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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971206026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-06
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Vezrrg-Prei- tschlutz Die Morgen-AuSg«»« eichet«» «« V«7 Uhl. die Abeud-AuSgabe SocheRWg» »m » Uh». Ne-attio» «ad Lnedittov: 8. »«»EMtzkkim, «ft «»4— »<m früh s bis «b«d» h Uht. Fittale«: Ott» Ole»«'» r»rti». ttltfre» -«-«>, Uutversittttsftratze 8 lPauliaum), L-»i» Lösche, «echAtixn-r. 14. »au. «d «ö«sg»»liH 7. die,»«», 7.Ü0. >I«d: «umllt Abend-Ausgabe. M, Achill >1 >E» WpzMr.TllgMaü Anzeiger. Ämlsbtatt -es Ä'önigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Aotizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. «n-eigeWPOers S-efPtUMe Petitzeile >0 PK N«rk«me» mrter den, Rrdactiow-strich (4ß» cheilm) öS >ch, »er den F-mtltawechrich» (S gesvalte,) 4vch. Größer« Schriften l«»t unsere« Preis, »erzetchuitz. Tabellarisch» uud giffenises »ach höher,« T«rtf. Ertra-Veil«,,» (^falzt), «a» mN b» Vtorge«-Ausgabe, »da» Postbef-rder»»^ 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. ^«»ahmeschluß fir Anzeigen: Lbeud«Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Riorge «-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Bei deu Filiale« »ud Annahmestelle« je eia» halb« Stund« frühe». Ntt-eiget» stad stet» aa di« ErtzeDttts« zu richt««. Druck »ad Verlag vo» L. Pol» i« Leipzig 822. Montag den 6. December 1897. S1. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. December. Während diese Zeilen durch Setzer und Drucker der Ver öffentlichung entaegengefiihrt werden, ist vielleicht im Reichs tage Herr vr. Lieber gerade dabei, «ine Behandlung der Rarin^vOriage durch da» Centre»», wir wir sie bereits in Au-stcht gestellt haben, durch einen seiner rhetorischen Eier tänze einzuleiten. Eine Mittheilung eine» Berliner Paria- mentsrrporter», deren gewundener und gezierter Ton die Herkunft von dem ebenso gefallsüchtigen wie hinterhältigen CentrumSsührer deutlich erkennen läßt, berritet darauf vor. „In der CentrumSfraction", so heißt eS in dieser Mittheilung, „herrscht sehr starke Neigung, der Vorlage, namentlich in Bezug auf die Festlegung der finanziellen Forderungen für sieben Jahre Widerspruch entgegen zu setzen". Verschiedene Redner, besonder» au» Süddeutschland, hätten schon am Freitag in der FractionSsitzung die sofortige Festlegung der Partei auf die Opposition verlangt. Dieser „Auffassung" sei jedoch von „leitenden Stellen", d.^. natürlich von Herrn vr. Lieber, entgegengetreten und „die Politik der freien Hand für die nächste Zeit empfohlen" worden. „Den Führern", so heißt eS weiter, „ist der Gedanke zum Bewußtsein gekommen, daß daS katholische Volk eine» gewissen Verständnisses für die Vertretung einer kräftigen Seepolitik sich erfreut und die in China gefährdete Sache der Mission einer Förderung feiten» deS CentrumS bedarf. DaS Centrum wird daher einstweilen die ihm unsympathischen Seiten der Vorlage in Beleuchtung stellen, sich aber nicht binden. In diesem Sinne wird der Abgeordnete vr. Lieber das Wort nehmen." Mit anderen Worten: man wird seinen Patriotismus und seine Flottenfreundlichkeit zuerst in den hellsten Farben ausmalen, dann — der Anfang dazu ist schon gemacht — die Vorlage in der Presse „verrungeniren" lassen und schließlich die Marine mit einem Butterdrode abspeisen, wenn die Regierung nicht mit großen Gegenleistungen auf wartet, was sie, wie wir zu wissen glauben, nicht will und schon deshalb nicht wollen kann, weil ein HanvelSgeschäft mit den Ultramontanen jetzt größere Mißstimmung als je in weiten Volkskreisen erregen mühte. Dem „katholischen Volke" wird sein „gewisse» Verstandniß" durch die ultra montane Presse bald genug ansgetrieben sein und die selbst ständigen Köpfe in der Centrumspartei, die,wie der Abg. Prinz Aren berg eben öffentlich bekundet bat, der Notbwendizkeit einer systematischen Flottenverstärkung Rechnung tragen möchten, werden für dieses Jahr kaum etwas auSrichten, wenn nicht tw Regierungen derjenigen Einzelstaalen, in denen das Centrum seine meisten Anhänger hat, zu ganz außergewöhn lichen Mitteln zur Aufklärung der Wählermassen und zur Herbeiführung eines Druckes derselben auf die Inhaber der Mandate greifen. Leider soll dem Plane des Centrums durch die Verweisung der Marinevorlage in die Budget- commission statt in einen besonderen Ausschuß noch Vorschub geleistet werden. Wir haben unserem Bedenken darüber, daß der sogenannte Seuiorenconvent sich in diesem Sinne schlüssig gemacht hat, bereits AuSvruck gegeben. Auch in den „Bert. Reuest. Nachr." wirb jetzt, offenbar auS nationalliberaler Feder, mit Nachdruck auf die vielleicht ausschlaggebende Be deutung dieser formellen Behandlung hingewiesen und gleich falls der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die Angelegenheit in der Budgeicommission renchleppt werden solle. Die Entscheidung hat der Reichstag nach Schluß der heute be ginnenden ersten Lesung zu treffen. Hoffentlich weicht sie von der de» Seniorenconvent» ab. Nur dann wird die bereits erklärte Bereitwilligkeit der uationalliberalen Fraktion, allsogleich auf den Boden der Vorlage zu treten — ein Ver halten, dem sich dieConservativen sicherlich einmüthig ansckließen werden —, eine leise Hoffnung auf ein Gelingen gewähren. Durch die Wiedereinbringung seines JesuitcuantragS, durch den das Centrum die verbündeten Regierungen aus ihre Neigungen zu Concessionen prüfen will, kommen die demokratischen, socialdemokratischen und sonstigen Gegner des Jesuitengesetzes in eine fatale Lage. Sie sind fast durchgängig auch Gegner der Marinevorlage und hegen keinen heißeren Wunsch als den, daß das Centrum einmüthig gegen dirseVorlage stimmen möge. Nun mulken ihnen aber die Herren vr. Lieber und Genossen zu, die Aufhebung des Jesuitengesetzes den verbündeten Negierungen als eine heilige Pflicht darzustellen und sie auf diese Weise zu einer Erklärung zu drängen, die möglicherweise das Centrum bewegen würde, seine Opposition gegen die Marine-Vorlage fallen zu lassen. Das ist ein böses Dilemma, in daS Eugen Richter, Bebel und die übrigen Herren geratben, in deren Herzen die Ab neigung wider daS Ausnabmegesetz gegen die Jünger Loyola'S ebenso tiefe Wurzeln geschlagen hat, wie die Abneigung gegen jede Verstärkung unsrer Wehrmacht zur See und insbesondere gegen eine Verpflichtung zu planmäßiger Verstärkung dieser Macht. Was sollen sie nun thun? Sollen sie den Bundes rath drängen, dem Centrum eine Brücke zum Uebertritt in das Lager der „Flottenschwärmer" zu bauen, oder sollen sie diesmal mit gewichtigen Gründen für die Aufrechterhaltung des Jesuitengesetzes eintreten, um das Centrum in der Opposition gegen daS Flottengesetz erhalten zu helfen? Oder sollen sie wenigstens der betreffenden Verhandlung fern bleiben und das Centrum diesmal den Kamps um die Jesuiten mit den Vertretern der Regierung und den Freunden des Gesetzes allein auSsechten lassen? Jedenfalls ist die Spannung berechtigt, mit der man der Debatte entgegensieht. Vielleicht Hilst aus der Klemme da« Mittel der Beschlußunfähig- keit de» HauseS, in dessen Anwendung die Majoritäts parteien deS jetzigen Reichstags ja eine so große Virtuosität erworben haben; vielleicht entschließt man sich, öffentlich gegen da« Jesuitengesetz zu donnern und im stillen Kämmerlein nm Erfolglosigkeit dieser Reden zu beten. Ausländische Blätter beschäftigen sich neuerdings nur allzugern mit den angeblichen Absichten Deutschlands auf Haiti. Es fehlt dabei nicht an Verdächtigungen der deutschen Politik, der auch diesmal ganz unverblümt Anuexionsgelüste auf diese Insel zugeschrieben werden. Unter Anderen sind auch französische Blätter mit dieser Beschuldigung schnell bei der Hand gewesen. Es ist ziemlich klar, daß der artige Behauptungen Erfindungen der betreffenden Corre- spondenlen sind. Zunächst ist e», schreibt die „Post", durch aus nicht ersichtlich, welches Interesse wir an einer Be setzung der Insel haben sollten. Der Werth derselben in politischer und wirtbsckaftlicher Hinsicht steht in keinem Ver- bältniß zu den Ungelegenbeiten, die wir uns dabei im Con- flict mit anderen Mächten zuziehen würden. Uns ge lüstet eS deshalb in Deutschland in keiner Weise, Beherrscher der corrumpirten Negerrrpublik mit ihrer arbeitsscheuen Bevölkerung zu werden. Ueber die Absichten der deutschen Reichsregieruna ist auch den anderen Groß mächten volle Klarheit gegeben worden. Daß Deutschland ein Recht auf volle Genugthuung für erlittene Unbill zu fordern hat, dürfte wohl auch kaum von einer der betreffenden Regierungen bestritten werden. Neuer dings ist allerdings viel von einer Stellungnahme der Ver einigten Staaten von Nord-Amerika gegen die deutschen Forderungen gefabelt worden. Auch hier haben jedoch die Lügen, wie stets, kurze Beine. Die Haltung der nord- amerikanischen Regierung ist eine durchaus correcte. Sie wünscht nichts, als durch maritime Maßregeln die Inter essen ihrer Schutzbefohlenen gegen Uebergriffe zu ver- theidigen, und hat in keiner Weise die Neigung, die Action Deutsclilands zu durchkreuzen. Was Deutschland verlangt, liegt klipp und klar am Tage. Wir wollen keinen Land erwerb, weder in größerem noch kleinerem Umfang, sondern nur Entschädigung für die gegen Lüders und sein Eigenthum begangenen Gewaltlhaten. Die dafür von der Republik zu entrichtende Summe dürfte allerdings einen Umsang er reichen, der den Kosten der maritimen Expedition Deutsch lands zugleich mit entspricht. Sollten die Beherrscher Haitis es für gut befinden, zunächst dem deutschen Verlangen zu trotzen, so werden scharfe Maßregeln einer Verweigerung auf dem Fuße folgen und zwar in der Weise, daß zunächst die Küstenbefestigungen, bei weiterer Renitenz die Stadt mit den Regierungsgebäuden beschossen wird. Allerdings ist anscheinend gegründete Hoffnung auf eine schnelle Unterwerfung der Republik unter den Willen Deutsch lands vor Anwendung der stärksten Mittel vorhanden. Heute läuft der Termin ab, an welchem man in Ocster- retch-Uugarn den von Baron Banffy angekündigten Gesetz entwurf erwartet, welcher die gemeinsame Angelegenheit der beiden Reichshälften bis auf die Festsetzung der Quote für 1898, welche dem Kaiser die Entscheidung zusteht, selbst ständig regelt, nachdem eS sich herauSgestellt bat, daß daS cisleitbanische Abgeordnetenhaus nicht im Stande ist, sich seinerseits darüber zu einigen. Bis gestern hat Minister präsident v. Gautsch seine Bemühungen, eine Einigung zwischen den beiden feindlichen Gruppen herbeizuführen, fortgesetzt, aber man darf dieselben beute wobl al« gescheitert betrachten. Die „N. Fr. Pr." berichtet darüber: Die Jungtschechen verbreiten, die Verhandlungen seien nicht an der Sprachenfrage, sondern an den Forderungen der Linken, daß das Präsidium zurücktreten und die lex Falkenhayn beseitigt werden müsse, gescheitert. Richtig ist, daß die Jungtschechen die Taktik befolgten, in der Sprachenfrage äußerste Zurückhaltung zu beobachten und die beiden anderen Forderungen der Linken in den Vordergrund zu schieben, die sie bekämpften und ablehnten. Eine Einigung in der Sprachenfrage ist nicht angebahnt; derselben wurde bisher nicht einmal näher getreten. Einen stark störenden Einfluß übten die böhmischen Feudalen aus, indem sie den autonomistischen Standpunct betonten und forderten, daß die Sprachenfrage, unter Ausschluß jeder anderen Lösung, nur im böhmischen Landtag geregelt werden dürfe. Die behindernde Einwirkung deS böbmischen Feudal-Adels soll sich dermaßen stark geltend gemacht haben, daß man denselben mit den bekannten Bestrebungen dieser Partei in Zusammenhang bringt, den ReichSrath wieder von den Land tagen abhängig zu machen und die directe Wahl in den ReichSratb durch die Wahl auS den Landtagen zu ersetzen. Man colportirt in Wien in dieser Richtung ganz bestimmte Aeußerungen einzelner Mitglieder des Feudal-Adels, welche die Tendenz dieser Partei bekundeten, eine Sistirung der parlamentarischen Thätigkeit zu bewirken, welche in ihrem Gefolge zu einer Sistirung der Verfassung und zu einer Octroyirung auf autonomistischer Grundlage führen 'ollte. Unzweifelhaft hat diese ablehnende Haltung des Feudal-Adels auch jene der Jungtschechen in hervor ragendem Maße beeinflußt. AuS der Notbwendigkeit nun, ein selbstständiges Gesetz über das Ausgleichsprovisorium zu schaffen, erwächst aber eine weitere Gefahr sowohl für die ungarische Regierung, wie auch für die Basis, auf der die gemeinsamen österreichisch-ungarischen Institutionen beruhen, denn nach den Berichten auS Pest kann kein Zweifel darüber obwalten, daß die ungarische U nabhängigkeitSpartei die Frage der Stellung Ungarns zu dem ÄuSgleichSprovisorium und die Berathung über ein selbstständiges Gesetz als Hebel benutzen will, ihre Tendenzen, die auf die Personalunion hinauslaufen, zur Geltung zu bringen, und da von dieser Seite, falls Baron Banffy nicht scharf genug gegen Oesterreich Front machen sollte, angekündigt wird, erforderlichenfalls zur Obstruction zu greifen, so eröffnet sich die Perspective auf sehr schwere Kämpfe auch in Ungarn. Die belgische Socialistin Alice Bron, die kürzlich aus der Redaction deS Brüsseler „Peuple" ausgetreten ist und den Männern des Volkshauses den Rücken gewandt hat, legt in einer kleinen Schrift die Gründe dar, durch di« sie zu diesem Schritt bewogen wurde. Als Vorsteherin der Armenverwaltung von Monceau lernte Frau Bron seinerzeit das Elend der unteren Classen näher kennen, und die be geisterte, anscheinend selbstlose Sprache, mit der die socialistischen Blätter für die Unterdrückten eintraten, führte sie in das rothe Lager. Das war vor dem Triumph der Socialisten bei den letzten Kammerwahlen: nachher aber lernte sic die Leute, die früher das Wohl des Volkes auf ihr Schild ge schrieben, von einer andern Seile kennen, und heute ruft sie „den Strebern, die daS Elend als Sprungbrett benutzen", zu: „Geht ihr euern Weg, ich gebe den meinen — wir können nicht mehr dieselbe Straße wandeln." Schon lange war das Vertrauen der Frau Bron in die Führer der socialistischen Arbeiter partei erschüttert, aber sie wollte die Fehler, die Ungerechtig keit dieser VolkSbeglllcker nicht sehen, sie wollte nicht an ihre unlauteren Absichten glauben. Als sie aber schließlich sich selbst wegen ihres Eintretens für daS Volk von den Partei leitern in gehässigster Weise verfolgt sah, fielen ihr die Schuppen von den Augen, und sie legte ihre Mitarbeiterschaft an dem „Peuple", an dem sie drei Jahre thätig gewesen war, nieder. Lächerlich findet die Verfasserin den Eifer, mit der die junge socialistische Garde sich gegen den Eintritt in das Heer sträube, während diese jungen Leute durch ihren Ueberganz zum Socialismus ihre ganze Freiheit ein büßten und weit schlimmer daran seien, als die Soldaten. ES wimmele in der Partei von Strebern. Diejenigen, die eS zu Etwa« brächten, würden völlig willenlose Werk zeuge einer eisernen Parteizucht, denen bei der geringsten Gehorsamsverweigerung die Thür gewiesen werde. Sie hielten aber etwas auf ihr lohnendes Mandat oder ihre Stelle, und da sei die außerordentliche Biegsamkeit ihres Rückgrat- leicht erklärlich. Die Verfasserin fährt dann fort: „Sobald ein junger Bursche zwei Reden gehalten hat, hält er sich für reis für die Kammer und für berechtigt, später einen Sitz im Parlament zu verlangen, um dann ein Ministerportefeuille zu erlangen. Dabei schwebt ihm die Möglichkeit vor — und weshalb auch nicht? — einmal Präsident einer belgischen Republik nach dem Muster der französischen zu werden, und er sieht schon, wie er in der Staatskutsche spazieren fahrt, den Zaren empfängt, Tänzerinnen liebt und von ihnen geliebt wird, Truppenschau Frnttletoir. Das Wahrzeichen -er Herrendorss. Roma» von L. Mlgula. t. Capitel. Aus dem Hauptportal de» herzoglichen Hoftheaters zu X. traten mehrere Officiere, mit lebhaften Worten und Geberden ihre Anerkennung über die herrliche Stimme und da» vortreffliche Spiel deS Gaste» ausdrückend, der in Wagner'» „Walküre" den Siegmund gesungen hatte. Sie schritten dabei langsam vor wärts, bi» einer der jüngeren Lieutenant» stehen blieb und lachend sagte: „Ich merke schon, wohin e» gehen soll, will mich daher hier verabschieden." „Wahrhaftig, der solide Knabe geht wieder nach Hause!" — „Aber Fritz, waS willst Du mit dem angebrochenen Abend an fangen, noch nicht viel über 11 Uhr, tomme mit zu Lenz" — „Leien Sie doch kein solcher Duckmäuser, Herrendorf, Ihre Musterhaftigkeit macht Einen ja ganz schwindelig" — so tönte r» lebhaft durcheinander, doch der junge Mann blieb fest und er widerte scherzend: „Mit meiner Musterhaftigkeit ist'» nicht weit her, die braucht Niemand zu ängstigen, aber ich hatte in letzter Zeit anstrengenden Dienst und btn immer froh, wenn ich mich Abend» nieder legen kann. Also auf ein andere» Mal." „Na, das möchte ich doch erleben!" lachte Premierlieutenant Ellheim, „aber gehen Sie nur, Recht haben Sie ja eigentlich immer mit Ihren verschiedenen Entschuldigungen. Schlafen Sie sich recht gut au», morgm früh um 4 Uhr müssen Si« ja wohl wieder rau»?" Herrendorf reichte dem Kameraden die Hand und wandte sich zum Gehen, al» einer von ihnen seinen Arm berührte und sagte: „Ich komme mit Dir, Fritz, denn offen gestanden bin ich zu einer Sitzung bei Lenz auch zu müde." Er verabschiedete sich ebenfalls von den Herren und die beiden jungen Männer bogen in eine Seitenstraße, in der sie rasch vorwärts schritten. „Es ist wirklich nett von Dir, Hugo, daß Du mich be gleitest", nahm Fritz v. Herrendorf alsbald da» Wort. „Ich fürchte nur. Du bringst mir ein Opfer, denn ich weiß, Du liebst lustige Gesellschaft und hättest ganz gern noch rin« Stund« bei Lenz gesessen, denn an Deine vorgeschützte Müdigkeit glaube ich nicht recht." „So wenig wie ich an die Deine", war Hugo Lehmann's lachende Antwort. „Du aiebst zwar immer vor, müde zu sein, wenn Du von früh 4 Uhr auf den Beinen bist, und hast ja auch ein Recht dazu, was selbst Ellheim anerkennt, aber dann würdest Du doch nicht bis tief in die Nacht hinein an Deiner Arbeit sitzen!" „Lieber Hugo, Du weißt recht gut —" „Gewiß, gewiß, ich weih sehr genau, daß Fritz Herrendorf von seinem Vater keinen Pfennig Zulage erhält, daß er trotzdem stet» in seinen Finanzen am rangirtesten von uns Allen ist, wa» er durch „kleine, schriftstellerische Versuche", wie er seine au»gezeichneten Arbeiten bescheidener Weise nennt, möglich macht und daß er in Folge davon noch einmal al» Kriegsminister enden wird." „Nun, gegen diesen Abschluß meiner CarriSre hätte ich nichts einzuwenden", lachte Herrendorf heiter, „indessen hat sich mein Ehrgeiz selbst in seinen kühnsten Träumen nie so hoch ver stiegen." „Wir werden'» ja erleben! Aber Scherz bei Seite, ich wollte eigentlich von etwa» ganz Anderem mit Dir reden, darum machte ich mich von den Kameraden lo». Sag einmal aufrichtig, Fritz, ist Dir «twa» Unangenehme» passtet?" „Etwas Unangenehmes, we»halb?" lautete die erstaunte Gegenfrage. „Nun, ich kann mich täuschen, aber mir schien es, al» ob Dich «ine besondere Unruhe quälte. Ich kenne Dich doch sonst al» Kunstenthusiasten, und trotzdem warst Du heute während der ganzen Vorstellung entschieden zerstreut, obgleich der herrliche Gesang und das vollendete Spiel diese» „Siegmund" wahrhaftig die vollste Anerkennung verdient." „Ja, dieser Siegmund!" seufzte Herrendorf tief auf. „Sollte man nicht meinen, Du wärest ein kleiner Backfisch, dem „Siegmund" das Herz gestohlen?" rief Lehmann heiter au». Fritz antwortete nicht, und al» Lehmann ihm betroffen in das Gesicht blickte, sah er mit Staunen, wie ernst es war. „Ich bitte Dich, Fritz, sprich Dich offen aus; Dein Wesen fängt an, mich ernstlich zu beunruhigen! Noch einmal: Ist Dir etwa» Unangenehme« begegnet?" „Nein, nicht» Unangenehme», aber allerdings Etwas, da alle metn« G«danken gefangen nimmt und mich im höchsten Grade erregt. Ich glaube wirklich, es wird eine Erleichterung für mich sein, wenn ich Dir Alles anvertraue, aber nicht hier auf der Straße, komme noch für «in Stündchen mit in mein Zimmer, da kann ich Dir in aller Ruhe erzählen, was mich so außer gewöhnlich beschäftigt, — willst Du?" „Natürlich, gern, Du setzest mich wirklich in die größte Spannung." Nach wenigen Minuten war die Caserne erreicht, wo Lieu tenant v. Herrendorf wohnte. Der Bursche hatte auf seinen Herrn gewartet, öffnete und leuchtete die Treppe hinauf. „Bringe noch ein paar Flaschen Bier herein, Gottlieb, dann kannst Du gehen, ich brauche Dich für heute nicht mehr." Als die beiden Freunde allein waren und es sich in der sehr einfach eingerichteten Junggesellenstube so bequem wie möglich gemacht hatten, begann Herrendorf: „Du wunderst Dich, weshalb ich bei der Erwähnung Sieg mund'« seufzte? Ich will Dir daS mit wenigen Worten erklären, weil ich nämlich über seine Person, das heißt über den Sänger Roland, ganz seltsame Vermuthungen habe; ich bin eigentlich beinahe überzeugt, daß er ein Vetter von mir ist." „Ein Vetter von Dir? Aber Fritz, da» ist ja nicht möglich, nach Allem, wa» man von der Vergangenheit dieses berühmten Sängers gehört hat." „O, Du weißt, daß man von Dem, was man hört, nur die Hälfte glauben kann, aber immerhin, gerade diese Vergangenheit ist e», die meine Vermuthung bestärkt, die durch die seltsame Aehn- lichkeit erweckt wurde." Er sah sinnend vor sich hin, während sein Freund ganz im Banne de» Erstaunen» mit keinem Wort da» Schweigen brach. „Ja", fuhr Fritz endlich in seiner Erklärung fort, „wenn ich mir Alles überlege und zusammenstelle, so gewinnt die Wahr scheinlichkeit meiner Vermuthung immer mehr Boden und Du kannst Dir denken — doch nein, das kannst Du wohl kaum, da Dir ja die Verhältnisse so gut wie ganz unbekannt sind. In dessen, wenn «S Dich interessirt, erzähle ich Dir, waS ich selbst über diese Angelegenheit weiß." „Natürlich, Du wirst begreifen, daß ich in der höchsten Span nung bin; sage mir aber vor Allem, wie Du auf diese Idee ge kommen bist?" „Diese Idee liegt eigentlich sehr nah«, wenn Du Dir den Mann genauer ansiehst. Trotz Schminke und Verkleidung hat er eine frappante, geradezu staunenerregend« Aehnlichkeit mit meiner Cousine Inga." „Um de» Himmel» Willen, doch nicht mit Fräulein v. Herren dorf von der Ringburg?" „Ganz gewiß, mit Inga von Herrendorf, der Enkelin des alten Oberhofjägermeisters." „Liebster Fritz, Du bist nicht bei Sinnen. Ich wette, kein Mensch außer Dir findet da auch nur die allergeringste Ähnlich keit, wie wäre es auch möglich." „Sehr leicht ist es möglich, ja sogar wahrscheinlich, und Du wirft das selbst finden, wenn ich Dir sage, daß Ingas einziger Bruder seit zehn Jahren verschollen ist und man ihn als ver lorenen Sohn betrachtet, dessen Name in der Familie nicht mehr genannt werden darf." Ganz verblüfft starrte Lehmann seinen Freund an. Das waren allerdings Aufschlüsse, die er nicht erwartet hatte; er glaubte mit den Verhältnissen der Herrendorfs vollständig ver traut zu sein, seit er mit Fritz im Cadettenhaus treue Freund schäft geschlossen und von diesem in die Familie eingeführt, seit Jahren fast wie der Sohn des Hauses behandelt worden. „Nicht wahr, das hast Du nicht ahnen können, lieber Hugo, und Du wirst mir nun zugeben, daß ich einige Berechtigung zu meinem Glauben habe. Anfangs hielt ich diese Idee ja auch für ganz wahnsinnig, aber sie ließ mich doch nicht los, und nun höre, wie ich dazu gekommen bin, sie schließlich für ganz vernünftig und möglich anzusehen. Ich muß dazu vorausschicken, was ich von jenen halbvergesfenen Ereignissen, die der Flucht meines Vetters vorausgingen, behalten habe. Ich war damals noch sehr jung, entsinne mich aber seiner noch ganz genau, denn mein Vater war mit den Herrendorfs auf der Ringburg eng befreundet und alle Jahre brachten wir einige Sommerwochen auf dem alten Stamm schlosse zu, das ja eigentlich alle Herrendorss und wenn sie noch so entfernt verwandt mit dem Oberhaupte der Familie sind, als ihre Heimath betrachten. Mein Vetter Hans Roland, nach seinem Urgroßvater so genannt, drei Jahre älter wie ick, war, als ich ihn zum letzten Male sah, ein großer, schlanker Bursche von 16 Jahren, mit leichten, gewandten Bewegungen, einem offenen, frischen Gesicht und einer mächtigen, blonden Lockenfülle. Besonders bemerkenswerth ün ihm waren — und das ist es, was ihn Inga so sehr ähnlich machte eine wirklich auffallend schöne, grie chische Nase und fast schwarzblaue Augen, die im Gegensatz zu seinem heiter lachenden Munde meist sehr schwermüthiq blickten. Der arme Kerl hatte wohl Ursache, traurig und ernst zu sein! Erst wenige Jahre zuvor war sein Vater im Kriege geblieben, seine Mutter hatte er, al» er noch ein kleine» Kind war, verloren undd«r Großvater soll ihn nie besonder» geliebt haben: au- welchen Gründen, habe ich nie erfahren. Jedenfalls behandelte man ihn nicht liebevoll, und die junge Frau namentlich, die Onkel Sieg fried noch in späten Jahren geheirathet hat, also die jetzige Frau von Herrendorf von der Ringburq, soll Alles daran gesetzt haben, ihm den Aufenthalt in seinem Vaterhaus ganz unerträglich zu machen. So sagte wenigsten» mein Vater, der stet» «ine besondere
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