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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971214024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897121402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897121402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-14
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VezrrgS-Prev »i zwrimaliaer tSgltcher gustell«»« H««^l»Ä. L«ch R. Post bqo«v sM Lnttschlaud «uö Oesterreich: »«teUMrttch «ck «-—> Di»«» M-Uch» Krevzbanöfaidnv« tWt 8«rUmL: monatlich 7LV. Dt»Mor«r»«««gabe -rschesick »m V,? UH4 tD Abend-AnSgab« WocheutagS «» b Uhr. Ledartioa und Erve-Ms«: DitSxpebitiou ist Wochentag« «nnnterbroch« GkLffnet von früh 8 bl« Abend« 7 UtzL Filiale«: DU« Die»»'« Dortt«. (NlfreV -ah«), UnivrrsitStlstrutze S (Puulinum), L-«i« Lüsche, «atharinenstr. 14, pari, und KSnigSplud 7. «37. Abe«d-Ausgabe. MMer. TagMaü Anzeiger. Ämtsölatt -es LSniglichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Ämtes -er Stadt Leipzig. Atrzeigerr-Preis S gespallme PrtitzeUe X) W Reelame» unter dem Rrduckimvrstrich s4s» spalten) »0-4. vor du FanNliennachrichk« (sg^paitu) 40 >4. »röhen Schriften lut usere» PvelS- »erzeichnitz. Tabellarisch« »nd Ziffernsap nach höher,« Tarif. -rtra-Beilaae» (gefal»t-, anr »tt da Morgeu-Ausgabe, ohne Posibesördrrnnz- ^l SV.-, mit Postbeförderuag 70.—. JinnahmkschlnZ fir Itiyeige«: Abeud-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Kstorg« »»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen »nd Annahmestellen je ein» halb« Stund« früher. Anzeigen find stet« u die Vrdeditian zu richten. Druck und «erlag von E. Pol- in Leipzig. Dienstag den 14. December 1897. SS 91. Jahrgang. so würde ich da, nicht als Einlösung des Versprechens, das der Herr Reichskanzler gegeben hat, betrachten." Gegen diese Interpretation, die ausdrücklich ein feste« Ver sprechen des Reichskanzlers annabm, wurde von diesem kein Widerspruch erhoben, obgleich der Abg. Rickert ausdrücklich hinzugesügt hatte, er müsse, wenn keine Antwort erfolge, an- nebmen, daß der Reichskanzler mit der Interpretation ein verstanden sei. Trotzdem kam die preußische VrrrinS- gesetznovelle, die eine bedeutende Verschärfung des gel tenden Vereinsgesetzes in Aussicht nahm. Schon damals wurde dem Reichskanzler vorgebalten, daß diese Novelle nicht in Übereinstimmung mit seiner Erklärung vom 27. Juni 1896 und der ihr ebne seinen Widerspruch gegebenen Interpretation stebe, und als vorgestern der Abg. Bebel im Reichstage diesen Vorwurf wiederholte, erklärte Fürst Hohenlohe wörtlich: „Der Abg. Bebel hat dann auch die Frage des für die politischen Vereine bestehenden Coalitionsoerbots berührt. Da muß ich mich nun gegen die Acußeruug des Herrn Abgeordneten verwahren, daß es sich hier um die Einlösung eines von mir gegebenen feierlichen Versprechens bandle. Ich habe in der Sitzung vom 27. Juni vor. JahreS nichts Anderes gethan, als der Zuversicht Ausdruck zu geben, daß das in verschiedenen Bundesstaaten für politische Vereine er lassene Verbot, mit anderen Vereinen in Verbindung zu treten, außer Wirksamkeit werde gesetzt werden. Ich habe dann hinzugefügt, daß es in der Absicht der verbündeten Regierungen liege, die Beteiligung deS durch das Verbot geschaffenen RechtszustanbeS herbeizufubren. Mehr konnte ich für Preußen nicht in Aussicht stellen, da eS sich um die Vorlage eines Besetze- handelte, bei der noch zwei Factoren der Gesetzgebung, das preußische Abgeordnetenhaus und das Herren haus, mitzuwirken hatten. „TaS, was in Aussicht gestellt wurde, konnte nicht mehr sein, alS eine allgemeine Revision der landesgefetzlichen Vor schriften über unser Vereinswrsen. Was bei den Gesetzen, die da vorgeleqt werden sollten, für Resultate sich ergeben, mit welchen Bedingungen sie bepackt sein würden, und ob diese Gesetze überhaupt zu Stande kommen, wußten wir Alle nicht. Diese Worte, welche Herr Abg. Haußmann im Anschluß an meine Erklärung gesprochen hat und welche durch den Zwischenruf „sehr richtig" bekräftigt worden sind, beweisen 1) daß im Reichs tage meine Aeußerung nicht allgemein als rin bindendes Versprechen aufgefaßt wurde, und 2) daß man hier im Reichs tage darauf gefaßt war, das betreffende Gesetz werde nicht pure die Aufhebung des Loalitionsverbots bringen. Sehr richtig! rechts.) Ich Hobe die Aeußerung des Herrn Hauß- mann damals ohne Erwiderung gelassen, weil ich zwar den Wunsch, aber wenig Hoffnung hatte, daß die einfache Aufhebung de« Coalitionsoerbots bei den preußischen Gesetzgebungskörperschaftrn auf Zustimmung zu rechnen haben werde. Deshalb mußte auch von Vorlegung eines eut- lprechcnden Gesetzentwurfs abgesehen werden. Was die reichsgesetzliche Regelung der vorliegenden Frage betrifft, so wird zu deren Besprechung spater noch Gelegenheit ge geben werden." Fürst Hohenlohe bekannte sich also vorgestern ausdrücklich zu dem Wunsche, daß die einfache Aufhebung des EoalitionSverboteS in Preußen zu erreichen sein werde. Hieraus und aus den bereit« angeführten Thal- fachen muß geschloffen werden, daß der Fürst und mit ihm der damalige StaatSsecretair Ör. v. Boetticher am 27. Juni vorigen Jahre-, wen» auch nicht gerate mit voller Sicherheit, aber doch mit einigem Grunde «»nahmen, ebenso wie avdrre Re gierungen werbe auch die preußische sich zur bedingungs losen Aufhebung deS Eoalitionsverdote« entschließen, Für den preußischen Landtag hat Fürst Hohen lohe gestern «ine neue Rovelle zum Vereinsgrfetze in Aus sicht gestellt. Wie da« aufzufaffen ist, ergiebt sich aus Fol gendem: In der Reichstaassitzung vom 27. Juni 1896 fand die zweite Lesung deS Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch» statt. Der Aba. Auer beantragte die Aufnahme eine» Artikel« in da« EinführungSaesetz, der die in zahlreichen Bundesstaaten für politische Vereine erlassenen Ver bote, unter einander in Verbindung zu treten, aufheben sollte. Der Reichskanzler erklärte sich gegen die An- nähme diese« Antrag«, indem er dem stenographischen Be richte zufolge au-fübrte: . Ich kann a»f Grund der inzwischen unter den betheiligten Regierungen gepflogenen Erörterungen diese Erklärung dahin er gänzen, daß e« in der Absicht dieser Regierangen liegt, die Beseitigung de« durch da« Verbot geschaffenen Rechtszustandes herbrizusühren. Geschieht dies — und ich zweifle nicht daran, daß es geschehen wird — so wild es in Zukunft auch in den gegenwärtig unter dem Verbot stehenden Staaten zulässig sei«, daß di« politischen Verein« untereinander in Verbindung treten, und zwar wird dieser Erfolg unter allen Umständen früher eintrrtrn, alt die« durch eine Annahme deS Antrags Auer in da« Bürgerliche Gesetzbuch der Fall sein würde, weil das letztere erst mit dem Beginn de« nächitra Jahrhundert in Geltung gefetzt werden soll." Der Abg. Haußmann sprach darauf die Besorgniß aus, daß di« Landesregierungen an Stelle der Aufhebung de« Verbot« »eine allgemeine Revision der landesgesetzlichen Vorschriften über unser Vereinswrsen" treten lassen würden, und auch der Abg. Frahme erklärte sich von den Er klärungen de« Reichskanzlers nicht befriedigt Fürst Hohenlohe machte allerdings keinen Versuch, die Besorgnisse des Abg. Haußmann zu verscheuchen, dafür aber erklärte der damalige StaatSsecretair de- Innern, Vr. von Boetticher, ohne daß ihm der Reichskanzler widersprach: „Meine Herren, ich bitte Sie entgegen der Aufforderung des Herrn Vorredner«, dem Antrag Auer keine Folge zu geben. Ich bin der Meinung, daß die von dem Herrn Reichskanzler abgegebene Erklärung «ine rechtttch »ad politisch unaafechtbare ist." Hieraus rittaahm der Aba. Rickert die Berechtigung, am ZV. Juni Folgende« zu erklären: „Der Herr Reichskanzler hat erklärt, daß e« nicht zweifelhaft sei, daß di« 12 Regierungen, in denen dies Verbot besteht, sich an« hetschi, gemacht habe», die« verbot aufzuhebea. Er fügte hinzu, daß „unter alleu Umständen" dieser Erfolg früher rintreien werd«, all durch Aufnahme de« Antrag« Auer ins Bürgerliche Gesetzbuch. Ich acceptirr dir- „unicr allen Umständen"; die prentzisch« Regierung Übernimmt damit dir unbedingte verbiadltchkett, »or Ablauf diese« Jahrhundert« die« Verbot »a deseitigen, «bet nicht tu dem Dtnae, daß sie ein Verrin-gesetz etvbrtngt, welche» an die Annahme diese« Ver bots Bedingungen knüpft, die eine Verschärfung des gegen- Einfluß de« Parlament« zu schmälern. Der Vorwurf geht also auf Mangel an Festigkeit. Derselbe Herr Richter batte aber vorher in derselben Rede gegen einen Conservativen, der gesagt hatte, in den wirthscbaftlich Ausschuß sollten nur Leute mit steifem Rückgrat kommen, höhnisch bemerkt, um »in steife- Rückgrat tu haben, brauche man nicht einmal Mensch zu sein. Die Sache ist das zweierlei Maß, mit dem dieser „Maschinenpotiiiker" immer mißt, die Form stellt Herrn Richter an die Seite deS „urkomischen Bendix", eines Winkel- bühnen-Witzling-, dem nur daS aus dem ländlichen Gebiete der Provinz nach der Reichshauptstadt kommende Element noch Geschmack avgewiunt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. December. < Wie sie am Sonnabend begonnen, so hat die Regierung 1 im Reichstage gestern fortgefahrrn, den freinIdemnknMs-e« Erfindungen und Entstellungen Punct für Punct dir Laterne vorS Gesicht zu halte». Graf PosadowSkv, man muß eS sagen, war dabei recht glücklich; die Socialdemokratie und mit ihr die „Linke" quittirlen über di« empfangenen Lektionen mit einem unverkennbaren Mißbehage». Ins besondere die von uns schon berührte Unvereinbarkeit der Bebel'schen Anklage gegen den arbeiterfeindlichen „Elafseaftaat" und daS grausame Arbritgebertbum mit der großartigen deutschen ArbeiterversicherungS- und der Arbeiterschutzgrsetz- gebung that der neue StaatSsecretair deS ReichSamtS de« Innern sehr wirksam dar, und al« er meinte, man thätr zu nächst bester, die bestehende socialpolitische Gesetzgebung au«- zubauen, al« sie au-zudehnen, da erregte der R dner sogar die sichtliche Zufriedenheit bürgerlicher Demokraten. Die parlamentarischen Vertreter der socialen Warrn Schauspieler genug, um die Genugthuung, dir ihnen al« Arbeitgebern oder doch Interessenten an kapitalistischen Betrieben die be sonnenen Ansichten der Regierung über allzu rasche« und allzu weitgehendes gewerbrpolizeilicheS Eingreifen erweckten, mannhaft zu verbergen. Wie sie die Erklärung, daß man eine EoalitidkiS- freiheit nicht wolle, die nur zur Anstiftung von Streik« benutzt werden würde, im Grunde ihre« Herzen« ausgenommen haben, sei dahingestellt. Jedenfalls stehen sie auch in dieser Fraß» unter dem Eindrücke deS Satze«, „Ohne Profit raucht kein Schlot", dessen Erwähnung al« einer von Herrn Bebel her rührenden Sentenz Graf PosavowSkh ihnen nicht ersparte. Auch in der Flotten-Angrlegenheit mußte es sich Bebel gefallen lasten, al« Rückschrittler, als ^iauäatok tempvris ueü" gekennzeichnet zu werden. Dem Manne de« Zukunft«- staatr« mutzte das bitter klingen, aber r« war gerecht. Wie die Auslassungen de« StaaiSsecretairS über die Lage der Landwirlhschaft von den extremen Agrariern ausgenommen werden, ist abzuwartrn. Nach unserer Meinung kam er diesen Agitatoren in seinen allgemeinen Ausführungen, namentlich durch die Aneignung der Behauptung, daß da« gesammte landwirthschaftliche Gewerbe keinen Ge winn inehr einbringe, so weit entgegen, daß da« praktisch« Verhalten einer Regierung, trage sie welchen Rainen immer, mit dieser rhetorischen Zuvorkommenheit schwerlich gleichen Schritt ballen kann. Der einzigen agrarischen Forderung, die er erwähnte, der Einschränkung der Freizügigkeit, muß» Graf PosadowSky selbst ein nou pvssuwus entgegensetzen. Der StaatSsecretair berührte auch die HilsSaction für die Ueberschwemmten. Er beschränkte sich dabei uns die Vertheidigung der preußischen Regierung und halte infolge besten einen weniger leichten Stand, al- der sächsisch, Gesandte Graf Hohenthal, der von der in dieser Be ziehung gleichfalls von Bebel angegriffenen sächsischen Re» »ierung mehr zu rriählrn wußte, al- der Anwalt Preußen«. Genau denselben Vortheil hatte Gras Hohenthal in Sachen des VertiaSgesetzeß gegen den am Sonnabend und auch gestern wieder darüber zu Wort« gekommenen Fürsten Hohenlohe. Boa Abgeordneten gelaagtr« gestern außer einem Polen nur die Herren Richter und v. Kar« rorff auf die Tribüne. Der »olksparleiliche Führer schloß mit einer Tirade, in der er sagte, er (Richter) könne nicht I begreifen, wie da« Centrnm, da« bisher stctS die Rechte dt« I Reichstags gewahrt, dazu komme, iu der Marinefrag« den I vatti^nÄrrw^ da»"geH» "sollte, «LM»EMIWMMII»MIMM»MMIMMMMM»I»MWWWMWMWWMNWI>WUWNUiWWm>WM!WMMNWMmiW»IMMMMIMM»»N^IMaM»MMim»M»»ä»WI Dinge gesollt hätte», und daß sie dann plötzlich einem sehr mächtigen Widerstande begegneten, der die bedingungslose Aushebung VeS CoalitionSverboteS in Preußen nnmöglick machte. Vom Fürsten Hohenlohe ist nicht anzunehmen, daß er diesem Widerstande sich willig gebeugt und auf die Er füllung seines Wunsches ohne jeden Versuch verzichtet habe. Hat er aus der Frage keine EabinetSfrage gemacht, so ist daS jedenfalls nur deshalb geschehen, weil er ersten« fürchtete, sein Rücktritt werde noch schlimmere Folgen als eine Ver schärfung des preußischen Vereinsgesetzes haben, und weil er zweitens die Hoffnung hegte, e« werde in Preußen doch noch zu einer Lösung der Frage kommen, ^ie seinen Wünschen und seinem etwas zu positiv formulirten Versprechen einiger maßen entsprechen werde. Daß er diese Hoffnung hegt, gehl daraus hervor, daß er gestern nach dem Berichte der „Köln. Zeitung" auf einen Vorwurf des Abg. Richter erklärte: „Allerdings habe ich am 27. Juni v. I. gesagt, daß eine Beseitigung de« Coalitionsverbot» stattsinden und daß sie noch vor dem Iah re 1900, vor dem Inkrastreten de« kürzer- lichen Gesetzbuches eintreten werd«. Ich habe die Hoffnung auch heute noch und zweifle nicht, daß vor dem Jahre 1900 zwischen der preußischen Regierung und dem preußischen Landtage es zu einer Verständigung darüber kommen wird. (Bewegung.) Erwägt man, daß Fürst Hohenlohe sich vorgestern unum wunden zu dem Wunsche bekannte, die einfache Auf hebung de» CoalitionsverboteS möge in Preußen sich er möglichen lassen, so kann man die gestern abgegebene Ver sicherung, daß cr über die Frage noch vor dem Jahre 1900 zu einer Verständigung mit dem preußischen Landtag« zu kommen hoffe, nur so deuten, daß er die Vorlegung einer der einfachen Aufhebung de« Verbote« wenigsten« nabe kommenden Vorlage an den preußischen Landtag für mög lich halte und in diesem Sinne wirken werde. Ob seine Bemühungen größeren Erfolg haben werden, al« früher, muß freilich adgeivartet werden. DaS österreichische Ministerium Gautsch hat den total verfahrenen Karren der inneren Politik mitten im Moraste stehen lasten, in der Hoffnung, daß die „nationalen Leidenschaften" sich „demnächst" beruhigen und es so werde möglich werden, den genügende Vorspann aus den tschechischen und den deutschen Ställen zu erhalten. Dieser Hoffnung giebt man sich hin, obwohl daS am 2. December begonnene IubiläumSjahr des Kaisers, daS fünfzigste seiner Regierung, von dem ein Gottesfriede für daS ganze Reich erwartet wurde, mit der Erklärung des Standrechts in Prag er öffnet wurde. Was seitdem weiter in Prag und anderen Städte» Böhmens geschehen ist, sieht nicht danach aus, als ob die Geister sich beruhigen wollten. Viel mehr ist heute die Besorgniß allgemein, daß die Tschechen entschlossen sind, in ihrem TerroriSmuS fortzufahren, selbst auf die Gefahr bin, daß die ganze Verfassung darüber in Trümmer geht. So hielt, wie man uns meldet, am Sonntag während der Vorstellung im tschechische» Ratidnal» tHeater, wo ein polnischer Schauspieler gastirte, der Srcretair ve« tschechischen Schulderem- aus der 8age «ine vom Publicum mit lebhaftem Beifall aufgenommene An sprache, in welcher er die tschechisch - politische Brr- „ .... 1 brÜderung feierte. DaS „Prager Abendblatt" bemerkt hierzu, daß beide Staatsmänner diese ihre Annahme mit größerer I baß, wenn daS Tbeater schon im Allgemeinen als Statte der Bestimmtheit zum Ausdruck brachten, als sie nach Lage der I Kunstpflege politische Kunvgrbuogen auSjchließe, jeder Anlaß Das Wahrzeichen -er Herrendorfs. 8s Roman von L. Mi zu la. Nachdruck vrrtvtra. 12. Capitel. „Du siehst recht blaß und angegriffen auS, liebes Kind", sagte -s-err von Herrendorf zu seiner Enkelin, die ihm am Morgen nack d r „Siegfried"-Aufführung wie gewöhnlich di« Zeitung vor» gelesen hatte. „Ich fürchte. Du kommst zu wenig in die frische Luft. Es geht mir ebenso; wir Beide taugen einmal nicht für d^s Stadtleben. Ich wollte, der Larneval wäre schon vorüber L »d wir könnten wieder nach der Ringburg." „Nun, die Zeit wird auch kommen", tröstete Inga. „Ich wünsche mir auch, wieder dort -u sein, schon damit ich beaufsichti gen könnte, daß die Einrichtung deS Försterhause» möglichst rasch von Statten geht, und meine armen Kranken bald hinein können." Inga hatte wirklich das Försterhaus und «in« ansehnliche Summe Geldes zur ersten Einrichtung von ihrem Großvater zu Weihnachten bekommen, und wünschte nicht« sehnlicher, al« all« ihre Pläne recht bald ausführen zu können. Andererseit« war wieder Rolands Nähe ein zu großer Magnet, als daß sie die Stadt Ictzt gern verlassen hätte; durfte sie hier doch eher hoffen, ihn zu weilen zu sehen, als auf der Ringburg. „Wo nur Günther heute bleibt? Er hat mir noch nicht Guten Morgen gesagt", bemerkte der alte Herr nach einer kurzen Pause; , cs ist keine Ordnung mehr, seitdem daS gemeinschaftliche Früh stück aufgehoben ist. Klingle einmal, Inga, ich will nicht, daß der Junge sich angewöhnt, seine Stunden zu beginnen, ohne bei mir gewesen zu sein." Inga schellte und befahl dem eintrrtenden Diener, den jungen Herrn herüber zu bitten. Nach wenigen Augenblicken erschien dieser, ein hochaufgeschosse ner, blasser Knabe von sechzehn Jahren, dem man auf dem ersten Blick ansah, daß er ein verwöhnte» Muttersöhnchen sei. „Wo bleibst Du denn, mein Junge?" fragte sein Vater, nach, dem er freundlich den kurzen Morgrngrutz seine« Sohne« beant wortet hatte. „Ich bin spät aufgesianden, Papa, weil ich schlecht geschlafen habe, ich mußte so viel husten." „Immer dieser Husten! Ich möchte nur wissen, wo Du Dich ewig erkältest; Du bist doch so verwahrt, wie man e« nicht besser denken kann. Trägst Du auch Dein Halstuch gewissenhaft?" „Ja, freilich, aber gestern Abend band mirö Asta ab und sagte, ich solle mich nicht so verweichlichen lassen, da» paffe nicht sür einen Jungen." Ehe noch Herr v. Herrendorf den heftigen Tadel gegen Asta autsprrchen konnte, winkte Inga ihrem jugendlichen Stiefontrl zu und sagte entschuldigend: „Asta hat sicher nur gescherzt!" „Solche Scherze soll sie künftighin lasset»! Der arme Junge mutz nun die schlimmen Folgen tragen." „Sie hat gewiß nicht vermuthet, daß es ihm schaden könnte, und nur unüberlegt gehandelt." „Aber sie ist alt genug, um zu überlegen! Ich weiß schon, Du möchtest sie gern entschuldigen, aber es nützt Dir nichts, es ist mir klar, wie herzlos und leichtsinnig dar Mädchen ist." In diesem Augenblick klangen rasche Schritte durch das Neben zimmer und glriw daraus erschien dir Besprochene im Reitkleide. „Guten Morgen, Papa, guten Morgen, meine brüderliche Liebe", nickt sie flüchtig. „Ich hab« Dich drüben gesucht, Gün ther; reitest Du noch eine halb« Stunde mit mir au»?" „Daran ist nicht zu denken! Der Junge hustet viel zu sehr, infolge Deine« sehr übel angebrachten Scherzes, ihm sein Hals tuch fortzunrhmen." Sie zuckte dir Achseln. „Lächerlich! Er wird in seinem ganzen Leben kein gesunder Mensch, wenn Ihr fortfahrt, ihn in solcher Weise zu verzärteln. Wäre er abgehärteter, so würde ihm nicht jeder Luftzug schaden; aber meinetwegen, wickelt ihn in Watte, eine Treibhauspflanze bleibt er so wie so." Damit verließ sie das Zimmer, völlig unbekümmert um die Wirkung ihrer rücksichtslosen Worte. Bald darauf ritt sie, ge folgt von dem Reitknecht, durch die Straßen znr Stadt hinaus. Tie war eine elegante und kühne Reiterin und saß vorzüglich zu Pferde, wie alle Herrendorfs. Sie wußte dies auch sehr wohl und brrritrt« den Leuten sonst gern das Vergnügen, sie bewundern zu dürfen. Heute jedoch schlug sie einen ziemlich wenig besuchten Weg ein; sie war ärgerlich über die Abgötterei, die, wie sie sagte, mit Günther getrieben wurde. Selbst ihre Mutter, die sonst wahrlich nicht an Ueberflutz zärtlicher Gefühle litt, hing mit einer wahren Affenliebe an dem verweichlichten Jungen. Und merk würdiger Weise nahm auch Inga ibn immer und überall im Schutz, fir, die doch wahrlich keinen Grund halte, ihn besonders zu lieben, da er doch gewissermaßen ihren Bruder verdrängt hatte. Ob dieser wohl noch leben mochte? Inga glaubte fest daran, obgleich es höchst unwahrscheinlich Ivar, da er säst elf Jahre lang kein Lebenszeichen gegeben hatte. Gewiß, er war irgend wo der- darben —- gestorben. Der scharfe Hufschlag zweier Pferde weckte sie auS diesen Gedanken, und aufblickend sah sie Fritz Herrendorf in Begleitung eines Herrn daherkommen, der sicher Niemand anders sein konnte, als der Sänger Roland. Sie hatten einander bald erreicht; die Herren grüßten und Fritz stellte seinen Freund vor. Hans Roland hatte sich oft gesagt, daß er einem Begegnen mit Frau 0. Herrendorf und ihrer Tochter nicht ausweichrn könne, wenn er sein Ziel erreichen wollte; dennoch bedurfte es seiner ganzen Selbstbeherrschung, um bei diesem plötzlichen Begegnen Herr über den tiefen Groll zu bleiben, der ihn gegen sie erfüllte. Er konnte sich jedoch nicht zum unbefangenen Eingehen auf den Versuch, eine Unterhaltung mit ihm anzuknilpfen, zwingen; seine Antworten waren kurz und ziemlich ablehnend und seine dunkel blauen Augen blickten so kühl auf daS junge Mädchen, daß Asta mit Erstaunen bemerkte, wie völlig wirkungslos die Macht ihrer Schönheit, die sie doch so oft schon erprobt hatte, auf diesen Mann sei. Di« natürliche Folge dieser Bemerkung war, daß sie anfing, ihn mit noch größerem Interesse zu betrachten und sie mußte sich gestehen, selten eine vornehmere und fesselndere Erscheinung ge sehen zu haben. „Ternow hat dennoch Recht, er ist stolz und hochmüthig bis zur Ungezogenheit und sicher ist er von vornehmer Herkunft; er trägt zu deutlich den Stempel des Ritterlichen und Aristokrati schen. Ob er wirklich so kalt ist, wie er scheint? Ich glaube es nicht — o welche Wonne müßte «S sein, diesen herrischen Sinn zu beugen, diese Augen aufflammen zu machen in heißer Leidenschaft! Soll ich's versuchen? Es wäre eine angenehme Abwechslung in dem ewigen Einerlei!" BlitzeSgleich kreuzten sich diese Gedanken in Asias Kopf und kaum war ihr die Eroberung dieses Mannes als etwas BegeherenSwertheS erschienen, als sie auch sofort einen Plan entwarf, wie ihr dies am leichtesten gelingen könne. Sie sagte sich, daß es hier anderer Mittel bedürfe, als die sie bisher an- zuwendrn gewohnt war, und daß eS kein leichter Sieg sein würde; aber gerade darum erschien er ihr um so verlockender und interes santer. Während sie all' die» innerlich in Erwägung zog, hatte sie eine scherzhafte Unterhaltung mit Fritz angeknüpft und nur hin und wieder ein Wort an HanS gerichtet. Endlich aber wurde ihr Pferd unruhig und sie mutzte sich entschliehen, daS Gespräch abzubrechen. „Ich hoffe, Fritz, Sie lasten sich bald wieder einmal bei unS sehen! Wir speciell hoben zwar wenig genug von Ihnen, aber doch das Bewutzisein, Papa in bester Weise unterhalten zu wissen. Dir wohlthätigen Folgen Ihrer Besuche find stets lange zu spüren; Papa ist dann immer in besserer Laune." Freundlich reichte sie ihm die Hand und wandte sich dann an HanS. Sie war sonst durchaus nicht schüchtern, dennoch be gann sie mit einer Zaghaftigkeit, die ihr einen ganz besonderen Reiz verlieh: „Sie dürfen mich nicht für allzu unbescheiden halten, Herr Roland, wenn ich die Bitte an Sie richte, Ihren Freund zu be gleiten. Sie würden uns eine grotze Freude bereiten, wenn Sie uns zuweilen einen kleinen Theil Ihrer allerdings gewitz sehr kostbaren Zeit widmen wollten." Rolands Augen leuchteten hell auf; er hatte nicht erwartet, so rasch Zutritt in dieses so exclusive Haus zu erhalten, und mit einer kaum beherrschten Erregung, die Asias Herz schneller schla gen lietz, erwiderte er: „Sie machen mich ungemein glücklich durch diese gnädige Er laubnitz, gnädiges Fräulein! Seit ich durch Herrendorf von seinen Verwandten gehört, hab« ich keinen sehnlicheren Wunsch, als die Herrschaften persönlich kennen zu lernen. Ich werde mir sehr bald erlauben, meine Aufwartung zu machen." Asta neigte mit verführerischem Lächeln den schönen Kopf. „Nun, dann auf baldiges Wiedersehen!" Noch ein leichter Gruh und dahin sprengte sie in triumphiren der Gewißheit eines endlichen Sieges. Vielleicht war sie nie schöner gewesen, als in diesem Augenblicke. Fritz Herrendorf sah ihr nach und ein spöttischer, mo-uanter Zug erschien in seinem Gesicht. „Nun, lieber Hans", lachte er. „Halte Dein Herz fest! Du hast sie herauSgefordert und kannst Dich auf einen hartnäckigen Kampf gefaßt machen, denn sie ist keine zu unterschätzende Geg nerin und wird alle Waffen gebrauchen, die ihrer gefährlichen Schönheit zu Gebote stehen." „Ich fürchte sie durchaus nicht," lächelte Hans verächtlich, „ob gleich ich Dir zugeben will, daß sich aus dem kleinen lebendigen Mädchen eine ganz überraschend« Erscheinung entwickelt hat. Aber wenn sie auch die Schönheit der Demi» besäße, sie würbe mir nie gefährlich werden; ich kann nicht vergessen, was diese Herren dorfS mir cmgethan hoben! Ich will wohl vergeben — vergessen nie!" „Um so besser für Dich! ES sollte mir aufrichtig leid thun, wenn Du diesem herzlosen Wesen ins Netz gingest, und selbst wenn sie Deine Liebe, beziehungsweise Hand annehmen würde, wäre sie doch die am wenigsten passende Lebensgefährtin für Dich." „Ich bitte Dich, Fritz, wie verfällst Du auf so abenteuerliche Ideen! Weder mir noch ihr selbst werden je solche Gedanken kommen." „Um so besser für Dich! sage ich noch einmal. Im Uebrigen, nichts für ungut, ich habe Dich gewarnt, denn ich kenne Asta und ihr gewissenloses Spiel mit Mannerherzen. Damit mag die Sache
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