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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971211017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897121101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897121101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-11
- Monat1897-12
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Bez«g--Prei- kn der Ha«pt«pMioa ödes tz»u im Stadt» bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5.LL Durch hi» Post bezoaea für Deutschland und Oesterreich: viertrliährlkch 8.—. Direkte tägliche KreuzbaadiruhuNg in» Kurland: monatlich ?.öü. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, dir Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. He-arti-n und Erye-iti-»: Lotzannesgasfe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr, Filialen: Otto Klemm'» Tortim. (Alfred Hahn), Universitätssttaße 3 (Paulinumj, Louis Lösche, Latbarinenstr. 1L, Part, ruck Kömgsplatz 7. Morgen-Ausgabe. MWgrrIaAMaü Anzeiger. Mtsvlatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Molizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. AuzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeise 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactioaSftrich (»gs- spalte«) 50^, vor den Familienuachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis' verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung SO.—, mit Postbesördernog 70.—- Iinoahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde fruher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz io Leipzig. «31. Sonnabend den 11. December 1897. 91. Jahrgang. Organifirte Wan-ersursorge un- Ataatsuntkrstutzung. m. Gelegentlich der Besichtigung der Bodelschrvingh'schen Anstalten zu Bielefeld ist das scyone Kaiserwort gesauur, daß das Hohenzollernhaus den Kampf führe, jeoem arveitswilligen Untertyan zur Arbeit und Berdienst zu sorgen, den Kamps für duulü euigue. Auch die Bestrebungen für Arbeitsnachweis und Berpiiegungsslalionen haben dadurch einen neuen Anlned erhalten. GS ist dadurch ihre Bedeutung anerkannt, aber zugleich die Mahnung zur thatträstigen Unterstützung ausge sprochen. Eine solche Mahnung ist am Platze. Die frühere Theilnahme ist vielfach erkaltet, tyeils weil die ÄZanderdettelplage nachgelasten hat, theilS weil die bisherigen Fürsorgeeinrichtungen auf dem Wege der Freiwilligkeit nicht zweckenlfprechend aus gestaltet und in ihrem materiellen Bestehen nicht sicher gestellt werden konntsn; besonders unheilvoll hat die Ablehnung des vor zwei Jahren dem preußischen Abgeordnetenhause vorgelegten Gesetzentwurfes über BerpslegungSstationen gewirkt. Allerdings verhielt sich die Mehrheit des Abgeordnetenhauses nicht unbedingt ablehnend, wünschte aber die Vorlegung eines neuen Entwurfes, in welchem Arbeitsnachweis, Arbeitsforderung und Arbeits beschaffung, Benutzung der Arbeitercolonien und Bekämpfung der Arbeitsscheu mehr betont wären. Der Vesammtverband deutscher Verpflegstationen hat sich nicht abhalten lasten, mit neuen Vor schlägen, verschiedenen Entwürfen (von Pastor Märchen, Geheim- cath von Mastow und Pastor von Bodelschwingh) hervorzutreten, auch in den Fachorganen „Zur Heimath" und dem „Wanderer" die einschlägigen Fragen zu behandeln. Besonders ist hier der o. Mastow'sche Vorschlag des Erlasses eines Reichsgesetzes behufs obligatorischer Einrichtung von „Beschäftigungsanstalten" in allen Bundesstaaten neben den Verpflegungsstationen hervorzuheben. Die Verwirklichung dieses Vorschlages auf dem reichsgesetzlichen Wege wurde jedoch als aussichtslos betrachtet, abgesehen von dem principiellen Bedenken, daß die vorgeschlagene schablonenhafte Z w a n g s Unterbringung in „Beschäftigungsanstalten" doch nichts Anderes, als eine bessere Art von Arbeits- und Corrections- häusern sein würde. Die Mehrzahl der Vertreter nichtpreu- ßischer Verpflegnngsstationsverbände versprach sich mehr Erfolg von einem Weiterschreiten auf dem preußisch - landesgesetzlichen Wege unter Berücksichtigung der Wünsche des preußischen Ab geordnetenhauses, in welchem Sinne der Mörchen'sche Entwurf ausgearbeitet war. Außerdem regte Pastor v. Bodelschwingh noch an, daß der Staat in größeren Oedländereien und Moor flächen für Nothzeiten Arbeitsgelegenheiten bereit halten möge. Unter diesen Vorschlägen verdient derjenige des Herausgebers des „Wanderer", des Organs der Verbände für Wanderer fürsorge, Pastor Märchen in Gadderbaum, besondere Beachtung. Es sei daher im Folgenden näher auf ihn eingegangen. Nach den vielfach im „Wanderer" veröffentlichten Anschau ungen des genannten Verfassers ist die Vagabondage weniger eine Folge von Leichtfertigkeit und Arbeitsscheu, als der Schwankungen im Erwerbsleben. Am schwersten trifft dies Loos die minder leistungsfähigen, älteren, geistig, körperlich und sittlich schwächeren Arbeiter. Zu genügender Unterstützung der mittellos Gewor denen befähigte Berufs- oder andere Verbände giebt es nicht. Auch können arbeitsfähige und ortsfremde Personen nicht nach den Regeln der gewöhnlichen Armenpflege behandelt werden, da es bei ihnen der sorgfältigsten, individuellsten Prüfung der Würdigkeit und Bedürftigkeit bedarf. Das sicherste und ge rechteste Prüfungsmittel der Arbeits Willigkeit ist die Dar bietung von Arbeitsgelegenheit. Haupterfordernisse für einen wirksamen Arbeitsnachweis sind: Umfassende Vereinigung (Eentralisation) und praktisch-fachmännische, gemeinnützige Ver waltung. Da der Arbeitsnachweis besonders in Zeiten wirth- schaftlichen Druckes und bei „Saisonarbeitern" versagt, so bedarf er der Ergänzung durch Notharbeitsstätten (Wanderarbeitsstätten, Arbeitercolonien). In dem sittlichen Werth der Arbeit beruht der Hauptzweck dieser Veranstaltungen. Der Haupt mangel der jetzigen Einrichtungen besteht in ihrer Zusammen hangslosigkeit und Lückenhaftigkeit, in der Ungleichmäßigkeit des Verfahrens, in der Unsicherheit ihres Bestehens. Deshalb sollen sie künftig nicht etwa auf armenrechtlicher oder auf pouzeirecht- licher Grundlage ruhen. Arbeitsvermittetung, Arbeitsstätten, Beherbergung und Verpflegung sind in der Hauptsache gemein nützige Aufgaben praktisch-socialer Wohl fahrtspflege, aber Freiwilligkeit allein genügt nicht zu ihrer Erfüllung. Die Fürsorgennnchtungen sind staats- gesetzlichhervorzurufen, kommunal (mit Staats beihilfe) zu unterhalten, praktisch-fachmännisch, unter mogüchsler Heranziehung freiwilliger Kräfte und Benutzung freiwilliger Hilfsanstalten (Vereinsherbergen, Colonien) zuver mal t e n. Der gemeinnützige Arbeitsnachweis für einheimische, noch seßhafte Arbeitsuchende ist mit dem für wan dernd« Arbeitlose organisch zu verbinden, zu gegenseitiger Er gänzung und Förderung. Mit den Armen- und Polizeibehörden ist eine geordnete Verbindung der in ihrem Bereich selbst ständig wirkenden Fürsorgeanstalten herzustellen. Die Kosten last und höhere Verwaltungsbefugniß ist in Preußen weder den Provinzialverbänden (Landarmenoerbänden), noch einzelnen Kreisen oder Gemeinden zu übertragen, sondern uä lloo zu bildenden Zweckverbänden von Stadt- und Landkreisen. Die Abgrenzung der „Zweckverbände" erfolgt gemäß den gewerb lichen und Verkehrs-Zusammenhängen, nach dem leitenden Ge sichtspunkt einer praktischen Zusammenfassung des Arbeitsnach weises und einer zweckmäßigen Regelung des Wanderoerkehrs, sowie einer möglichst gleichmäßigen Kostenbelastung (durchschnitt licher Umfang eines Regierungsbezirkes). Vertreter aller Zweck oerbände bilden einen „Gesammtverband der Arbeitsfürsorge- Anstalten", Hand in Hand mit den staatlichen Centralbehörden. Als Organe zur Ueberwachung des gesammten Betriebes werden besondere Jnspectoren angestellt. Jeder Zweckoerband gruppirt sich um eine „ H a u p t a n st a l t " für Arbeitsfürsorge und umfaßt außerdem „Anstalten" (die bisherigen Verpflegungs stationen) und „Nebenstellen" nur an den Hauptwanderstraßen und nur in solcher Anzahl, daß ein umfassender Arbeitsnachweis und ein geordnetes Wandern von einer Hauptanstalt zur andern ermöglicht wird. Die „Hauptanstalten" sind mit eigenen größeren Arbeitsbetrieben, mit Bade- und Desinfectionseinrichtungen, so wie Krankenabtheilungen verbunden. Sie vornehmlich haben die Aufgabe gründlicher Prüfung und Sichtung der Verpflegungs bewerber, die sie gegebenen Falls den Arbeitercolonien oder eigenen ländlichen Zweigbetrieben, auch der Armen- und Polizei verwaltung überweisen. Nur sie stellen die Wanderscheine aus. Neben den wie bisher mit Arbeitsgelegenheit und Nachtherberge ausgestatteten Anstalten, deren jede eine Filiale des Haupt arbeitsnachweises ist, dienen die „Nebenstellen" als Hilfsstellen für den Arbeitsnachweis und als Ausruhe- und Erfrischungs stellen an längeren Wanderstrecken. Die tägliche Arbeits- und Wanderleistung soll der Arbeitsleistung eines in festem Arbeits- verhältniß Stehenden ungefähr entsprechen; es soll auch ein ordentliches Ruhelager und eine zur Erhaltung der Arbeits- und Marschfähigkeit ausreichende Verpflegung gewährt werden. Für besondere Nothzeiten bleiben die vom Staat« bereit zu stellenden „Nothcolonien" in Reserve. Diese Vorschläge sind aus der Praxis und aus jahrelanger vielseitiger Erfahrung und Beobachtung herausgeivachsen. Die gegenwärtige Stockung in den Fürsorgeeinrichtunqen für arbeits lose Wanderer kann am ersten überwunden und die jetzt be sonders lebhaften Bemühungen zur Regelung des Arbeitsnach weises können am wirksamsten gefördert werden, wenn man beide Aufgaben in dieser Weis« zusammenfaßt. Im Ausland«, welches ursprünglich bei uns in die Schule gegangen ist, sehen wir überall ein rüstiges Vorwärtsschreiten. Es wäre nach all den Opfern, die seit 16 Jahren und länger in Deutschland für die Wandererfürsorge aufgebracht worden sind, doppelt zu beklagen, wenn der so segensreiche Zweig gemeinnütziger Fürsorgethätiakeit infolge Mangels der nunmehr nöthig gewordenen staatlichen Unterstützung verkümmern müßte. H. von Treitschke über die Le-rutung -es Meeres und -er Flotte. Vor Kurzem ist, wie schon erwähnt, im Verlage von S. Hirzel in Leipzig der erste Banv der Vorlesungen erschienen, die Heinrich von Treitschke über „Politik" geballen hat. Werden die Herausgabe dieser Vorlesungen vor Allen die Tausende von Hörern Treitschke's begrüßen, so wird ihnen auch der gesammte Kreis gebildeter Leser ohne Zweifel großes Interesse entgegenbringen, sowohl des Gegenstandes wegen als um der genialen Persönlichkeit willen, die ihn gemäß ihrer Eigenart behandelt hat. Der Herausgeber der Vorlesungen, vr. Max Cornicelius in Berlin, batte damit keine leichte Arbeit übernommen. Treitschke's eigene Aufzeichnungen für seine Vorlesungen blieben jedem Benutzer unverständ lich, weil sie nur abgekürzte Dispositionen, Stichworte und Andeutungen enthielten. Auch mußte man sich ver gegenwärtigen, wie er selbst zu einer Herausgabe seiner Collegienbcfte gestanden hätte, und mußte sich da Wohl sagen, daß er, wie er im Allgemeinen die übereifrigen, gar zu schnellen Veröffentlichungen der Nachlässe Verstorbener zu mißbilligen pflegte, in Bezug auf seine eigenen Arbeiten, und nun gar erst Vorlesungen, nicht anders gedacht haben werde. Die Familie Treitschke's hat auch erst nach sorgfältiger Ab wägung der wissenschaftlichen und persönlichen Gründe und nach Befragung von College«, Freunde« und Schülern des Geschichtsschreiber-, von denen sich keiner unbedingt gegen die Herausgabe ausgesprochen hat, ihre Zustimmung gegeben. Die jetzt vorliegende Ausgabe stützt sich auf Nachschriften von Hörern der Vorlesungen. Mehrere davon hat der Herausgeber benutzen können, andere sind zur Ausfüllung der Lücken herangezogen worden. Will man eine Probe von Treitschke's „Politik" niittheilen, so erscheinen hierfür augen blicklich seine Ansichten über die Bedeutung des Meeres und der Flotte besonders geeignet. Er sagt in dieser Hinsicht: „Was die geographischen Verhältnisse de» Staate» betrifft, so ist hier unter allen Geschenken der Statur keins werthvoller al» die Lage am Meere. Doch kommt es" auch hier daraus an, ob ein Volk diesen Bortheil zu benutzen »»ersteht. Die Spartaner hatten bekanntlich ebensowohl eine Küste wie die Athener, dennoch blieb ihr Staat immer ei« Biunenstaat, während Athen als Seemacht groß ward. Man kann behaupten, daß eine große »Ltaatsentwicke- lung ohne das Meer auf die Dauer unmöglich ist. Jeder Staat großen Stils, der danach trachtet, auf eigenen Füßen zu stehen, muß eine Küste haben. Dadurch erst wird er wirklich frei. Dies ist so deutlich, daß man ganze Epochen der Geschichte aus diesem einen Verhältniß heraus erklären kann. Ter Gegensatz von Polen und Deutschland hat hier seinen Schlüssel. Da die deutsche Coloni sation an der Küste soweit nach Osten gezogen war, das Hinterland aber slawisch blieb, so ergab sich eine Tod feindschaft, die Niemand hindern konnte. Polen mußte danach trachten, die Mündungen seiner Ströme für sich zu gewinnen, die Deutschen ihrerseits konnten das nicht zulassen. Damit war ein geographischer Gegensatz gegeben, der sich gar nicht ändern ließ. Jedes jugendlich aufstrebende Volk drängt unbarmherzig vorwärts nach der Meeresküste. Sobald die Ungarn Len Dualis- mus durchgesetzt hatten, 1867, war es da» Erste, daß sie das alte Küstenland sür sich forderten und von der Schwäche Oesterreichs auch erlangten; so hatte Ungarn seinen Hasen Fiume. In alledem liegt eia Naturdrang. Das Meer wirkt stärkend auf alle Sitten eines Volkes ein; bei seefahrenden Nationen kann vollständige Unfreiheit nur ausnahmsweise auskommen. Es giebt kaum einen menschliche« Beruf, der so alles Untüchtige ausstößt wie der des Seemannes; daher kann hier dir menschliche Kraft so frei ge deihen. Er erzeugt eine wesentlich demokratische Anschauung, welche allein nach der Leistung fragt und urtheilt. Wenn man Sparta und Athen vergleicht, so sieht man deutlich, wie die Sec macht Athen» aus den ganzen Charakter des Staates zurückgewirtt hat, im Gegensatz zu dem binnenländisch verhockteu Sparta, das nie einen geistig freien Horizont gewann. Unsere verstockten Ver hältnisse in Deutschland hat vor Allem die reine Binnenlandspolitik des Hauses Habsburg verschuldet. Wie ein Meteor erscheint hier Wallenstein, ein genialer Kopf, der schon den Gedanken faßte, aus dem Jahdebusen einen deutschen Seehafen zu machen und einen Canal zwischen Nord- und Ostsee zu graben. Von der Natur ist Deutschland allerdings stiefmütterlich bedacht. Tie Ostsee trägt überwiegend den Charakter Les Binnenmeeres. Das kann mao erkennen daran, daß die Einwirkung der See auf die anwohnenden Menschen eine sehr geringe ist. Man ahnt ein paar Stunden von der Küste in Pommern gar nicht, daß man an der See ist. Ti« Nordsee hat in Deutschland die denkbar schlechteste Küste durch die Watten. Tas Alles ist so ungünstig wie möglich; aber auch hier kann man sehen, wie der Mensch natürliche Hinder nisse zu überwinden vermag. Dieses Deutschland mit seiner wider wärtigen Küste ist einst doch die erste Seemacht gewesen und soll eS, so Gott will, wieder werden." Deutsche- Reich. * Leipzig, tu. December. I« der Anmerkluig zu dem gestern mitgetheilten Berichte über den Vortrag des Herrn ReichsgericktSratbs Di. Stenglein über den Entwurf einer Militairstrafproccßor dnung ist Herr vr. Stenglein irrtbkimlich als Verfasser des Entwurfes einer Militair- strafproceßordnung für Bayern bezeichnet. Thatsächlich war Herr Vr. Stenglein nur Berichterstatter über diesen Ent wurf in der Commission der bayerischen Kammer der Abge ordneten. Seiner Feder entstammte der erste Entwurf (Privatenlwurs) zu einem Gesetz über die Militair- verfass» ng, welcher dann der weiteren Bearbeitung zu Grunde gelegt wurde, und aus dem das bayerische Gesetz vom 30. Januar 1868, betreffend die Wehrverfaffung, hervorging. <H> Leipzig, 10. December. Wir tbeilten jüngst gelegent lich mit, daß die SiedelungSgefellschaft in Sübwestafrika dcu Preis des Grund und Bodens auf durchschnittlich 2 -L das Hektar bemesse. Jetzt schreibt der zur Unter suchung der Wasserfrage hinausgrschickle Ingenieur Reh- bock, in der „Deutschen Colonialzeitung", daß bei Swakopmund vorher absolut werthloser Boden für 10 000—20 000 das Hektar verkauft werde und daß Hendrick Witboi zur Zeit den Boden in Gibeon für 10 000 -«-l das Hektar verkaufe. Ein solcher Preis dürfte den Preisen in der Umgegeud von Leipzig entsprechen. Wenn sich nun Herr Rehbock nickt versehen hat, so drängt sich die Frage auf, wie man dem Bodenwucher in der Colonie entgegrnzutreten beabsichtigt und warum man dieses einer solchen Preissteigerung fähige Areal s. Z. an die Gesellschafteu für kaum nenneuswerthe Preise abgab. * Berkin, 10. December. Mit der geschichtlichen Wahrheit ist die „Freisinnige Zeitung" zu allen Zeiten ebenso schlecht umgegangen, wie mit der Wahrheit überhaupt. Bezüglich der SeptennatSwahlen von 1887 schreibt das Blatt des Herrn Eugen Richter: „Damals speculirte die Politik des Fürsten Bismarck von vorn herein auf die Ablehnung des Septennots. Es kam dem Fürsten Bismarck darauf an, mittels der Auflösung für den Fall Les Lhron- wechjels eine ihm ergebene Mehrheit zu erlangen, aus die er sich auch einem streng constitutionellen Nachfolger auf dem Thron wie Kaiser Friedrich gegenüber hätte stützen können." Hierauf entgegnen die „Bert. N. N": „Tie Militair-Vorlage von 1886, die dann im März 1887 von dem neugewählten Reichstage angenommen wurde, war aus den Wunsch des hochjeligen Kaisers Wilhelm I. noch bei dessen Lebzeiten Papa in Mhen. Humoristische Skizze von Friedrich Thieme (Jena). Nachdruck verdaten. Auguste war beurlaubt. Auguste mußte den Maskenball mit machen, denn sie fühlte das Bedurfniß, auch einmal eine Königin darzustellen, und zwar bescheidener Weise nur eine Mohrenkönigin — warum sollten wir der immer Regierten nicht auch einmal die Freude des Herrschens gönnen? Der Umstand würde ja auch belanglos sein, wenn nicht noch um 5 Uhr das Theaterbillet eingetroffen wäre. Wir waren mit einer befreundeten Familie zusammen abonnirt, und diese, ob wohl für den Abend an der Reihe, verzichtete auf die Verwerthung. Wie schade, wenn wir der Direction den Platz hätten schenken sollen! Aber ich empfand nicht die mindeste Lust, zum vierten Mal dasselbe Machwerk anzugähnen. Meine Frau dagegen schwärmte für das Stück, sie blickte mit verlangenden Augen auf das Billet, und ich hätte ihrer Sehnsucht trotz der Abwesenheit unserer wohlthätigen Hausfee auch nichts in den Weg gestellt, wenn nicht ein bestimmter, schwerwiegender Grund vorhanden gewesen wäre — ein Grund, der, trotz seiner 8 Monate schon 12 Pfund schwer, in zierlichen, weihen Windeln in einem eleganten Gatterbettchen des anstoßenden Schlafzimmers soeben seine Trif tigkeit durch ein selbstbewußtes Lallen darzuthun im Begriffe stand. Der Grund hieß Trude, war aber von uns in unserem an- erkennenswerthen Bestreben, mit unseren schwachen Kräften auch etwas zur Veredelung und Verschönerung der deutschen Sprache beizutragen, „Schnuckchen" getauft worden. „Wenn man wüßte, daß Schnuckchen sich ruhig verhielte —?" hob meine kleine Frau mit bittender Frage an, al» ich schweigend verharrte. „Ja, wenn man es wüßte —" „Wenn Du so gut wärst, einmal bei ihm zu bleiben — es ist ja ein so liebes, stilles Ding! Um 6 Uhr gebe ich ihm das letzte Mal zu trinken und lege es nieder, dann schläft der herzige Engel bis II Uhr, ohne sich zu rühren." Das war in der That fast immer der Fall. Ich fühlte, es würde barbarisch sein, meiner Frau die Freude zu verderben. „Na, so geh' nur," erklärte ich lächelnd, „ich will schon mit dem Kleinen fertig werden." Sie hielt sich zwar für verpflichtet, ihr mütterliches Gewissen noch durch Zerstreuung von mancherlei Gegenvorstellungen von mir beruhigen zu lassen, traf aber doch geschäftig ihre Vorbe reitungen. Schnuckchen, als wisse es, was von seiner Wohlanständigkeit abhing, schien entschlossen, der Mama allerhöchstseine Genehmi gung nicht zu versagen. Der herzige Engel floß schier über von Tugend und Sanftmuth. Mit süßem Lächeln sog er die Milch der frommen Muhkuh ein, ließ sich gegen alle Observanz ohne einen einzigen Protest säubern und auskleiden, versank mit Lammesgeduld in die duftigen Wolken seines schneeweißen Lagers und begab sich ohne Verzug in jene unbekannten Regionen, in denen wir alle des Nachts unser Ich fünf bis acht Stunden mehr oder minder freiwillig verstecken. „Wie brav es ist!" rief Mama entzückt und gerührt. „Ich bin überzeugt, Adolf, Du wirst überhaupt nichts von ihm merken. Sollte das Herzchen wirtlich einmal aufwachen, so giebst Du ihm den „Nuckel" — er liegt hier oben am Kiffen. Dein Abendbrod habe ich Dir nebst dem Spirituskocher auf den Tisch gestellt." „Schon gut, Schatz, sei nur ohne Sorgen." Ich umschlang ihre graciöse Gestalt, oder vielmehr ihren maje stätischen Radmantrl, küßte sie und schob sie sanft zur Thür hinaus. Dann setzte ich mich vor meinen Schreibtisch, um vor dem Abendbrod noch eine dringende Arbeit zu erledigen. „Das Kind ist wirklich ein Engel," dachte ich, als ich nach etwa drei Viertelstunden meine Beschäftigung für einen Augenblick unterbrach. „Es hat sich seit sechs Uhr noch nicht gerührt . . ." „Aeh - äh —" „Oh weh, ich habe es beschrien," sagte ich lächelnd zu mir selbst. Ich wiederhole: lächelnd — denn noch hegte ich nicht die geringsten Besorgnisse. „Aeh - äh — äh -" „Ja, ja, Schnuckchen, ich komme schon." Schleunigst begab ich mich an Ort und Stelle, suchte und fand den Gegenstand mit dem poetischen Namen und steckte der Kleinen das appetitliche In strument zärtlich in das Rosrnmündchen. Gierig Hub sie an zu saugen und einen Moment herrschte tiefe Stille. Kopfschüttelnd verließ ich die Kammer, verwundert über die eigenartige Geschmacksrichtung der Säuglinge, indem ich mit stillem Entsetzen die Frage aufwarf, ob meine Seele wohl einst nach demselben Genüsse gelechzt habe. Ich hoffte es nicht, aber — „Aeh - äh -" „Aber Schnuckchen!" Der Gegenstand mit dem poetischen Na men war ihm entfallen. Ich beeilte mich, den Verlust auszu gleichen, worauf der 8trrtus <zuo wieder hergestellt war. Jetzt ge noß ich hoffentlich der gewünschten Ruhe. Eifrig griff ich nach der Feder, tauchte sie ein — „Aeh - äh -" „I zum Kuckuck!" Wenn das so fortging, konnte ich nur gleich am Bettchen stehen bleiben. Wieder versuchte ich, dem kleinen Schreihals den Mund zu stopsen, doch — was bedeutete das? Trude preßte die Lippen fest aufeinander. Sie verschmähte dies mal den Helfer in der Noth, den nie versagenden Tröster . . . Was thun? Halt! In einem ähnlichen Falle hatte ich be obachtet, daß meine Frau den entseßlichen Nuckel in ein Näpfchen mit pulverisirtem Zucker eintauchte. Ohne von der pädagogischen Zweckmäßigkeit dieses Verfahrens besonders überzeugt zu sein, be folgte ich doch diese weise Praxi», denn ich muhte durchau» meine Kühe haben. Erst kostete e» keine geringe Mühe, den so präparir- ten Apparat an die Lippen deS sich ärgerlich sträubenden Säug ling» zu bringen; kaum schmeckte jedoch das zarte Züngelchen die geliebte Substanz, so formte das Mündchen sich blitzschnell zu einem niedlichen Rüffel, die blauen Gucker verklärten sich, ein Ausdruck himmlischen Behagens erschien auf dem pausbäckigen Gesicht. Eine Viertelminute sah sie aus wie ein Posaunenengel auf dem Gemälde eines alten holländischen Meisters. Doch halt — nur eine Viertelminute! Als ich eben erleichtert Athem holte, verwandelte sich der Rüssel plötzlich in einen gab nenden, zahnlosen Abgrund, die eingebundenen Händchen tobten gegen ihre konventionellen Fesseln, und das Concert begann von Neuem mit vermehrter Kraft und Melodie. Nun faßte ich einen kühnen Entschluß. Ich hob hastig da weiße Bündel aus dem Bett und schäkerte es liebevoll auf den Arnien. Das half. Trude stieß noch einige unwillige Schreie aus, dann ließen die Symptome der bewiesenen Erregung nach, sie schwang sich zu einem liebenswürdigen Lächeln auf und ge ruhte, den poetischen Gegenstand gnädigst wieder in Empfang zu nehmen. Alles in Ordnung! Einige Minuten beabsichtigte ich sie zu tragen und dann das beruhigte Vögelchen wieder in sein Nestchen zu betten. Ich Thor! Wie schlecht kannte ich meine eigene Tochter! Wehe mir, daß ich den fruchtlosen Versuch unternahm. Aber ich that es, ließ sie einen Augenblick sanft über ihrer zierlichen Ruhe stätte schweben und dann langsam, langsam in den wogenden Federocean versinken „Aeh — äh — äh — äh —!" Gott — diese Stimme —! . . . Im Nu hatte ich sie wieder oben und wiegte und schaukelte aus Leibeskräften. „Bsch - bsch - bsch - bsch -" Diesmal war ich klüger. Ich wartete, bi» die blauen Aeuglein sich müde zu schließen begannen, ehe ich die Wiederholung wagte. Doch: seltsamer Instinkt des boshaften Geschöpfe» — im Mo ment, da da» lebendige Packet das Lager berührte, öffnete sich der zahnlose Mund zu einem Gebrüll, das jeder Beschreibung spottete. Ich mußte geduldig meine Last wieder aufnehmrn und durfte
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