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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971228020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897122802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897122802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-28
- Monat1897-12
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Erobere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra«VeNagen (gesalzt), nur mit da Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz LV.—, mit Postbesörderung 70.—. Innahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Ptorge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen find stets an die Erpehttis« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Al. Dienstag den 28. December 1897. 81. Jahrgang: Wohin gehen die Interessen Japans? 'd-sJn der gewohnten hochmüthigen Art schreibt die „Times", daß sie die kontinentalen Mächte, die das Schreckgespenst eines englisch-japanischen Bündnisses vor Augen hätten, trösten könne: ein solches Biindnitz sei zur Zeit noch nicht abgeschloffen. Das Blatt fügt aber hinzu, es sei natürlich, daß, angesichts der Bor gänge in Ostasien, das Bündniß zwischen England und Japan zu Stande kommen würde. Wenn es bei einem Bündnisse nur auf einen der abschließen den Theile ankäme, so würde freilich eine englisch-japanische En tente sehr bald hergestellt >. ..den, denn England würde mit allen fünf Fingern zugreifen. Da es aber bei einem Bündnisse auch auf den anderen Theil ankommt, so muß man sich fragen, ob denn ein Bündniß mit England in den Interessen Japans liege. Und dann muß man dreierlei feststellen: 1) ein Bündniß mit England würde Japan militairisch in Gefahr bringen; 2) die wirthschaftlichen und politischen Interessen Japans tendiren nicht nach Nordchina; 3) die Interessen Japans an einem Besitze auf chinesischem Boden laufen den englischen Interessen zuwider und lassen sich mit den Interessen Rußlands, Deutschlands und Frankreichs wohl vereinigen. Die englische Presse hat die Ansicht ausgesprochen, die japa nische Flotte sei in Ostasien der russischen, der französischen und der deutschen vollkommen gewachsen. Das wäre im gegenwärtigen Momente vielleicht der Fall, wenn die für die im Jahre 1896 von dem japanischen Parlamente bewilligten 800 Millionen Mark herzustellenden Schiffe schon fertiggestellt wären, was aber natür lich noch nicht der Fall ist. Dazu kommt noch, daß binnen wenigen Wochen sowohl das deutsche, wie das französische ost asiatische Geschwader beträchtlich verstärkt sein werden, so daß Japan sich dann noch mehr im Nachthcil gegenüber der Flotte der drei Mächte befinden wird. Nun würde sich freilich das Bild völlig ändern, wenn Japan auf die Unterstützung der englischen Flotte rechnen könnte. Die Japaner thun aber besser, damit nicht zu rechnen, denn England weiß nur zu gut, daß in demselben Augenblicke, wo in den ost asiatischen Gewässern ein Schuß aus einer englischen Kanone gegen ein russisches Kriegsschiff abgefeuert wird, der Kampf um Indien entbrennt. Und bei dem Zündstoffe, der gerade gegen wärtig in Indien anfgehäuft ist, würden 100000 Mann rus sischer Truppen der englischen Herrschaft in Indien sofort ein Ende bereiten, denn mit dem Einmärsche des ersten russischen Regimentes in Indien würde der Aufstand im ganzen Riesenreiche losbrcchen. Die Japaner werden also auch in militairischer Be ziehung bedenken müssen, daß die Engländer wohl bereit sind, Japans Seemacht gegen Rußland auszuspielen, aber ganz und gar nicht bereit, sich von Japan gegen Rußland ausspielen zu lassen. Es muß ferner berücksichtigt werden, daß die territorialen Interessen Japans in China sich seit dem Ende des chinesisch japanischen Krieges wesentlich verändert haben. Damals wollte Japan die Halbinsel von Liao-Tong behalten, um von Norden her auf Peking drücken und jederzeit von China günstige Be dingungen für die japanische Einfuhr erzwingen zu können. Nachdem aber nun einmal Rußland durch die sibirische Bahn, deren Fortsetzung bis Port Arthur laufen wird, Nordchina wirth- sebaftlich in Abhängigkeit von sich gebracht hat, ist im Norden Chinas weder wirthschaftlich noch politisch etwas für die Japaner zu holen, denn den Druck, den Japan früher auf Peking aus üb, n zu können hoffte, übt jetzt thatscichlich bereits Rußland aus. Hingegen weist alles Japan aus Landerwerb in Mittel oder Südchina hin. Vor Nordchina lagert sich das so gut wie in russischem Besitze befindliche Korea. Der Weg nach Mittel- China aber ist von Nagasaki, der Weg nach Süd-China von der Insel Formosa aus frei. So ist Japan vielmehr der Nachbar Mittel-Chinas und Süd-Chinas als der Nord-Chinas. Dazu kommt, daß die Küstenländer Mittel-Chinas und Süd-Chinas viel dichter bewohnt und viel reicher sind, als das gebirgige Nord- China. Für Japan aber ist es viel weniger wichtig, einen aus gedehnten Landbesitz zu haben, als ein gutes Absatzgebiet für seine industriellen Erzeugnisse zu erwerben. Die japanische Be völkerung vermehrt sich rasch, und der Boden Japans ist nur zu einem Theile für den Ackerbau geeignet. Deshalb ist Japan ge zwungen, in die Reihe der Industriestaaten zu treten, und es ist ja allgemein bekannt, wie ungewöhnlich befähigt die Japaner in in ¬ dustrieller Hinsicht sind. Darum würden sie auch materiell viel günstiger daran sein, wenn sie in Mittel- oder Süd-China eine sichere Einflußsphäre erwerben und sich nicht auf den Golf von Liao-Tong und den von Pe-tschi-li capriciren würden. In Mittel-China liegt ihnen von Nagasaki aus am nächsten das Mündungsgebiet des Uang-tse-Kiang, in Süd-China von For- moso aus die Provinz Kwangtung mit der wichtigen Stadt Kanton. In beiden Fällen zeigt sich, daß die Interessen Japans nicht denen Rußlands oder Deutschlands, sondern denen Eng lands zuwiderlaufen. Denn das Mündungsgebiet des Nang-tse- Kiang liegt in der Interessensphäre von Shanghai, jener gewal tigen Handelsstadt, in der die Interessen Englands prävaliren, und die Provinz Kwangtung ist das Hinterland zu der englischen Besitzung Hongkong. So zeigt es sich, daß die Interessen Japans viel eher in einem Gegensätze zu denen Englands, als zu denen Deutschlands oder Rußlands stehen. Dazu kommt, daß Deutschland und Rußland zuverlässigere und, wenn man so sagen darf, gentilere Freunde sind, als England, das den Anderen gern die Gefahr überläßt, um für sich selbst den Nutzen einzuheimsen. Es ist gewiß verständlich, daß im ersten Augenblick die Be setzung des im Winter 1895 von den Japanern eroberten Port Arthur durch die Russen in Japan ein gewisses Gefühl der Bitter keit erzeugt hat. Die japanischen Staatsmänner sind aber viel zu klug, als daß sie Gefühlspolitik und nicht reale Politik trieben. Deshalb werden sie, sobald nur die erste Verstimmung vorüber gegangen ist, Ausschau halten, auf welcher Seite ihre Interessen liegen. Und dabei dürften sie finden, daß die Interessen Japans durch ein Bündniß mit England jedenfalls nicht besser gewährleistet werden, als wenn Japan entweder zunächst eine Politik des Abwartens befolgt und sich an Niemand anschließt, oder sich mit Deutschland, Rußland und Frankreich ve'-ständigi. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. December. Wie cS dem Beberrscher der Freisinnigen Volkspartei peinlich ist, wenn ibm durch eine zeitgemäße Reform dieZabl seiner Mittel zur Erregung von Unzufriedenbeit gemindert wird, so ist es augenscheinlich einigen jener Blätter, die auS dem tief beklagenSweriben Zwiespalte zwischen dem Soifer und dem Fürsten Bismarck für sick Capital zu schlagen pflegten, unan- genebm, daß nicht nur P r inz Heinrich vor Antritt seiner Fahrt nach Ostasien mit selbstverständlicher Zustimmung seines kaiser lichen Bruders dem Fürsten einen Abschiedsbesuch gemacht, sondern daß auch der Kaiser selbst auf der Rückreise von Kiel als Gast in FriedrichSruh geweilt hat. Hieraus, aus der Uebereinstimmung zwischen den wichtigsten Stellen der Kieler Rede des Kaisers und früheren Aussprüchen des Alt reichskanzlers, sowie auS den Aeußerungen der „Hamburger Nackr." über daS ostasiatische Unternehmen ist so ziemlich in ganz Deutschland der beruhigende und befriedigende Schluß gezogen worden, daß Fürst Bismarck mit diesem Unternehmen im Großen und Ganzen einverstanden sei und daß in diesem Falle der alte CurS nicht zur Freude des Auslandes gegen den neuen ausgespielt werden könne. Weiter zu gehen und zu schließen, dieser eine Fall der Uebereinstimmung bedeute die Herstellung völliger Harmonie zwischen Berlin und FriedrichSruh, ist Niemand eingefallen; man war bei der ganzen Lage der Dinge schon zufrieden mit der Harmonie in einer so wichtigen Angelegenheit. Aber gerade diese Zufriedenheit darf nickt andauern, wenn das Geschäft Derer blühen soll, die aus den Gistkörnern, die auf dem Boden der Zwietracht zwischen Berlin und FriedrichSruh gediehen, ihr Brod zu backen pflegten. So soll denn auch die Uebereinstimmung über das ostasiatische Unternehmen zur Legende gestempelt werden. Einem solcken Versuche begegnet mau in der „Zukunft", die u. A. schreibt: „Die eifrigen Leute, die sich rastlos immer wieder bemühen, den alten Kanzler als heimlichen Helfer bei den wechselnden Experi menten des neuen Cursis vorzusühren, werden sicherlich weder im Neuen Palais noch in FriedrichSruh Dank erwerben; ibr Ueber- eiser treckt sie zu den ungeschicktesten Taktlosigkeiten. Daß die ge sellschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kaiser und dem Fürsten wiederhergesiellt sind, ist sehr erfreulich; bisher aber ist die That- iache noch nicht bestritten worden, daß bei Len kurzen Begegnungen beider Herren von politischen Vorgängen nnd Möglichkeiten nicht mit einer Silbe gesprochen wurde. Daß von Liefern Brauch auch diesmal nicht abacwicken ward, erzählen Personen, die zum .Hause Bismarck keine Beziehungen haben, Jedem, bers hören will. Die Politik, die jetzt in Ostasien ihr Heil versucht, ist bekanntlich das eigenste Werk des Kaisers; und es liegt im Interesse beider für unser Vaterland wichtigen Männer, datz dieser Thatbestand nicht verdunkelt wird." Daß das ostasiatische Unternehmen der eigensten Initiative LeS Kaisers entspringt, hat kein Mensch geleugnet oder auch nur zu verdunkeln gesucht; wenn behauptet wird, daß es zu verleugnen und zu verdunkeln gesucht werde, so kann das keinen anderen Zweck haben, als den doppelten, einerseits Mißstimmung beim Kaiser zu erregen, und andererseits die Stell ungnahme des Fürsten zu dieser Initiative des Monarchen so zu verdunkeln, daß eine Bemängelung des Unternehmens bei den BiSmarcksreunden Anklang findet. Erfreulicherweise wird dieser Berdunkelungsversuch durch die „Hamb.Nackr." durchkreuzt. Wir wissen reckt gut, daß nicht Alles, waS dieses Blatt an leitender Stelle bringt, direct oder auch nur indirect auf den Schloßberrn von FriedrichSruh zurück- zusükren ist; aber wir wissen auch — und die „Zukunft" könnte es ebenso wissen —, daß die „Hamb. Nachr." sich büten werden, über wichtige Fragen fortgesetzt in einem Sinne sich zu äußern, der den Ansichten des Fürsten wider spricht. Nun haben sich aber die „Hamb. Nachr." über das ostasiatische Unternebmen durchweg sympathisch aus gesprochen. Sie haben davor gewarnt, die drohenden Aus lassungen russischer Blätter ernst zu nehmen; sie haben die mißgünstigen Kundgebungen englischer Zeitungen vecspottet; sie haben die Kieler Rede deS Kaisers vertheidigt und führen heute in einem „Zur chinesischen Angelegenheit" überschriebenen Leitartikel aus: „Die englischen Blätter fahren fort, die absurdesten Mit- thrilungen zu veröffentlichen, um die übrigen Mächte gegen Teutickland zu beeinflussen oder um glauben zu machen, daß >ede einzelne derselben mehr oder weniger gern geneigt sei, sich mit England zu verbünten, um der „Deutschen Anmaßung" ein Ziel zu sitzen. In unterrichteten Kreisen können derartige Ver suche der englischen Presse nur Lächeln erregen und wir wundern uns, Laß sich deutsche Blätter finden, welche die Jnsipckitäten des „Daily Chrvnicle" und anderer Londoner Zeitungen ezusckem lurivuo nachdrucken, außer zu dem Zwecke, den Unsinn nach Gebühr zu beleuchten. Am Sonnabend hieß es in Londoner Zeitungen, Italien wolle mit England gemeinschaftliche Sache gegen Deutschland machen, deute wirb Japan als die Macht genannt, die dies thun wolle. Außerdem herrscht in der Londoner Telegraphie über die chinesftche Angelegenheit eine derartige Verwirrung, daß in der nächsten Stunde dementirt wird, was in den vorhergehenden gemeldet worden war. Vielfach wird es in der Presse als bemerkenSwertd angesehen, daß die „Nordd. Allgem. Ztg." die Zeitungsmittdeilung über nommen bak, wonach China auch noch nach der deutschen Besetzung von Kiao-Tschau deutsche Instrukteure angcworben habe und augen blicklich mit Anordnungen für einen würdigen Empfang des Prinzen Heinrich in den von ihm zu berührenden chinesischen Häfen be- schästigt sei. Die „Boss. Ztg." bemerkt dazu, wenn China nur an einen herzlichen und würdigen Empfang, nicht an eine Be grüßung mit scharfen Kanonenschüssen denke, so erscheine die Kieler Rede des Kaisers nicht verständ lich. Daß an ernste Zusammenstöße, heißt es weiter, mit einer anderen Macht als China gedacht werde, hätten die Lfficiösen bisher bestritten; aber wie sollte sich die gepanzerte Faust gegen einen Staat wenden, der dein Prinzen Heinrich einen würdigen Empfang zu bereiten schon jetzt eifrige Vorsorge treffe? So die „Voss. Ztg.". Wir wissen nicht, ob die Notiz, welche die „Nordd. Allgem. Ztg." übernommen hat, zutrifft, aber wenn es der Fall sein sollte, Io würde der von dem vossijchen Blatt construirte Wider- ipruch seineLösung dahin finden können, daß die Eventualität, die der Kaiser gemeint hat, als er von dem Eingreifen der ge- panzerte» Frage sprach, nicht ein tritt, weil eben China nicht ver sucht, sich unser» Ansprüchen zu widersetzen." Wir meinen, hierdurch und durch alle früheren Aeußerungen der „Hamb. Nachr." sei Las, was Fürst Bismarck über das neueste eigenste Werk des Kaisers gelegent lich äußerl und WaS bei dem Besuche deS Monarchen in FriedrichS- ruh nickt geäußert zu werden brauchte, weil es dem hoben Besuche bereits bekannt war, zur Genüge klar gestellt. Die „Zukunst" wird daher — wenn nicht etwa ein englisches Blatt Honig aus ihrer Auslassung saugt — schwerlich mehr erreichen, als das Entzücken der „Franks. Ztg.", die auS jener Auslassung schließt, Fürst Bismarck Hankle wieder einmal nach der Devise: „man so dbun", d. b. er stelle sich nur so, als ob er das ostasiatische Unternehmen nicht für bedenklich halte. Daß darin eine grobe Beleidigung des Mannes liegt, der sich den Mund nicht verbieten läßt, wenn seine Warnerstimmr am Platze wäre, wird der „Zu kunft" wohl nicht entgehen. Stolz auf diesen Erfolg braucht sie nicht zu sein. Die Erwiderung des Kaisers auf die Ansprache des Graudenzer Oberbürgermeisters wird frivoler Weise in der polnischen Presse zur Deckung der großpolnischeu Propaganda nutzbar gemacht. Der Kaiser batte das Grau- denzer Stadtoberhaupt ersucht, der ganzen Bevölkerung für den ibm bereiteten Empfang zu danken. Der „Grau Lenzer Courrier", wie sich in eigentbümlicher Recht schreibung der in deutscher Sprache erscheinende Wocken ableger der „Gazeta Grudziadzka" nennt, bemerkt dazu: „Also nicht nur der deutschen, sondern auch der pol nischen. Diese Worte des Kaisers werden nicht ver fehlen, bei der polnischen Bevölkerung unserer Stadt und der ganzen Provinz den besten Eindruck zu machen und die An- bänglichkeit derselben an die Person des Herrschers zu stärken. Den Hakatisten aber dürften die ruhigen Worte des Kaisers als Beweis gelten, daß Se. Majestät wünscht, die ge mischte Bevölkerung WeslpreußenS möge in Frieden neben einander leben. Ob die Hakatisten diesen Wink Les Kaisers beherzigen werden?" Dabei ist die „Gazeta Grudziadzka" LaS Organ, das vor Kurzem die be rüchtigte Parole ausgab, „die Preußen wie eine Seuche, wie Pestlust zu meiden". Dies kennzeichnet daS ganze Treiben der preßpolnischen Propaganda, die in der letzten Zeit auch sonst geflissentlich bemüht ist, PersonlicheHuldbezeugungen des Kaisers, wenn sie irgend einem Polen zu Theil werden, als Deckung für die großpolnische Propaganda zu benutzen. Zu diesem Zweck ist vor acht Tagen der Besuch des Kaisers im Atelier des MalerS Kossat verwendet worden; dieselbe Be obacktung hat man macken können, als der Kaiser daS lebhafte Interesse, daS er künstlerischer Bethätigung entgegenbringt, auch den Schöpfungen Les Malers Falat zuwandte; auch diese wurden so vcrwerthet, wie der kaiserliche Dank für den Empfang in Graubenz, indem man in turchsichliger Weise darauf hinzuspielen beliebte, daß der Maler Falat dem Herrn v. KoScielski, der Das Wahrzeichen der Herrendorss. l9j Roman von L. Migula. Nachdruck verboten. Lange Zeit verging, da fühlte sie sich plötzlich sanft um schlungen und eine liebe, ach so innig geliebte Stimme fragte zärtlich: „Mein Liebling, was fehlt Dir? Du darfst nicht weinen, lvo ich so glücklich bin." „Nein, ich will nicht weinen, Onkel John", erwiderte sie, energisch ihre Thränen bezwingend; „es thut nur so weh, daß ich fort muß und nie, nie wirderkommen darf." „Was sprichst Du da, Angela, von Fortgehen?" fragte er in bangem Schreck, „Du und Onkel Norden, Ihr kommt nun zu mir auf die Ringburg. Weshalb willst Du fort?" Sie preßte die verschlungenen Hände an die Brust und schluchzte: „O, sei nicht böse, Onkel John, ich weiß, daß es schlecht ist, daß ich mich bezwingen sollte, aber es ist stärker als mein Wille, ich muß fort, denn ich kann es nicht ertragen, Asta als Deine Frau zu sehen." Sie ahnte nicht, welch ein Geständniß in ihren Worten lag. Hans aber hörte es mit leidenschaftlichem Entzücken. Er lachte glücklich auf. „O Kleine, wie thöricht b'st Du doch! Hast Du wirklich geglaubt, dieses herzenskalte Mädchen könne meine Liebe ge winnen? Kind, Kind, die gehört längst einer Anderen, ohne daß ich es selbst wußte. Ahnst Du, wer sie besaß und in alle Ewigkeit besitzen wird?" Er zog sie an sich und sah mit inniger Zärtlichkeit in ihr auffirahlendeS Gesichtchen. „Angela, mein einziger Liebling, weißt Du wirklich nicht, wie unsäglich ich Dich liebe, wie es mein höchster Wunsch ist, Dich mein Weib zu nennen?" Sie lauschte seinen Worten in athemlosem Entzücken. War «t denn möglich, konnte es so viel Glück auf Erden geben? „Nun, Angela, sprich ein Wort! Willst Du die Herrin der Ringburg werden?" Sie lehnte ihr Köpfchen an seine Brust und sah ihn an mit leuchtenden, glückseligen Augen. „Wie gern, o wie gern, mein Hans! Niemand kann Dich so lieben wie ich!" Als die Familienglieder sich zum Abendbrod versammelt hatten und man plaudernd, aber doch in seltsamer Aufregung bei Tisch« saß, da weder Frau v. Herrendorf noch Asta bisher das Vorgefallene ahnten, klang Herr v. Herrcudorf plötzlich an sein Glas und begann mit feierlicher Stimme: „Der heutige Tag hat mir ein seltenes, großes Glück gebracht, auf das ich längst nicht mehr hoffte — die Rückkehr meines Enkelsohnes Hans in das Vaterhaus. Aber noch mehr, er kam nicht allein, er führte mir eine holde, liebliche Braut zu, und auch meine geliebte Enkelin Inga hat sich an diesem Tage verlobt. Gott segne die beiden Brautpaare, stoßt an auf das Wohl von Inga und Fritz v. Herrendorf, auf Hans Roland v. Herrendorf, den wir bisher nur als John Roland kannten, und Gräfin Angela Wertach." Tiefe Stille folgte. Weder Frau v. Herrendorf noch Asta waren im Augenblick fähig, sich zu regen; der Schlag kam zu unerwartet. Aber bald siegte die weltgewandte Form über die willenlose Erstarrung und, wenn auch mit blassen Lippen, sprachen sie doch äußerlich ruhig ihren Glückwunsch aus. „Und denkt Euch, noch eine Ueberraschung war mir Vorbehalten. Wir sind in Betreff des Familienringes Beide getäuscht worden", wandte Herr v. Herrendorf sich an seine Gemahlin, „den wahren Ring besitzt Hans; er hat ihn mir heute gebracht, da seht die Probe!" Er zog den sagenhaften Ring aus der Tasche und hielt ihn an das Licht. Allen bemerkbar zeigte sich alsbald die Gestalt deS Zwerges in der Mitte des Ringes — es war kein Zweifel möglich. Mit aufeinander gepreßten Lippen war Frau v. Herrendorf dem Schauspiel gefolgt, von ihrer Tochter aufmerksam beobachtet. Nur mit Aufgebot aller Willenskraft gelang es ihr, bis zum Ende des Soupers auszuhalten; sobald man sich erhoben hatte, zog sie sich zurück unter dem Vorwand, nach Günther sehen zu müssen. Asta folgte ihr bald, sie fand ihre Mutter in grenzenloser Aufregung. „Um Gotteswiüen, laß mich allein, Asta, ich kann keinen Menschen um mich sehen, nach dem, was ich heute erlebt!" „Du wirst Dich vorläufig in meine Gegenwart finden müssen; ich werde Dich nur so lange belästigen, bis Du mir eine Frage beantwortet hast. Was ist das für eine Geschichte mit dem Ringe? Ich will endlich klar sehen!" „Nun, Du hast es ja gehört, wir besaßen Beide nicht den echten Ring! Woher Hans Roland das Kleinod genommen hat, das mögen die Götter wissen." Asta schüttelte den Kopf. „So viel ich mich erinnere, ist doch damals Dein Ring geprüft worden und hat die Prüfung bestanden?" „Er hat sie bestanden", lachte die zornige Frau gellend auf, „er hat sie bestanden, weil Niemand den wahren Ring kannte. Ich hielt das Wunder ebenfalls für eine Sage und baute darauf meinen Plan. Mit sympathetischer Tinte hatte ich mühevoll Re Gestalt eines Zwerges auf den Stein gezeichnet, die, völlig un sichtbar, nur bei Erwärmung die feinen Linien zeigte. Dadurch ist mir die Täuschung gelungen. Ich wagte viel, aber der Erfolg war mein — bis heute." Schweigend wandte sich Asta ab. Kalt und herzlos, wie sie auch war, empörte sie dieser vorbedachte Betrug doch in innerster Seele. Sie hatte heute einen tiefen Schmerz erlitten, denn Hans war ihr theurer geworden, als sie jemals geglaubt. Erst die Gewißheit, daß sic ihn verloren, hatte ihr dies völlig zum Bewußtsein gebracht. „Ich werde nun den Fürsten Brenta heirathen oder irgend einen Anderen. Es ist ja ganz gleich, wen — nur fort von hier, unter Roland's Dach ist kein Raum für mich! Ich mag auch nicht ferner mit meiner Mutter Zusammenleben." Mit diesen Gedanken begab sich Asta zur Ruhe, um, gleich Frau v. Herrendorf, die Nacht schlaflos zu verbringen. Auch Inga und Angela schliefen wenig, nachdem sie noch lange mit ihren Verlobten bei dem glücklichen alten Herrn ge sessen hatten. Aber wie anders sah es in ihren Herzen aus, als in dem Inneren Asta'S und ihrer Mutter! Wenige Tage nach diesen Ereignissen reiste Günther in Be gleitung seiner Mutter ins Bad, während Asta die Einladung einer bekannten Familie annahm und mit dieser in die Schweiz ging. Dort trafen sie mit dem Fürsten Brenta zusammen, der, immer noch vollständig in den Banden der schönen Herrendorf, bald ihr erklärter Bräutigam war. Sie kehrte nicht wieder nach der Ringburg zurück. Den Bitten ihres Verlobten nachgebend, feierte sie ihre Vrmählung nach wenigen Wochen in einer kleinen Stadt am Golf von Genua, wohin ihre Mutter und Günther gekommen waren, um über den Winter in dem milden Klima zu verweilen. Auch auf der Ringburg wurde Hochzeit gefeiert, und ganz Herrendorf nahm daran Theil. Vor Allem aber der alte Weither, der sich fast als den Schöpfer oll dieses Glücks fühlte. An einem schönen Spätsommertagc wurden die beiden Braut paare in der alten Herrendorfer Kirche getraut. Nachdem die Hochzeitsgäste sich entfernt hatten und nur noch die jungen Eheleute bei dem Großvater weilten, nahm dieser den berühmten Ring und gab ihn Angela, indem er sagte: „Nimm das alte Kleinod heut« von mir als Hochzeitsgabe, mein Liebling! Kein Herrcndorf soll ihn mehr besitzen, frei von ihm sollen die Väter den Söhnen ihr Eigenthum hinterlassen, nickt beeinflußt durch eine alte, vielleicht thörichte Tradition. Dieses Erbstück aber soll den Frauen unseres Hauses verbleiben, die jeweilige Herrin der Ringburg soll ihn tragen; so bleibt er mit dem alten Stammschloß dennoch verbunden. Ich will ihn nicht vernichten, wie es einst mein Vater beabsichtigte; knüpfen sich doch zu viele Erinnerungen an ihn, traurige und frohe! Er mag fortan ein Warnungs«ichen sein, sorgsam zu prüfen und gerecht zu handeln. Bewahre ihn treu, mein liebes Kind, und möge er Dir reiches Glück bringen!" Voll Dank und Rührung beugte sich Angela über die Hand des alten Herrn und küßte sie zärtlich. Glück und frohe Hoffnung lebte in allen Herzen, strahlte aus den Augen. Vom Dorfe herauf schallte der Jubel der Leute, im Park flammten die bunten Lichter, von leisem Wind hauch bewegt, und hell glänzte an der Hand der jungen Schloß frau der Stein im Ring des Zwerges. lLchlirß.)
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