hastig aufgeriffen wurde. Auf der Schwelle stand Lieschen, abgemagert und mit verweinten Augen, aber mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen. Im nächsten Augenblick hielten sich die Geschwister innig um schlungen. „Mein guter Hans, mein Herzensbruder", rief sic halb lachend, halb weinend. „Komin mit nach Hause! Der Vater will Dich sehen, er will Dir verzeihen. Du siehst mich zweifelnd an — Du glaubst es nicht? Und doch ist cs so; die liebe, die gute Emilie Dorset hat nicht nachge lassen mit Bitten, bis der Vater weich wurde. Sie hat eine Schilderung entworfen von der dämonischen Gewalt, welche diese Melanie über die Männer erlangt, von den Mitteln, die sie anwandte, um Dich zu bethören, von den Kämpfen, die Du bestanden, ehe Du Dich aus unwürdigen Banden frei gemacht." „Und der Vater?" forschte Hans. „Er begegnete ihr doch nicht unfreundlich?" „Er war schon ein wenig mürbe, eh« sie kam. Als sie nun anhub: „Herr Sturm, ich bin die Tochter der armen Grete, und ich habe eine große Bitte an Sie zu richten", da starrte er sie an und war keines Wortes mächtig. Der Klang ihrer Stimme schien ihm zu Herzen zu dringen, er lauschte ihrer Rede und vertiefte sich in ihren Anblick. Sie erzählte die Geschichte ihrer Mutter, ihre eigene Geschichte, wie sie zur Gräfin gekommen und was sie da erlebte." Hans blickte nachdenklich vor sich hin, er sprach mehr zu sich: „Dieses Mädchen ist mein guter Engel. Welche Beweggründe leiten sie ?" Lieschen drängte zum Gehen: „Wir werden erwartet, Hans!" „Ja, Ihr werdet erwartet, Kinder", bestätigte die Frau Doctorin, welche während der letzten Worte eingetreten war. „Die Base ist unten, um Euch zu holen. Soeben ist Lies chens Bräutigain angekommen." Lieschen war unangenehm berührt. „Warum muß der gerade heute kommen", bemerkte sie ärgerlich. Diese Bemerkung brachte eine schmerzliche Wir kung auf den Bruder hervor. „Steht es so mit Dir?" fragte er betroffen. Sie ver harrte schweigend. „Ja, so steht es, leider Gottes!" antwortete Frau Clo tilde. Neunzehntes Capitel. Nach Melanie's Rückkehr von Adlershof in der Residenz kam es zwischen den Gatten zu scharfen Auseinandersetzun gen. Der Graf erklärte «nit aller Entschiedenheit, die Ehre gebiete ihm, dem Anstoß erregenden Benehmen seiner Frau ein Ziel zu sehen und falls ihm letzteres nicht gelingen sollte, auf Trennung der Ehe zu klagen. Melanie wollte über diese plötzlich auftauchenden Anfälle von peinlichen« Ehrge fühl die Lauge ihres Spottes ergießen, er aber brachte sie mit heftigster Stimme zum Schweigen. Darauf fand sie es für gut, die gekränkte Unschuld zu spielen, welche sich in der Ferne ausweinen will. Ihr Wunsch nach einer Reise kam auch dem Grafen recht; er gedachte durch eine Reise von einigen Wochen dem bösartigen Gerede aus dein Weg zu gehen. So beschloß man denn, für einige Zeit auf dem Stammschloß der Riveros iin südlichen Tirol Aufenthalt zu nehmen. Melanie hoffte dort Ruhe zur Ueberlegung zu gewinnen, um den kommenden, sie bedrohenden Ereignissen mit Erfolg gegenübertreten zu können. Als der Graf unter der Dienerschaft, welche sie begleiten sollten, auch des Pagen erwähnte, erbleichte die Gräfin und vermochte kaum ihre Fassung zu behalten. Sie berichtete dann, daß sie dem Schlingel, der lüderlich geworden sei und die Nächte nicht nach Hause komme, eine Tracht Prügel verabreicht und ihn dann mit Aufträgen hierher geschickt habe. Wenn er hier nicht eingetroffen sei, so werde er wohl durchgebrannt sein, oder aber, falls er kein Unterkommen fände, sich bald wieder einfinden. Uebrigens brauche man ihn ja in Tirol nicht. Der Graf schien von diesen Mittheilungen nicht sonderlich erbaut, doch wurden seine Gedanken bereits durch die be vorstehende Reise in Anspruch genommen, so daß er über die Sache vorläufig nicht weiter nachdachte. Das Paar reiste, da auch die Nachrichten über Me-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite