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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971223024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897122302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897122302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-23
- Monat1897-12
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Aus dieser Ablehnung und aus den Auslassungen einiger CentrumS- blätter schlossen wir, daß die Gegnerschaft der Ultramontanen gegen die Vorlage erlahme. Aus einem Berichte der „Köln. VolkSztg." über die in jenem Vereine gehaltene Rede des Abg. Fuchs ersehen wir jedoch, daß wenigstens dieses CentrumSmitglied keineswegs gesonnen ist, über die Vorlage „mit sich reden zu lassen", daß er ei» principieller Gegner derselben ist und als solcher das ganze Ceiitruin auf seiner Leite zn finden hofft. Nach jenem Berichte führte er nämlich aus: Neben der Deckungssrage müsse vor Allem die dem Reichstag angesonnene Schmälerung des Etatsrechtes die schwersten Bedenken Hervorrufen. Der jetzige Reichstag, dessen Wahlperiode im Juni nächsten Jahres ablause, könne seinem Nachfolger das Etatsrecht nicht derartig geknebelt überliefern, daß die Budget- Bewilligung für die Marine im folgenden Reichstage nur noch eine rechnerische Bedeutung hätte. Diese Knebelung des Etatsrechts mache es dem Ceutrum durchaus unmöglich, einer Festlegung auf sieben Jahre zuzustimmen. In keinem andern Lande habe inan die Stärke einer ganzen Flotte durch Gesetz sestgestellt. Ein solches Vorgehen sei bei der Marine um so widersinniger, als gerade hier fortwährend Veränderungen Platz griffen, welche jeden Marineplan alsbald als veraltet erscheinen ließen. Herr Fuchs ließ dann allerdings durchblicken, daß er eine „Verständigung" mit der Neicksregierung wünsche, durch die Worte aber, „wolle inan einen Conflict, so werde die Centrums partei die Rechte des Voltes zu wahren wissen", gab er zu verstehen, daß er den Verzicht der NeichSregicrung auf das sogenannte Septennat für die unerläßliche Vorbedingung einer Verständigung halte. Seine Hoffnung, das ganze Centrum auf seine Seite zu ziehen, wird nun allerdings nicht in Er füllung gehen, denn der Abg. vr. Lieber bat sich bei der ersten Lesung der Vorlage im Reichstage über die „sieben jährige Bindung", d. h. über die gesetzliche Verpflichtung, einen Minimalflotteobestand in sieben Jahren zu be schaffen, ganz anders geäußert. Er hat dargetban, daß lediglich in der Bindung an sich die etatsrechtliche Streit frage liege, in der siebenjährige» Durchführung aber nur eine finanzielle. Er hat auSgeführt, daß durch die gesetzliche Bindung, nickt nur der Reichstag, sondern auch die verbündeten Negierungen gebunden werden und daß also von einer Beinträchtigung der Volksrechte nicht die Rede sein kann. Und was die Verpflichtung, gerade in sieben Jahren den Flottenmindeststanv zu beschaffen, anlangt, so hat er im Gegensätze zu dem Abg. Fuchs wörtlich ausgeführt: „Zunächst hat das Wort „Septennat" in den Erörterungen der ganzen Angelegenheit schon so viel Unheil angestiftet, lange bevor der Reichstag nur zu Worte kain, Laß man auf den Gedanken kommen könnte, schon um deswillen, statt genau auf 7 Jahre, einen Spielraum — 6 bis 8 oder ö bis 9 Jahre — in das Gesetz hinein zuschreiben, dessen äußerste Grenze um den Mittelpunkt 7 gravitirte. Man kann auch daran denken, die 7 Jahre oder die anderweit be messene Frist zwar für die Schlachtflotte zuzugestehen, dagegen für die Auslandschifsef, auch wenn die Gattungen, die großen und kleinen Kreuzer und die Zahl der Schiffe gesetzlich fixirt sind, die jährliche Bewilligung vorzubehalten. Man könnte auch eine Theilung zwischen Neu- und Ersatzbauten dahin vornehmen, daß man die Höchstgrenze des im einzelnen Jahre zu Verwendenden jur die Neubauten mit einer bestimmten Summe, für die Ersatz bauten ober mit einem bestimmten Procentsatze des jeweiligen Werths der Flotte bemäße." Immerhin geht aus der Rede des Abg. Fuchs hervor, daß im Centrumslager zur Zeit drei Richtungen bestehen: die radikalste der Bayern, auf deren Zustimmung unter keinen Umständen zu rechnen ist und an deren Furcht vor der bauernbündlerischen Bewegung schon in der verflossenen Session alle Verständigungsversuche scheiterten; die von dem Rheinländer Fuchs vertretene, die sich nur durch einen Verzicht der Neichsregierung auf eine mehrjährige gesetzliche Festlegung des Mindestbestandes der Kriegsflotte „verständigen" lassen will, und endlich die eventuell zu weiteren Concessionen bereite, deren Wortführer vr. Lieber ist. Allerdings ist diese Uneinigkeit im Centrum insofern für die Negierung günstig, als das Centrum vor einer Auflösung des Reichstags wegen Ablehnung der Flotten vorlage und vor Neuwahlen sich fürchten muß, bei denen die Centrumswähler in drei verschiedenen Lagern stehen. Anderer seits ist vorauszusehen, daß die Bayern und die „Füchse" die größten Anstrengungen machen werden, Herrn vr. Lieber das Wafscr abzugraben und schleunigst eine Einigung der streitenden Brüder auf radicaler Grundlage herbeizuführen. Dem durch Veranstaltung von Versammlungen entgegen zu arbeiten, in denen die „Bedenken" des Herrn Fuchs widerlegt werden, ist also immer noch die wichtige Aufgabe, der alle Freunde des Flottengesetzes, insbesondere die katholischen, vor dem Wiederzusammenlrilte des Reichstags mit allem Eifer sich zu widmen haben. Daß auch im Bunde der Landwirthe die Ansichten darüber, ob das Flott enge setz zu bewilligen sei oder nicht, getheilt sind, gesteht die „Deutsche TageSztg." offen zu. DaS Blatt führt nämlich aus, daß die Veränoerung der wirthschaftspolitiscken Anschauungen in den leitenden Regie- rungökreiien, wie sie in den Reden des Grafen Posadvwsky hervorgetreten seien, die Stimmung des „Landes", soll beißen des „Bundes der Landwirthe", vortheilhaft beeinflußt habe. Denn: „Aus den Zuschriften, die uns seither aus dem Lande zugegangen sind, können wir seslsteürn: daß die Stimmung der Regierung und ihren Forderungen günstiger geworden ist. Einzelne Stimmen, die sich früher gegen den Flottenplan ausgesprochen hatten, zeigen sich heute geneigter, das Vertrauen, das die Regierung zu der Festlegung jenes Planes fordert, zu gewähren." Aber das sind eben nur einzelne Stimmen: „Andere halten daran fest, daß die Nothwendigkeit des Flotten planes nicht in dem Sinne erwiesen sei, daß man seine Durchführung ohne Rücksicht aus die Finanzlage sestlegen müsse. Sie fordern nach wie vor, daß die Regierung erst durch concrete Maßnahmen zeigen müsse, daß sie entschlossen scheine, durch weitergehcnde Sicherung der wirthschastlichen Lage derLandwirthjchaft die wirthjchastspolitische Vorbedingung für die Durchführung des Flottenplanes zu gewährleisten. . . . Gewinnt die Regierung durch concrete Maßnahmen in der Richtung das Vertrauen auch der jetzt noch zweifelhaften Kreise im Lande, so wird sie dem Parlamente gegenüber einen leichten Stand haben. Ja, sie würde dann mit dem Hinweis auf die Stimmung im Lande vom Parla mente eine präcisere Sicherung des Flottenplanes ver langen können, als sie die Flotenvorlaqe vorsieht." Vielleicht sagt dir „Deutsche Tageszeitung" nächstens, wie die „concreten Maßnahmen" ausfehen müssen, wenn die „Anderen" sich gleich den „Einzelnen" geneigter zeigen sollen, das Flotten^efetz zu bewilligen oder sich gar für eine noch „präcisere Sicherung des Flottenplanes" zu erwärmen. Dann kennt man doch den Preis, um den das „Vertrauen" der „Anderen" zu haben ist, und dann wird man wohl auch erfahren, was die „ K r e u z z e i t u n g" zu einer solchen Handelsofferte sagt. Heute nimmt sie den Bund gegen den Vorwurf in Schutz, er ahme daS Beispiel gewisser CentrumS- politiker nach, die für die Zustimmung zum Floktengesetze die Aufhebung des Jesuitengesetzes fordern. So etwas thue der Bund nicht; er stelle keine Bedingungen sondern „erwarte" nur, daß u. s. w. Die „Anderen" der „Deutsch. Tagesztg." erwarten eben nickt, sondern fordern, daß das Vertrauen, Vas die Voraussetzung der Erwartung ist, „erst durch concrete Maßnahmen" erworben werde. Also eine Handelsofferte, deren erste Bedingung sogar Voraus bezahlung von Seiten der Regierung ist; eine Offerte ganz genau nach dem Muster derjenigen der ultramontanen Jesuitenfreunde. Die in Ostasien betheiligten europäischen Mächte stehen sämmtlich England gegenüber, wobei Rußland und Frank reich mit einander verbündet sind und sich schon des wegen unterstützen, und beide Mächte infolge der früheren gemeinsamen Action mit Deutschland der deutschen Action zum Mindesten neutral gcgenüberstehen. Was die beiden asiatischen Mächte, Japan und China, anbelangt, so hegen sie ein wohlbegründewS Miß trauen gegen das „launenhafte" Albion, das während des chinesisch-japanischen Krieges China und während der Fnevensverhandlungen Japan wohlwollend gegen überstand. Die Schwenkung Englands berußte damals darauf, daß die Engländer, die während des Krieges zu der Erkenntniß gekommen waren, daß China zu schwach sei, um eine wertbvolle Hilfe in dem Widerspiel zwischen England und Rußland zu bilden, sich der neu ausgehenden Sonne, Japan, zuwcndeten. Die Japaner acceptirlen zwar das Wohlwollen Englands mit Dank, aber ihre Sympathie für England kühlte sich rasch wieder ab, als sie sahen, daß die Engländer nicht daran dachten, einen Finger zu rühren, um die deutsch- russisch-französische Intervention zu durchkreuzen. Es kann daber leicht dahin kommen, was die „Now. Wr." andeutet, daß Japan sich eher mit Rußland verständigt, als für Eng land in Ostasien die Kastanien aus dem Feuer holt. So bat sich England durch seine zweideutige Politik in Ostasien ebenso zwischen zwei Stühle gesetzt, wie schon längst in Europa. Es ist bemerkenSwertb, daß selbst einsichtige Engländer die Jsolirung Englands in Ostasien zugeben. So schreibt der englische Reisende Colquhoun an die „Times", daß Eng land in Ostasien infolge seiner Jsolirung mehr und mehr an Boden verliere. Die Engländer sehen jetzt zum ersten Male die Folgen deS von Rußland angestrebten Zusammengehens der continentalen Mächte. Dieses Zusammengehen braucht gar nicht in einem Bündniß der Mächte mit ein ander sich auszudrücken, es genügt vielmehr, wenn sie einander gewähren lassen. England verdankt seine ungeheure Macht dem Jahrhunderte langen Hader zwischen den europäischen Continentalmächten, und der Glanz der englischen Macht beginnt deshalb zu verblassen, sobald die Mächte des europäischen ContinentS friedlich miteinander auskommen. Und deshalb stellen die Tage der Besetzung von Kiao - Tschau und Port Arlkur vielleicht einen bedeutsamen Wendcpunct in der Weltgeschichte dar. Was über die Mittheilungen berichtet wird, die der zur Zeit in Lissabon weilende Generalgouverneur vom Mozambique, Major de Albuquerque, über die Lage des portu giesischen ColonialbesitzeS in Ostafrika mit besonderer Berücksichtigung der Delagoabai gemacht haben soll, lautc: recht wenig vertrauenerweckend. Denn au« dem Inhali derselben würde mit aller Deutlichkeit hervorgehen, das: die Anwesenheit der Portugiesen als Colonialmacht in jene. Gegend einer andern Macht, welche nicht näher bezeichn.! zu werden braucht, im höchsten Grade mißfällt. Jene andere Macht hat ibre Hand in all und jedem Ungemach stecken, das der portugiesischen Colonialherrschaft in Ostafrika von den dortigen Eingeborenen bereitet wird. Die Kaffern haben unter portugiesischer Herrschaft immer leidlich gute Tag: gebabt und es ist ihnen nie in den Sinn gekommen, fick gegen das portugiesische Colonialregime aufzulehnen, bi man ihnen dort, wo man auf die portugiesische Nachbar schäft in Ostafrika nicht gut zu sprechen ist, eine ander. Ansicht von der Sachlage beibrachte und sie zur Betretuw: des KriegSpfadeS veranlaßte. Portugal, daS schon um dw Kostenersparniß willen den Etat seiner Colvnialtruppen in möglichst bescheidenen Grenzen hält, fand eS nicht leicht, mir den Kaffernausständen, die in den letzen Jahren mit am fallender Häufigkeit wiederkehrten, fertig zu werden, und Majo: Albuquerque soll kein Hebt daraus gemacht haben, daß ein. Verstärkung des portugiesischen Truppenstandes in Ostafrik' geboten erscheine, wenn Portugal den kommenden Kämpfen, die der Major für unausbleiblich erachtet, gewachsen sein wolle. Was mit der Aufhetzung der Kaffern bezweckt wird, ist mit den Händen zu greifen. Je kostspieliger und schwieriger den Portugiesen die Behauptung ihres ostafrika nischen ColonialbesitzeS gemacht wird, desto eher sollen sie, so hofft die hinter den Coulissen arbeitende Macht, ihrer Colonien überdrüssig werden, bis sie zuletzt so mürbe sind, daß sie auf ein vortbeilbaftes Verkaiiföanerbieten, ohne sich erst lang: zu besinnen, eingeben. Die VolkSstimmung daheim ist aller dings einer Preisgabe der ostafrikanischen Besitzungen in der Gegenwart wenig geneigt; indeß Volksstimmungen sind wandelbar, was aber bleibt und mit der Zeit immer uner träglicher wird, das sind die Finanzverlegenheiten des portu giesischen Staates, da die herrschenden Classm im Lande nickt geneigt scheinen, in der Budgetgebahrung solche Reformen einzuführe», welche eine Gesundung -de, Finanzen ans eigener Kraft gewährleisten würden. ' ' Deutsches Reich. * Dresden, 22. December. I» der unter Vorsitz des Herrn Generallieutenants z. D. v. Nostiz in den Drei Raben abgehaltenen Versammlung der Vertrauensmänner der conservativen Partei im ReichStagSwablkreise Dresden- Land wurde einstimmig beschlossen, als Candidaten für die bevorstehende NeichStagswahl Herrn Rittergutsbesitzer Andrä auf Braunsdorf aufzustellen und somit dem Candidaten dcv „Bundes der Landwirthe", der vorige Woche genannten Herrn als seinen eigenen ReichStagScandidaten aufstelltc, zu zustimmen. * Pirna, 22. December. Von den Ordnungsparteien ist, einer Meldung der „D. W." zufolge, der Commerzienratb Eschcbach-DreSden, der seit einigen Monaten auch im diesigen Kreise ansässig geworden ist, als conservativer Reicks tagscandidat in Aussicht genommen. Die freisinnige Volkspartei wird, wie der „Pirn. Anz." meldet, den Fabrit- I besitzer Strohdach zun. in Sebnitz als ReichStagScandidaten I ausstellen, die deutsch-sociale Reformpartei hält an I der Canbidatur des bisherigen Abgeordneten Lotze fest. Frurlletsn. Das Wahrzeichen der Herrendorfs. l6j Roman von L. Migula. Nachdruck vcrdotkn. 19. Capitel. Während dies geschah, war Herr von Herrendorf mit seinen jungen Begleitern unter heiterem Geplauder durch die grünenden Fluren dem Walde zugefahren. Angela, mit ihrem offenen Blick für alle sie umgebende Schönheit, sprach immer wieder ihr Ent zücken aus und dankte dem „guten Großpapa Herrendorf", daß er sie mit auf die Ringburg genommen hatte. „Den schönsten Punct von Herrcndorf kennen Sie noch gar nicht, Angela", sagte Günther eifrig. Man konnte ihn durch nichts mehr erfreuen, als wenn man seine Heimath, die er über Alles liebte, schön fand. Er war nicht müde geworden, der stets be reiten, jungen Begleiterin alle seine Lieblingsplätze zu zeigen. „Was Sie heute sehen werden, wird Sie sicher überraschen." „Sicher nicht, wenn Du fortfährst, Angelas Erwartungen in dieser Weise aufs Höchste zu spannen", meinte sein Bater; „sie erwartet dann wunder welche Herrlichkeiten und findet weiter nichts als einen alten verlassenen Steinbruch." „O, Papa, Du vergißt nur, daß —" „Welch' ein unschlauer Bursche Du bist", lachte der alte Herr belustigt. „Wenn Du einen Menschen ins Paradies führen wolltest und sagtest ihm vorher: „Du kommst jetzt ins Paradies, paß nur auf, wie herrlich es da ist", er würde sicher von der ge rühmten Herrlichkeit nicht viel sehen, wenn sie auch wirklich vor handen sein sollte! Berstehst Du mich, mein Sohn?" Günther nickte lachend: „Ja, Du hast recht, Pava! Also: Sie haben nichts zu er warten als einen verlassenen alten Steinbruch, in dessen Tiefe sich das Regenwasser zu einer grünlichen Pfütze angesammelt Iwt, in der sich die knorrigen, alten Eichen und die schlanken Tannen, die rings herum stehen, nicht einmal spiegeln können." Alle lachten. Der erwachende Frühling stimmte sie froh und der alte Herr hatte seine innige Freude an den beiden frischen, fröhlichen, jungen Menschenkindern. Nach einer dreiviertelstiindigen Fahrt hatten sie ihr Ziel er reicht, eine kleine Lichtung auf halber Bergeshöhe, und Angela konnte nicht umhin, Herrn von Herrendorf Recht zu geben, Gün ther habe ihre Erwartungen zu hoch gespannt. Sie fühlte sich ein wenig enttäuscht. Es war ja ein liebliches Plätzchen, Moos und Epheu überwucherten den Boden und bedeckten das röthliche Ge stein, das sich ziemlich schroff erhob. Herr von Herrendorf bemerkte lächelnd den fragenden Blick, mit dem Angela sich umschaute, sagte aber kein Wort. Günther war inzwischen vom Wagen gesprungen und half nun Angela aus steigen, während er zu seinem Vater sagte: „Läßt Du Dich inzwischen ein wenig weiter fahren, Papa? Ich denke, Ihr schlagt den Weg hier rechts ein und erwartet uns an der Brücke; wir können Dich dann vom Berge aus ganz gut sehen und werden nicht allzu lange bleiben." „Na, na, das versprich nicht! Ich weiß aus Erfahrung, wie es Einem da oben geht. Macht Euch nur keine Sorge, die Brücke liegt geschützt, und wmn ich da auch ein Weilchen halte, das macht nichts; zum Zeitvertreib habe ich mir die Zeitung ein gesteckt. Amüsirt Euch gut, Kinder; auf Wiedersehen!" Er nickte den Beiden freundlich zu und befahl dem jungen Kutscher, langsam nach der Brücke zu fahren. Angela und Günther stiegen indessen den Fußpfad hinan, der über Baumwurzeln und Steingeröll nach dem Gipfel des Berges führte. Sie hatten ihn beinahe erreicht, als Günther stehen blieb. „Wir werden jetzt hier nach links abbiegen; man hat einen besseren Ueberblick, wenn man von dieser Seite kommt. Aber thun Sie mir den Gefallen und sehen Se sich nicht eher um, als bis ich es Ihnen sage, wollen Sie, Angela?" „Nun, natürlich, obgleich Sie mich ja wirklich neugierig machen!" Sie gingen eine kurze Strecke seitwärts und stiegen dann über einige mächtige Felsblöcke; endlich faßte Günther ihre Hand und sagte: „Jetzt!" Angela sah auf und ein Ausruf höchster Ueberraschung ent glitt ihren Lippen. Es war ein herrlicher Anblick, der sich ihr bot. Zu ihren Füßen lag der alte Steinbruch. In seinem tieferen Theile hatte sich ein kleiner See gebildet, der von dem seitwärts fast senkrecht aufsteigenden Berggipfel beschattet wurde und eigen- thümlich düster und melancholisch aussah. Wundervolle, uralte Bäume umstanden ihn schützend und neigten leicht ihre Häupter über den ruhigen glatten Wasserspiegel. Der daneben liegende höhere Theil, durch eine mächtige, mit Moos bewachsene Fels platte von dem See getrennt, war trocken und zeigte nur an be sonders schattigen Stelle kleine Wtisserpfützen; weiterhin erstreckte sich eine schmale Gratfläche, dann kam der Wald, der terrassen förmig abfallend einen wunderbar schönen Fernblick über Herren dorf und die Ringburg gestattete. Don hier aus sah man erst, welch' ein mächtiges, stolzes Gebäude sie war, wie für die Ewigkeit gegründet. " Angela konnte sich nicht satt sehen an dem Bild«, das sich so unerwartet ihren Blicken geboten hatte. Günther unterbrach mit keinem Wort ihr bewunderndes Schweigen, aber er beobachtete sie aufmerksam und die höchste Genugthuung erfüllte ihn, als er be merkte, wie entzückt sie war. „O, Günther", kam es endlich über ihre Lippen. „Nun, Angela, habe ich zu viel gesagt?" fragte er trium- phirend. „Nein, nein, es ist wirklich ein Paradies! Ich glaube, es giebt nichts Schöneres auf der Welt." „Nein, das giebt's auch nicht", erklärte Günther mit vollster Ueberzeugung; „ich bin zwar noch nicht weit in der Welt herum gekommen, aber ich weiß ganz gewiß, daß mir niemals etwas so das Herz bewegen wird, als der Anblick dieses dunklen Sees und der alten Bäume, dieses fruchtbaren Stückchens Erde, das unser eigen ist und das Stammschloß unseres Geschlechtes trägt." Er war bei den begeistert gesprochenen Worten vorgetreten und hatte die Hände nach der Ringburg ausgestreckt. „Seien Sie vorsichtig, die Steine sind glatt", rief ihm Angela zu — aber es >var zu spät, mit einem Schreckenslaut glitt er hinab und war im Moment ihren Blicken entschwunden. In der ersten Secunds war es ihr, als versänke sie mit dem jungen Freunde in eine dunkle, bodenlose Tiefe, vor ihren Augen war es Nacht und ihr Herz schien still zu stehen. Aber mit gewaltsamer Anstrengung schüttelte sie diese Erstarrung ab und nahm alle Geistesgegenwart zusammen. Sie sagte sich, daß vielleicht Alles von raschester Hilfe abhänge; ebenso war es ihr sofort klar, daß sie allein nichts nützen könne und nur unnöthig Zeit verliere, wenn sie erst mühsam in den Steinbruch hinabklettert«, um sich zu überzrugen, wie es mit ihm stünde. „Bon oben können wir Dich sehen, Papa", hatte Günther gesagt, und mit Gedankenschnelle flog Angela den steilen Weg zum Gipfel des Berges hinan. Sie bemerkte oben sofort das näherkommende Gefährt, und ohne Aufenthalt eilte sie hinab, ihm entgegen. Franz bemerkte sie schon von Weitem, und sich zu seinem Herrn wendend, deutete er mit der Peitsche auf die athemlos heraneilende Mädchengestalt. Tief erschrocken rief Hrrrendorf idr zu: „WaSist geschehen,Angela,umGotteSwillen, ist einUnglück passirt?" „Nein, nein, ängstigen Sie sich nur nicht, Herr v. Hrrrendorf", suchte sie ihn zu beruhigen, „es wird nicht schlimm sein, Günther ist auSgeglitten und kann nicht gehen!" „Barmherziger Gott, er ist in den See gestürzt! Verhehle mir nichts, Kind, sag mir nur gleich die Wahrheit! O mein Sohn, mein Sohn, und ich kann Dir nicht helfen, ich bin hier festgebannt, während Du mit dem Tode ringst!" „Nein, gewiß, Herr v. Herrendorf, Günther ist nicht in den See gefallen, er ist nur auf den Steinen ausgeglitten. Nehmen Sie die Zügel; Franz soll mit mir kommen und mir helfen, Günther hierher zu bringen; Sie werden sich dann selbst über zeugen, daß es nicht schlimm ist." Franz ioar schon vom Bocke gesprungen und hatte seinem Herrn die Zügel übergeben. „Rasch da hinauf", flüsterte ihm Angela zu und winkte dem alten Herrn noch freundlich zurück; mit tröstlichem Lächeln rief sie ihm zu: „Nur Muth, Großpapa, es wird Alles gut werden!" Mer ihr tödtlich blasses Gesicht und die angstvollen Augen sagten ihm, daß sie selbst nicht glaubte, was sie sprach, und er hätte all sein Geld und Gut hingegeben, wenn er mit gesunden Füßen den beiden flüchtig Dahineilenden hätte folgen können. O, das Warten, das furchtbare, martervolle Warten! Ohne nur einen Augenblick inne zu halten in ihrem oft be schwerlichen Laufe langten Angela und Franz in kurzer Zeit wieder an dem Steinbruch an. „Um Gotteswillen, geben Sie Acht!" rief Angela, nach Athen, ringend; „die Steine sind so sehr glatt, gehen Sie hier seitwärts hinunter, da hat die Sonne den Boden getrocknet." Während sie sprach, war sie selbst langsam und vorsichtig von Stein zu Stein hinabgeklettert. Endlich hatte sie den Bodcn erreicht und da lag Günther vor «hr, anscheinend leblos. Sie kniete neben ihm nieder und legte prüfend die Hand auf seine Brust. Ein Freudenschimmer erhellte ihr Gesicht, sie fühlte einen schwachen Herzschlag. Vorsichtig hob sie seinen Kopf in die Höhe und bemerkte eine Wunde, aus der Blut sickerte. Er war verhältnißmäßig günstig gefallen, mehr herabgeglitten als heftig aufgeschlagen. „So, nun wollen wir schnell einen Verband anlegen, damit das Blut zu fließen aufhört", sagte sie aufspringend und gab Franz ibr Taschentuch. „Tauchen Sie das Zeug so rasch wie möglich in Wasser; wir dürfen keine Zeit verlieren!" Bald hatte sie daS nasse Tuch auf die Wunde gelegt und mit geschickten Händen festgebunden. „Können Sie ihn allein tragen?" fragte Angela und sah den jungen Menschen zweifelnd an, „sonst helfe ich Ihnen." „Ach bewahre; der junge Herr ist ja so schmächtig und leicht, den trage ich schon." „Dann nehmen Sie ihn vorsichtig auf und gehen ganz lang sam: ich laufe schnell voraus." Und wieder flog sic den Berg hinab. (Fortsetzung fglg»)
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