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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971223013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897122301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897122301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-23
- Monat1897-12
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Größere Schriften laut unserem Preis - verzeichniß. Tcbellarischer und Zisfernsatz nach höherem Taris. Ertra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesördermlg 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei deu Filialen und Annabmestelleu je eine halbe Stunde srahrr. Anreißen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. §53. Donnerstag den 23. Decernber 1897. Sl. Jahrgang. Garantien gegen ungerechtfertigte Entmündigung wegen Geisteskrankheit. 42 Bor einer Berliner Strafkammer ist am Montag ein Fall verhandelt worden, der aus dem weitverzweigten Miß trauen gegen irrenärztliche Gutachten und Verfügungen hervorgeHangen war. Ein Redakteur batte einen Gericblsarzt der Unfähigkeit und Pflichtvergessenbeit bei der Abgabe von Gutachten beschuldigt. Er ist zu einer Gesängniß- strafe verurtheilt worden, da das Gericht annabm, daß der angegriffene SanitätSbeamte überwiegend corrcct gebandelt habe. Dieser Eindruck läßt sich auch aus dem ziemlich ausführlichen Berichte gewinnen, den die Berliner Zeitungen veröffentlichen. Allein die Ver- befferuugSbedürfligkeit deS Verfahrens bei der Untersuchung von Personen, die wegen angeblicher Geisteskrankheit eine rechtliche Benachtheiligung erleiden sollen, ging doch auch aus dieser Verhandlung hervor. Ein Sachverständiger stellte in einem Falle Unregelmäßigkeiten fest, die allerdings nicht dem Klager zur Last fielen. Es wurde weiter constalirt oder vielmehr iu Erinnerung gebracht, daß ein inzwischen verstorbener Gericblsarzt einen Mann auf Grund der Acten und ohne Vornahme einer körperlichen Untersuchung für geisteskrank erklärt hatte. Selbstverständlich fehlte auch nicht die Erscheinung entgegengesetzter Ansichten von Aerzten über den Gesundheitszustand von ordnungsmäßig beobachteten Personen. Solche Meinungsverschiedenheiten sind unvermeid lich, aber sie müssen furchtbar hart empfunden werden, wenn die obsiegende Ansicht zu Ungunsten des Untersuchten lautet. Solche Zwcifelsfälle sind in deu letzten Zähren in verbältniß- mäßig großer Anzahl bekannt geworden und baden den Ruf nach einem mit stärkeren Garantien umgebenen Verfahren zu einem allgemeinen gemacht. Die Vorlage über Aenveruug der Civilproceßordnung, welche dem Reichstage zu gegangen ist, kommt denn auch dieser Forderung in dem Eapitel, der von der Entmündigung handelt, in einem, wie es scheint, ausreichenden Maße entgegen. Die Tendenz der modernen Gesetzgebung geht keineswegs dahin, die Ent mündigung von Personen, deren geistiger Zustand sie selbst oder ihre Angehörigen mit Schädigung bedroht, zu erschweren. Im Gegentbeil fügt das neue Bürgerliche Gesetzbuch den bis herigen Entmündigungsgründen des Wahnsinns und der Verschwendung noch „Geistesschwäche" und Trunksucht hinzu. Nur die Feststellung des die Geschäftsfähigkeit aushebeuden oder beschränkenden Zustandes soll besser gesichert werden. Als ein nur beschränkender Zustand wird vom Bürgerlichen Gesetzbuch die Geistesschwäche angesehen; der ibrelbalben Enlmündigte verliert die Verfügungsfähigkeit nicht gänzlich, sondern nur insoweit, als sie ein geistig normaler Minderjähriger nicht besitzt. Der Entwurf der Civil proceßordnung trägt dem Unterschiede zwischen Wahn sinnigen und Geistesschwachen Rechnung, indem er vorichreibt, daß der Gerichtsbeschluß, der eine Ent mündigung wegen Geistesschwäche verfügt, dem Betroffenen rechtzeitig zugestellt werden muß, so baß dieser innerhalb Monatsfrist den Beschluß anfechten kann. Eine weitere Garantie gegen unbegründete Entmündigung gewährt die Vorlage, mag sich nun der Entmündigungsantrag auf Geistes schwäche oder auf Wahnsinn gründen, dadurch, baß sie das Gericht verpflichtet, den als krank Bezeichneten vor der Beschlußfassung persönlich kennen zu lernen. Nur wenn sie mit „besonderen" Schwierigkeiten verbunden ist, oder einen offenbaren Nachtheil für den Gesundheitszustand be fürchten laßt, darf die persönliche Vernehmung unterbleiben. Besondere Schwierigkeiten und drohender offenbarer Nach- rheil werden aber fast ausnahmslos nur dann anzunehmen sein, wenn die Geisteskrankheit außer allem Zweifel steht. BiSber konnte das Amtsgericht die Entmündigung schon aus Grund eines amtsärztlichen Zeugnisses aussprechen. Wenn nun auch selbstverständlich nicht ausgeschlossen ist, daß daS Gericht einen ärztlichen Zrrthum zu dem seinizen macht, so bedeutet die Bestimmung doch obne Frage einen großen Fortschritt, namentlich in Ansehung der Fälle, wo die Meinungen der Sachverständigen auSeinandergehen. ES kommt hinzu, daß der Entwurf in allen Fällen der Ent mündigung wegen geistiger Erkrankung den Staatsanwalt zur Einmischung zu Gunsten des Betreffenden berechtigt und ibn dazu verpflichtet, wenn er die Ueberzeuguna gewonnen bat, daß ein strafbarer Eingriff in die Rechte des zu Entmündigenden vorliege. Schließlich wird bestimmt, daß ein zu Entmündigender, der zur Beobachtung seines Geisteszustandes in eine Anstalt ver bracht werden soll, gegen diese Anordnung Beschwerde erheben kann. Zst er selbst außer Stande, sie anzubrmgen, so können Ver wandte sowie auch der Staatsanwalt für ibn eintreten. Wir glauben, daß der Entwurf mit dieser Bestimmung vorsieht, was zur Abwendung des schrecklichen Schicksals ungerecht fertigter Entmündigung wegen Geisteskrankheit vorzukehren der Civilgesetzgebung überhaupt möglich ist. Deutsches Reich. Leipzig, 22. December. Die publicistischen Vorkämpfer ceS römischen PapsttbumS können eS nicht vertragen, wenn von protestantischer Seite mit größter Sachlichkeit der Gegensatz sestgestellt wird, der zwischen den WeltherrschaftS- gelüsten der internationalen Papstkirche und dem neuen deutschen Kaiserreiche besteht. Co fühlt sich die klerikale „Köln. VolkSztg." durch die Denkschrift deS Deutschen Patriotenbundes über daS Völkerschlacht- Nationaldenkmal beschwert, weil in ibr gesagt wird: „Das neue Reich hat in dieser Richtung außer mit den deutsch feindlichen, durch die sociale Frage irregeführten Massen aber auch noch mit einem andern, zwar alten, doch noch immer sehr gefähr lichen Feind zu rechnen: mit dem aus religiösem Absolutis mus entspringenden Geiste kirchlicher Unduldsamkeit, der im Volke eine tiefe Kluft aufreißt und der die Ausgabe einer weltumfassenden, internationalen Organisation im bewußten historischen Gegensatz zu der nationalen Neugestaltung Deutschlands unter Preußens Führung verfolgt." Diese ruhige, lediglich eine allbekannte Tbatsache ver zeichnende Darlegung wird von der „Köln. VolkSztg." kurzab „Schimpferei" benannt und zum Borwand benutzt, um gegen die „wüsten Hetzereien evangelischer Bundesbrüder und Gustav- Adolf - Vereinter", sowie gegen die „Duldsamkeit de» Liberalismus und Protestantismus" den üblichen ultra montanen Vorstoß zu macken, damit nur ja die „gutgesinnten" Katholiken von einer Beitragszahlung au den deutschen Palriotenbund abgeschreckt werden. Um dieses Ziel mit größerer Aussicht aus Erfolg zu erreichen, verschweigt die „Köln. VolkSztg.", was die Denkschrift in unmittelbarem An schluß an die citirte Stelle sagt. Die Denkschrift fährt fort: „Auch ihm (dem Geiste kirchlicher Unduldsamkeit) gegenüber heißt der Kampfruf: Zurück aus den Standpunkt von 1813! Das neue Reich läßt sich keiner kirchlich-dogmatischen Autorilät unter ordnen, es fordert vielmehr und gewährt in Fragen der kirchlichen Unterschiede die Duldung, die 1813 in der Zeit der Nock die Stimme der religiösen Zwietracht zum Schweigen brachte, und findet seine größte Kraft in der auch alle dogmatischen Unter scheidungslehren der Lonsessionen überbrückenden wahrhaft deutschen Gesinnung." Die Aufforderung, zur Duldsamkeit von 1813 zurück- zukehren, ist allerdings für klerikale Stimmführer gerade in kiesen Tagen, wo auf Grund der päpstlichen CanisiuS- Encyklika der erste deutsche Jesuit, der Bannerträger ultramontaner Unduldsamkeit, in deu katholischen Kirchen ge feiert werden soll, besonders lästig; lliuc illae lacrüuas! Ü Berlin, 22. December. Die im Reicköamte deS Innern versammelt gewesene Confercnz berieth nicht, wie verschiedent lich gemeldet wurde, über den Entwurf eines Auswanderungs gesetzes, sondern über den Entwurf von Ausführungs vorschriften zu dem Auswanderungsgesetz vom 9. Juni l897. Dieser Entwurf wird später dem BundeS- ratde unterbreitet und von diesem endgiltig festgestellt werden. Hauptsächlich werben darin Bestimmungen über Beschaffenheit, Einrichtung und Verproviantirung der Auswandererschiffe, über amtlicke Besichtigung und Eontrole dieser Schiffe, über ärztliche Untersuchung der Reisenden und der Sckiffsdesatzung vor der Einschiffung, über den Geschäftsbetrieb der Unter nehmer und Agenten u. s. w. getroffen werben. Der Bundes- ratk dürfte im Januar n. Z. Gelegenheit erkalten, zu allen diesen Fragen Stellung zu nehmen. Damit wird aber seine vorbereitende Tbäligkeit für die Ausführung deS Aus wanderungsgesetzes nickt abgeschloffen sein. Es wird sich bei Beginn des nächsten IabreS für ibn auch darum bandeln, den sachverständigen Beira th zu bilden, welcher dem Reichs kanzler bei Ausübung der diesem in der Ordnung des AnS- wanderungswesenS zustchenken Befugnisse unterstützen soll. Die Befugnisse des Reichskanzlers auf diesem Gebiete sind verschieden. So ertbeilt oder versagt er die Erlaubniß zur Beförderung von Auswanderern nach außerdeulscken Ländern, übt in den Hafenorten die Aussicht über das AuöwanderungSwesen aus u. s. w. Bei der Ausübung einiger Befugnisse muß er sogar den Beirath befragen, so vor Ertbeilurig der Erlaubniß für solche Unternehmungen, welche die Besiedelung eines bestimmten Gebietes in über seeischen Ländern zum Gegenstände baden, sowie im Falle der Beschränkung oder des Widerrufs der einem Unter nehmer ertbeilten Erlaubniß. Der BunbeSrath wird, während der Kaiser den Vorsitzenden des AuSwanderungS-Beiratbs ernennt, einmal die Mitglieder deS letzteren zu wählen, sodann aber auch durch ein Regulativ die Organisation des Beiratbs zu regeln baden. — Das AuSwauderungsgesetz tritt übrigen- am 1. April 1898 in Kraft, so daß zu allen diesen Arbeiten genügend Zeit vorhanden ist. * Berlin, 22. December. DaS Oberverwaltungs gericht bat gestern über die AuflösungSbefugniß der die Versammlungen überwachenden Polizeibeamten eine Entscheidung von großer grundsätzlicher Bedeutung gefällt; eS wird darüber berichtet: Der welfischr Parteiführer Frhr. v. Schele (als Kläger) hatte dem Landrath des Kreise- Burgdorf (als Beklagten) am 2. Sep- tember v. I. angezeigt, daß am 6. September in Kircbhorst bei Burgwedel (Provinz Hannover) eine öffentliche Versammlung der deutsch-hannoverschen Partei slatifinden werde, worauf der Landralh zur Ucberwachung der Versammlung den Gendarmen Hahne entsandte, der sich dann zur Auflösung der Versammlung ver- anlaßl sah. Zur Rechtfertigung der Auflösung theilte er dem Landrath folgenden Sachverhalt mit: Der erste Redner, ein gewisser Caphuhn auS Hannover, habe die Ereignisse von 1866 als die Wurzel alles Nebels im Reiche, die Ursache der großen Militairlasten, der Cteuerüberbürdung und der Uebergriffe des Staates auf religiösem Gebiete dargestellt. In gleicher Weise äußerle sich auch Freiherr v. Schele unter dem Hinweis, daß sich auch in anderen deutschen Staaten deutsche Reichsvereinigungen gebildet hätten, die im Anschluß an die deutsch-bannoversche Partei gegen die „Brutalität von 1866" Einspruch erheben und die Wiederherstellung der früheren Zustände anstreben. Der dritte Redner, Arbeiter Herre aus Linden, äußerle sich dahin, daß die deutsch-hannoversche Partei die Selbstständigkeit und Wiederherstellung des Königreichs Hannover, wie es vor 1866 gewesen sei, auf friedlichem und gesetzlichem Wege verlange. Diese Aeußcrung bildete den Hauptgrund der Auflistung, worüber sich Freiherr v. Schele bei dem Landrath beschwerte, von diesem aber einen ablehnenden Bescheid erhielt. Er klagte nun gegen den Land rath auf Aufhebung der Verfügung, wurde aber damit vom Be zirksausschuß zu Lüneburg unter folgender Begründung ab gewiesen: „Nach 8 5 des Bereinsgejetzes ist der Abgeordnete einer Polizeibehörde dann zur Auilbjung berechtigt, wenn in der Ver sammlung Anträge und Vorschläge erörtert werden, die eine Auf forderung oder Anreizung zu strafbaren Handlungen enthalten. Diese Anreizung zur LoLreißung Hannovers von Preußen sei hier ge geben gewesen, wenn auch die feindselige Absicht der Losreißung, die bei einem ein tretenden nationalen Unglück selbst aus gewaltsamem Wege hätte durchgcführt weiden sollen, lediglich in der Absicht der Täuschung der Behörden mit friedlichen Redensarten verschleiert worden sei." Hiergegen legte Kläger Berufung bei dem Ober- Verwaltungsgericht ein, das gestern unter Auferlegung der Kosten für den verklagten Landrath nach dem Klageantrage und aus Aushebung der Vorentscheidung erkannte. „Ein au sich ungesetzliches Bestreben", so führte der Senat u. A. aus, „könne, wenn es sich nicht durch Handlungen offenbare, nicht bestraft werden. Die Unterstellung der Möglichkeit einer gewaltsamen Losreißung Hannovers rechtfertige noch nicht die Anwendung des 85 1e- Vereiusgesetzes. Ter Verlauf der Versammlung sei zudem durchaus ruhig gewesen. Es stehe also nur in Frage, ob die Aeußerung d« > Arbeiters Herre eine Anreizung zu einer strafbaren Handlung ent halte, und diese Frage sei zu verneinen. Eouach rechtfertige sich die Aushebung der Anordnung des verklagten Landraths." Die „Nat.-Ztg." bemerkt bierzn: „Politisch batte oo .' Zweifel der Lüneburger Bezirksausschuß mit seiner Darlegung Recht, daß die stereotypen welfiscken Redensarten von den „friedlichen und gesetzlichen Mitteln", mit denen die Wieder Herstellung des Königreichs Hannover erstrebt werden soll, bloße Heuchelei sind; sie sind dazu bestimmt, über das gefährliche Tbema Erörterungen zu ermöglichen, ohne daß man darauf gefaßt sein müßte, wegen Aufreizung zum Hochverrats» angetlagt zu werden; mit Hilfe jener Redens arten soll die welfische Gesinnung wach erhalten werden, bis etwa — wie der Lüneburger Bezirksausschuß es zutreffend ausgedrückt hat — ein nationales Unglück die Losreißung Hannovers vom preußiscken Staate ermöglicht. Aber bei der Auslegung des tz 5 des BereinSgesetzeS kommt e- darauf an, ob dieser die Auflösung von Versammlungen zuläßt wegen einer „Aufreizung" zu Gesinnungen, die in einer unbestimmten Zukunft niöglickcr Weise eine strafbare Handlung zur Folge haben können, oder nur wegen der unmittelbaren Aufreizung zu einer alsbald vorzunehmenden strafbaren Handlung. Das Oberverwaltungsgericht ist offenbar von der letzteren Aus- fassung, die allein gegenüber dem Z 5 des Vereinsgesetzes eine Garantie für die ungestörte Ausübung deS Versamm lungSrechteS gewährt, auSgeganaen; und dies ist von großer Bedeutung, da in ähnlicher Weise, wie in dein hier streitigen Falle, schon sehr häufig Versammlungen der verschiedensten Parteien mit Unrecht aufgelöst worben sind." * Berlin, 22. December. Eine Mittheilung über eine ungesetzliche Verfügung eines Landraths im Kreise Mülheim a. d. Ruhr macht gegenwärtig die Runde durck die Blätter. Danach soll die Anmeldung sämmtlicher Tanz lustbarkeiten angeordnet worden sein, auch der von ge scklossenen Gesellschaften veranstalteten. Eine solche Maß nahme ist aber in keiner Weise haltbar, denn daS Kammer gericht hat in einem Erkenntniß vom 3. December 1394 die Entscheidung abgegeben, daß die nichtöffentlichen Versamm lungen in geschlossenen Räumen in polizeilicher Hinsicht dem Familienkreise der Privatgesellschaft gleickstehen. Eingriffe in solche Kreise seien also ausgeschlossen. Infolge dessen wurde eine ähnliche Verordnung für unailtig erklärt. Auck die Nechtsungiltigkeit des von dem Oberpräsidenten von Westfalen erlassenen Verbots der SonutagSjagd ist auf dem Wege der ^gerichtlichen Entscheidung festgestellt worden. Don dem Schöffengericht in Schwelm ist nämlick der Rentner F. M. zu Laugerseld, der an einem Sonntag zu Haßlinghausen gejagt hatte und vom Amte zu Haßling hausen mit 10 .45 bezw. 2 Tagen Haft bestraft worden war, auf seine Berufung hin freizesprochen worden. Die Der theidigung hatte geltend gemacht, daß die Oberpräsidial verordnung vom 24. Juli 1897 über die Ausübung der Jagd an Sonn- und Feiertagen zu weit gehe und der Rechts ziltigkeit entbebre. Dieser Auffassung schloß sich daS Gerickx an. Der AmtSanwalt gab zu, daß er persönlich den Stand puuct der Verlheidigung im Wesentlichen tbeile, beantragte aber auS mehr formellen Gründen die Aufrechterhaltung der Strafe. Er wird, was in diesem Falle von praktischem Werlhe ist, gegen daS Urtheil Berufung einlegen, so daß die Frage, ob die Verordnung auf rechtlicher Grundlage stebl ober nicht, bald ihre endgiltige Lösung finden wird. — Wir sind der Ansicht, daß Maßnahmen wie die obenerwähnten nur dazu beitragen, eine uunöthige Gereiztheit gegen den Staat zu erzeugen. Es sollte daher den Beamten eingefckärft werden, sich sorgfältig über die Zulässigkeit nicht völlig zweifelloser Anordnungen, zumal solcher, die die privaten Angelegenheiten der Staatsbürger betreffen, zu vergewissern, ehe sie erlassen werden. DaS Ansehen deS Staates leidet, wenn eine ungerechtfertigte Maßregel wieder aufgeboben werden muß. Neulich Hal Graf Posadowsly sehr verständige FrniH-ton. Am die Erde. Reisebriefe von Paul Lindenberg. Nachdruck verbann. VIII. Die Umgebung Colombos. — Nach Mounth La- vinia. — Singhalesische Jugend. — Ausflug nach Kelarny. — Im Palmenwald. — Schöne Singhalesinnen und deren Mütter. — Die Kobra-Schlange. — Der Buddha-Tempel von Kelarny. Colombo, 25. November. Bietet das weit ausgedehnte Colombo an sich stets neue, überraschend schöne landschaftliche Eindrücke dar, wie viel mehr erst noch seine Umgebung! Wohin man die Schritte lenken, oder richtiger, wohin man sich fahren lassen mag, immer wieder wird man in staunende Bewunderung gerathen über die Fülle des unbeschreiblich Schönen, das man allerorten trifft, und das 'Niemanden, der mit freudigen Blicken die unerschöpflichen Gaben der Natur betrachtet, aus einem Rausche des Entzückens läßt. Zwei Ausflüge nun vor Allem gaben uns Gelegenheit, jene Palmenwoldungen zu durchkreuzen, deren ich beim Ausblick vom Wasserreservoir gedacht, und ihren eigenthümlichen Zauber voll auf unS wirken zu lassen, die Partie nach dem Mounth Lavinia und jene nach Kelarny. Wir unternahmen zunächst die erstere, in einem leichten, von einem flinken Pferdchen gezogenen Wagen, in welchem wir die sieben englische Meilen weite Strecke in kaum zwei Stunden zurücklegten. Die Fahrt ging ein Stück am Meer entlang, dann bogen wir auf die gut gepflegte Land straße über und hatten bald, wie uns das Lhorhüterhiiuschen anzeigte, den Stadtkreis Colombos hinter uns. Man hätte es kaum gemerkt, wenn eben nicht jene Zollerhebungsstelle gewesen wäre; denn von einer eigentlichen Straße war nichts zu sehen, weit auseinander liegen in den Palmenhainen die Hütten der Eingeborenen und zwischen ihnen zerstreut verschiedene europä ische Londhäuschen, deren an den Garteneingängcn angebrachte Benennungen noch mehrfach aus der holländischen Zeit stammen. Doch halt, einen Unterschied zwischen der „Stadt" Colombo und den sich die Landstraße entlang ziehenden winzigen Dörfern giebt es doch: im Gebiete Colombos müssen wegen der Feuers gefahr die Hütten mit Ziegeln gedeckt sein, „draußen" ist das nicht nöthig, und man erblickt denn auch in der Mehrzahl ganz elende Behausungen, die zu dem herrlichen landschaftlichen Hin tergründe in scharfem, aber doch malerischem Gegensatz stehen. Und malerisch sind auch die Gruppen der Singhalesen, die wir zu betrachten reiche Gelegenheit haben, faulenzen sie doch in nirwanahaftem Zustand« vor ihren Behausungen umher; nur selten, daß man ihrerseits eine Thätigkeit wahrnimmt, abgesehen von den Barbieren, die bedächtig dem einen und anderen Ta- mulen das Haupthaar abrasiren, oder jenem Begleiter des dort auf dem Erdboden hockenden ergrauten Fakirs, der aus dem dichten Haargewirr des hochwürdigen Herrn mit feierlicher Ruhe und einer gewissen Andacht bestimmte Thierchen herausliest und eine recht ergiebige Ernte zu haben scheint. . . . Don dem Phlegma der Aelteren ist der Jugend nichts zu eigen — ein fröhliche, unternehmungslustige Jugend, die ge sunde Lungen und schnelle Beine hat, wovon wir uns genügend überzeugen können. Denn ein ganzer Schwarm fünf-, acht-, zehnjähriger Mädchen und Knaben, von denen die ersteren wenig und die letzteren fast gar keinen ToilettenluzuS treiben, hastet hinter unserem Gefährt her, die Händchen auSgestrrckt und die großen, schmelzenden Augen, in denen das Weiße ost stark über wiegt, bittend auf uns gerichtet, in schlechtem Englisch eingelernte Worte rufend oder vielmehr mit weichen Lauten, die etwas Rührendes haben, singend: „Mein lieber Pappa, schenk mir einige Cents, sei gut, lieber Pappa, schenk mir was für meinen Pappa und für meine Mamma!" Und die kleinen Schelme, die sich gleich den deutschen Dorfkötern von Ansiedlung zu Ansiedlung ablösen, wissen so nett und so . . . eindringlich zu bitten, daß man trotz gegentheiliger Vorsätze immer wieder in die Tasche greift, noch dazu, wenn sie im Chorus und mit drollig-falscher Betonung das selbst hierher gedrungene „Taratabumtata" an stimmen! So geht es durch die Palmenwaldungen dahin, gelegentlich schimmerte von der einen Seite durch die Stämme der Ocean herüber, dann wieder verdichtete sich der Wald und die Kronen der Bäume berühren sich hoch über unseren Häuptern, den will kommensten Schatten spendend. Nun ein immer lauter werden des Dröhnen und Rauschen, unser Wagen hält und wir steigen einen von einer weißen Villa, dem Hotel Lavinia, gekrönten Hügel hinan — und nun unter uns das azurblaue Meer, seine Wogen donnernd heranrollend und ihren Gischt schäumend und sprudelnd gegen die Felssteine des Ufers und Uber sie hinweg schleudernd, daß feine weiße Flocken bis hinauf zu uns fliegen. Rechts und links von dem Hügel aber herrliche Palmengruppen, ihre breiten Blätter in gewaltiger Höhe über den blendend weißen Ufersand erstreckend und durch ihre Bewegungslosigkeit eine gewisse stolze Unnahbarkeit ausdrückend, als spotteten ihre Häupter des Grollens der Wellen, die, mag sie auch noch so sehr der Sturm gegen die Küste peitschen und mögen sie auch noch so verlangend nach einer feuchten Umschlingung der immergrünen Kronen trachten, doch nicht ihr Ziel erreichen! — — In einer anderen Richtung ging's am nächsten Morgen, mehr östlich, und wieder hieß eS, der Sonne mit dem Auf stehen zuvorzukommen und bereits unterwegs zu sein, wenn sie ihre ersten goldenen Strahlen versendet, denn, falls man nicht irgendwo unter Dach und Fach bleiben kann, bestrebt man sich, vor zehn Uhr Vormittag» zurück zu sein und etwa bis zur vierten Nachmittagsstunde in seinem Kämmerlein auszuharren, um nick: gar zu sehr Phoebus' Flammenkuß zu verspüren, der leicht der.. Unvorsichtigen verhängnißvoll werden kann. Vom kühlende: Meere fort führte uns diesmal der Wagen; in der „Pcltah , der Stadt der Eingeborenen, war noch die Mehrzahl der Lädc. geschlossen, aber auf der von Kelarny nach Colombo führender: Landstraße herrschte schon reges Leben: mit Bambusgefleck hüttenartig überdachte Wagen, mit je zwei kleinen, jedoch kräftiger Büffeln, deren lange Hörner an den Spitzen verschnörkelte nie tallene Hülsen tragen, bespannt, brachten Früchte und Cr-co nüssc herein, vor anderen Gefährten, die wohlhabenderen Sir ghalesen gehörten, waren rasche Occhslcin gespannt, die gr:i; hübsch trabten, und eine gleiche Bespannung wiesen auch mehrer, sehr einfache Omnibusse auf, welche die ärmeren Eingeborenen zu ihren gemeinsamen Fahrten von ihren entfernteren An siedelungen her benutzten. Das Stadtgebiet lag bald hinter uns, wieder mußten wir dem dunkelhäutigen Zöllner für uns und unseren Wagen den Tribut entrichten, dann kamen wir flott vorwärts. Eine un vergeßliche Fahrt! Was den landschaftlichen Rahmen anbetrifft. Weit schöner noch wie die gestrige; in einen Urwald tonnten wir uns versetzt fühlen, so üppig war der Pflanzenwuchs, gefördcr« wohl durch den sumpfigen Boden, durch den Kelarny-Fluf sowie durch eine Reihe Teiche, die bedeckt waren von den breiten Blättern der Lotosblumen. Wenig konnten uns die Sonnen strahlen anhaden, so dicht war das Blättergerank über un und mit Freuden tauchten die Augen in das satte Grün zu beide > Snten; Palmen aller Art erhoben sich zu vielen Tausenden, üb." alle hinweg, in einer Höhe von vierzig, fünfzig Metern, reckte zum Himmel hinauf auf zierlichem, ganz eben gewachsenem Starru die Areca-Palme ihr königliches Haupt, mit einer gewissen mäck tigen Wucht breitete kurz oberhalb deS Bodens die Palmvr.i Palme ihre schöngezackten Blätter aus. Bananen wuchsen aller Orten, die Lücken zwischen den Palmenstämmen ausfüllend, und
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