Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189712191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18971219
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18971219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-19
- Monat1897-12
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1897
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bez«Z-'Prer- i» der Haapterpedttto« oder des i« Stadt» bezirk und den Box^n, eseicktetzM A*»» oobestellr» «tzsehplt: vierteljährlich ^«Hü, bet zweimaliger t-glicher Zustellung m« V°u» ^-L tz.h0, Ourch die Post brt-gea flir Leutschland und Lefterceich: vienrljävrlich >t 6.—. Directe tägliche streuzbandienvung inS Au-Iautz: monatlich .«l 7.S0. Die Rorgeu-Au-gab« erscheint um '/,? Uhr. die AbenVAuSgsbe Wochentag» um 5 Uhr. > IW»»' Redaktion und Erprditiou: L»tav«r«,aff» 8. Di» Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» ? Uh^ Filialen: Ltt» Klemm'« Eortim. lAlsieed Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche. kathariuenstr. 14, pari, und Köoi-Splatz 7. riMger TaMM Anzeiger. Ämtsölatt -es Königkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Notizei-Amtes der Stadt Leipzig. AW-OitzKM'VV-rs die 6 gespaltene Petitzrtt» ty Pf-. Reklamen uuter dem Redaitjonsstskch («ge» walten) üO^L, vor dea gamilieaaochrichtt» (6 gespalten) Größere Echriiten laut uujerem Prnis- vcrzrichniß. Tabellarischer und Ziffarms«» nach hvhereui Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postheforderung 60.—, mit Poslbrsörderung 7Ü.—. Annahmeschlvß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Sr-edttion zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang. Sonntag den 19. Decernber 1897. deutschen Körperschaft theoretisch nicht zu billigen vermögen,ist hier wiederholt ausgesprochen worden. Daß sie zweckwidrig ist, haben die Reich-tagSverhandluogrn vargetban. WaS hat Vie Heran ziehung des Gegenstandes unseren Slammesgenossen moralisch genutzt? Sie setzte die slawischen Bedränger der Deutschen im Süden in den Stand, eine idnen unbequeme Wahrheit durch die Behauptung zu sälschen, daß ungefähr die Hälfte der Vertretung de« deutschen Volkes im Reiche dem VertheidigungS- kampfe der Deutschösterreicher theilS kübl, theils mit dem geraden Gegentheil von Sympathie gegenüberstehn. Und dieser Effect war vorauSzusehen. Dennoch verdient — von den Polen und den Gesinnungsgenossen des Herrn Ebenhoch sehen wir natürlich ganz ab — da« Verhalten der Conse rvativen schärfste Mißbilligung. Ihr Wortführer Graf Limburg- Slirum hätte vor allen Dingen berücksichtigen muffen, daß eS nicht ein deutsckgesinnles, sondern rin Welse, ein von Herzen auf Seile der Feinde deS Deutsch- lhumö stehendes Mitglied gewesen, welches zuerst näher auf die inneren Kämpfe der benachbarten Monarchie eingegangen war. Jedenfalls aber wäre, nachdem einmal Deutsche die in ihrem Dasein bedrohten Volksgenossen der Theilnahme der Deutschen im Reiche versichert hatten, für einen Deutschconservativen, der hierin nicht mit rinstimmcn konnte oder mochte, Schweigen am Platze gewesen. Herr Graf Limburg - Stirum aber gefiel sich darin, an daS Lager de« leidenden Bruders mit noch dazu un begründeten Borwürfen wegen selbstverschuldeter Krankheit zu treten und dabei für die ihm mit den vom Teutschthum ab gefallenen österreichischen Adeligen gemeinsame feudale StaatS- auffafsung Capital zu scklagrn. Nicht genug an dem. Gras Lim burg glaubte auch dir Deutschösterreicher zur Treue gegen ihr Kaiserhaus mahnen zu dürfen, den BolkSstamm, auf dem die Herrschaft der Habsburger seit mehr al« einem halben Jahrtausend beruht. Polen, Tschechen und Römlinge erbeben ja seit Langem wider besseres Wissen gegen die Deutschen den Borwurf lanveSverrätberischer Absichren. Aber Graf Limburg erst, ein Deutscher, dem nach seiuer Partei zugehörigkeit diese Eigenschaft al» Deutscher nicht wohl bestritten werden kann, hat diese Waffe für die Feinde seine« Bolk«thum« geschärft und in Gift getaucht. Er ist ein Gewährsmann der Abrabamotoicz und Podlipny geworden, ein tauglicherer al« Herr vr. Lieber, von dem Iedemann weiß, daß er die Sache der Slawen Oesterreich» als die des UltramontaniSmuS, mithin als die seine ausieht, und der denn auch, indem er die Behandlung der Polen in Preußen mit der der Deutschen in Prag auf eine Stufe stellte, sogleich verrietb, daß er mit seiner Kundgebung lediglich einen agitatorischen Zweck verfolgte. Ueber das Schicksal derMilitairstrafproceßordnung läßt sich auf Grund der ersten Lesung in der Bollversamm lung de« Reichstages noch keine Prognose auSgeben. Der CentrumSredner bat die nach feiner Ansicht auf modernen An schauungen beruhend« und von gutem Willen zeugende Vor lage im Allgemeinen freundlich ausgenommen, aber „eS giebt noch viel zu bessern". Der konservative Wortführer hin- gegen erklärte, keinen Schritt weiter geben zu können, und so ungefähr ließ sich auch der preußische Kriegsminister Namen« deS BuudeSratbS vernehmen. Gegen das Centrum aber ist bei der Zusammensetzung deS Reichstags eine Reform sicher nicht, gegen die Conscrvativea wahrscheinlich nicht zu Stand« zu bringen, und di« Zustimmung der Regierungen zu den ReichStagsbeschlüffen ist selbstverständlich nötbig. Diese parlamentarische Lage sollte auch für Diejenigen besiimmend sein, Vie den Entwurf zwar viel weniger genügend finden, al- da- bayerische Gesetz, aber doch auch anerkennen müssen, daß die Vorlage tausendmal besser ist, als Da- jetzige Ver fahren in Preußen und Sachsen. Gewiß und auch un bestritten ist Ein-: wenn die Reform jetzt scheitert, so ist sie aus Jahrzehnte gescheitert, und es bleibt neben der Rechts unsicherheit der unter den Waffen siebenden Deutschen ein wirksames und immer wirksamer werdendes Agitalionsmittel der radikalen Parteien, vor allen der Socialdemokratie, erkalten. Die Wahl kann also nicht schwer fallen. Ein 8it ut est, aut voll sit, hat die Regierung nickt aus gesprochen, und wir glauben auch, daß sich außer Len Conservativen nicht eine einzige Partei zu der unveränderten Annahme des Gesetzes verstehen würde. Aber daS Knochen gerüst des vorgeschlagenen Verfahrens wird man hin- nebmen müssen und können. Die gemäßigten Enttäuschten sollten noch bedenken, daß» mögen sie über alle in die Materie einschlagenden Fragen noch so denken, wie vor 25 und mehr Jahren, außerbalb der radikalen Kreise die Ansichten über die Berechtigung mancher früheren Forderung Les Liberalismus seitdem einer Wandlung unterworfen gewesen sind. Am leichtesten wird man über den früher für so schwierig erachteten Punct deö obersten Gerichtshofes Hinwegkommen. Der Bundesraih hat das bayerische Reservat „nicht anerkannt und nicht bestritten" und damit unseres Erachtens der Dringlichkeit der praktischen Verbesserung Les Strafverfahrens im Heere Rechnung ge tragen, obne hinsichtlich der nationalen Seite der Angelegen heit etwas preiszugeben oder zu gefährden. Es wäre zu wünschen, daß im Plenum des Reichstages die Frage des bayerischen Reservatrechtes gar nicht mehr erörtert würde. polnische Anschläge auf eine deutsche Stadt. Wer die Verhältnisse in unserem Osten kennt, weiß, daß daS Polenthum sort und fort vordrinzt und daß namentlich die ehedem kerndeutschen Bürgerschaften durch polnischen Zu zug durchsetzt werden. Wie dieser bedauerliche Proceß im Einzelnen sich vollzieht, darüber unterrichtet ein Artikel, den Prof. vr. Liesegang in der „Ostmark", dem Monats blatte des „Vereins zur Förderung des Deuffchthums in den Ostmarken" soeben veröffentlicht hat. Der Ort, um den es sich handelt, ist Fraustadt. Prof. Liesegang theilt zunächst eine Auswahl von Thatsacken mit, die zeigen, welche Summe deutscher Culturarbeit bei der Anlage und Pflege des genannten Städtchens von unseren Voreltern geleistet worden ist, und fährt dann fort: „Als . . Fraustadt zum anderen Male Preußen ein verleibt wurde (1816), war eS noch so gut wie ganz deutsch; erst während der letzten Decennien nisteten sich die Slawen in erheblicher Menge selbst in diesem scheinbar geschützten Winkel rin. Im Jahre 1880, um hiermit zu beginnen, zählte man z. B. unter den rund 6000 Einwohnern erst 236 Polen. Aber schon 1884 ist ihre Zahl auf 419 und 1896 bereits auf 776 Köpfe gestiegen. In einem Dutzend Jahren hat sich also diese Ziffer mehr wie verdreifacht. Im Verhältniß zur Gesamnubevölkernug, die sich — wenn man von den Juden absiebt — etwa zu Drei- fünsteln auS Protestanten und zu Zweisünfteln aus Katholiken zusammensetzt, mag dieser Zuwachs nickt so gar ängstlich er scheinen, anders aber gestaltet sich daS Bild sofort, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Quote von deutschen und polnischen Kindern früher und jetzt die katholische Volksschule besucht. Die Listen.diemirzurVerfügungsteben,reichen leider nur dis 1886.87 zurück, dennoch reden sie eine laute Sprache. Im genannten Jahre gingen zur katholischen Elementarschule 293 deutsche und 109 polnische, zebn Jahre später 305 deutsche unk 163 polnische Kinder. Während allo die Zahl der katho lischen deutschen Kinder sozusagen sieben geblieben ist, ist die der polnischen Kinder um die volle Hälfte gestiegen! Geringer ist vorläufig wenigstens der Zuwachs der Polen in den oberen Gymnasialclaffen. Immerhin aber giebt es zu denken, daß 1896 unter 14 Abiturienten bereits 5 Polen waren, die sich dem Studium der katholischen Theologie widmen wollten. Uebrigens sei hier für die wenigen Sach verständigen, die der Gründung einer Universität noch immer das Wort reden, die Bemerkung eingcflochten, daß die pol nischen Zöglinge von außerhalb in Fraustadt wie von einer unsichtbaren Hand fast durchweg in solche Pensionen dirigirl werden, in denen keine deutschen Kameraden unter gebracht sind. Wie in der Stadt sieht eS vor deren Thoren, namentlich aber auch in den alten Dörfern aus, die seit Jahr hunderten in den städtischen Communalverband aus genommen sind. Wiederum begnüge ich mich mit einigen wenigen Angaben: freilich reden auch hier wie immer die nackten Zahlen eine vernehmliche Sprache. Die katholische Schule in Niederpritschen zählte 1886/87 22 deutsche und 2 polnische Kinder; die von Oberpritschen 2 t und 1l. Im Jahre 1896/97 standen 22 deutschen Kindern in Nieder pritschen bereits 13 polnische und 22 deutschen Kindern in Nebenprilschen sogar 25 polnische gegenüber! Im Dorfe Lache ist die Zahl ter polnischen Kinder in kurzer Zeit von 5 aus 49 gestiegen. Eine ähnliche Zunahme bat in Scharne slattgefunden. In Röhrsdorf endlich, einem Dorfe derselben Gegend, ist die Zahl der 24 polnischen Kinder in, Jahre 1890 jetzt bereits auf 46 angewachsen. Auch die Ausbreitung der Polen auf dem platten Lande geschieht übrigens vielfach nach einem bewußlen Plane. Glaub würdig wird mir berichtet, daß in einem der Nackbardörfer die Ansiedler dieser Nationalität Geld ans der Kirchencasse zum Zweck des Lantkauses erhalten! Die eben miigetheilten Thatsachen eröffnen die sichere Aussicht, daß sich in späterer Zeit das Verhältniß der Polen zu den Deutschen noch ungünstiger für uns gestalten wird, und ganz zu derselben Ansicht gelangt man, wenn man sich vergegenwärtigt, in welcher Weise sich die Zu wanderer in den ehedem durchweg deutschen und seiner Kunstserligkeit wegen wcitberühmten Fraustadler Gewerbe stand einzudrängen beginnen. An Stelle der verlorenen und verlassenen 7 polnischen Handwerker von 1880 trifft man nämlich jetzt nicht weniger als 28. In der Mehr zahl sind sie von den benachbarten Gütern gekommen, wo sie früher als Handarbeiter thätig waren. Ich kann die bcherzigenswertheu Einzelheiten, die mir über den ganzen Vorgang vorliegen, hier nickt einfügen, nur wiederholen möchte ich in diesem Zusammenhang meine schon in der vorigen Nummer der Ostmark ausgesprochene Mahnung: Die Ansiedelungscommission möge nach Kräften bemüht sein, gerade die gefährdeten deutschen Städte mit einem Kranz von deutschen Bauernschaften zu umgeben!*) Zu diesen Worten fühlt man sich umsomehr gedrängt, wenn man sich daS Gebühren der ehemaligen polnischen Knechte vergegenwärtigt, die dergestalt Aufnahme in den städtischen Gewerbestand heischen. Seit mehr als drei Jahr zehnten lag die Leitung des katholischen Gesellenvereins in Fraustadt in der Hand des ehrwürdigen Propstes Hildebrand. Es gereicht mir, wie alle meine lieben katholischen Freunde — mögen sie dem Centruin angehören oder nicht — genau wissen, zur ganz besonderen Freude, von einem katholischen Geistlichen wie diesem rühmen zu dürfen, wie erfolgreich er in dem Verein ?ange Jahre hindurch für Frieden unk Eintracht gewirkt hat. Aber weder seine Milde noch die Ehrfurcht vor seinem Stande und seiner Persou vermochten die polnische Be gehrlichkeit in Schranken zu halten. Nachdem die Ein- *) Eine erwünschte Bestätigung dessen, daß Lieser mein Vorschlag einen schwachen Punct der Gegner getroffen, liefen die polnische Presse. Der „Kuryer Poznanski" in Nr. 274 vom 1. Tecember stellt nämlich voller Kümmerniß fest, daß Gnesen gegenüber bereits in der von mir ins Auge gefaßten Art verfahren sei. Aus -er Woche. Durch die Ausfahrt de- Prinzen Heinrich, mögen auch die letzten Vorbereitungen dazu nicht den altpreußifchen Ueberliefrrungrn entsprochen haben, ist da» nationale Blut un verkennbar zu rascherer Wallung gebracht worden. Festliche Empfänge, schwungvolle Ansprachen haben die Phantasie beflügelt, wa« der still«n Emsigkeit, die früher deutschen Unternehmungen vorau-zugehen pflegte, Wohl nicht gelungen wäre. Die gehobene Stimmung der Nation ist kein Schade, sie wirkt jedenfalls günstig auf dir Matrosen und Soldaten, die au-gezogea sind, und nicht minder auf die zurückgebliebenen. Diese sehen an der Fahrt ihrer Kameraden, wa» sie sonst nur hören, nämlich waS der eigent liche Zweck der Heranziehung zur Fahne und der militairischen Ausbildung ist. Bei der „Cwilbevölkrrung", so weit sie es ehrlich mit dem Reiche meint, haben da- Beste zur Ber- scheuchung Der grauen Alltagsstimmung die gerechte Be- urtheitung der Wirksamkeit DeS Fürsten Bi-marck im Kieler Trinkspruch und der kaiserliche Besuch inFriedrichSrub beigetragrn. Man legt ja wobl Aufmerksamkeiten dieser Art nicht mehr eine weittragende politische Bedeutung bei, der Anschein aber, als ob das Verhältniß zwischen dem Berliner Schlöffe und Friedrichsrub infolge ernster Meinungsverschieden heiten über actuelle politische Fragen ein unfreundliches wäre, würbe immer noch Einfluß aus dr« politische Stimmung von Millionen üben. Es wäre darum al- rin Glück zu be trachten, wenn die Beziehungen de« Oberhauptes des Reiches zu dessen Begründer al» solche, wie sie sich am 15. December dargestelll Haden, künftighin ununterbrochen angesehen werden dürsten. Daß die Kieler Kaiserrede und ihr Echo, daS sie bei dem Prinzen Heinrich gefunden, nicht in der ganzen deutschen Presse vorbehaltlose Zustimmung finden würden, war vorau«- zusehen. Indessen lassen gerade die erhobenen Einwendungen erkennen, daß der Kaiser die Aufgaben der deutschen aus wärtigen Politik und insbesondere da« Verhältniß der Kriegs flagge zur Handelsflagge so gekennzeichnet hat, wie sie allen nicht in vocirinareu oder philisterhaften Anschauungen befangenen Deutschen al- die richtigen vorschwebeu. „Friedfertig und selbstbewußt", da- ist ein Wahkspruch, in den sich die kaiser lichen Worte über die Deutschland auch jeuseitS der Meere vorgefchriebene Haltung wohl zusammensaffen lassen. Aus die einzelnen umschreibenden Wendungen kommt eS dabei nickt an. Die Telegramme zweier Bischöfe werden nun auch die bayerischen Klerikalen, deren Organe es noch wenige Tage vorder nicht einzusehen vermochten, darüber belehrt haben, daß auch da- Kreuz deS Schutzes durch Kriegsschiffe bedarf. Ein andere-, weit unerfreulichere- Bild al- da» au der Wste dargrbotene. Wir haben den Re ich-tag wieder zu sehen gehabt und der Anblick war nicht erquicklicher, als jemals seit 1893. Schon erhebt sich wieder der Ruf nach Gewährung von Tagegeldern au die Abgeordneten, um dir öffentliche Meinung über die wahren Ursachen de« den GesckäftSgaug behindernden schmachvoll schlechten Besuche-, der sich sogleich bei Beginn der Tagung bemerkbar machte, irrezufüdreu. Dazu hat die Geschichte diese» noch nicht vierzrhutägigeu Bei- fammeuseiu» bereit» wieder unwürdige, häßliche Auftritte zu verzeichnen, wie sie die deutsche Volksvertretung ,o diesem Jahrzehnt leider hat kennen lernen müssen. Ueber die Geringwerthigkrit der EtatSdebatte haben wir unsere, übrigen» höchsten- von der Svcialdemokratie nicht getheilte, Meinung schon gesagt. ES ist nachzutrageo, daß sich der Rrich-tag auch gegenüber den Vorgängen in Oesterreich nicht auf der Höhe seiner Stellung gezeigt hat. Daß wir die Erörterung der inneren Zustände rme« auto nomen Staate-, einer europäischen Großmacht, in einer officiellen Feuilleton Weihnachtsfeier in Sibirien. Boa Theodor Hermann Lana,. Nachdruck vrrtoitn. Auch unter dem grauen, nebligen sibirischen Decemberhimmel wird da- Weihnacht-fest überaus fröhlich, ja, geradezu lustig begangen. Selbst in den abgelegensten Dörfern bildet die Weihnachtiwoche und die darauf folgende eine lange Reihe von Vergnügungen, die erst unmittelbar vor dem DreikönigStage ihr Ende finden. Diejenige Gegend deS weiten Sibirien-, in die ich heute den Leser und die Leserin im Geiste führen will, ist der südliche Theil deS Gouvernement- Jenisseisk, und zwar der Krei- MinusinSk. Obschon hier das Klima verhältnih- inäßig nicht gerade rauh ist, fällt doch schon von Mitte Oktober ab viel Schnee, und im November find dreißig Grav Celsius Kälte nichts Ungewöhnliches. I« naher Weihnachten herankommt, desto kälter wird es. Dann steigt die Kälte mitunter bis ;u dreiundvierzig Grad Celsius. Indessen schützt man sich gegen Eis und Frost in jeder nur denkbaren Weise. Etwa acht Tage vor dem Feste beginnen bereits die Vor bereitungen zu denselben. Die WeihnachtStanne kennen dir sibirier allerdings nicht, doch findet sie sich hin und wieder in den Familien der höheren Ojficirrr und Beamten, die in diesen Gegenden auf einiar Jahre abcommandirt oder versetzt worden sind. Die sibirischen Bäuerinnen backen zu den Feiertagen Unmengen von Kuchen und sonstigem Gebäck, letzteres in aller band Figuren. Die größte Rolle spielen daber die Pirogen, das heißt in Teig gebackene Fische. Sämmtliches Gebäck wird ohne Gewürz zubereitrt, denn die sibirischen Bauern kennen wenig Gewürze. Nur Butter, Hefe und Zucker findet bei dem Gebäck Verwendung. Sckon am 24. December Morgens hört dir Arbeit auf. Dann eilen zunächst die Männer, später di« Frauen, in da- Dampfbad, das in jedem Dorfe Sibirien» sich befindet. In dem viereckigen Raum steht rin großer Herd, auf dessen Rost gewaltige Steine erhitzt werden. Au» mächtigen Kübeln wird Wasser auf di^e Steine gegossen, und nunmehr entwickelt sich der Dampf. Neben dem Herde befindet sich ein . hoher und langer Tisch. Hierauf legt sich der Badend« undHanfsupp« gegessen, darauf verspeist man die Pirogen, Mohn treibt sich mit Ruthen den Dampf zu. Diese Ruthen werden schon im Frühjahr, sobald da» junge Laub sich entwickelt hat, geschnitten. Man trocknet sie und bewahrt sie auf. Vor dem Gebrauch werden diese Ruthen in kochende» Wasser getaucht, wodurch sie ibre ursprüngliche Elasticität erhalten und die Blätter sich wieder aufrollen. Nach dem Dampfbade erfolgt eine vollständige Absrifung des Körpers und darauf eine Ab waschung mit kaltem Wasser in großen Schüsseln, da man Wannen in diesen Bädern nicht kennt. Uebrigens nimmt der Sibirier ein solche- Bad am Ende jeder Woche. Beim An kleiden zieht der Badende nach der bekannten russischen Sitte das bunte Hemd über die Beinkleider und legt dann einen Gürtel an. Dom Mittag de» 24. Decembers ab ist wie gesagt, vollstän diger Feiertag. Ehe man sich zur Abendmahlzeit setzt, die ver- hältnißmätzig zeitig eingenommen wird, und zwar schon sobald sich der erste Stern am Himmel zeigt, eilen die Kinder schnell zu ihren Pathen, denen sie als Geschenke dir schon erwähnten Pirogen und Mohnklöße überbringen. Der in den sibirischen Familien sehr hoch geschätzte Laufpathe muß al- Gegengeschenk ein Hemd oder da» Geld für ein Hemd oder für einige Hemden geben. Die Kinder laufen darauf nach Hause zurück. Dort hat inzwischen die Mutter auf rin Tischchen vor dem Ikon — dem in einer Ecke des Zimmers ausgestellten großen Heiligen bild« — eine Reihe leckerer Wrihnachtsspeisen ausgebreitet. Diese Speisen wrrden indessen von der Familie nicht angerührt; sie stehen dort bi» zu dem DreikönigStage und werden schließlich an Bettler und Arme verschenkt. Dor der Beginn der Mahlzeit am Weihnachtsabend beschenken sich die Familienmitglieder aegensritig. Dann findet rin längere» gemeinschaftliches Gebet statt und nunmehr setzt man sich zu Tische. Sobald sich am heiligen Abend dir Familie am Sprisrtische ntrderläßt, wird zugleich ein große» Gefäß mit Wasser in die Stube gestellt in der Hoffnung, daß sich dieses Wasser in der Christnacht in Wem verwandeln würde. Da diese Verwandlung nicht rintritt, so trösten sich die Bauern damit, daß sie noch nicht würdig genug gewesen feien und die Verwandlung wohl im nächsten Jahre erfolgen würde. Zum Beginn der Mahlzeit am heiligen Abend genießt man zunächst ein Gla» Branntwein. Hierauf wird klöße, Kuchen u. s. w. Kaum aber ist der letzte Bissen hinunter, so eilt Alles schnell von den Tischen, um sich zu mastiren. Zu Hause bleiben nur Wenige. Die meisten Vermummten be geben sich in ein eigens zu diesem Maskenfeste gemiethetes Haus, um dort zu tanzen, zu singen und in ihren Verkleidungen allerhand Scherze und Neckereien zu treiben. Gesichtsmasken benützt aber der Sibirier nicht, da er das Anlegen derselben für sündhaft ansieht. Als Musikanten spielen bei diesen Tänzen ältere Bauern auf, und zwar auf der Balatajka, der bekannten russischen dreisaitigen Zither, die sich die Bauern selbst Her stellen. Diejenigen bäuerlichen Familien, die sich nicht in dieses öffentliche Vergnügungslokal begeben, sondern ihre Nach barn besuchen oder sich von diesen besuchen lassen, bewirthen ihre Gäste mit Thee und Zuckerzeug. Auch selbstgebrautes dunkles Bier wird bei diesen Gastereien getrunken. Natürlich pflegen die Personen, welche in der Weihnachtszeit Besuche abstatten, sich gehörig warm anzuzichen. Schon im Hause trägt man einen Pelz. Geht der Sibirier um diese Jahreszeit ins Freie, so zieht er über den ersten Pelz noch einen zweiten mit den Haaren nach außen. Dieser zweite Pelz ist außerordentlich weit, so daß man sich sehr bequem darin ein wickeln kann. Ebenso trägt der Sibirier doppelte Handschuhe, zunächst ein Paar gewöhnliche wollene Fingerhandschuhe und darüber ein Paar lange Handschuhe aus Hundefell bis zu den Ellbogen. Den Kopf bedeckt eine Pelzmütze, über welche, um den Hals und die Ohren zu schützen, der Kragen des Ober pelzes aufgeklappt wird. Ueber ihren gewöhnlichen Leder schuhen tragen die Männer und Frauen, sobald sie zum Besuche ausgehen oder ausfahren, außerordentlich warme Filzschuhe, die oft fünf Pfund und darüber wiegen. Viele Frauen tragen übrigen» auch zu Hause schwere Filzschube. Nach alledem kann man sich also vorstellen, daß die Sibirier in ihrer Winterkleidung etwas geradezu Thierähnliches an sich haben. Der eigentliche Weihnachtskirchgang — in Sibirien ist es allerdings häufiger eine Schlittenfahrt nach der Kirche — erfolgt am ersten Feiertag vormittag». Nachdem da» Evan gelium verlesen, reicht der Pope den Gläubigen das Evangelien- buch zum Küssen dar. Alsdann relebrirt der Pope die Messe und zum Schlüsse des Gottesdienstes erfolgt ein längerer Kirchengesang. Bald nachdem der Gottesdienst am ersten Feiertage vorüber ist, erscheinen in den Dörfern die Bettler — stolz zu Pferde und mit großen Schlitten. Die sibirischen Bettler betreiben ihr Geschäft nur eu grvs. Theuer sind ja die Pferde in Sibirien nicht. Gute Ackerpferde kauft man schon von zehn Rubel auf wärts. Die alten Gäule, welche vor die Bettlerschlitten ge spannt sind, kosten etwa 2—4 Rubel. Die Bettler lassen ihre Schlitten mitten auf der Dorfstraße stehen, gehen in die Häuser und singen dort Weihnachtslieder. Da die Bettler gewöhnlich sehr schnell in die Dörfer hineingejagt kommen, so sind die Thiere über und über in Schweiß gebadet. Obschon die schwitzenden Gäule ohne Decken lange in Wind und Wetter stehen, schadet ihnen dies nicht im Geringsten. Auch seine theuersten Pferde behandelt der Sibirier nicht anders. Ec läßt die schwitzenden Thiere ruhig im Freien stehen, bis sie zu zittern aufgehört haben. Dann erst füttert und tränkt er sie. Bei ihren Rundgesängen sammeln die Bettler ziemlich viel ein: Eier, Butter, Mehl, Weißbrot) u. s. w. Geld wird ihnen jedoch nicht gegeben. Sind die Schlitten mit Vorräthen gefüllt, so fährt der Bettler in die nächste Schänke, verkauft dort seine Vorräthe an den Kneipwirth und vertrinkt oft den Erlös bis zur letzten Kopeke. Die bäuerliche Bevölkerung tanzt und vergnügt sich bis zum st. Januar. Mit diesem Abende enden die Mummereien und Tänze. Am 6. Januar findet die Wasserweihe oder das Jor dansfest statt, zur Erinnerung an die Taufe Jesu Christi. Man hackt am Morgen in das Eis eine größere Wuhne, die Bauern folgen in Processton dem Dorfpopen dahin, welcher an der offenen Stelle das Wasser segnet. Viele der Männer, die sich an dem Weihnachtsmummenschanz betheiligt haben, entledigen sich ihrer Kleidung, springen in die eisigen Fluthen und wollen damit symbolisch die Sünden abwaschen, die sic während der Weihnachtsmummereien und Weihnachtstanzabende begangen haben. Mit dem DreikönigStage findet die Festperiodc ihren Ab schluß. Die jungen Mädchen des Dorfe» scheuern und reinigen das zu den Mummereien und Tänzen gemiethete Haus gründ lich und übergeben es seinem Eigenthümer wieder. Nach dem Dreikönigstage nimmt dann die gewöhnliche Tagesarbeit ihren üblichen weiteren Verlauf. -
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite