Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971206016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-06
- Monat1897-12
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezugr-Prsi» BtrMoo^wchfttSgad« «schebck «a Uh* ht, «wztzchbvlWbe «vchottV« «b Uh* Rrtz«tt<« u»d Er-E-u: ^OhWIRlEWODG d, DKsstzWM«, ist »ochmttag» »mmtorstvachE »«M W. stütz S HU ««hh ? «h* FUiüle» L«i» Lösch». Morgen-Ausgabe. KMM.T>lgMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. «21. Montag den 6. December 1897. Anzeigen-Prei- die S gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen «t« dem Redaetton»ftrick (4ge- spalten) bO^. vor den Familien Nachrichten (Agespalten) 40^ Größer« Schriften laut uujerem Preis- verzelchntß. Tabellarisch« »nd Ziffrrnsatz nach höhere« Tarif. Extra-Bttlag« (gefallt), nur mft her Morgen » Au»gabe, ohne Posibeförd«kng SO.—, mit Postbefvrderuug ^l 70.—. Iinuatzmschlui fiir Anzeigen: Abrud-Aw-gab«: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4Uhr. Lei deu Filialen uud Annahmestellen je »in« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richt«. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipjig. SI. Jahrgang. Vie erste Jugendzeit unserer Königin?) Da» HauS Holftein-Gottorp ist eia mächtiges und weitver breitetes. Die ältere Linie gelangte mit Herzog Peter, Kaiser Peter III. Feodorowitsch, 1762 auf den Thron von Rußland. Bon der jüngeren Linie wurden Mitte deS 18. Jahrhunderts Herzog Adolf Friedrich König von Schweden, Herzog Friedrich August Herzog von Oldenburg. Dom schwedischen Aste deS HauseS entsagte Gustav IV. Adolf 1809 auf dem Schlosse Grips- Holm der Krone. Er war seit 1797 mit Friederike, des Erb prinzen Earl Ludwig von Baden Tochter, vermählt. Sein am 9. November 1799 geboren« Sohn Gustav, welcher 1829 den Namen „Prinz von Wasa" annahm, vermählte sich am 9. No vember 1830 mit Prinzessin Louise, der am S. Juni 1811 gebo renen Tochter deS GroßherzogS Earl Ludwig Friedrich von Baden und der Großherzogin Stephanie, Adoptivtochter des Kaisers Na poleon I. Prinz Gustav und Prinzessin Louise von Wasa find die Eltnn der Königin Carola. Königin Earola wurde am 5. August 1833 Nachts 11 Uhr im Schönbrunn« Kaiserhause geboren. D« anwesende K. K. Obersthofmarschall Fürst Eolloredo bestätigte als Hofcommiffar die Echtheit des Kindes. Prinzessin Louise von Wasa war mit der im Lustschlosse Schönbrunn wohnenden Erzherzogin Sophie besreundet und ver wandt; der Vat« der Prinzessin und die Mutt« d« Erzherzogin waren Geschwister. Beide hohe Frau« «warteten ihre Nieder kunft, und Kais« Franz hatte Prinzessin Louise, der er sehr ge neigt war, angeboten, da» Kaiserhaus, das sogenannte Stöckk**), zu bewohnen, um dem Schönbrunner Lustschlosse und der dort stets bereiten Hilfe nahe zu sein. Die gütige Rücksichtnahme des Kaisers zeigte sich auch durch die bei seiner Abreise erlassene Anordnung, daß während neun Tagen nach der Geburt die Durch fahrt durch die Schönbrunner Hauptallee auf der Hietzing« Seite täglich Abends um 7 Uhr geschlossen und erst von früh 9 Uhr an wieder gestattet wrrden sollte. Das Kaiserstöckl liegt am Ausgangsthore des Schönbrunner Parkes auf die Hietzinger Straße. Es hat Erdgeschoß, ein erstes Stockwerk mit sehr hohen und ein zweites mit niedrigen Zim mern. Es ist Mitte des 18. Jahrhunderts in der Regierungszeit der Kaiserin Maria Theresia «baut worden und hat, von den Fürsten Kaunitz und Metternich an, meist den Ministern deS Aeußeren als Sommerwohnsitz gedient. *) Abdruck aus dem empseblenSwertben Bucke: „Aus dem Leb« der Königin Earola von Sacks«." Zur fünfuudzwanzigjä >riirn Regierungs-Jubelse-er Seiner Majestät des König» und I r« M je- stät der Königin zusammengestellt durch Obern z. D. von Schinwff. 1898. Leipzig, I. E. Hinrichs'iche Buchhandlung **) Unter „Stöckl" versteht mau in Wien »in kleines, freistehende» Palais oder Landhaus. E» giebt auch im Augarten ein kaiserlicke- Stöckl, welche» einst dem Kaiser Joseph al» Iagd'chlüßchen diente. Die ftierliche Taufe der kleinen Prinzessin im evangelischen Glaub« Augsburger Bekenntnisses wurde durch den Wiener Superintendenten Pauer Mittwoch, den 7. August, Mittags 12 Uhr, im Schönbrunner Kaiserhause vollzogen. Taufpathen waren Kais« Franz I. und Kaiserin Caroline von Oesterreich, die vrr- wittwete Großherzogin Stephanie von Baden, der Großherzog August, die Großherzogin Cäcilie von Oldenburg und dir Prin zessin Amalie von Schweden. Das abwesende Kaistrpaar wurde durch die Obersthofmeisterin der Erzherzogin Sophie, Fürstin Charlotte Kinsky, vertreten. Die kleine Prinzessin erhielt die Namen Caroline Friederike Franziska Stephanie Amalie Cäcilie. Obgleich Caroline getauft, wurde die Prinzessin schon von ihrer ersten Jugend an Carola genannt, theilS weil ihre Mutt« diese Form hübscher fand, theilS weil sie durch den Namen Ca roline an eine früh verstorbene Cousine und Freundin, Prinzessin Caroline von Bayern, Tochter de- Königs Max Joseph, erinnert wurde. Prinz Gustav von Wasa diente zu dieser Zeit als General major und Brigadier in der österreichischen Armee. Seine Gar nison war Wien. Bei sein« Berheirathung hatte er sich in dem ermithrten auf der von der Burg nach dem Schottenhofe führen den Herrengasse gelegenen Palais der Herzogin Beatrix von Mo dena fürstlich eingerichtet. Sommersitze waren ein Landhaus in Hacking bei Wen und Schloß Eichhorn i« Mähren. Der Winter wurde in Wien zugebracht, wo Prinz und Prinzessin von Wasa bei Hofe und in der Gesellschaft sehr gern gesehen waren. Die kleine Prinzessin Carola verkrhrte viel mit den in gleichem Alter stehenden Erzherzögrn und Erzherzoginnen, sowie mit den Töch tern de» Fürsten Carl Liechtenstein, Elise, Franziska und Marie, mit Prinzessin Rosa Lobkowitz und Gräfin Caroline Fünfkirchen. Ein Miniaturportrait der Prinzessin zeigt ein dunkel blonde» Lockenköpfchen mit lächelndem Munde und blauen Augen. Da d« Sommeraufenthalt sich imm« mehr verlängerte, oft bis zum Spätherbst, wurde Eichhorn die eigentliche Kindesheim stätte dn Prinzessin. DaS That der Schwarzawa, des bedeutendsten Flusses in Mähren, zieht sich von Brünn in nordwestlicher Richtung hin und bietet eine Menge von Naturreizen. Das westlich Brünn enge Thal öffnet sich allmählich und geht in einer breite Ebene mit herrlichen Wiesen und Feldern über, zwischen denen das freund lich« Dorf Sebrowitz liegt. Bon da führt die Landstraße immer in der Nähe des Flusses, welcher durch die an ihn herantretenden Berge zu zahlreichen Windungen genöthigt wird, über Komein und Bysterz zu der altehrwürdigen, einst landesfllrstlichen Burg Eichhorn. Schroff aufsteigend« und meist von buschigem Dickicht versteckte Felsen tragen das dicke Gemäuer. Der Felsrücken, auf dem die gut erhaltene Burg steht, ist durch eine tiefe Schlucht in zwei Theile getrennt, welche durch eine steinerne Brücke mit kühn gewölbtem Bogen »«Kunden sind. Uebn die gewaltigen Ring mauern ragen uralte Wartthürme, ein massiv viereckig« und zwei runde mit spitzen Ziegeldächern empor. Der Sage nach soll Herzog Konrad, welcher um die Mitte des elften Jahrhunderts Mähren beherrschte, diese Burg erbaut und Eichhorn benannt haben, weil er hier bei einer Rast im Walde von einem schönen Schlosse träumte und beim Erwachen eine ungewöhnlich große Anzahl von Eichhörnchen in den Bäumen ringsumher bemerkte. Unweit deS Schlosses liegt der Marktflecken Eichhorn-Bitischta in einer gut bebauten Thalwritung und weiter flußaufwärts, in einer etwas größeren, das freundliche Tischnowitz am Fuße der mehr als 200 Met« über die Thalsohle aufragenden, bewaldeten Kwietnitza. Die schöne Kirche des Städtchens besitzt ein pracht volles, mit den zwölf lebensgroß in Stein gehauenen Aposteln ge schmücktes Portal. Das von dem heiligen Heinrich und dessen Gemahlin, der heiligen Kunigunde, erbaute, unter Kaiser Joseph aufgehobene Klost« der Cisterzienser, desselben Ordens, welchem auch die beiden noch in Sachsen bestehenden Klöster angehören, hat düstere, alte Kreuzgänge. Von hier aus gegen Norden wird das Thal der Schwarzawa wieder enger. Bei dem Markte Ned- wieditz zweigt sich gegen Westen ein Seitenthal ab, von dessen nördlichem Rande ein steiler, zum Theil bewaldeter Felsenhügel aus Glimmerschiefer vorspringt, auf dem die sagenberühmte, stolze Burg Pernstein wie ein Märchen auS alter Zeit herüber schimmert. Der Grundriß des Schlosses Eichhorn ist ein eigenthümlicher, fast wie ein schiefes Dreieck in zwei Lheilrn, verbunven durch eine lange und breite Terrasse, die ausschließlich dem Aufenthalte der Herrschaft Vorbehalten war und der kleinen Prinzessin häufig als Spielplatz diente. Die Wohnräume der Tochter lagen neben denen d« Mutter. Der kleine Salon hatte einen Balkon, der über felsigem Abgrunde die Aussicht in da- zwischen hohen Wän den von Felsen und Laubwald liegende mit üppigen, grünen Wiesen bedeckte Thal der Schwarzawa bot, in dem sich auch das bewegliche Leben der darin hinziehenden Fahrstraße abspirlte. Stallungen und Wirtschaftsgebäude befanden sich jenseits der Bogendrücke auf der gegenüberliegenden Berghöh«, Küchengarten und Warmhäuser unten im Thal. Es gab wundervolle Spazier gänge, ab« imm« nur bergauf, bergab. Prinzessin Carola war ein zurückhaltendes, etwas schüchternes Kind, daS, wenn eS wohlauch sehr lustig und heiter spiel« und lachen konnte, doch mehr eia« nachdenkenden Eindruck machte. Zärtlich von ihrer Mutter ge liebt, wurde sie doch streng gehalten und erzogen. DaS gütige Mutterhrrz war oft ängstlich mit Wohlbefinden, Wachsthum, Ge deihen und Aussehen beschäftigt, die kleine Prinzessin wurde aber durchaus nicht verweichlicht oder mit Geschenk«, Anzügen und Spielsachen verwöhnt. Prinzessin Carola hatte strenge Erzieher die gutherzige, lebhafte und gescheidte Tochter eine- englischen Geistlichen, Miß Kitty Sutton, und wenn auch zuweilen Tinten flecke an den kleinen Fingern Zeugntß gaben von mühsamen Schreibstudien, so kamen doch nie irgendwelche Schwierigkeiten oder Unzufriedenheiten bei dem Unterricht vor. Auf zwei Wegstunden Entfernung von Eichhorn lag der Besitz Tifchnowitz, dem Reichsfreiherrn von Vittinghoff-Schell gehörend, nicht so romantisch wie Eichhorn, ab« auch in sehr freundlicher, bergiger Gegend. Mit der frriherrlichen Familie unterhielten die Prinzessinnen einen lebhaften Verkehr, nur bisweilen gestört durch schlechte Gebirgswege oder durch die zu durchfurtende, durch plötz liche Gewitterregen zu einem reißenden Strome anschwellende Schwarzawa; auch wollten die Pferde zuweil« nicht durch das Eis am Ufer des Flusses, und man war zur Umkehr gezwungen. Da gab es dann manchmal, besonders Abends im Dunkel, Angst und Schreck ohne eigentliche Gefahr oder auch letztere, ohne sich ihrer besonders bewußt zu werden. Prinzessin Carola schloß sich besonders an die zweite Tochter des HauseS, Sophie, an. Ge bildet, voller Herzensgute und humorvoller Munterkeit, war sie ein sehr liebenswürdiger Umgang und blieb die bevorzugte Ge spielin und Freundin während der Kindheit und ersten Jugend der Prinzessin. Besonders gefeint wurde in Eichhorn der 25. August, der Namenstag der Prinzessin Wasa. Es gab dann meist ein großes Volksfest in einem der schön« Thäler am Fuße des Schloßberges und Abends Tanz im hell erleuchteten Schlosse. Bei einem dieser Feste trug Prinzessin Carola die kleidsame Tracht des Landvolkes. Sie sah reizend aus in dem kurzen, weitfaltigen, bunten Röckchen, in weißer Schürze, rothen Strümpfen, dem sei denen gestickten Mieder, den weit«, weißen Puffärmrln; das rothe Kopftuch zu den blauen, dunkelbeschattet« Augen erhöhte die Schönheit des lebhaft geröthet« Gesichtchens. Die Leute dräng ten ihr nach, um sie zu sehen, und warm stolz darauf, daß die Prinzessin nicht verschmähte, die gleiche Kleidung mit d« Bauern zu trag«. Eichhorn war daS Kindesparadies der Prinzessin, die Zeit« verflossen dort barmlo» und heiler. Jede Stunde ver langte ihre bestimmte Thätigkeit, jeder Tag bot seine rigenthüm- liche Freud«. Ueber Allem strahlte das Licht der Mutter- und Kindesliebe. Prinz und Prinzessin Wasa wurden im Sommer 1844 ge schieden. Prinzessin Carola blieb mit ihrem Vater stets in gutem, herzlichem Verkehr; sie sah ihn fast jedes Jahr einige Zeit am dritten Orte. Die Prinzessin Wasa hatte den großen Wunsch, Eichhorn zu erwerben, die Umstände erlaubten es nicht. Der schöne Wohnsitz mußte aufgegcben werden. ES schlug die Stunde der Trennung von der ehrwürdigen Burg, von dem mächtig rau schenden Walde, von den frischgrünen Rasenflächen ihr« Um gebung, von dem brausenden Flusse. Nirgends ist die Welt so schön, wie an dem Orte, wo man seine Kindheit verlebte. Es war der erste Kummer, der das Herz der Prinzessin Carola traf; sie liebte Eichhorn schwärmerisch und glaubte nirgends anders leben zu können. Feuilleton. Lankerott. Skizze von Emil« Zola. Uebersetzt von Juli»» Holm. Nachdruck v«rdo!rn. I. Als die Arbeiter des Morgens die Fabrik betraten, war« die Arbeitssäle kalt, als lagerten über ihnen traurige Schatt« des Todes. In einer Ecke d«S großen Saales starrte die große Maschine stumm und finster gen Himmel mit ihren eisernen Rä dern und stählernen Armen, und tiefe Melancholie stieg aus dem leblosen, regungslosen Riesen empor, dessen klirrendes Hammen, dem House bisher Leben eingeflößt, wie der Pulsschlag eine» m schwerer Arbeit sich mühenden Titanen. Der Fabrikbesitzer öffnete die Thür seine» Comptoirs. „Kinder, heute giebt's keine Arbeit. ES laufen keine neuen Bestellungen, ein, die alten sind zurückgezogen Word« und der ganze Waarenvorrath bleibt mir auf dem Halse. Der Monat December, auf den ich als Hauptsaison gerechnet habe, richtet mich zu Grunde. Ich muß die Arbeit ttnstrllen." Sein Blick fällt auf die Arbeiter, die von den Schreckbildern des morgig« Elends geängstigt «bleichen und einander entsetzt anblicken, und seine Stimme bebt vor tief« Rührung. „Ich bin kein Egoist, meine Kinder, ab« mein« Lage ist ebenso schrecklich wie die Eurige. Ich habe in acht Tagen fünfzigtausend Franc» verlor« und muß die Arbeit einstell«, denn ich Hobe keinen rothen Kreuzer, um meine am Fünfzehnten fälligen Zah lungen einzuhalten. Ihr seht, ich spreche mit Euch wie ein Freund mit dem andern. Uebermorgen wird der Gerichtsvollzieher hier sein. Und eS war nicht unsere Schuld, nicht wahr, Kind«? Wir haben bis zum letzten Athemzug gekämpft. Gern hätte ich Euch dies« Augenblick erspart ab« ich bin ruinirt, ich könnte Euch kein Brod mehr geben." Und er reicht den Arbeitern die Hand, wortlos drücken sie ihm der Reihe nach die ausgestreckte Rechte. Dann bleib« sie rin paar Minuten stehen und starren mit geballt« Fäusten auf ihre Lber- flüsfig gewordenen Werkzeuge. Tonst pflegten um dies» Stunde die Feilen zu knirschen und di« Hiimm« schlug« d« Tack dazu. Bankerott! — Das bedeutet, daß nächste Woche zwanzig bi» drei ßig Familien hungern werden. Die Augen der Weiber füllen sich mit heißen Thronen. Die Männer wollen sich tapfer stell« und trösten sich einander damit, daß in Paris keiner vor Hunger stirbt. Dann, nachdem der Fabrikbesitzer sich entfrrnt hat, »«lassen sie einzeln mit gepreßtem Herzen und zugrfchntirter Kehl« die Fabrik, niedergeschlagen, als kämen sie au» einem Trauerhau» der Arbeit; die große, stumme Maschine, die dort im Schatten einer Ecke dunkelt, ist die Todte, um dir sie traue«. II. Draußen auf d« Straße irrt der Fabrikarbeiter umher. Acht langeTage sind verstrichen und noch immer wandert er arbeitsuchend von Thür zu Thür, um seinen muSkelkräftig« Körper zu d« schwersten und unappetitlichsten Vorrichtungen anzubieten. Ueber- oll findet er verschloss«? Thür«. Keine einzige thut sich ihm gastlich auf. Der Krach ist dir Lodtenglock« der Krllnwohnung«. Mit le«« Händen kehrt er zurück. Kalter Sprühregen rieselt nied«. Paris ist heute so finster und trüb in sein« Koth- hülle! Der Arbeiter schreitet vorwärts im strömenden Regen, er fühlt die Tropfen kaum, nur den Hunger, den nagenden Hunger, der in sein« Eingeweihten wühlt. Betäubt lehnt « sich an einen Seinepfriler, an dem die brausend fortrollenden Wog«, zu weißem Schaum zerstiebmd, sich brech«. Er beugt sich vorwärts, tosend schäumt das Riesen- gewoge an ihm vorbei und lockt ihn mit wildem, verfühererischem Rauschen. Doch dann «mannt er sich. Nein, daS wäre Feigheit — und langsam geht « weiter. Der Regen hat aufgehört. Die elektrischen Lampen locken Funkcngarben aus den Schaufenstern der Juweliere. Wenn er ein solche» Fenster einbräche, könnte er mit dem bescheidensten Griff den Seinen auf Jahre hinaus Brod verschaffen. In den Sprisesälen der Hotel» leuchten die Lampen auf, er schlendert an den Conditoreien und Schlächterläden vorbei und erinnert sich, daß er heute früh seinem »«zagten Weibe und seinem weinenden Kinde Brod versprochen. Er wagt eS nicht, nach Hause zu gehen und ihnen zu sagen, daß er gelogen hat. Vergebens zermartert er sich den Kopf darüber, was er ihnen sagen könnte, damit sie weiter dulden und warten. Nein, sie können nicht länger ohne Brod bleibe». Er, der starke Mann, kann's wohl noch aushalten, aber Weib und Kind sind schwach und mag«. Eine Sekunde lang zuckt ihm der Gedanke durch» Gehirn, daß er betteln wird. Aber so oft ein Herr oder eine Dame an ihm vorübergeh« und er die Hand almosenheischend auSstrecken will, «lahmt seine Rechte, die Kehle krampst sich zusammen und tau melnd bleibt er stehen, so daß die vornehmen Vorübergehenden sich umdrehen und den Betrunken« mit verächtlichen Blicken messen. III. Dir Frau wartet indeß unt« dem HauLthor der Heimkehr ihre» Manne». Die Arme ist gar bleich und schmächtig und ein dünne» abgeschossrnrL Kattunkleid deckt nur dürftig ihre zart« Gestalt. Frierend trippelt sie auf und ab. Alle ihre ärmlich« Habseligkeit« find schon in» Leihhau» gewandert. Eine acht tägige Arbeitslosigkeit leert die Schränke. Die letzte Roßhaar füllung der Matratze hat sie dem Trödler verkaust; nur die leere Hülle ist noch da. Die hat sie vor» Fenster gehängt, damit d« Wind nickt hineindränge, denn dir Kleine hustet. Auch sie hat Arbeit gesucht, ab« vergeben». Ihr Eredit ist er schöpft, Bäcker, Grwürzkriim« und Grünzrugweib wollen nicht länger borgen und die Arme wagt gar nicht, an ihr« Thür vorbei- zugeh«. Am Nachmittag war sie bet ihr« Schwester gewesen, aber auch dort war da- Elend so groß, daß ihre Thronen zu fließen begann«. Beim Fortoehrn »«sprach st» ihn« ein Stück Brod zu bringen, wenn ihr Mann etwa» verdient haben würde. Er kommt nicht, der Regen fließt in Strömen. Die arm« Frau flüchtet inS Thor, schwer, Tropfen fall« auf ihren Scheitel und der Sprühregen durchnäßt da« dünne Kleid, von Zett zu Zeit übermannt sie dir Unaeduld und d« Unbill de« Detter« trotzend, geht sie bi» an dir Straß«eck,, um nach dem Ersehnt« u spähen. Durchnäßt kehrt sie zurück und trocknet d« nass« Scheitel mit beiden Händen. Dir geschäftig vorübereilrnd« toß« sie hin und her, scheu drückt sie sich an die Wand, um einem im Weg« zu sein. Ihr ist, al« ob di« ganz, Stadt mit hrem Glanz und Lärm und Schmutz über ihr zusammenbrächr. Ihr gegenüber ist rin Bäckerladen, da fällt ihr das schlafende Kind ein. Endlich «blickt sie ihren Mann, der sich langsam an den Hau sern entlang schleicht. Sie stürzt auf ihn zu. „Nun?" flüstert sie erwartungsvoll. Er senkt stumm den Kopf, und todtenbleich wankt sie die Treppe hinauf. IV. Die Kleine aber schläft nicht. Sie ist «wacht, und in die halberlöschende Flamme des Lämpchen» starrend, sinnt sie nach. Qualvolle, entsetzliche Gedanken malm sich in den früh reifen, welken Zügen des siebenjährig« Kinder. Sie setzt sich auf den Rand d« Kiste, die ihr als Lag« dient. Die klein« Füßchen zittern und die schmalen, dürren Kinderhändchen hal ten die Decke krampfhaft über d« Brust zusammen. Sie denkt «ach. Spielzeug hat sie nie gehabt. Auch dir Schule kann sie nicht besuchen, weil sie keine Schuhe hat. Sie erinnert sich dessen, daß die Mutter sie zuweilen in die Sonne spazinen geführt. Aber daS war schon ange her. Seither sind sie ausgezogen und hier ist's ihr, als wehte rin eisigkalter Odem durch das Haus. Seit dem ist sie immer hungrig. Und sie versinkt in Grübelei« über rin Problem, das sie nicht lös« kann. Ist also Jedermann hungrig? Sie meint, r» komme daher, weil sie noch klein ist; die Großen sind daran schon gewöhnt. Die Mutt« weiß gewiß, daß Jeder imm« hungrig ist, ab« man verheimlicht'S den Kindern. Wenn sie es wagte, sie würde die Mutt« fragen, w« eigentlich die Men schen auf die Welt bringt, damit sie hungern. Und dann ist bei ihn« Alle» so alt und häßlich. Wurm stichige Möbel, kahle Wände, da« ganze abstoßende Elend der Kel ler- und Dachwohnung«. Und ihr scheint'«, als hätte sie im Traum warme Zimmer und schöne Möbel gesehen, und sie schließt die Aeuglrin, um wieder zu träum«. Die Strahl«, die durch dir gesmkt« Lid« dringen, verweben sich zu goldenem Gewölk, und da sehnt sie sich hinein. Aber der Wind bläst durch« Fenster, und der kalte Luftzug durchfröstelt sie so, daß sie wieder rin« neuen Hustenanfall bekommt. Die Augen füllen sich mit Thronen. Sonst hatte sie Angst, wmn sie allein blieb, ab« jetzt, sie weiß selbst nicht warum, ist ihr da» ganz oleichgiltig. Da sie seit gestern Abend nicht» gegessen hab«, glaubt sie, Mutter sei hin- untergegang«, um Brod zu hol«. Und dies« Gedanke -«streut sie. Sie wird dann do« Brod in ganz, ganz kleine Stückchen schneid« und bedächtig Krümchen um Krümchen verzehren. Sie wird mit dem Brvdr spiel«. Ach, da» wird schön sein. Dir Mutt« kommt zurück, der Bat« folgt ihr auf d« Fer sen. Ueberrascht blickt sie auf Seid« Hände. Und da Beide schweig«, hebt sie noch kurzem Zögern singend an: „Hungrig — hungrig bin ich! . . Drr Vatrr sinkt in ein« Sessel nied« und vergräbt das Ge sicht in beide Hände, indeß dumpfe« Schluchz« von sein« Lipp« dringt. Di« Mutt« würgt dir Thronen hinunter und beitet di« Kleine so gut, al« möglich, deckt sie mit allerlei alt« Lumven ru und redet ihr zu, fir möge »in brave» Kind sein und schön schlafen. Aber da» Kind, deff« Zähnchen vor Kält« klappern, faßt Muth, und die dünn« Aermchen um den Hals der Mutter schlingend, fragt eS, leise flüsternd: „Sag', Mama, warum find die Mensch« hungrig?" Literatur. Hohenzollern - Jahrbuch. Forschung« uud Abbildungen zur Geschickte der Hobeazollrrn in Brandenburg - Preußen, heraus« gegeben von Paul Seidel. Erst« Jahrgang 18S7. Verlag von Giesecke L Devrient, Berlin und Leipzig. Grobquart. Dauerhaft brojchirt 20 >«, in voruebmem Ein band 24 (Lieb- haber-Au-gobe, 100 Abzüge. 80 Da» in diesem Jabr» zum ersten Mal erscheinend« Hohrnzollern-Jadrbuch soll nach der Absicht der Verleger und Herausgeber einen Mittelpunkt für dir Forschung vb>r dir Geschichte der Hohenzollern bild«. Es wendet sich an weitere Kreise de» Publikums und enthält daher zahlreiche präch tige Abbildunara nach zeitgenössischen Quellen. Der Her ausgeber ist Ihr. Paul Seidel, der durch seine amtliche Stellung al- Director d«S Hobenzollernmuseum» und Dirigent der Kunstsammlungen de- königlichen HauseS mit Recht berufen erschien, rin Hobenzollrrn-Jabrbuch zu rrdigiren. Ueber den Reichthum de in wobrhaft glänzend« Ausstattung Gebotenen unterrichtet eine kurze Inhaltsangabe. Eröffnet wird da» Werk durch dir gedanken reiche Getäckinlßrede ProfessorSckmoiler's aus Kaiser Wilhelm I , die am 22. März d. I. auf dem Büraercommn» in der Berliner Phil harmonie gehalten wurde. Di» politischen Verhältnisse Deutschlands tm Geburtsjahr de» alten Kaiser» beleuchtet Archivrath Vr. Bailleu. Worte pietätvoll« Verehrung widmet General von Mischte, Geaeraladjutaut Kais« Friedrich'», dem zweiten Hobenzollerukaiser Der Musikkorfcher vr. Thouret schildert die Musikpflege am preu ßischen Sönigthof unter den drei Herrschern de» vorigen Jahrhunderts. Bon b» anderem Interesse ist die gemeinsamt Arbeit Vr. Kojer's, des Direktor» der Staatsarchive, und vr. Seidel'- über dir äußere Erscheinung Friedrich'- deS Großen, von d« wir un- nicht so sehr nach den überkommenen Bildnissen, die zumeist unzuverlässig sind, al» nach deu eingehenden literarischen Berichten sein« Zeitgenossen di« recht» Vorstellung machen können. Nm namentlich den bildenden Künstle« Anhalt-pnaet« für ihre Studie, zu Heben, hat Kos« die wichtigsten Schilderungen Friedrich'» de» Großen au- der Feder sein« Zeitgenossen zusammenaestrllt. Seidel hat hieran einige »er besten und am meisten charakteristischen Bildnisse de- König- angereiht und mit ttuigea Bemerkungen begleitet. Eine Nach lese za dem bereit» bekannten Briefwechsel de» großen Königs mit dem Grafra Nlaarotti spendet Geh. Archivrath vr. Groß- mann, während Professor vr. Krau»ke (Göttingen) den viel ver- kannten Friedrich Wilhelm I. Hess« verstehen lehrt. Hofbanrath Geher beschäftigt sich mit d« vaag,schichte de« Berliner Schlosse«, cberstlleutenon» vr. Jähn« schildert den Großen Kurfürsten al- Sieg« von Fehrbellin und Eroberer von Wollgast und Stettin. Eine Anzahl Briefe von Hohenzollernfraurn au» dem 15. und 16. Jahrhundert werden von dem Geh. Archivrath vr. Fried länder veröffentlich». Domcapitnlar Vr. Schaelder in Main , berichtet über die künstlerisch« Thätigkeit de» Eardinol- und Er,- bischoi» von Mainz Albrecht von Brandenburg. vr. Bailleu theilt Brief, an» der Brautzeit der K«aigin Luift mit. Eine Ab- «Heilung Nein«« Beiträge „MiSeellanea Zollerana" beschütt den Band. Di» Abbildung«», Heliogravüren, Lichtdruck« und sonstige BoUblätter find technisch vollendet. La« neu« Um «nehmen gehört ohne Lotts,l zu den gediegenste, Prachtwerk« «ad kann al» Fest gescheut beste,» empfohlen werde». "
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite