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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971222022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897122202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897122202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-22
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VezrrgS-Prett M Hai-texprditiou od« des t» Gisdt» h«trk »ad d« Borortro «richtet« Ao-- «wefielle» abgihnlt: vierteljährlichste^ «i Pveisalia« ttglkcher 8»ft«ll»> t»s -««7-h LeL Dnrck di« Potz hervq« fär Lentschlond und Oesterreich: vierteljädrlich S.—-. Direnr täglich« Kreuzband i«aduchi ich» Aus land: »»oaltich 7-bO. Die Morgen-An-gabr erscheint «m '/,? Uhr. hi» Ab«nd-Lu»gick« Wochentag« n» b Uhr. Nedarttou rmd ErpedMo«: A»tz«,ne-«affe 8. DirErpeditioa ist Wochentag« an unterbrochen ^offiuk von früh 8 bl« Abend« 7 Uhr. Filiale«: Dtt» Klemm'« Tortim. (Alfreh Htchtt), UaiverMt-strabe 3 tPanlianm), Lolli« Lisch«, Mrthnrinenftr. it, v«tt. nnd K»ntg-pl«ch 7. Abend-Ausgabe. DiMgcr. Tageblatt Anzeiger. Ämtsvtatt des ÄSmgüchen Land- «nd Ämlsgenchtes Leipzig, des Mathes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. A«zeige«Preis : Ue -gespaltene Wtitzeile S0 < Reelame» »ater h«NehartimlifteiH,^ß-- s-aliut) vv^, vor de» Aanrtltoomchricht» t«g»spalt«) 40^ Gröbere Schriften laut nnserr» ^Pret«. »«trtchaib. Tabellarischer und tziffernsntz nach höherem Tarif. Extra »Vella«»« (gesalzt), »nr mit h» Morgen-Ausgabe, ohne P»ftb«f»rd«r«g SV —, mit Postbesördernng -A 70.—. Ännahmeschluß str Iinzeizen: Ab end-Luögabe: Bormittag- 10 Uhr. S7orgen-An-gab«: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stund« früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E. Volz in Leipzig „Lieber Weither, ist es denn etwas so Wichtiges, was Ihr ihn zu sagen habt?" „Wichtig — wichtig — mehr als das, sein Lebensglück, das Geschick aller Hcrrendorfs hängt davon ab. O, Inga, mein Kinv, tvenn Sie Ihren Bruder lieben, dann lasten Sie ihn eilends kommen, es ist leine Zeit zu verlieren! Ich bin alt und gebrech lich, der nächste Tag tann mich als Leich« finden, ach und ich hätte doch im Grabe keine Ruh«, mit der Last auf dem Herzen." Seine Stimme klang so flehend und eindringlich, das- Inga erwiderte: „Ich will Euren Wunsch erfüllen, Wertster, und an meinen Bruder schreiben, vielleicht kann er Euch schon morgen besuchen." „Sir werden's nicht bereuen!" sagte er feierlich, „und der Junker kommt endlich zu seinem Recht." Nachdenklich starrt« er in die knisternden Flammen. „Er wollte es nicht glauben; so oft ich's ihm auch sagte, immer hat er inir verboten, davon zu reden, und doch hat er fort muffen. Falsch ist das Weib und falsch ist der Ning, beide, beide falsch; aber er kann ruhig sein, mein Junkerlein, der alte Weither hat sein Erbe treu gehütet!" Inga kannte die wunderlichen Reden des Greises zu gut, um sich darüber zu wundern; sie wußte auch, daß weder Fragen noch Bitten ihn veranlassen konnten, mehr zu sagen ,als er wollte. Sv verabschiedete sic sicd freundlich von ihm, und nachdem er sie noch mals eindringlich ermahnt hatte, an Hans Roland zu schreiben, verließ sie das Häuschen und ging sinnend dem Schlöffe zu. „Es ist klar, der Alte weiß irgend Etwas, das in Verbindung mit der unseligen Ringgeschichte steht! Aber wie mag er dazu ye kommen sein, und worin besteht eü? Ich wundere mich nicht, daß Hans den Worten Wcrthers Glauben schenkte und seinen Arg wohn aussprach. Er ist so zuversichtlich und beharrt so fest bei dem einmal Gesagten, daß ich schließlich selber überzeugt bin, er hat nicht so unrecht. Nun, ich will seinen Wunsch erfüllen, viel leicht hängt wirklich meines Bruders Glück an dem, was Wrrther für ihn bewahrt." Sic setzte sich in ihrem Zimmer an den Schreibtisch und bat ihren Bruder, nachdem sie ihm das Gespräch mit Weither mitge theilt, am folgenden Tage heraus zu kommen. Sie ermahnte ihn dringend, den Wunsch des treuen Dieners zu erfüllen, da mau bei besten hohem Alter nicht wissen tonne, ob ihm noch viele Tage beschieden seien. Darauf siegelte und adressirte sie den Bries und trug ihn selbst zur Post ins Dorf hinab. Hans mußte ihn dann am anderen Morgen erhalten. (Fortsetzung folgt.) 91. Jahrgang. Mittwoch den '22. December 1897. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. December. Der Sensationsmeldung der ultramontanen „Köln. Volks ztg.", daß „allgemein" angenommen werde, Fürst Hohenlohe werde noch vor Ablauf der Parlaments tagung von seinen Armteru zurücktreten, ist von der „Germania" zurückgewirsen worden, noch ehe dieses gleich falls klerikale Organ da« halbamtliche Dementi der „Nordd. Allg. Ztg." gekannt baden konnte. Die „Germania" meint, e« sei „unerfindlich", wie eine Nachricht wie die deS Kölner Blattes telegraphisch verbreitet werden konnte. Diesmal hat das Berliner Blatt jedenfalls die bessere Füblung gebabt. Daß der schwere Verlust, der den Reichskanzler betroffen, ihm daS Ausscheiden aus dem öffent lichen Leben nicht wiinschenSwerth machen könnte, vermag die ,,Germania" natürlich auch nicht zu behaupten. Jedoch scheint sie mit der „Nordd. Allgem. Ztg." zu glauben, daß Fürst Hohenlohe das Opfer des Verweilens im Amte weiter bringen werde. Und das ist um so wahrscheinlicher, je mehr Fürst Hohenlohe wie jeder gewissenhafte Staatsmann seit langen Jahren gewöhnt ist, seinem Berufe die größten persönlichen Opfer zu bringen. Jetzt steht der Reichskanzler überdies „vor vem Feinde", mit dem er um das Flottengesetz zu kämpfen hat, und in solcher Stellung wird kein Heerführer wegen eines erschütternden Familien ereignisses vom Posten weichen, am wenigsten dann, wenn eia solcher Entschluß den sichtlich erlabinenden Gegner mit neuer Siegeszuversicht und neuer Widerstandskraft erfüllen tonnte. Und daß der Widerstand des CentrnmS gegen das Flottengesetz mehr und mehr erlahmt, geht am deutlichsten daraus hervor, daß in Köln, wo der Aog. vr. Bachem die ultramontanen Schaaren bisher gegen die Vorlage auswiegelte, der katholische Volköverein den Antrag, Len Abgeordneten Fuchs mit der grundsätzlichen Bekämpfung des Entwurfs zu beauftragen, abgelebnt bat. Noch mehr aber gebt es daraus hervor, daß das Organ des Herrn Bachem, die „Köln. Volks zeitung", sich gegen die von ver klerikalen „Landshuter Ztg." an da- niederbayeriscke Centrnm gerichtete Aufforderung, Gegenkundgebungen wider die Marinevorlage zu veranstalten, wendet. Der Rücktritt deS Fürsten Hohenlohe vor der Entscheidung könnte die Situation und die Stimmung in den klerikalen Kreisen rasch verändern, und da die Entscheidung aller Wahrscheinlichkeit nach erst kurz vor dem Ende der ReichslagSfession erfolgt, so wird auch den Fürsten Hohenlohe sein Pflichtgefühl sicherlich bis zum Schlüsse der Tagung ;nm AuSharrcn aus seinem Posten veranlassen. Am Donnerstag hat die preutzifche «cneralsynode nach dreiwöchiger Tagung ihre Beralhungen geschloffen. Während sie anfänglich noch, als sie gegen die Eanisius-Encyklika icierlich protrstirle, mit der Ausbreitung der evangelischen .»lieche in der Diaspora sich beschäftigte, die Mi sch eben be- landelte und in der Duellfrage eine Erklärung erließ, das öffentliche Interesse auch außerhalb Preußens erweckte, trat sie später in den Hintergrund. Und doch hat sie in dieser Feit einen Beschluß gefaßt, der nicht nur im preußischen Landtage, welcher das entscheidende Wort noch zu sprechen bat, zu scharfen Debatten führen, sondern auch wegen seiner Tragweite in allen evangelischen Kreisen Drusich- land- Aufsehen erregen muß. Es ist nämlich auch di» Besoldung der Geistlichen neu geregelt worden und die Genrralsynobe bat es nicht bei der Aufstellung einer neuen. die bisherigen unzulänglichen Gehälter verbessernden GehaltS- scala bewenden taffen, sondern mit dieser Verbesserung, die nur mit staatlicher Hilfe Lurchzuführen ist, die gesetzliche Regelung der staatlichen Ueberweisungen in fester Summe zur freien Verwendung an die Kirche verquickt und damit eine kirchenpolitische Streitfrage von verbängnißvoller Tragweite aufgeworfen. Die Beschlüsse der Generalsynode gehen in der Gehaltsfrage dahin, daß ein Mindestgrnndgehalt von 1800 eingeführt werden soll, wo daS Stellen einkommen am 1. Oktober 1897 unter 3000 -6! betrug; die übrigen Stellcneinkommen sind in vier weitere Classen getheilt und daS Grundgehalt, von Elafse zu Classe steigend, in den betreffenden Psarrstellcn auf 2100, 3000, 3600 und 4200 normirt. Durch ein Alterszulagesystcm ist Vor sorge getroffen, daß der Mindestmarimalgehalt in Zukunft 4800 beträgt. Nnd was das Mindesteinkommen von 1800.^! anlangt, so ist weiter bestimmt, daß die Consistorien dasselbe unter besonderen, näher bezeichneten Umständen aus Antrag deS Kirchenvorstandes und unter Befürwortung des Kreis- und Provinzialsynodalvorstandcs durch einen Zuschuß von 600 auf 2400^ erhöhen können. Daß diese Forde rungen auch nur entfernt auf finanzielle Bedenken im Abgeordnetenbause stoßen würden, ist ausgeschlossen. Der Antrag der nationalliberalen Fraktion, Mindest- und Höchst gehalt der Geistlichen so zu steigern, „wie es ihrer Stellung im Staate und der Bedeutung ihrer Aufgaben entspricht, und daß ihnen die zum standesgemäßen Leben und zum angemessenen Unterhalt ihrer Familien und Ausbildung ihrer Kinder er forderlichen finanziellen Mittel gewährt werden", bedeutet, daß den Geistlichen ein Mindestgehalt von 2400 auch in dem Falle zukommt, wo in Zukunft, wie die Generalsynode will, die „positiv" beherrschten Kreis- und Provinzialsynodal- vorstände erst auch über die Würdigkeit deö Geistlichen sich dem Eonsistorium gegenüber zu äußern haben. Die General synode ist aber, und zwar unter „wohlwollender" Eonnivenz ver Negierung, weitergegangen und hat verlangt, daß die staat lichen Zuwendungen nicht mehr im Wege der jährlichen Be- willigungdurch den StaatShauSbaltSetat erfolgen sollen,sondern durch ein Gesetz, „da- der evangelische»Kirche ein 'ne alle Ma', aus Staatsmitteln einen Betrag zuspricht, welcher zur Be streitung der Beihilfen behufs Deckung der aus dem Gesetze erwachsenden Lasten auSreicht, nnd das eine spätere Erhöhung jenes Betrages im Falle steigenden Bedürfnisses nicht auS- schlicßt." In Vieser Form treten nun die Versuche hervor, die Verbindung zwischen der evangelischen Kirche und dem preußischen Staat unter Herabdrückung der Stellung desselben zu lockern und zu lösen. Die Begründung auf hochkirchlicher «Leite geht dahin, der bisherige Zustand sei „unwürdig" gewesen. Dieser Begründung gegenüber braucht man nur daran zu erinnern, daß die Mehrheit der evangelischen Mit glieder des Abgeordnetenhauses, gestützt auf die national liberale und die freiconservative Partei, diese Trennung nicht Witt und daß die hochkirchliche Minorität somit, um ihre Pläne durchzusetzen, nicht davor zurückschreckt, dem römischen KlerikaliSmuS im Abgeordnetenhause die Entscheidung über diese wichtigen Interna der evangelischen Kirche zu über weisen. Ist das vielleicht der evangelischen Kirche Preußens würdiger? Daß die Generalsynodalvorschläge auch nach Vieser staatSrechtlichenSeite hin amEnde vieZustimmung des Abgeord netenhauses finden werden, steht außer allem Zweifel. Trifft doch schon jetzt der hochk>rchlich-conservative Flügel die Vor bereitungen dazu, indem er, um das liebe Ccnlrum nur ja nicht zu verstimmen, bei dem Rückblick über die Tagung der Generalsynode „vergißt", daß sie gegen päpstliche Uebergriffe ein „evangelisches Zcugniß abgelegt" bat. Und daö Eentrum wird sich ein Vergnügen daraus machen, in Erinnerung der gemeinsamen Zedlitz'schen Schnlgesctzcampagne an die Seite der Rechten zu rücken und die Miktelparteicn zu maiorisiren. Und die Regierung wird, je nach dem betheiligten Minister, mit lächelnd oder pathetisch sich bekundendem Gleichmuthe da neben stehen. In der Port--lrthuv-Angelegen st eit schreibt der Pariser Berichterstatter der „Köln. Ztg.": Obgleich von eng lischer Seite bestritten werde, daß Ebina sich über daS widerrechtliche Verfahren des englischen Kreuzers „Daphne" in Port Arthur bei den Vertretern der europäischen Mächte in Peking beschwert habe, müsse er auch diesen Theil seiner Nachricht aufrecht erhalten. Es genüge, daraus hinzuwciscn, daß es im Hafen von Port Arthur weder russische Schiffe noch einen russischen Eonsul gebe. Die Russen konnten also naturgemäß erst von chine sischer Seite Kenntniß von dem Einlaufen der „Daphne" in diesen Hasen erhallen haben. Ebenso beweise die Thatsacke, daß die russische Besetzung des HafenS mit chinesischer Ein willigung geschehen sei, zur Genüg«, daß Vie Chinesen sich jedenfalls bei Rußland über das Vorgehen der „Daphne" beschwert haben müssen. Die Bestreitung dieser Thatsacke von englischer Seite habe sonack keinen Anspruch auf Glaub würdigkeit. Auch die „Now. Wrcmja" betont auf das Ent schiedenste, — und diese Behauptung ist von Peking auS noch in keiner Weise bestritten worden — daß daß russische Geschwader mit Zustimmung und vorherigem Wissen der Pekinger Regierung nach dem chinesischen Hafcnplatz gekommen sei. Wird da durch auch nicht bewiesen, daß eine Beschwerde Chinas bei Rußland über das Vorgehen Englands voraufgegangen sei, so gewinnt diese Ansicht dadurch wenigstens außerordentlich an Wahrscheinlichkeit. Im Uebrigen fährt die „Now.Wremja" an der Spitze der russischen Blätter fort — und der „Hamb. Corr." sowie die „Nordd. Allg. Ztg." secnndirrn dabei — die Besetzung Port Arthurs als das unschuldigste Ding von per Wett hi, znstellen. „Es geht an- diesem Ereigniß", schreibt las Petersburger Blatt, „keinerlei neue Gruppirung der Interessen hervor, Niemandes Reckte, Besitz und Vortheil werden verletzt, eS vollzieht sich keinerlei Besitzergreifung", dann aber heißt eS zum Schluß: Diesen ckarakteristffchen Zug des Ereignisses glauben wir des halb als bewnderS wichtig hervorheben zu müssen, weil es durch aus nicht wünschen swerth erscheint, daß dieser durch die Not wendigkeit erzwungene Schritt Rußlands irgend Jemanden zu einem politischen Abenteuer veranlaßt und ermuntert, zur Besitzergreifung neuer „Beobachtung-Punkte" rc., da dies in keinem Falle bei Rußland und überhaupt bei den an dem Frieden im fernen Osten interessirtcn Mächte Zustimmung finden könnte." Gerade die letzte Wendung läßt deutlich durchblicken, daß Rußland selbst einen dieser „Beobachtungspuncte" mit Beschlag belegt hat. Schließlich kommt es ja aber auf die Auffassung Rußlands viel weniger an, als auf die der interessirten Mächte, und diese — Japan und England voran — sehen in der vorübergehenden „Abtretung" Port Arthurs als Winterstation, wie die „Now. W." sich auSdrückt, einfach eine dauernde Besitzergreifung und werden sich schwerlich abhalten lassen, ihrerseits nach berühmten Mustern zu handel». Eine end- grltige Auftheilung Chinas liegt natürlich bei der ungeheuren Ausdehnung de- Reiches noch im weiten Felde, aber begonnen hat sie zweifellos, und der nächste, der zugreifen wird, dürfte Japan sein, denn da« große japanische Geschwader, daS Nagasaki verlassen hat, wird wohl keine bloße Spazierfahrt unternehmen wollen. Daß die Japaner etwa daran denken, Rußland aus Port Arthur wieder hcrauözudrängen, ist kaum anzunehmen. Wohl mag es sie wurmen, daß Rußland jetzt ohne Schwertstreich jenen Hafen besetzt, den sie in blutigem Kampfe erobert batten, aber sie sind viel zu klug, nm nicht zu wissen, daß sie noch nicht stark genug sind, um mit Rußland anbinden zu können. Das Geschwader wird Wohl also nur die Aufgabe baden, Japan auf andere Weise schadlos zu halten. Man wird es den Japanern am wenigsten verübeln könne», wenn auck sie an deni Wettbewerbe um die Erlangung einer festen Position an der chinesischen Küste tbeilnehmeu, denn sie baden im Frühjahr 1895, nur einen geringen Lohn für die Drüben deS im Jabre vorher stattaehabten Krieges davongetraaen. Nun könnten sie ja unter Berufung auf daS Vorgehen Ruß lands und Deutschlands Weihaiwei, daS bis zur Bezahlung der Kriegsschuld von ihnen besetzt gehalten werven soll, dauernd in Besitz nehmen, aber wenn Rußland Port Arthur besitzt, und wenn es obendrein nicht rechtlich, aber factisch Herr von Korea ist, so hat der Besitz von Weihaiwei für die Japaner wenig Werth, denn sie stehe» bann bei allen Operationen gewissermaßen ständig unter der Auf sicht Rußlands. Nagasaki liegt ziemlich genau unter demselben Breitengrade wie die Mündung deö Aanff tse kiang nnd es ist Wohl möglich, daß die Japaner «S aus diesen Pnnct abgesehen haben, der strategisch und kommerziell von gleich großer Bedeutung ist. Nun wird man wohl auch bald davon hören, daß die Franzosen sich rühren. Eine Nation, die in Afrika und in Südasien eine solche Gier nack Mackterweiterung entfaltet, wie Frankreich, wird auch in Ostasien sich nicht nur mit commerzietten Vortbeilen begnügen wollen. Vor einer Woche haben die Franzose» bereits einen Panzerkreuzer entsandt, um ihre ostasiatische Flotte zu ver stärken und man wird wohl bald von weiteren Kraslanstrengungen hören. In England giebt man sich jetzt auf einmal den Anschein, als habe man nicht den geringsten Appetit nack weiterem chinesischen Besitz. Da« „Reuter'sche Bureau" muß die — in der dcutschenPresse noch gar nicht aufgetauchte—Meldung dementiren, daß daS britische ostasialische Geschwader im Begriffe stehe, von ver Insel Quelpart (südlich von Korea » Besitz zu ergreifen und versichern, eS dürfe überhauvr kein aggressives Vorgehen Englands in jenen Gegenden vorausgesetzt werden. Noch gestern forderte die öffentliche Meinung in England mit Ungestüm die Besetzung dieses oder jenes slrategisck wichtige» Punktes. Die Meldung des ofsiciösen BureauS kann also nur den Zweck haben, irre zu führen. Am meisten war von der Annectirung der der Bang - tse - kiang - Mündung vorgelagerten Tschusan- Inseigruppe die Rede, welche die Engländer schon früher einmal besessen haben. Da nun auch Japan seine Augen aus diesen Theil Cbiiiaü geworfen zu baden scheint, darf man gespannt darauf sein, welchen Ausgang dieser Wettstreit nimmt. Die bei weitem wichtigste Frage aber ist die, ob ein solches Vorgehen Englands oder Japans zu Verwickelungen mit dem oslchinesischen Mächte-Concen Rußland, Frankreich, Deutschland und China führen wirv. Nack der Erklärung der „Now Wr." sollte man e§ annedmen. Deutsche- Reich. * Berlin, 21. December. Gegen die Art, wie der dem Reichstage vorliegende Gesetzentwurf die Entschädigung Das Wahrzeichen der Herrendorfs. lös Roman von L. Migula. Nachdruck »«rholiil. „Ach ja", stimmte Angela lebhaft bei, „Günther hat schon so Viel von dem schönen Punkt erzählt, daß ich ganz neugierig bin, ihn kennen zu lernen." „Ich habe nichts dagegen, Kinder, wenn Ihr dahin fahrt, aber mich laßt nur zu Hause; erstens ist es ziemlich weit und zweitens wollt Ihr doch dort Herunitlettern, da bin ich Euch nur im Wege." „O, wie tonnen Sie das sagen, Großpapa Herrendorf", rief Angela vorwufsvoll; sie gab ihm meist diesen vertraulichen Na men, und er hörte es so gerne von ihr. „Sie wissen doch, daß es nur ein halbes Vergnügen für uns ist, wenn Sie nicht dabei sind." „Kleine Schmeichelkatze", lächelte der alte Herr, „ich soll wohl >:uch noch glauben, was Sie sagen? Nein, nein, so thöricht bin ich auf meine alten Tage nicht mehr." „Es ist aber wahr, Papa, Du darfst nicht fehlen", bat auch Günther, „ich habe mir schon Alles zurecht gelegt, wie es ganz ichön gehen wird. Wir nehmen die Braunen, die sind gar nicht wild und Franz kann mitfahren. Er bleibt dann bei Dir und fährt langsam im Walde umher, während ich mit Angela in die Steinbrüche gehe. Nicht wahr, Papa, Du kommst mit?" „O, thun Sie es uns zu Liebe", drängte Angela und Herr von Herrendorf willigt« ein, ganz glücklich darüber, daß da- junge Volk ihn nicht entbehren wollte. Bald nach dem Essen bestellt« Günther daS Anspannen, und eine Viertelstunde später fuhren di« Drei vergnügt in den Wald hinein. „Nehmt Euch nur in Acht", hatte Inga ihnen noch nachge- rufen, „in den Tteinbrüchen ist eS im Frühjahr gefährlich, die moosbewachsenen Platten sind schlüpfrig, so daß man sehr leicht ausgleiten kann." „Sei ohne Sorge, ich kenne die Steinbrüche in- und aus wendig und werde Angela sicher führen." Inga hatte darauf ihren Hut genommen und war in das Dorf gegangen, um ihre tägliche Runde zu machen. Ursprünglich war ihre Neigung, sich persönlich um die Armen und Kranken des Dorfes zu kümmern, nicht groß gewesen, sie hätte es vielleicht auch niemals gethan, wenn nickt ein besonderer Umstand sie dazu ver anlaßt hätte. Ehe ihr Großvater das Unglück gehabt hatte, ge lähmt zu werdrn, hatte er, wie seine Vorfahren auch, stets in freundlichem Verkehr mit den Herrendorfern gestanden, wenn er einem der Bauern begegnete, hatte er ein paar freundliche Worte mit ihnen gewechselt, diese wieder klagten ihm dies und jenes Leiden und der gnädige Herr hatte stets Rath und Hilfe ge wußt. Als er dann des Dimstes seiner Füße beraubt war, be rührte es ihn sehr schmerzlich, daß das vertrauliche Verhältnis -wischen Gut-Herrn un-d Untergebenen gestört werden sollte, und als er später sich immer inniger an seine Enkelin anschloß, ver anlaßte er dies«, die Vermittlerin zwischen ihm und den Dorfbe wohnern zu werden. So kam es, daß Inga ihrem Großvater zu Liebe diese Rundgänge unternahm und ganz unwillkürlich wandte sie sich mehr und mehr den Armen und Kranken zu, als sie sah, wie viel Noth und Elend es zu lindern gab. Ihr strenges Pflicht gefühl ließ sie die einmal übernommene Sorge für die Unglück lichen mit hingebender Treue durchführen, auch wenn es ihr zu weilen nicht leicht wurde. So ging sie auch heute bis an das Ende des Dorfes, um sich zu überzeugen, wie weit die Einrichtung des Försterhauses gediehen war. Nachdenklich betrachtet« sie es. „Wie gut, daß «S nun bald fertig ist und mein« Kranken ver sorgt werden", sagt« sie leise zu sich selbst, „ich werde mich nicht mehr lang« um sie kümmern können, denn wie die Dinge stehen, wird die Entscheidung für Hans in nächster Zeit fallen, und wenn ihn Großpapa bei sich behält, woran ich nicht zweifle, dann darf ich Fritz nicht länger warten lassen. Hat er doch jahrelang nur sehr wenig Hoffnung gehabt, mich jemals die Seine nennen zu dürfen! Ach, und wie glücklich macht es mich, daß Großpapa so an Angela hängt; er wird mich sicher nicht so schwer vermissen." Sie wandert« langsam außen um das Dorf herum zurück, durch den Park, am Bach entlang. Als sie sich dem Häuschen de- Parkwärters näherte, dachte sie: „Ich muß doch wieder einmal nach dem alten Weither sehen; er wird nachgerade schon sehr schwach, wenigsten- körperlich. — Woher nur seine unbegrenzte Anhänglichkeit an Hans kommt? Fast nirmal« veryißt er, nach ihm zu fragen. Ich hätte beinah« Lust, ihm zu sagen, daß sein „Junkerlein" sich wieder in der Heimath befindet." Sie klopfte an die Thür. „Es ist das Jungfräulcin, die kleine Inga", hörte sie drin den Alten sagen, „sie war immer ein stilles, sanftes Kind und hat «in Herz für die Armen und Kranken, gerade wir meine liebe, selige gnädige Frau, der Engel von Herrendorf. Kommen Sie nur herein, Fräulrin Inga, 'S ist offen und mich plagt die Gicht, daß ich nicht oufstehen kann." Inga öffnete und trat ein. „Wie geht's, Werthec", fragte sie den alten Mann, der am Ofen saß, in dem trotz der warmen Frühlingsluft ein tüchtiges Feuer brannte, an dem er die mit Werg umwickelten Füße wärmte; „habt Ihr wieder viel zu leiden?" „Na, 'S läßt sich schon ertragen; das Alter ist halt da, nun will die abgenutzte Maschine nicht mehr recht gehen, wenn auch der Doctor immer noch wieder was zurecht flickt, 's ist mit einem alten Körper wir mit 'nem Fischnetz. Ist das einmal morsch ge worden, dann hilft auch alles Flicken nicht mehr. Hier flickt man ein Loch zu, und daneben reißt ein neues; 's taugt eben zu nichts mehr, als daß man's fortwirft und so ist's auch mit mir Zeit, daß ich fortkomme." „Nun, nun. Weither, so schlimm ist's nicht, wenn auch die Beine nicht mehr recht wollen, der Kops ist noch hell und klar, wie bei einem jungen Menschen." „Ist auch nöthig, ist sehr nöthig, denn Jngachcn, liebes Kind, ich muß an Alles denken, damit ich nichts vergesse, bis mein Junkerlein wicderkommt." „Ja, Wertster, da könnt Ihr aber lange warten; wer weiß, ob wir Den jemals Wiedersehen?" „Er kommt, Jungfräulein, er kommt; ich darf ja nickt sterben, bis ich ihm gegeben, was sein ist!" Inga horcht« erstaunt. So weit war der Alte noch nie in seinen seltsamen Andeutungen gegangen; es war klar, daß hier irgend ein Geheimniß waltete, zu deni Wertster den Schlüssel be saß und den er irur Hans anvertrauen wollte. „MaS habt Ihr ihm denn zu geben, kann ich das nicht über nehmen?" „Geht nicht, Jungfräulcin, geht nicht, muß ihm selber in die Hand drücken, was ihm zukommt, muß ihm selber sagen, was er wissen soll und ick werd's thun, ich kann ja nicht sterben, ehe ich meine Pflicht erfüllt habe." „Nun, Weither, Ihr könnt am Ende Recht haben, was würdet Ihr aber sagen, :venn Hans Roland plötzlich vor Such hinträtc?" Die Augen des Alten flammten auf, mit einem jähen Ruck sprang er von seinem Stuhle empor, sank aber sofort wieder stöhnend zurück. „Er ist da", ri«f «r athrmlos, er ist da! Mein Junkerlein, mein wilder, übcrmüthiger, ehrlicher Junker; oh, nicht wahr, ich täusche mich nicht, ich lv«rdt ihn Wiedersehen, bald, bald?" Inga hatte Mühe, den Alten zu beruhigen, der mit beiden Händen in d«r Luft herumfocht und sich wie närrisch gebärdrte. Nur dadurch, daß sie ihm von Hans erzählt«, gelang es ihr, ihn einigermaßen zur Rub« zu bringen. Mit gefaltetrn Händ«n, ver klärten Angesichtes saß er da. „Schicken Sie zu ihm, er soll kommen, er soll mir helfen, daß ich ruhig sterben kann."
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