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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971204023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-04
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Vez«g-»Prei- Li» Morgkn-ÄllSgokx ersch-iut «» */,7 Uhr. dt» >b«»d^l»»«ab» »ocholt-«« «a » Utz«. Rck«tto« ««» Lnetttto»: -.tz««»,««» 8. Li»IxV^it1lm «st Wochentag« aainlkr-roche» Ent »» früh 8«t» ««ckS 7 Utzk. FIttile«: Dtt» Me»»'« Tsrtt«. (Alfretz Hech»), L»iversttit«straß« S tPaalta«^ L.ui« Lösch«. Latharinenstr. ich pari. >md KöaigtvUch 7. Abend-Ausgabe. MpMer TllgMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. «19. Sonnabend den 4. December 1897. AuzeigeU'Prei- die S gespaltene Petitzeile IM Pfjp Nrclam«» mtter L«« Nedactionsstrich (4ga» spalte») Lü/iZ, vor d«a Aamüiemutthncht«» (6 gespalten) 40 Größer« Schriften laut unser«» Preis» perieichaiß. Tabellarischer und Zifsernfatz »ach höherem Tarif. vktra--Beilagen (gesalzt), »ur mit d« Morgen«Lu-aabe, ohne Postbeförderunt SO.—, mit Postbesörderuag «ck 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Nbeud-Lusqab«: vormittag« 10 Uhr. Rtorg« »«Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annabmestrllen je ei«» halb« Stunde früher. Anzeigen fiad stet» au die Erpeditis» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Lelpzlch 9l. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 4. December. Um seine Kräfte für die am Montag beginnende erste Deratbung deS Flotten - Gesetze- aufzusparen. hat der Reichstag gestern seine Tagesordnung rasch nach rein sachlichen Debatten erledigt. Selbst der Gesetzentwurf über die Entschädigung unschuldig Berurtbeilter, von dem angenommen werden konnte, er werde zu längeren und lebhaften Erörterungen Anlaß gebe», weil er die Entschädigung aus Diejenigen beschränken will, die im Wiederausnahmeverfabren den Beweis ihrer Unschuld erbracht und sämmtliche VerdachtSgriinde erschüttert haben, wurde in erster Lesung so ruhig und sachlich erledigt, daß man eine Verständigung in der Com mission mit Sicherheit erwarten darf. Am Montag wird erwartet, daß die erste Berathung deS Klotteugesetzes vom Reichskanzler mit einer Erklärung werbe eingeleiket werden. Die Hoffnung, daß bald darauf Herr v. Bennigsen da« Wort ergreifen werde, wird leider schwerlich in Erfüllung gehen, da sein Vertreter in den Oberpräsidialgeschäften schwer erkrankt ist. Darüber, d. h. über daS Fernbleiben deS national liberalen Führers, wird besonders Herr Eugen Richter erfreut sein, der überdies so glücklich ist, in seinem leidenschaft lichen Kampfe gegen die Flotteaverstärkung einen Bundesgenossen gefunden zu haben, mit dem er Staat und Eindruck machen zu können hofft. Er weiß als alter Praktikus, daß auch die schönsten und kräftigsten Schlagwörter wie die vom „Helden- kampf gegen den Absolutismus" und von der „ungeheuer lichen Knebelung deS EtatSrechtS" verhältnißmäßig rasch sich abnutzen, und so weiß er eS zu schätzen, wenn ihm Jemand mit sachlichen Gründen beispringt. Jetzt kann er den Lesern der „Freis. Ztg." die frohe Botschaft verkündigen, daß es „den Exporthäusern Hamburg« angesichts der Flotten-Agitation nachgerade angst unk bange wird wegen ihre« überseeischen Geschäfts". AlS EideShrlfer für diese große Neuigkeit, die man an der Elbe mit lebhaftem Erstaunen zur Kenntnis nehmen wird, führt Herr Richter einen „Hamburger Großkaufmann" an, der jüngst in einem mit seiner NamenSchiffre unterzeichnete» Artikel gegen die Ausführungen deS CapitainlieuienantS WiSlicenu« protestirt habe, und girbt sodann den betreffenden Arlikel zum größten Theile wieder. Freilich muß er den Beweis dafür, daß der Verfasser wirklich ein Hamburger Großkaufmann sei, schuldig bleiben. Und wenn er auch wirk lich diesen Beweis noch sollte führen können, so wird es» auch wenn Herr v. Bennigsen fehlt, nicht schwer sein, die Autorität dieses EtdeShelfer« zu charakterisiren und nachzuweisen, welche Stellung der allergiößte Theil de« Hamburger Großhandels thatsächlicb in der Floltenfrage einnimmt. Man braucht nur an den letzten Jahresbericht derHamburgischen Handels tamm er zu erinnern, in dem eS heißt: „Mit Dank erkennt die deutsch« Kaufmannschaft und erkennen die zahlreichen im Auslande lebenden Deutschen an, daß die kaiserliche Marine, soweit ihre beschränkten Mittel gestatten, eS sich angelegen sein läßt, den deutschen Interessen ibren Schutz zu gewähren.... Leider aber haben in diesen wie in anderen Fällen die durch die Sachlage gebotenen Maßregeln wegen des Mangels an Schissen manchmal eine Verzögerung erfahren, durch di« leicht ihr Zweck hätte vereitelt werden können. Bei keiner Ration ist das Verhältniß der Kriegsmarine zur Handelsmarine und zu dem Umfang der über seeischen Interessen so ungünstig wie in Deutschland. Erfreulicher Weise findet die Ueberzeugung, daß die für den Schutz dieser Interessen ausgewendeten Mittel keine unproductiven sind, im deutschen Volke immer weitere Verbreitung, und es wäre zu wünschen, daß demgemäß auch die auf eine entsprechende Ver mehrung der Kriegsflotte gerichteten Forderungen ein bereit« willigeres Entgegenkommen fänden." So schrieb man vor einem Jahre in Hamburg, und so denkt man zweifellos auch heute noch. Und wenn Herr Eugen Richter vaS nicht glauben sollte, so könnte ihn fern eigenes Blatt belehren, das unmittelbar nach dem Arlikel seines EideShelferS das Gerücht verzeichnet, die Freisinnige Vereinigung in Hamburg, d. h. der liberale Verein, wolle eine große Kundgebung für das Flollengesetz veranstalten. Wie in jedem Jahre, so sind auch diesmal beim Zn- sammentreten de- Reichstags die Parteien mit einer großen Neide von Initiativanträge» hervorgetrelen. Kommt schon sonst immer nur ein sehr kleiner Theil dieser Anträge zur Erledigung, so wird dies in diesem Jahre besonders der Fall sein, weil die Dauer der Session eine begrenzte sein muß und weil dem Hause zwar nicht viele, aber sehr wichtige und voraussichtlich eine große Zahl von Sitzungen in An spruch nehmende Vorlagen von der Regierung unterbreitet worden sind. Es hätte sich darum eme Beschräntung der Jniativanträge auf solche, deren Berathung einmal nicht viel Zeil in Anspruch nimmt und die zweitens Aussicht auf Annahme nicht nur im Reichstage, sondern auch im BnndeS- ralhe haben, wohl empsohlen. Von den Anträgen der nationnalliberalen Partei kann man wohl sagen, daß sie diesem Erfordernisse entsprechen. Sie beziehen sich auf Arbeiterschutz, Sicherung des deutschen Petro- leumbanudel«, L o l le r l e i ch t e r u n g e n in einzelnen bestimmten Fällen bezw. aus die Nichtverzollung aus dem Aus lände einaesührter Stoffe in solchen Betriebsställcn, die nur für daS Zollausland arbeiten, u. dergl. Ganz im Gegensätze zu diesen rein sachlichen Anträgen stehen die vornehmlich einen agitatorischen Zweck verfolgenden Anträge derSocial- demokraten. DieÄufhedung der Ge>indeordnung, die Einführung des Achtstunden-ArbeitstageS, die Aufhebung der Paragraphen über die Majestäts beleidigung: Alles sind Anträge, deren Aussichtslosigkeit von vornherein feststebt und die nur eingebracht sind, um den Genossen im Lande zu zeigen, daß die Partei nicht müßig ist. Einer der focialdemokratischen Anträge, der die Aujoebung deS Diktaturparagraphen in Elsaß- Lothringen betrifft, ist allerdings der Annahme im Reichs tage sicher, aber nicht minder sicher ist nach den Erklärungen der Negierung im vorigen Jahre, daß der Bunkesrath in absehbarer Zeit nicht anfden Paragraphen verzichten wird. Die Socialdemokraten haben gerade diesen Antrag wobt nur einge bracht, um das Mandat in Straßburg, das dadurch, daß Bebel diesmal dort nicht candidirt, recht wacklig geworden ist, zu behaupten. Welchen Zweck das Cent rum mit der Wiebereinbringung seines Jesuitenantrags verfolgt, liegt auf der Hand. Zustimmender als zu diesem Anträge kann man sich zu dem Verlangen der EenlrumSpaitei stellen, daß amtlich Untersuchungen über den Umfang und die Gefahr der Beschäftigung schulpflichtiger Kinder im Gewerbebetriebe stattfiuden sollen. Gleichzeitig von mehreren Parteien wird die Wieder vorlegung einer Novelle zur Strafproceßordnung angeregt, hauptsächlich um die Einführung der Berufung noch im Laufe dieser Session zu sichern. Wenn irgendwo, so zeigt sich gerade bei diesem Anträge Las böse Gewissen des Reichstages, der im vorigen Jahre durch seine Hart köpfigkeit die Zustiznovelle nach fast zweijährigen Beralhungen zu Falle gebracht hat. Ob jetzt die Zeil ausreichr, die Novelle zur Verabschiedung zu bringen, ist sehr fraglich, und noch fraglicher ist es, ob der Bunkesrath auf die Verab schiedung durch diesen Reichstag noch Gewicht legt. Zur Verstärkung der in der Aiao-Tschau Bucht gelandeten Mannschaften wird nicht nur Marine-Infanterie, sondern auch Marine-Artillerie von Kiel und Wilhelmshaven nach O'lasien entsendet werben. Es wird ein combinirles Malrosen-Arlillerie-Detacheinent formirt, das sich aus 200 Mann ter vier Matrosen-Artillerie-Abtheilungen zusammen setzt. Die Mannschaften werden Geschütze der Feld artillerie mitnehmen, da die Marineverwaltung über eine genügende Anzahl von Landungszeschützen nicht verfügt. Von der Marineinfanterie werden lOOO Mann entsendet werden, so daß beute beide Seebataillone, die in Kiel und Wilhelmshaven in Garnison liegen, zur Auslösung gelangen. Für den großen Transport wird die Marineverwaltung Schiffe des Loyds chartern, außerdem werben genrretbete Dampfer im Dienst der Marine nach der Kiao-Tlchau-Buckt in See gehen, welche die nölhigen AuSrllstungsgegenstäiide, Munition, Pivviant rc. befördern sollen. Dieser bedeutende Truppen aufwand dürfte die sicherste Gewähr dafür sein, daß dre deutsche Neicbsregierung nicht blos die Absicht hat, Genugtbuung und Gewähr für die Zukunft zu verlangen, sondern baß man sich darauf einrichtet, an der Oslküste Chinas bauernd festen Fuß zu fassen. Allem Anschein nach wird uns dabei auch Niemand in den Weg treten. Nach der ossicwien Miitheilung deS „Hamb. Corr,", die wir bereits wiedergegebcn, bat ein fceundichaftlicher Meinungsaustausch über die Kiao-Tscbau-Frage zwischen den nachstbetbeiligten Mächten staltgefunten und ergeben, daß ernstliche Ver wickelungen ausgeschlossen sind. Diese Meldung, aus welcher übrigens wieder zu entnehmen ist, daß Deutschlands Absickt auf dauernden Landerwerb geht — wozu sonst Ver handlungen vvn Cabinet zu Cabioet? — findet ihre Bestäti gung in der andern auS chinesischer Quelle, daß Rußland für das in Peking angeregte Schiedsgericht nickt zu haben sein werde, da cs selbst Korea zu nehmen beabsichtige. Mag das Letztere richtig sein ober nicht, jedenfalls hat man sich in Peking davon überzeugt, daß Rußland China nicht gegen Deutschland zu Hilfe eilen wird. Eine weitere Bestätigung ist die ebenfalls schon mitgelbeilte Auslastung des hochojficiösen „Journal des Töbats", daß man sich in Frankreich durch die Besetzung der Kiao-Tschau-Bucht nicht beunruhigt fühle. Wenn Las Blatt auf die Möglichkeit hinweist, baß die Deutschen und die Franzosen in Ostasien sich einmal gegen seitig Beistand leisten, so ist darin ein Einlenken in die russische Politik zu erblicken, die, wie wir neulich schon auSsührten, dahin abzielt und abzielen muß, sich so viel als möglich „gute Freunde und getreue Nachbarn" in seinen künftigen „ostasiatischen Provinzen" zu sichern. Tie Alarmnachrichten englischer Blätter, Ruß land, Frankreich und Deutschland hätten ein „Raub"°C»nsortium gebildet, um die besten chinesischen Territorien unter sich zu vertheilen, und Japan verstärke daher seine Garnison auf Formosa, lassen wir, als den Tharsachen zum Mindesten vorauseilend, vorerst dahingestellt sein. WaS England selbst betrifft, so wird eS, gleichwie Japan, eben geschehen lassen müssen, was es nicht hindern kann. Man denkt auch in London gar nicht daran, uuS mit bewaffneter Hand entgegenzulreten. Vielmehr bat man, nachdem man den Hongkong gegenüberliegenden Strich deS Festlandes, wie sich jetzt herausstellt, schon vor einiger Zeit, von China er halten hat, die Gelegenheit für günstig erachtet, abermals ein einträgliches Schachergeschäftchen zu entriren. Man hat, wie von verschiedenen Seilen gemeldet wird, von Deutschland die Abtretung deS deutichen Neu-Guinea-Schutz- gebietes, das England früher schon einmal vergeblich „be ansprucht" hat, als „Schweigegeld" gefordert. Darauf ist selbst verständlich eine ablehnende Antwort erfolgt. England ist also wieder auf dem besten Wege, FiaSco zu machen, wie auch der offenbar von ihm ausgehende Vorschlag, die Angelegenheit einem Schiedsgericht zu unterbreiten, kein Glück haben wird. So nützlich und gut Schiedsgerichte für Streitfragen zwischen zwei Ländern sind, kann ein solches nicht eiatreten, wo offene Mordthakcn vorgekommen sind, noch weniger aber dort, wo, wie in China, die Macht der Centralregierung sich nur in beschränktem Maße in den Provinzen geltend macht, wo daher der Schutz der Fremden nicht genügend gesichert ist. Da sind die fremden Staaten in die Zwangslage ver setzt, Vorkehrungen zu treffen und sich die Möglichkeit zu sichern, sofort zum Schutze bereit zu sein und energisch ein greisen zu können. Die revolutionären Vorgänge in Testerrrich, speciell in Prag, ließen befürchten, daß die Wuth deS tschechischen PöbclS sich nicht nur gegen Deutsch-Böhmen, sondern auch gegen Reichsdeutsche wenden würbe. Thal- FerrrHrton. Der Page. 32 j Roman vo» A. Hehl. Nachdruck »rrd»c«l. „Meinen Sohn wollen sie fortführen — als Mörder ihn verhaften? DaS wollen wir doch sehen. Herber die Knechte! Jagt die Fanghunde fort! Ist daS ein Gesetz?" So seiner Entrüstung Luft machend, stürzte der Müller in die Stube, versetzte dem Gendarmen, der die Hand an seinen Sohn gelegt hatte, einen derben Stoß, daß der Mann des Gesetzes zurücktaumelte, dann drängte sich der Wüthrnde zwischen den Bedrohten und seine Angreifer, die geballte Faust zur Abwehr erhoben. Lieschen und die Gäste stellten sich dem Alten zur Seite. Die Knechte waren im Hof ver sammelt und rathschlagten, wie sie ihren jungen Herrn be freien wollten», Es entstand ein wüstes Lärmen und Fluchen, dazwischen Bitten und Wehklagen — ein wirres Durch einander. Clotilde allein bewahrte die Fassung und suchte Unglück zu verhüten. Sie drängte sich durch, bis sie HanS zur Seite stand und dann redete sie ihm zu, sich in das Un vermeidliche zu fügen. Der alte Sturm geberdete sich wie ein Rasender, als er die Fesseln erblickte. Ehe es der Gen darm verhindern konnte, wurden sie ihm gewaltsam ent rissen, um in den brausenden Wellen des Baches zu ver schwinden. Mit blanker Waffe trat jetzt der ältere Gendarm auf den Müller zu und fragte zum letzten Male, ob er sich ge duldig fügen oder der Staatsgewalt widersetzen wolle. Han« wollte vortreten, sein Vater hielt ihn zurück; in diesem Augenblick wurde der Alte am Kragen gefaßt und mit Ge walt zurückgeschleudert; er taumelte, schlug mit dem Kopf an die Mauer und stürzte bewußtlos zu Boden. Lieschen warf sich mit lautem Wehgeschrei an der Seite ihres VaterS nieder. Hans fand jetzt seine Fassung wieder. Er warf noch einen schmerzlichen Blick auf seinen verwundeten Vater, dann befahl er mit lauter Stimme den Knechten, sich ruhig zu verhalten und folgte den Gendarmen, welche es ge statteten, daß der Weg ins Gefängniß in der schnell bereit gestellten Kutsche zurückgelrgt wurde. Die Gäste rüsteten sich zur Abreise und die Base war ihnen dabei behilflich. Es wurde nur im Flüsterton ge sprochen, was unbedingt gesagt werden mußte; es war, als ob allen Anwesenden die Kehle zugeschnürt sei. Lieschen kümmerte sich nicht um daS Treiben der Anderen, ihr ganzes Denken und Fühlen war ihrem Vater gewidmet. Man hatte den unglücklichen Mann in seinen Sorgenstuhl ge bracht; da lehnte er nun, den Kopf auf die Brust gesenkt, die Augen geschlossen, theilnahmslos gegen die Umgebung. Während Lieschen sich um ihren Later sorgte, war Peter Groll, der bis dahin in schützender Verborgenheit ge blieben war, an sie herangetreten und sagte in schonungsloser Rücksichtslosigkeit mit geringschätziger Miene: „Nach dem, waS vorgefallen ist, kann mir kein Mensch zumuthen, in solch eine Sippschaft einzuheirathen." Lieschen zuckte zusammen, ihr Stolz lehnte sich gegen diese Behandlung auf: „Ich bin die Letzte, die Dir das zumuthet, Peter Groll. Nimm Dein Wort zurück und gehe, ich halte Dich nicht auf. Daß Du mich in dieser Stunde verläßt, das zeigt mir klar, wie wenig wir zwei zusammen passen." „Soll ich mich vielleicht darum ansehen lassen, daß Dein Bruder eine Mordthat begangen hat. Es bleibt ein Schand fleck für die ganze Freundschaft —" „Mein Bruder ist unschuldig", betheuerte Lieschen, die Hand zum Himmel hebend. „Nur ein Mißverständniß kann seine Verhaftung herbrigefllhrt haben." Der Bauer stampfte ungeduldig mit dem Fuße: „Das ist Alles eins — unschuldig oder nicht. Die Gendarmen haben ihn fortgeführt; daS ist schon genug. Und kurz und gut, ich nehme mein Wort zurück." Dann wandte er sich zum Gehen. Lieschen athmete auf, als sei sie einer er drückenden Fessel ledig geworden. Auf der Landstraße hielt die Kutsche der Familie Schneid; sie schienen auf Peter Groll gewartet zu haben. Sie luden ihn zum Einstrigen ein, und bald war Peter Groll von den Liebenswürdigkeiten der Frauen so eingenommen, daß er seinen Besuch auf dem Kohlhofe zusagte. Babette sah ihre Zukunft im rosigsten Lichte. Während sie durchs Dorf fuhren, sammelten sich die Leute in Gruppen und ver handelten mit lebhaftem Interesse die schauerliche Mordge schichte, welche durch die auS der Stadt Heimkehrenden Ver breitung gesunden hatte. An eine der Gruppe trat jetzt der Lehrer Wertmann heran und erfuhr hier von dem Obermüller die Vorkomm nisse in der Mühle. Ohne sich lange zu besinnen, wandte er seine Schritte dorthin. In der Mühle war schon die Lampe angezündet. LieScken war um den Vater geschäftig und gewahrte den Eintretrnden nicht gleich. Als sie ihn jetzt erkannte, vermochte sie dem Ueberdrang der Empfin dungen nicht mehr zu widerstehen — der Mann, den sie verlassen hatte, er kam in dieser Stunde, da die Anderen sich von ihr und ihrem Vater abwandten; mit einem Freudenschrei stürzte sie dem Freunde entgegen, der wie schützend die Arme um sie breitete. Der Müller war wieder zum Bewußtsein gekommen, bei dem Schrei, den seine Tochter ausgestoßen, hatte er die schweren Lider gehoben und allmählich reihten sich die Be gebenheiten der letzten Stunde in seiner Erinnerung folge richtig aneinander. Er begriff die Bedeutung von Wert- mann's Besuch in dieser Stunde der Noth und Schmach. Mit einer matten Stimme bat er den Lehrer näher zu treten, streckte ihm die Hand entgegen und zog ihn zu sich heran. Sie beriethen miteinander, was zu thun sei und einigten sich dahin, Gustav Wertmann solle noch in selbiger Stunde nach der Residenz gehen, um mit einem tüchtigen Rechts anwalt in Verbindung zu treten. Der Weg zur Stadt, den der Lehrer bei Mondenschein zurücklegte, war ihm noch nie so kurz vorgekommen; ihm däuchte, die Landstraße sei mit Rosen bestreut und die Sterne, welche in lichter Pracht am Firmament glänzten, wären lauter Glückssterne. Einundzwanzig st es Capitel. Im Palais Rivero war die Leiche der Gräfin prunkvoll aufgebahrt. Der Saal, in dessen Mitte der Catafalk auf gerichtet war, glich einer Capelle, deren düstere Ausstattung durch den reichen Blumenschmuck einigermaßen gemildert wurde. Rivero bestimmte, die Bestattung seiner Gemahlin solle in der Familiengruft auf dem Stammgute in Tyrol stattfinden. Dagegen erhoben die Monhardt's keinen Wider spruch und gegen Abend sollte die Ueberführung der Leiche nach der Bahn stattfinden. Der alte Monhardt ward bei Empfang der Schreckenskunde von einem Anfall von Raserei befallen; er tobte wie ein Wahnsinniger bis zu völliger Er schöpfung. Jetzt verbrachte er die Stunden in dumpfem Hinbrllten; er war nicht mehr zurechnungsfähig. Während sich die unglückliche Mutter ihrem Jammer hingab, zog sich der Graf in seine Gemächer zurück, um von den eingelaufenen Briefen Einsicht zu nehmen. Unter diesen fiel dem Leser ein Hanfcouvert auf, dessen Rückseite die Bemerkung trug „Ei genhändig zu öffnen". Die Adresse war mit knapper Kürze angegeben. Der Graf öffnete das Couvert sofort, entnahm ihm einen Papierstreifen und las die Worte: „Lasten Sie keinen Unschuldigen richten, der Mord war ein Act der Rache. Der Mörder ist in Sicherheit." Der Graf drehte den unheimlichen Zettel hin und her. Die Schrift kam ihm bekannt vor. Der Poststempel war von Triest. — Der Verbrecher hatte vielleicht ein Schiff gefunden, das die Anker lichtete und war bereits auf hoher See. — Ein Act der Rache! — Beruhten die Angaben auf Wahrheit oder war Idas Schreiben gesandt, um die Justiz irrezuführen? Es I blieb dem Grafen nicht lange Zeit hierüber nachzudenken, an seiner Thür wurde geklopft und auf sein „Herein" trat eine schlanke Mädchengestalt über die Schwelle. Der Graf erhob sich zum Empfange. „Herr Graf scheinen mich nicht mehr zu erkennen — ich bin —" „Ja, was Tausend — Emil, unser niedlicher Page ent puppt sich als Mädchen. Also hat Bolivar nicht gelogen, Sie sind seine Schwester." „Leider, Herr Graf!" „Sie wissen, was sich zugetragen die arme Gräfin — Bolivar ist verhaftet —" „Er ist unschuldig an diesem Verbrechen", fiel Emilie dem Grafen in die Rede. „Wissen Sie Näheres über die grauenvolle That?" forschte er. „Ich kenne den Mörder, Herr Graf." Verblüfft, fast erschreckt, hafteten die Blicke des Grafen auf Emiliens Angesicht, diese sah unerschrocken zu ihm empor. „Ich ahne", nahm er das Wort. „Sie meinen den Müllerssohn — Hans Sturm —" Emilie machte energisch eine abwehrende Handbeweguna: „Der Mörder heißt Tockmann, Herr Graf. Der ehemalige Gutsinspector von Adlershof hat das gräßliche Verbrechen begangen." „Tockmann und immer wieder Tockmann", rief der Graf zürnend aus. „Es ist bequem, einen Verschollenen der Schuld zu zeihen, man kann ihn nicht fassen." „Aus seinem eigenen Munde vernahm ich, Herr Graf, daß er blutige Racke an der Frau üben wolle, die ihn schändlich betrogen, ihm nach dem Leben getrachtet — die — doch ich will die Todte nicht anklagen —" „So, so", machte Rivero ungläubig den Kopf schüttelnd. „Warum haben Sie uns nicht gewarnt? Warum sind Sie pötzlich verschwunden? Wollen Sie mir daS nicht erklären?" „Erlassen Sie es mir, Ihnen die Gründe anzugeben — um Ihretwillen —" bat Emilie. Als aber der Graf in sie drang, trat Emilie einen Schritt näher und erzählte mit gedämpfter Stimme die Vorkommnisse jener grausigen Nacht, da sie von der Gräfin in den Wandbehälter gestoßen worden war. Ihre lebhaften Schilderungen trugen den Stempel der Wahrheit. Der aufmerksame Zuhörer ver mochte nicht mehr zu zweifeln, daß jener haßerfüllte Mann den Todesstreick geführt. Der Graf begriff, er glaubte, nachdem er die Geschichte zu Ende gehört. ES fiel ihm ein, wie Melanie seinen Fragen nach dem Pagen ausgewichen und sobald sie das nicht konnte. Unwahrscheinliches vorge bracht hatte. Was Tockmann anbelangte, so stimmten
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