02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971217028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897121702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897121702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-17
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Als der Kaiser in seiner gestern an dieser Stelle mit- getheilten Ansprache an seinen Bruder dessen Mission als die logische Consequenz dessen bezeichnete, was Kaiser- Wilhelm und „sein grotzcr Kanzler" politisch gestiftet hätten, hegte er wahrscheinlich schon die Absicht, durch einen Besuch in Friedrich «ruh auch durch die That zu beweisen, daß er die unvergänglichen Thaten des großen Mannes vollauf würdigt und sich vor Allein bewußt ist, diesem Manne vor allen anderen Staatsmännern und Helden die Möglichkeit zu ver danken, allen Deutschen im Auslande, „seien sie Priester oder Kaufleute, oder welchem Gewerbe sie sonst obliegen", den Schutz des deutsche» Reiches nachhaltig zu gewähren. Aber das Ge- beimniß dieser Absicht ist sorglich gewahrt worden, so daß die Kunde von dem erfolgten Besuche überraschend und des halb doppelt eindringlich wirkt. Gebessert hatten sich die eine Zeit lang in der bedauerlichsten Weise getrübten Be gebungen zwischen Berlin und Friedrichsruh schon seit Monaten. Als der neue Staatssecretair Tirpitz nach Friedrichsruh reiste, um vom Fürsten Bismarck die Zu stimmung zur Schmückung des ersten modernen Panzerkreuzers der deutschen Marine mit dem Namen des Altreichs kanzlers zu erlangen, wurde der erste Versuch gemacht, den „gerißenen Draht" wieder auszubessern; der zweite Schritt zu einer Wiederannäherung wurde gethan, als der Nachfolger des Herrn Hollmann abermals im Sachsenwalde erschien, um daS Modell des damals soeben vom Stapel gelaufenen Panzers zu überreichen. Das energische und rückhaltlose Eintreten des Fürste» für das Flott en gesetz hat mit zweifellos dazu beigetragen, daß Prinz Heinrich den Auftrag erhielt, vor seiner Abreise auch dem Altreichskanzler einen Abschiedsbesuch abzustattcn und dadurch die Hindernisse zu beseitigen, die dem persön lichen Erscheine» des Kaisers bei seinem ersten Kanzler noch im Wege stehen mochten. Eine weittragende politische Bedeutung wird ja bei der Natur des Be suchers und des Besuchten Niemand Vieser neuen Begegnung beimessen, aber seit man sich an den Gedanken hat gewöhnen müssen, den großen Kanzler dreier Kaiser nie wieder auf seinen Posten zurückkehrcn zu sehen, betrachtet man cs schon als Gewinn und Glück, wenn die politischen An schauungen des dritten Kaisers und des Fürsten Bismarck die Pflege guter persönlicher Beziehungeu gestatten und die Be- sorgniß schwindet, der neue Eurs errege die Bedenken des wettererprobten Steuermannes des alten. Und um so er freulicher muß die neue persönliche Wiederannnäherung wirken, je mehr einige der wichtigsten Stellen der Kieler Rede des Kaisers an bedeutsame Worte des Fürsten Bismarck erinnern. Die Worte des Kaisers: „Sollte eS aber je Einer unternehmen, uns an unserem Gute kränken oder schädigen zu wollen, dann fahre drein mit gepanzerter Faust!" wen müßten sie nicht erinnern an die Worte, die Fürst Bismarck am 6. Februar 1888 im Reichstage sprach: „Die Drohung, die wir in der Presse (gemeint war die russische) erfahren, ist eigentlich eine unglaubliche Dummheit, wenn man bedenkt, daß man eine große und stolze Macht, wie es das deutsche Reich ist, durch eine gewisse drohende Gestaltung der Druckerschwärze, durch Zusammenstellung von Worten glaubt ein schüchtern zu können" —? Das kräftige Selbstbewußtsein, das aus diesen Worten des großen Kanzlers spricht, war leider »ach seinem Rück tritte den deutschen Staatsmännern zeitweilig abhanden ge kommen. Jetzt klingt es wieder aus den Worten des Kaisers, und wenn dieser ferner betonte: „Die Unternehmung, die Du zu erfüllen haben wirst, ist wesentlich die eines Schutzes und nicht die Les Trutzes", so erkennen wir in ihnen dieselbe Selbstbeschränkung, die Fürst Bismarck trotz jenes Selbstbewußtfeins und des Stolzes auf Deutschlands Macht und Kraft sich und seiner Politik aufzuerlegen pflegte. Die jetzige Begegnung hat also eine noch tiefere und erfreulichere Bedeutung, als die der äußeren Bekundung einer Beseitigung von scharfen Gegensätzen, die persönlichen Begegnungen im Wege standen; sie hat die Be deutung der Bekundung einer Uebereinstimmung in wichtigen politischen Anschauungen und Plänen. Mag diese llebereinstimmung auch eine vergängliche sein, sie wird doch den überwiegenden Theil der deutschen Nation mit Genugthuung erfüllen und von Besorgnisse» entlasten. Daß die preußischen konservativen keine Reichs tagssitze an die Antisemiten mehr verlieren möchten, steht fest. Sonst aber ist ihre Stellung zu der jüngere» Partei so unklar, daß man auf daS Vorhandensein entgegengesetzter Strömungen, wenn nicht gar auf völlige Nathlosigkeit innerhalb der Berliner Parteileitung schließen muß. Als vor wenigen Wochen ei» „Einbruch" der Anti semiten in sämmtliche konservative Wahlkreise der Provinz Brandenburg angekündigt worden war, schien man, nach der Haltung der conservativen Presse zu urtbeilen, fest zur energischsten Vertheidigung des ganzen Besitzes entschlossen. Und nachdem die „Deutsche Tageszeitung" die Aufstellung eines antisemitischen Bewerbers in einem dieser Wahlkreise durch eine abfällige Beurtbeilung deS conservativen Candidaten zu entschuldigen versucht hatte, verlangte die „Eons. Eorr." kategorisch ein: Rectificirung des Bundesorgans durch die Bundeöleitung. Aber obwohl nichts dergleichen, vielmehr eine schroffe Abweisung erfolgte und die erklärten Antisemiten ii: den Feindseligkeiten gegen die conservative Partei fortfubren und sie noch steigerte», hieß es plötzlich, man habe den Gegnern den Wahlkreis Osthavelland gegen weniger als ein Linsengericht abgetreten, nämlich gegen daS Versprechen der Unterstützung der conservativen Candidatur in einem vorläufig im gesicherten Besitze der Social demokratie befindlichen, vor den Thoren Berlins gelegenen Bezirke. Dann kani der brandenburgische Parteitag, auf welchem dem Antisemitismus geradezu gehuldigt wurde, so daß man annehmen mußte, die Unterwerfung unter die Antisemiten habe sich, für Brandenburg wenigstens, voll zogen. Heute ist das Bild wieder ein ganz anderes. Die Dahingabe deS Osthavellandes wird bestritten, ingleichen der zur Beschwichtigung des Herrn Lieber mann von Sonnenberg angeblich herbeigeführte Rücktritt des Abg. Freiherrn von Langen vom Vorsitz deS Berliner Wahlvereins der Deutschconservativen. Die „Kreuzzeitung" führt wieder eine so scharfe Sprache, als ob Herr vr. Kro- patscheck, ihr leitender Redacleur, aus dem brandenburgischen Parteitage nicht als erster Lobsänger der Antisemiten aufgetreten wäre. DaS Blatt bat auch allen Grund, zur Vertheidigung auf- zu rufen. Den Wahlkreis des Herrn v. Levetzow bereist Liebermann v. Sonnenberg, um die Bekämpfung dieses Land- Wirths und conservativen Führers durch einen Berliner Fuhrherrn zu betreiben, und in Erfurt sucht er Jacobskötter durch einen eigenen Candidaten zu verdrängen. Die „Kreuz zeitung" ist im vollen Rechte, wenn sie zu Repressalien in einem thüringischen und in Herrn v. Liebermanns eigenem Wahlkreise auffordert und die Bezeichnung der Candidatur Bismarck in Dresden-Altstadt als Friedensbruch und sogar „Verbrechen" energisch als eine grobe Anmaßung zurückweist. Mit dem allen wird aber der brandenburgische Parteitag nicht aus der Welt geschafft. So lange für die gesammte deutschconservative Partei — und HerrOi-.Kropatsckeck Kat nicht zu erkennen gegeben, daß er eine Sonderstellung einnimmt — das dort gesprochene Wort gilt, daß der Antisemitismus eigentlich die beste Wahlparole sei, so lange werden conser vative Politiker gegen nurantisemitische überall einen sehr schweren Stand haben und vieler Orten werden sie über haupt nicht auf Gehör rechnen dürfen. Die Sprache Krvpatscheck's verträgt sich eben absolut nicht mit einer Bekämpfung der Antisemiten, durch sie kann der einfache Mann von selbst zu dem Schluffe gelangen, daß Herr v. Liebermann wirklich der bessere Mann im Ver gleich zu Herrn v. Levetzow sei, und daß ihm bei dieser und ähnlichen Folgerungen „Nachhilfe" zu Theil werden wird, dürfte heute kein Conservativer mehr bezweifeln. Wenn der Dresdener allgemeine Parteitag sich nickt ohne Diplomatie und gemeinverständlich von dem brandenburgischen Vorgänger sckeidet, dann werden die Conservativen den Schlüssel zum eigenen Hause ihren antisemitischen Gegnern selbst auS- getiefert haben. Eine englische Telegraphen-Agentur hatte bekanntlich verbreitet,Deutschland beabsichtige, Schantung mit deutschen Familien zu bevölkern. Davon kann selbstverständlich keine Rede sein, da China mehr als genügend bevölkert ist und unter den dortigen billigen Lebensbedingungen deutsche Ackerbauer oder Handwerker einfach verhungern würden. Etwas anderes ist es mit der Etablirung deutscher Handelsfirmen, für die der Boden überall vorhanden ist. Der jetzige Präsident der Berliner Geographischen Gesellschaft, Professor Frhr. v. Richthofen, giebt in seinem Buche über China (Verlag von Dietrich Reimer — Ernst Vohsen —, 1882) im zweiten Bande eine ausführliche Schilderung der 1 geologischen und industriellen Verhältnisse der Provinz Sckantung und insbesondere im Capitel VI eine eingehende Beschreibung über die Kiao-Tschau-Bucht. Wir entnehmen diesem Werke, daS 15 Jahre vor dem deutschen Ein greifen in Schantung geschrieben wurde, folgende Stellen: „Der Westen und Süden des Landes sind gebirgig und wenig bebaut. Die Cultur hält sich an die Ebene, die von allen Provinzen Chinas die mannigfaltigste Production aufweist. Es werden Reis, Baumwolle, Seide, Obst und Gemüse gebaut. Der Seidenbau steht jedoch in der Qualität gegen die südlichen Provinzen zurück und hat wenig Aussicht auf eine höhere Enlwickelung. Die Hauptzukunst bes Landes liegt in der Kohlcnproduction der nördlichen Ge biete. Es giebt in Schantung sechs größere Kohlenselder, die einen bedeutenden Schatz für die Provinz repräsentiren, aber ihrer Aus- beutung und Nutzbarmachung noch harren. Die gegenwärtige Kohlenförderung (1882) beträgt jährlich 200 000 metrische Tonnen. An Metallen besitzt Sckantung, entgegen weitverbreiteten Vorstellungen, keinen Reichthum. Höchstens wäre der Gewinnung vv n Eisen eine Zukunft zu propbezeien. Die Bevölkerung zeigt wenig Anlage zum Handel. Sie liefert durch Solidität, Nüchternheit, Fleiß und Ordnungssinn das Material zu guten Beamten. Ihre mittlere Dichtigkeit beträgt 10 454 Köpfe auf die deutsche Quadratmeile, doch ist die Bertheilung eine sehr ungleiche. Die Hauptmasse beschränkt sich auf die Eben,, wo sie sich hauptsächlich dem Obst- und Gemüsebau hingiebt. Da- Land verfügt mit Ausnahme des großen Canals nach Tschöo- Kiang-Fu am Nang-tße einerseits und dem Norden andererseits und dem nur zum Theil schiffbaren Gelben Fluß über wenig Wasserweg» Tie Hauptsahrstraßen vermitteln den Verkehr mit Peking und der wichtigen Handelsstadt Wei-Hsien. Der Transport geschieht durcl, Maulthiere, Pferde und Esel. An der Meeresküste besteht eine ziemlich lebhafte Concurrenz zwischen den Städten Kiao-Tschau und Tschisu". Ohne zu ahnen, wie nahe diese Verhältnisse einst Deutsch land berühren würden, erwägt Herr v. Richthofen eingehend die Vortheile, welche die Lage dieser beiden Städte bietet, und er entscheidet sich zu Gunsten Kiao-Tschau», das er dringend als maritimen Anknüpfungspunkt eines Eisenbahnnetzes in Nord-China empfiehlt. Es heißt dann weiter: „In der Eröffnung des Hafens von Kiao-Tschau und io der Herstellung der genannten Verbindungen liege die Zukunft des reichen Kohlenfeldes von Schantung. Sei auch die Hebung Chinas in materieller, intellektueller und industrieller Hinsicht de» Interessen Europas vielleicht direct zuwiderlaufend, so werde sie sich doch mit zwingender Nothwendigkeit vollziehen, und angesichts dessen hätten sich fremde Mächte die größtmöglichen Vortheile bei dem bevorstehenden Aufschwung zu sichern." Wie weit sich die gehegten Hoffnungen, die jetzt in Wirk lichkeit übersetzt werden sollen, erfüllen werden, muß natürlich der Zukunft Vorbehalten bleiben. Als ein Stück portugiesischen Colonialprogramms kann man den Empfang betrachten, welcher dem in Lissabon eingetroffenen Generalgouverneur von Mozambique, Major de Albuquerque, von dem König wie der hauptstädtischen Be völkerung zu Theil wurde. Immer auf» neue sind in der letzten Zeit Gerüchte ausgesprengt worden, welche es als zweifelhaft erscheinen lassen konnten, ob Portugal auf die Dauer Charakterstärke und Entschlossenheit genug bethäligen werde, um gegenüber der in ein lockendes pecunicures Gewand sich kleidenden Versuchung zum Abtreten des portugiesischen Colonialbesitzes in Ostafrika an England standhaft zu bleiben. Daß Portugals Finanzlage weit davon entfernt ist, eine günstige zu sein, weiß alle Welt, ebenso daß England es sich gern ein gutes Stück Geld kosten lassen würde, um unter irgend einer Form Machteinfluß in Portugiesisch-Ostafrika, speciell in der Delagoa-Bai, zu gewinnen. Bei der ganzen Natur der Sache konnten die englischen Fühler nur mit der allergrößten Behut samkeit ausgestreckt werden; daß solche überhaupt im Zuge waren, mußte die Oeffentlichkeit sich aus den gelegentlichen Desaveus entnehmen, die Lissaboner amtliche Kreise den der portugiesischen Regierung unterstellten Geneigtheit zu colonialen Abtretungen angedeiben ließen. Mag nun hinter den Couliffen geschehen, was da wolle, so gestatten doch Vorgänge, wie sie vom Eintreffen des MajorS Albuquerque in Lissabon berichtet werden, den Schluß, daß der nationale Gedanke in Portugal sich mit voller Entschiedenheit gegen alle Speculationen fremdländischer Politiker auf Erwerb portugiesischen Colonial besitzes zur Wehre setzt und daß ohne vorgängigen voll ständigen Umschlag der Volksstimmung die englischen Gelüste nach portugiesischem Colonialgebiet sobald noch keiner Be friedigung theilhaft werden dürften. Vor seiner Abreise nach Portugal stattete Major de Albuquerque dem Präsidenten Krüger in Pretoria einen Besuch ab, der in den herzlichsten Formen verlief und neuerlich beweist, Frrrilleton. Das Wahrzeichen -er Herrendorfs, nj Roman von L. Migula. Nachdruck verboten. „Ich habe Sie warten lassen", redete sie ihn an und streckte ihre weiße, schlanke Hand aus, die er ritterlich küßte. „Verzeihen Sie, die Schuld lag nicht an mir, oder doch nur sehr indirect. Mama war bei mir und hielt mir eine lange Strafpredigt, weil ich dcm alten Fürsten Brenta gestern Abend einen Korb gegeben habe." Sie sagte es lachend und er entgegnete ebenso: „Nun, mein gnädiges Fräulein, im Grunde hatte Frau von Herrendorf nicht ganz so Unrecht; cs ist keine Kleinigkeit, eine Fürstenkrone, noch dazu eine der wenigen, die auch von fürstlichem Reichthum umgeben sind, bei Seite zu schieben! Ich bewundere Ihre Selbstverleugnung aufrichtig." Sie erwiderte kein Wort, nur einen kurzen, flüchtigen, flam menden Blick warf sie auf ihn, dann senkte sie die langen Wim pern. Roland aber fühlte sein Herz in seltsamer Erregung schlagen; er hätte kein warmes, lebensvolles Blut, sondern Eis in den Adern haben müßen, wenn er der berückenden Schönheit Astas und ihrer kaum verhüllt entgegengebrachten Leidenschaft gegenüber völlig kalt geblieben wäre, aber der flüchtige Rausch, der ihn zuweilen in ihrer Nähe erfaßte, verflog, sobald sie seinem Gesichtskreise entschwunden war. „Wir wollen beginnen, wenn es Ihnen recht ist!" sagte sie nach secundenlanger Pause mit etwas unsicherer Stimme. Roland, der einen Moment völlig in ihren Anblick versunken gewesen, richtete sich auf und griff wieder nach den Notenblättern. „Ich habe hier ein Lied herausgesucht, das ich gern einmal von Ihnen hören würde; es beansprucht einen etwas leidenschaft lichen Vortrag und der ist's gerade, den ich in Ihrem Gesänge vermisse. Sie singen correct, aber ohne Gefühl." Asta griff neugierig nach dem Blatt und lächelte. Wie hätte sie voll Leidenschaft singen sollen, so lange ihr Herz so kühl und unberührt war? Jetzt würde sie ihn gewiß leicht zufrieden stellen! Sie schlug das Blatt auf, es war „Die Früh lingsnacht" von Schumann. Er setzte sich an das Instrument und begann leise die Begleitung zu spielen. Asta besaß eine starke, schöne Stimme, und wenn ihr bisher der ausdrucksvolle Vortrag gefehlt hatte, so war heute nichts davon zu bemerken. Deich und gleichsam erwartungsvoll klangen die ersten Verse, dann aber wurde ihre Stimme so von Leidenschaft durchglüht, daß Hans Roland in gerechtem Staunen kaum im Stande war, die Begleitung ruhig weiter zu spielen. Als in jubelndem Glückstone die letzten Worte erklangen, ließ er die Hände sinken und sah zu ihr auf. „Sie haben mich beschämt, gnädiges Fräulein, Ihr Gesang ist vollkommen fehlerlos, aber weshalb singen Sie in Gesellschaft nie so?" „Für wen?" fragte sie leise; „vielleicht für den alten Brenta?" Sie sah zu ihm herab, ein berauschend weicher, träumerischer Ausdruck lag in ihren Augen. Er schauerte zusammen und sprang auf. „Sie sind grausam, gnädiges Fräulein; weil der Fürst so un glücklich war, Ihnen durch seine Neigung zu mißfallen, lassen Sie dies alle Anderen entgelten. Er ist doch nicht der Einzige, der Sie bewundert; findet denn Keiner Gnade vor Ihren Augen?" „Vielleicht doch —" erwiderte sie nachdenklich und nahm lang sam den von ihm verlassenen Sitz ein. Ihre schlanken Finger berührten die Tasten und leise, wie im Traum, begann sie zu singen; „Wie stolz und stattlich geht er, Wie adlig ist sein Muth, Er ist nur ein Trompeter '. > Und doch bin ich ihm gut. Und hätt' er sieben Schlösser Er könnt nicht schöner sein. Ach Gott und wär es besser, Er würd' ein And'rer sein. Ach wär er doch ein Ritter, Ein Ritter vom Goldnen Vließ, O Lieb', wie bist Du bitter, O Lieb', wie bist du süß." Er neigte sich zu ihr nieder, so tief, daß sie seinen heißen Athem fühlte und ein Zittern überflog sie, als er mit gedämpfter Stimme sagte: „Was singen Sie denn von der Liebe, sie spotten ihrer ja nur!" „Meinen Sie?" fragte sie ebenso, und wendete langsam den Kopf zu ihm empor. Ihr goldnes Haar berührte fast sein Ge sicht, die dunklen Augen flimmerten — „Sie ist Dein, sie ist Dein" klang es verlockend in seinen Ohren. Er fühlte, er brauchte nur den Arm auszustrecken, und sic war scin! Mit einer raschen Be wegung richtete er sich auf. - - - - < , „Ich glaube, das Zimmer ist überheizt; es ist hier eine drückende Luft — erlauben Sie, daß ich einen Augenblick das Fenster öffne." Ohne ihre Antwort abzuwarten, trat er von ihr fort an das Fenster und riß beide Flügel auf; tief athmend ließ er die kühle Luft über sein erhitztes Gesicht streichen. Einige Minuten ver gingen in lautlosem Schweigen. Plötzlich zog er die Uhr und rief hastig: „Himmel, schon so spät! Ich muß um halb sechs Uhr im Theater sein und darf keinen Augenblick länger zögern. Ver zeihung, daß ich die Stunde für heute abbreche, aber die Pflicht ruft. Sobald Sie befehlen, stehe ich wieder zu ihren Diensten, obgleich Sie mich soeben überzeugt haben, daß Sie einer Anleitung irgend welcher Art durchaus nicht bedürfen, sobald Sie gut singen wollen." „Schönen Dank für Ihr liebenswürdiges Urtheil, nichtsdesto weniger werden Sie mich sehr glücklich machen, wenn Sie mir zu weilen eine Stunde opfern wollen." Er verbeugte sich nur stumm und ging. Lächelnd blickte sie ihm nach. „Wie stolz!" flüsterte sie; „er will sich nicht beugen und er geben; o welch ein Mann." Roland ging raschen Schrittes durch die Straßen; er war völlig aus seinem inneren Gleichgewicht. Liebte er Asta, hatte sich der Groll, den er ihr und ihrer Mutter entgegengebracht, in das Gegentheil verwandelt? Warum streckte er dann eben seine Arme nicht aus und bot sie, ihm Herz und Hand zu schenken, die sie, er wußte es zu gut, nur um seinetwillen einen Fürsten ver weigert hatte. Ja, warum? Ihm war plötzlich gewesen, als träte ein schmächtiges, scheues Geschöpfchen mit süßen, bittenden Augen zwischen ihn und das berückend schöne Mädchen. Er sah nicht mehr die flimmernden, schwarzen Sterne, den rothen, lächelnden Mund Astas, sondern ein holdes, schüchternes Gesicht, das sich erröthend von ihm wandte, zwei dunkle in Thränen schim' mernde Augen, wie eS schönere in der ganzen Welt nicht mehr gab. 16. Capitel. Der Carneval näherte sich seinem Ende und Herr von Herren dorf sprach davon, nach der Ringburg zurückzukehren. Doch ver ging Woche auf Woche, ohne daß ein Tag für die Uebersiedelung festgesetzt wurde; der alte Herr hielt zur Freude und Ueber- raschung seiner Gemahlin und Stieftochter merkwürdig geduldig in der Stadt aus. Siekonnten sich den Grund gar nicht erklären. Inga und Fritz dagegen hatten mit größter Genugthuung be merkt, daß ihm die Trennung von Roland schwer wurde, den er ganz in sein Herz geschlossen hatte. Es war wirklich merkwürdig, wie rasch es diesem gelungen war, die Gunst, ja wirkliche Zunei gung des alten Herrn zu erringen; stundenlang konnten sie in der anregendsten Unterhaltung zusammensitzen und Inga hörte mit strahlenden Augen zu, das ersehnte Ziel schien ja nun in nächste Nähe gerückt. Waren die Beiden miteinander versöhnt, dann durfte sie auch an das eigene Herzensglück denken, und diese Aus sicht gab ihrem Verhalten Fritz gegenüber etwas Weiches, Zutrau liches, was diesn auf das Höchste beglückte. Aber eine fast noch größere Zuneigung als für Hans hatte Herr von Herrendorf für Angela gefaßt. Nichts war ihm angenehmer, als wenn das an- muthige Mädchen mit leichten Schritten durch sein Zimmer ging, hier und da die alten werthvollen Gegenstände, die auf Schränken und Tischen standen, bewunderte, oder mit Günther in irgend eine Beschäftigung ganz vertieft war. Günther fühlte bald schwärmerischen Bewunderung und Verehrung für sie und suchte jede Gelegenheit, in ihrer Nähe zu verweilen. Herr von Hcrrendorf hatte es mit lächelnden Wohlgefallen bemerkt und bedauernd zu Hans Roland gesagt: „Wie schade, daß mein Günther nicht einige Jahre älter ist! Ihr Pflegetöchterchen wäre mir die liebste Schwiegertochter, die ich mir wünschen könnte." Asta hatte anfangs mit Befremden bemerkt, daß Roland erst selten, bald aber täglich in den Zimmern ihres Stiefvaters er schien und meist stundenlang bei ihm verweilte. Da er aber in seinem Wesen ihr gegenüber sich völlig gleich blieb, hatte sie sich diesen Umstand dahin erklärt, daß er den alten Herrn ihret wegen zu gewinnen suchte und war nur noch siegesgewisser und übermüthiger geworden. Daß Hans die Wiederholung einer ähnlichen Scene, wie damals in der ersten Gesangsstunde, zu vermeiden suchte, beunruhigte sie nicht im Geringsten; sie kannte seinen stolzen Charakter und fand es leicht erklärlich, daß er sich sträubte, von seiner Leidenschaft überwunden zu werden. Sie fand das aufregende Spiel mit ihm völlig befriedigend und hatte vorläufig durchaus nicht den Wunsch, eine erklärende Aussprache hcrbeizu führen; dieses Dersteckenspielcn war ja für den Augenblick sehr interessant. Sie ahnte freilich nicht, wie weit entfernt ihre Ver- muthung von der Wirklichkeit war; hätte sie gewußt, wie vollstän dig der flüchtige Rausch, der Roland für Augenblicke gefaßt hatte, verflogen war, sie würde nicht triumphirend in die Zukunft geblickt haben. . " (Fortsetzung fglgt.)
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