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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971204012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-04
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Größere Schriften laut unserem Preis' verzeichniß. Tabellarischer und Zifferafatz nach höherem Tarts. Ctztra-Veilagen (gesalzt), uur mit der Mvrien-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesördrrung 7V.—. Ännahmeschluß fnr Anzeigen: Ab end »AuSgab«: Bormütags 10 Uhr. Morgen»Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je eme halb« Stunde sruher. Anzeigen sind stet- au die Srpeditian zu richte». Druck mrd Verlag von E. Pölz in Leipzitz. «l8. Sonnabend den 4. December 1897. 91. Jahrgang. ——————— Zur Mlitairftrafproceßordnung. ii. K Wie vorausgesehen wurde, ruft die demokratische Presse und selbstverständlich auch die socialdemokratische ein dreifache» Webe über den Entwurf zur Reform de- MilitairstrafverfahrenS. Man braucht sich nicht dabei auszuhalten, da auf die Mitwirkung dieser Elemente beim Zustandebringen der außer ordentlichen Verbesserung, die die Vorlage mit sich bringt, nicht gerechnet worden ist. Es genügt, daran zu erinnen, daß wir, wenn es nach dem „Fortschritt" gegangen wäre, beute die alten partikularen und dinter den Reichsgesetzen in Bezug aus Erfüllung der modernen Ansprüche meist weit zurückstedenden Gesetze auch noch auf dem Gebiete de- bürgerlichen Slrasproceßreckl» haben würden. Da- Verhalten der Mehr heit des Reichstage« bei der Berathung der Justizgesetze, mit denen in den siebziger Jahren der Grund zur deutschen RechlSeinheit gelegt wurde, muß, wenn mit dem bisherigen veralteten Strafverfahren im Heere gebrochen werden soll, für den fetzigen Reichstag vorbildlich fein. Wie damals, so arbeitet auch beute die Demokratie, die Alles zu wollen vor- giebt und auS taktischen Rücksichten — im Interesse des Un friedens— am liebsten gar Nicht- erreichen möchte, für die Erkaltung starr konservativer Errichtungen. Manche ibrer Blätter geben das auch wider Willen zu, indem sie die Be stimmungen der Vorlage als einen großen Fortschritt be zeichnen, um dann zu dem stereotypen „Unannehmbar" zu ge langen. Da daS Centrum sich sachlich verhalten zu wollen scheint, sind die Herren Richter, Haußmann und Singer die letzten Rettungsanker derjenigen MilitairS, die Alles beim Alten be lassen möchten; die „Freis. Ztg." besorgt die Geschäfte der „Kreuzzeitung". Die Freunde des verständigen, des möglichen Fortschritt- löunen zwar nicht mit etlichen Ossiciösen anerkennen, daß den Regierungen ein Entgegenkommen über die Vorlage hinaus nicht angesonnen werden könne, sie finden aber gleich uuS, daß der Zustand, der durch den Entwurf herbei geführt werden soll, ein paradiesischer wäre im Ver gleich zu dem gegenwärtigen. Diese Ansicht befestigt sich, je näher man der Vorlage tritt. Auf der andern Seite läßt das tiefere Eindringen in den Ent wurf und seine Begründung auch erkennen, daß er unbeschadet der principiellen Ausfassung seiner Verfasser und des militairischen Interesses in vielen Punkten ver- besserungsfähig ist. So auch hinsichtlich des Ausschlusses der Oessentlicht eit, auf die wir bei der ersten Erörterung das Hauptgewicht gelegt. Der Entwurf spricht, wie erwähnt, über die Befugniß des Kaisers, die Voraussetzungen zu be stimmen, unter denen der Ausschluß der Oefsentlichkeit „auS Gründen der DiSciplin" zu erfolgen hat. Aber da- hier und in der Begründung Gesagte ist so unklar, daß eS unmöglich ist, sich ein Bild von dem Rechte und der Pflicht res obersten Kriegsherrn zu macken, und daß sogar nicht übelwollende Ausleger der Ansicht Raum geben, der Kaiser oder die Gerichtskerren könnten von Fall zu Fall über die Zulassung der Oefsentlichkeit befinden, waS aber durch eine andere Bestimmung, die den Gerichten die Entsckeidung zuweist, ausgeschlossen erscheint. Es wird die hoffentlich nicht allzu schwierige Ausgabe der ReichStazScommission sein, sich mit der Regierung über eine unzweideutige Fassung zu einigen. Was das Verfahren anlangt, so sei zunächst zur Er gänzung nachgetragen, daß die Vorlage sich für denNacheiv an Stelle des bedenklichen VoreideS des bürgerlichen Straf- processes entschieden hat. Eine andere, viel wichtigere Ab weichung von diesem Verfahren ist, daß ein Zwang zum Einschreiten wegen aller strafbaren Handlungen nicht besteht, daß vielmehr der Gericklsherr zu bestimmen hat, ob ein Verfahren zu eröffnen und ob es, nachdem der vom Gerichts- Herrn von Fall zu Fall bestellte Untersuchungsführer da- Er mittelung-verfahren beendigt, einzustellen -der ob Anklage zu erheben sei. In dem EruuttelungSversahren selbst ist zwar ter Untersuchungsführer — in kleineren Sachen ein Ossicier, in größeren ein Militairjurist — selbstständig, die unabhängige Mililairjustiz tritt aber erst nach Erhebung der Anklage in Function. Auch die Unterstützung durch einen Vertbeidiger wird dem Angeschuldigten erst von diesem Augenblicke an zugebilligt. Daß im klebrigen die Stellung des GerichtS- derrn mit seinen biSberigen Befugnissen nicht zu vergleichen ist, haben wir schon bervorgehoben. Was ihm verbleibt, ist, nach bürgerlich-rechtlicher Anschauung, immerhin nicht wenig. Man muß aber den unlöslichen Zusammenhang von Di-- ciplin und Strafrechtspflege im Heere sich vergegenwärtigen nnd darf io der Zusammensetzung des OsficiercorpS eme Bürgschaft dafür erblicken, daß Lässigkeit in der Verfolgung von Uebelthaten im Heere nicht Platz greifen kann. Gegen allzu scharfe Auffassung des Gericht-Herrn wiederum bietet die völlig unbeeinflußte Scklußverkandlung einen ge nügenden Schutz. Die späte Zulassung deS VertbeidigerS stellt jedoch einen Mangel dar, dessen Beseitigung versucht werden muß. WaS sonst gegen die Ordnung der Verth ei di gung in dem Entwurf eingewendet wird, ist von sehr ungleichem Gewickt. Bei den unteren Gerichten (Standgerichten) ist, wie schon angeführt, die Vertheidigung ausgeschlossen. Diese Gerichte werden zwar nur von den Officieren ohne Zuziehung von Juristen gebildet — die Verwendung von Soldaten und Unterosficieren im Richteramt kennt die Vorlage überhaupt nicht —, aber sie haben auch eine nur begrenzte Zuständigkeit und können Strafen nur bis zu einer geringen Höhe verhängen. Immerhin läßt daS Fehlen von Rechtskundigen im Gerichte die Gewährung eines VertbeidigerS wünschenswerth erscheinen. Weiler wird bemängelt, daß in der höheren Instanz bei rein militairischen Vergehen nur Osficiere und nicht auch Rechtsan wälte al- Vertbeidiger auflreten können, eine „Vorsicht", die über flüssig sein dürfte, wenn daran festgebalten wird, daß daS Reckt, an Militairgerickten zu vertheidigen, von der Zulassung abhängig gemacht wird. Gegen diese letzte Bestimmung erhebt sich der von uns erwartete heftige Widerspruch. Die Erfahrung aber hat gelehrt, daß nickt nur social demokratische, sondern auch demokratische Anwälte und solche, die gar keine politische Ueberz-ugung, aber ein großes Reklame- bedürfniß haben, da- Barreau mißbrauchen, um „zum Fenster binauszusprechen". Solche Redner verträgt der militairiscke Gerichtssaal nicht. ES ist notbwendig, daß nur solche An wälte dort Zulaß finden, die Gewähr biete», daß sie nichts Weiler als da» Interesse ibrer Clienten im Auge haben. Die ebrenvoll zurückgelegte Militairdienstzeit giebt für sich allein diese Sicherheit noch nicht, und wenn man, wie von einer Seite vorgeschlagen wird, die Zurückweisung von An wälten, die Reserveofficiere sind oder gewesen sind, untersagen will, so statuirt man, waS Andere ohne Grund schon in den Vorschlägen der Regierung finden, in der Tbat eine Tbeilung der Vertbeidiger in solche erster und zweiter Clafse. Ein Zugesländniß ist aber wodl möglich: statt der obersten Militairjustiz-DerwaltungSbebörde könnte der oberste militairische Gerichtshof über die Zulassung zu befinden haben. Zum Schluffe noch Nähere- über die Organisation. Die schon mehrfach erwähnten Standgerichte bilden die niedere Gerichtsbarkeit. Sie sind, wie bemerkt, Bagatellegerichte und haben auch als solche nur über Unter- osficiere und Gemeine zu urtheilen. Sie bestehen aus drei Richtern, einem StabSofficier al- Vorsitzendem, einem Haupt mann und einem Premieriieutenant. Sie sind zu zwei Dritteln „ständig", indem der Vorsitztnde und der zweite Beisitzer, nickt aber der erste, für die Dauer eine- Jahres vom Gericktsberrn (Regimentskommandeur, Eommaobeur eines selbstständigen Bataillons, Commandanlen kleiner Festungen u. s. w.) alljäbrlich bestellt werden. Gegen die Urtbeile der Standgerichte findet Berufung statt. Die höbere Gerichtsbarkeit erstreckt sich auf alle Heeresangehörigen und umfaßt alle strafbaren Handlungen, die nicht entweder ibrer Natur oder dem Rang ihrer Urheber nach vor die Standgerichte gehören. Sie um faßt die Kriegsgerichte und die Oberkriegs gerichte. Beide Instanzen sind Schöffengerichte und zwar mit starkem Urberwiegen der Laien, d. h. der Osficiere. Unter den fünf Richtern der Kriegsgerichte ist ein Militair- jurist. Er leitet die Verhandlung, während der Vorsitz, wie bei den Militairgesckworenengerickten in Bayern, von dem rangältesten Richterofficier geführt wird. Der Militair- jurist (KriegSgerichtsrath) ist auf Lebenszeit ernannt, die vier Osficiere werden von Fall zu Fall besohlen. Diese schwache „Ständigkeit" hängt damit zusammen, daß der Rang der Richter sich mit dem Range deS Angeklagten steigert. ES können selbstverständlich nickt für alle Kategorien Gerichte für ein Jahr constituirt werden, die für Osficiere und zumal für höhere Osficiere würden selten bezw. zumeist gar nicht in Function treten. Man hätie diesem Umstande und dem Princip der Ständigkeit durch Zuziehung eines zweiten Militairjuristen an Stelle des vierten Officier» Recknung tragen sollen. Es unterblieb dem Anscheine nach weniger auS militairischen als auS finanziellen Erwägungen, die überhaupt eine große Rolle gespielt zu haben scheinen. Berussrichter kosten Geld. Bei den Oberkriegsgerichten, der Berufungsinstanz für die erstinstanzlichen Urtbeile der Kriegs gerichte, überwiegt das nichtjuristische Element noch stärker. Zu fünf Osficiere» treten nur zwei Militairjuristen (Ober- kriegsräthe). Obwobl auch hier die Richterofficiere nach dem Range deS Angeklagten bestimmt werden, so ist doch eine volle Ständigkeit vorgesehen; die Osficiere werden vor dem Beginn des GesckästSjabrrS für die Dauer desselben für alle vorkommenden Fälle bestellt. Auch das ReichSmilitairgerickt, obwohl eine Revi sionsinstanz, ist rin Schöffengericht. Der Präsident ist ein vom Kaiser ernannter General, der aber an der Rechtsprechung nickt Theil nimmt. Die Rechtsprechung geschieht durch Senate, bestehend auS je vier Officieren und drei Juristen; den Vorsitz führt der rangälteste Osficier, die Verhandlung leitet der Senat-Präsident, die militairischen Mitglieder werden vom Kaiser auf Vorschlag der ContingentSherren auf die Dauer von mindesten- zwei Jahren besohlen, die recktS- gelehrten Mitglieder werden gleichfalls vom Kaiser ernannt. Sie dürfen nicht unter 3ü Jabre alt sein, während die Officierrickter mindestens SlabSofficierrang haben müssen. Ein Militairobergerickt für ganz Deutschland ist daS Reichs- militairgericht, wie sich berausstellt, nicht. Die „Einrichtung mit Rücksicht auf die Verhältnisse Bayerns wird besonder geregelt", beißt eS im Gesetzentwürfe, und die Motive schweigen gänzlich. Deutsches Reich. * Leipzig, 3. December. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob zu den Gegnern der Marinevorlage auch der größte Theil der deutsch-socialen Reichs- tagSsraction gehören werbe. Hat der Abg. Vielbabrn- Hamburg am letzten Sonntag in Altenburg sich al- Gegner der Floitenverstärkung bekannt, so erklärte gestern der Abg. Zimmerniann-DreSden in einer Versammlung des hiesigen deutsck-socialen Vereins, er könne noch nickt sagen: Wir Reformer stimmen so und so. Fest aber steht für Herrn Zimmermann, daß im Falle einer Auflösung desReichö- lageS die Marinevorlage nicht zur Wahlparole gemacht werden dürfe, ausschlaggebend sei vielmehr die Frage, wie verhält sich der Neick-ragscandidal zur Mittelstands- politik? Nach der Ansicht deS Herrn Zimmermann ist dieser Standpunkt der wahrhaft nationale eine Auf fassung, deren Ursprung Herr Zimmermann selbst etwas be leuchtete, indem er die Annahme aussprach, Sübdrulschland fer ziemlich einmüthig gegen die Marinevorlage und die Abgeordneten würden Mühe haben, die Wähler von der Nolbwendigkeit der Flottenverstärkung zu überzeuge». Sick dieser Ausgabe zu unterziehen, bat die deutsch-sociale Reichs- tagSfraction offenbar wenig Neigung. Ob sie dadurck den Beifall aller ihrer Wähler erlangt, ist fraglich. In Leipzig insinuiren sich die Herren durch eine solche Haltung schwerlich. Berlin, 3. December. Die „Freisinnige Ztg." verlegt sich, um ihre gemeinsckädlicke Politik aufreckterhalten zu können, wie auch in freisinnigen Blättern ihr nackgewiesen wird, auf den Massenvertrieb von Unwahrheiten. So fckreibt daS Blatt in der letzten Nummer: „Bekanntlich hat vor Kurzem die „Nat.-Lib. Corr." verrathen, daß an maßgebender Stelle die eigentlichen Marinepläne noch weiter gehen und man sich zunächst in Anbetracht der Finanz» läge dir in dem Flottenplan angedeuteten Schranken ouferlege." Die hier geradezu auf den Kopf gestellte Mittheilung der „Nat.-Lib. Corr." lautete wörtlich: „Es ist nicht zutreffend, daß der Kaiser auf einen weiter gehenden Flottenausbau drängt. Wohl mögen die Wünsche an allerhöchster Stelle zeitweilig weitergegangen sein. Sir sind aus gegeben vor dem, was die Marinevrrwaltuug als erforderlich und die Finanzverwaltung als durchführbar bezeichnet hat unter Berück sichtigung der Finanzkraft LeS Reiches." ES nimmt uns unter diesen Umständen nicht Wunder, daß sogar freisinnige Blätter sich genölhigt sehen, nachdrück lich gegen die „Lügen" der „Freis. Ztg." Stellung zu nehmen. V. Berlin, 3. December. (Telegramm.) König Albert von Sachsen traf heute Nachmittag kurz nach 2 Uhr in Wildpark ein und wurde vom Kaiser auf dem Bahnhöfe empfangen. Beide Monarchen umarmten und küßten einander wiederholt und begaben sich sodann im geschlossenen Wagen nach dem Neuen Palaiö. Um 5^/, Uhr reiste der Kaiser mit seinem hoben Gaste von der Wildparkstation zur Jagd nach KönigSwusterhausen ab. tztz Berlin, 3. December. (Privattelegramm.) Der Seniorrnconvent deS Reichstags trat heute vor der Plenarsitzung zusammen. Man kam überein, daß vor Weik- nackten jedenfalls die drei großen Vorlagen in erster Be rathung erledigt werden sollen, um commissarischrr Be rathung überwiesen zu werben, und zwar soll zuerst — am Montag nächster Woche — daS Alottcngesetz, sodann der Etat und schließlich die Militatrstrafproeetzorvnuu- aus die Tagesordnung gesetzt werden. Man beschloß ferner, die Marinevorlage nick» einer besonderen Commission zu über weisen, vielmehr die Budgetcommission mit deren Lor- berathung zu beauftragen. Der moraige Tag soll für dir Fraktionen frei bleiben, also die Plenarsitzung ausfallen, ebenso wie am nächsten Mittwoch wegen deS katholischen Feiertag». Die Weihnacht» ferien sollen am 18. Dr- cember beginnen und sich bi- zum 11. Januar erstrecken. (-) Berlin, 3. December. Gestern Nachmittag wurde im Colontalrath bei der weiteren Berathung über die Straf- rechtSpslege der Eingeborenen die Frage eingehend erörtert, welche strafgerichtlichen Befugnisse Führern von Expeditionen zu übertragen seien. Der Beschluß des Colonialraths ging dahin, daß nicht nur bei dienstlichen Expeditionen, wie im Entwurf vorgescklagen, sondern allgemein bei Expeditionen dem Führer für deren Dauer die Strafgerichtsbarkeit über die zur Expedition gehörigen Eingeborenen, sowie in Bezug auf Straflhaten, welche gegen die Expedition gerichtet sind, vom Gouverneur übertragen werben können. Welche weitergebenden Befugnisse den ExpevitionSführern durch den Gouverneur eingeraumr werden könnten, solle durch besondere Verordnung bestimmt werden. Die ferneren Bestimmungen des Entwurf- über Führung und Einreichung von Strafregistern wurden ohne Debatte genehmigt. Es gelangte weiter der Entwurf einer Verordnung, betreffend die Erhaltung der DiSciplin unter den eingeborenen Arbeitern zur Berathung. Als DiSciplinarstrafen sollen danach Einsperrung, Geld strafen und körperliche Züchtigung, letztere nur gegen männliche, völlig gesunde Arbeiter angewendet werden. Der Entwurf wurde mit einigen Abänderungen vom Colonial rath angenommen. Im Anschluß an die DiScussion wurde eine Resolution gefaßt, die Regierungen zu ersuchen, die Frage einer Revision res für die Weißen in den Schutz gebieten giltigen StrafrecktS im Hinblick auf die Rück wirkungen, welche die Regelung des Strafrecht- für die Ein geborenen auf die Stellung der Weißen ausüben würde, in Erwägung zu ziehen. Es fand sodann eine weitere Reso lution einstimmige Annahme, in der sich der Colonialrath dafür aussprickt, daß in den einzelnen Schutzgebieten aus den angesehensten deutschen Einwohnern dem Gouverneur Feuilleton. Treue Liebe. Humoreske von Michel Triveley. Deutsch von Walter Ellert. I. Jean Bardel überschritt die Schiffsbrücke, die von dem Schiff nach dem Quai von Havre führte und setzte den Fuß auf festen Boden. Um ihn her drängte sich eine Menschenmenge. Männer, Frauen riefen die Ankommenden an und winkten ihnen mit den Taschentüchern zu. „Henri!" „Louise!" „Armand!" Und die Passagiere, die sich aus der Ferne von Freunden und Verwandten angerufen sahen, drängten nun ebenfalls vorwärts. Arme öffneten sich, Küsse wurden ausgetauscht, und auch Thränen — diesmal Freudenthränen — flössen mehr als Einem aus den Augen. „Na, die Leute sind doch wenigstens zufrieden, daß sie sich Wiedersehen", murmelte Iran. „Die haben Glück! Denen geht'S nicht so wie mir!" Dann fügte er mit fast lauter Stimme mit bitterem Lächeln hinzu. „Und wenn ich denke, daß ich zurückkomme, um mich zu ver- heirathen! ... Na, wer weiß? ... Vielleicht ist es doch noch das Glück!" Er ließ seine Sachen in den Pariser Zug bringen, der bereits wartete, und stieg sogleich in das Coupee. „Na!" sagte er, mit gefaßter Miene in seinem Winkel Platz nehmend, „nur noch wenige Stunden, bevor ich meine Freiheit auf ewig verliere!" Sin Pfiff, und die Locomotive zog an. II. Es war noch Tag, daher sah Jean aus dem Fenster und betrachtete die Landschaft, die hinter ihm verschwand. Doch dieser Beschäftigung bald müde, warf er sich auf die Bank, lehnte den Kopf nach hinten über und fing an zu träumen. Als er vor zehn Jahren Paris mit so schwerem Herzen verließ, da ahnte er nicht, daß diese Rückkehr, auf die er da mals seine ganze Hoffnung setzte, ihm so schwer werden würde. „Wie sich unsere Ideen doch verändern!" sagte "er sich und sah sich zehn Jahre jünger im Salon deS Herrn Courbaiffe stehen. . . . „Aber da ich Adele doch anbete, Herr Courbaisse . . . und da sie mich auch liebt . . . warum wollen Sie sie mir denn nicht geben?" „Weil Du keinen Pfennig hast, mein Freund, und ich mir vorgenommen habe, die Hand meiner Tochter nur einem reichen jungen Mann zu bewilligen." „Wenn ich aber je reich werde, Herr Courbaisse?" „Dann liegt die Sache anders, mein Freund." Dann hatte sich die Abschiedsscenc mit dem jungen Mädchen abgespielt. „Ich liebe Sie, Adele; warten Sie auf mich!" „Ich verspreche es Ihnen, Jean!" „Und ich schwöre es Ihnen, ich werde nur an Sie denken, Ich habe von nun an nur ein Ziel im Leben: arbeiten, um Sie zu erringen. Ja, Adele, ich schwöre es Ihnen, entweder werde ich untergehen oder mit einem Ihnen würdigen Vermögen wiederkehren. Ob es in 5, ob es in 10 Jahren sein wird, mein Herz wird Ihnen treu bleiben! Ich bin Ihr Verlobter, bewahren Sie sich mir, wie ich mich Ihnen bewahre!" Ja, daS war wörtlich die Phrase, die er ausgesprochen hatte, und als Jean sie sich wiederholte, während der Zug mit Volldampf dahinsauste, konnte er sich nicht enthalten, die Achseln zu zucken. „War ich dumm! war ich dumm! Mich so zu verpflichten! Als wenn sich dir Ansichten jedes Menschen nicht nach zehn, ja, schon nach fünf Jahren ändern könnten! . . . Na, waS gesagt ist, ist gesagt, und jeder Schwur muß gehalten werden! . . . Aber trotzdem bin ich sehr zu beklagen!" „Rouen! . . . Zehn Minuten Aufenthalt!" Jean stieg aus dem Wagen; er empfand das Bedürfniß, sich die Beine zu vertreten, und während er auf dem Perron spazieren ging und dazu seine Cigarette rauchte, setzte er seinen Monolog fort. „Ja, ich bin wahrhaftig recht zu beklagen! . . . Denn ich liebe sie nicht mehr, das ist gewiß! ... Ich mag noch so große Gedächtnißübungen anstellen, sie mir wir früher vorstellrn; ihre weißen Zähne und ihr Lächeln heraufbeschwören. Das macht Alle- nichts, mein Hrrz schlägt nicht mehr!" „Einsteigen, meine Herren, einsteigen!" Jean war wieder eingestiegen, doch sein Aergrr war noch nicht verflogen. „Wenn Adele gewollt hätte, ich sollte sie noch weiter lieben, so hätte sie es anders anfangen, mich ermuthigen, mir schreiben und mich ebenfalls von der Stärke ihrer Gefühle überzeugen müssen. Doch statt dessen eine fast völlige Gleichgiltigkeit! . . . Kaum hat sie mit einigen kurzen Zeilen auf meine Briefe ge antwortet. . . . Und nie ein zärtliches Wort! . . . Aber wenn sie mich nicht liebt, so soll sie eS doch sagen!" Dann beruhigte er sich plötzlich. „So! jetzt werde ich aber ungerecht! Diese Gleichgiltigkeit, deren ich sie anklagt, ist jedenfalls auS Zartgefühl. Sie hat jedenfalls erfahren, daß mein Vermögen heut bedeutend ist. . . . Ja, ich muß gestehen, daS ist sogar hübsch von ihr! Doch noch viel hübscher wäre es gewesen, wenn sie mich von meinem Eide entbunden hätte. Sie braucht eS doch wirtlich nicht zu bedauern, daß sie ein paar Jahre gewartet hat. . . . Dagegen diese arme Miß Maud . . ." In diesem Augenblick wurden Jean's Augen feucht. „Liebe kleine Miß Maud ... sie ist so nett ... so lieb! Was für eine reizende Frau hätte sie abgegeben! Arme Kleine! Wer weiß, ob sie nicht über meine Abreise geweint hat! Ach, wenn ich frei gewesen wäre!" Und Jean rief ärgerlich: „Ach, dieser dumme Schwur!" Plötzlich erstrahlten die lausend Feuer von Paris; der Zug war eben in den Bahnhof eingelaufen. III. „Herr Curbaisse?" fragte Jacques, als er an der Thür der Wohnung der Rue Trouchel klingelte, wo er früher so oft empfangen worden. „Der ist ousgegangen, mein Herr! . . . Aber das ist ja Herr Jean! ... Ich täusche mich nicht! . . ." „Allerdings, Catherine, allerdings. ... Ich bin's. . . . Sie erkennen mich also?" „Oh, der Herr hat sich gar nicht verändert! Nein, wird man sich hier freuen, den Herrn wiederzusehen!" „Sie werden also bitte sagen, ich sei dagewesen . . . und würde wiederkommen!" „Aber Adele ist doch da . . ." Damit öffnete sie die große Thür des SalonS: „Treten Sie doch ein, Herr Jean; treten Sie doch ein; ich werde sie rufen!" DaS war noch dasselbe Mobiliar wie früher und Alles stand auf demselben Platze. Ja, auf diesem Kanapee hatte er mit Adele oft gesessen; hier hatten sie zusammen auf diesem nämlichen Tisch die auf demselben siegenden Bücher durch blättert. Auch die Bücher waren dieselben. Ja, nichts hatte sich in dem Hause geändert, nur das Hrrz Ässen, der nack einer Abwesenheit dahin zurücktehrte!
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