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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971230018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897123001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897123001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-30
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Denn die Zahl der Reckt-streitig» keilen, welche vor dem Reichsgericht ihre definitive Erledigung finden, auch in den letzten Jahren rin wrnig abgcnommen haben mag, die Zahl ist bereit- eine so hohe, daß eine gering fügige Abnahme nickt von Bedeutung sein kann. Mit dem Inkrafttreten de- neuen Bürgerlicken Gesetzbuches wird aber notbgedrungen vom 1. Januar 1900 ab eine Erhöhung der Arbeitslast eintreten, denn eS gilt dann für die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches eine feste Praxis zu schaffen. Diese feste Praxis aber kann nur geschaffen werden, wenn das ReichSgerickt, als oberster Gerichtshof, das entscheidende Wort spricht. Je mebr Streitigkeiten über die Auslegung von Gesetzesstellen daher vom Reicksgericht erledigt werden, desto fester und sicherer wird die Praxis werden. Eine noch größere Beschneidung des Rechtes der Revision an das Reichs gericht, als sie bereits besteht, dürfte daher verhängnißvoll werden. Wie aber würde es zu halten sein, um da« ReichSgerickt in den Stand zu setzen, die erhöhte Arbeitslast, ohne Ge fahr für die Gediegenheit der Rechtsprechung, zu be wältigen? NeichSgerichtSrath vr. Stenglein bat sich in einem Artikel der „Deutschen Juristen-Zeitung" über die RechtSeinheit in Deutschland auch mit dieser Frage be schäftigt. Er meint, daß die Abhilfe nickt in der Ver mehrung der Senate gefunden werden dürfe. Da« ReichS gerickt zäblt jetzt secks Eivilsenate unv wenn Bayern, wie zu boffen, sein oberste- Lande-gericht fallen läßt, so ist die Bildung eines siebenten Senats unvermeidlich. Tie Vielheit der Senate aber beeinträchtigt, wie Stenglein sehr richtig auSführt, die Einbeit der Rechtsprechung de- Reichsgerichts. „Es ist ein moderner Sport", sagt er, „dem Reichsgerichte Widersprüche nachzuweisen, al« ob diese überhaupt vermeid lich wären. Daß vir gesetzlicher Abhilfemittrl, vereinigte Senate, bez. Plenum des ReichSgerickt- und deren bindende Beschlüsse ungenügend sind, weiß Niemand bester als die NeichSgerichtSmitglieder selbst. Man denke doch nur, daß mehrere Senate in kurzen Zwischenräumen und ehe «in neuer Band der publicirten Entscheidungen erscheint, die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden haben. Es wäre wunderbar, wenn nicht gewisse Widersprüche in den Entscheidungen sich vor- sinden würden, ohne daß ein Senat von der Entscheidung de« anderen etwa- weiß. Billiger Weise sollte man die Offen heit anerkennen, mit welcher solche Entscheidungen ver öffentlicht werden. Dies geschieht aber schon, während sechs Senate judiciren. Jeder Senat mehr erhöht die Gefahr." E- muß also rin anderes Mittel gefunden werden, um so mebr, al- die Ueberbürdung mit Entscheidungen nickt nur die Eivilsenate, sondern auch die Strafsenate betrifft, die an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sieben. Da- Inkrafttreten d-S neuen Bürgerlichen Gesetzbuches wird aber auch den Strafsenaten größere Lasten aufbürdrn. Denn bei vielen strafrechtlichen Ent)cheibuugen spielt ja da- bürgerliche Recht eine Rolle; wir wollen nur an vie Fälle erinnern, wo eS sich um Eigevthum und Besitz, Gewahrsam, Rückhaltung-recht rc. bandelt. Eine Vermedrung der Strafsenate aber würde dieselbe verhängnißvolle Wirkung au-überr wie eine solche der Eivilsenate. Stenglein findet die Abhilfe in einer Einrichtung, die eine Reform de« Geschäftsgänge- de- Reichs gerichte« bedeuten würde. Er will, wie beim französischen Eafsativnsbofe, eine edambrs cks rsquLteg eingerichtet wissen. ES ist da« gewissermaßen ein Vorhof zum Tempel, in welchem Alle« Zurückbleiben must, wa« nicht Werth ist, da- Aller- heiligste zu betreten. In ihm wird eine Vorprüfung der eingehenden Sachen voigenommen. Was der Ent scheidung durch die Senate wirklich wertb ist, wird denselben zuertheilt, daS Uebrige in der cstumbre äe regustes kurzer Hand erledigt. „Zur Zeit", sagt Stenglein, „bildet eine große, wenn nicht die weicntlichste Geschäfislast der Senate de- Reichsgerichts die große Anzahl von Revisionen, von welchen der Referent nach geringer Information bestimmt weiß, daß da« Rechts mittel Erfolg nicht haben kann. Wenn aber die Formalien gewahrt find, muß alle« mit demselben Aufwande von Kräften erledigt werden, mit welchem dir begründetsten Beschwerden ihre Erledigung finden. Die« ist unpraktisch und könnte leicht ^u großer Entlastung de» Gerichtshöfe» geändert werden, allerdings nur aus gesetzlichem Wege. Allein da« Gesetz über Abänderung der Eivilproceßorduung, welche« vor dem l. Januar lSOO noch erlassen wrrdro muß, ist noch unrrledig Dir Abänderung der Strafproeeßordnung ist weniger dringlich, könnte aber ohne Anstand in jene» Gesetz einbezogen w rden, zumal auch da« Gerichtsverfassungsgesetz Aenverungen bedarf." Stenglein will einen Senat gebildet wissen, welcher nach französischem Muster «ine Vorprüfung der einlausenden Revisionen vornimmt und dieselben entweder kurzer Hand verwirft oder zur Hauptverbandluag an den zuständigen Senat verweist. Daß in diesem vorprüfenden Senate die Mitglieder der Senate abwechselnd sitzen müßten, würbe nicht nur im Interesse der Erledigung der Geschäfte liegen, da die Vorprüfenden doch beständige Fühlung mit den Senaten haben müßten, sondern auch eine Forderuug der Billigkeit sein, da dre Arbeit im vorprüfenden Senat natür lich eine weniger interessante sein würde, als die in den übrigen Senaten. „Die Zuständigkeit de« vorprüfenden Senat«", führt Stenglein weiter au», „müßte aber bedeutend weiter reichen, al» eS jetzt zulässig ist, Revisionen in Strafsache« durch Beschluß zu ver werfen. Die Prüfung der Formalien würde ihm allerdings zufallen; außerdem müßt« er aber da» Recht haben, aussichts lose Revisionen verschiedener Kategorien ohne mündliche Ver handlung durch Beschluß zu verwerfen, so alle Revisionen, in welchen zwar «ine zulässige RevisionSbeschwerde aufgestellt ist, aber ohne genügende Begründung; alle Beschwerden, welche nach feststehender Präzis unbeachtet bleiben, wie in Straf sachen die der Beschränkung der Bertheidigung, wenn diese nicht durch einen Beschluß de- erkennenden Gerichts herbei geführt worden sein soll; endlich aber auch diejenigen Be schwerden, welche gegen die feststehende Rechtsanschauung de< Reichsgericht- gerichtet sind." Der ReichSauwaltschast soll, um der Festlr^ng dieser RechtSauschauungeu vorzubeugen, fall« sie als un 'ltbar er kannt werden sollten, da- Recht eingeraumt werde,?, Plenar beschlüsse über diese Rechtsanschauungen herbeizuführen. Da gleiche Recht soll auch dem vorprüfenden und jedem er kennenden Senate zustehen. Dadurch würde verhütet werden, daß vie Rechtsanschauungen zu einem starren, unangreifbaren Rechte würben. Daß der vorprüfende Senat ebenso wie ein anderer zu constikuireu und au- denselben Elementen zu sammenzusetzen wäre, wie die erkennenden Senate, daß eS sich also nur um ein abgekürzte» Verfahren handeln würde, erscheint selbstverständlich, und wir glauben nicht, daß nach dieser Richtung hin Einwendungen gegen den Vorschlag werken erhoben werden. Ankers ist e« mit einem Einwand, der von Seiten der Patrioten kommt. „Kein echter deutscher Mann mag einen Franzen leiden, doch ihre Weine trinkt er gern." Nickt nur ihre Weine, auch ihre Literaiur schlürft man in Deutsch land jetzt leider mit Brbagen, unv eine deutsche Gesamml- ausgabe der Werke Maupassaol'S ist der beste Beweis für unsere Französisirung in brr Literatur. Wenn aber au» der französiichen Rechtspflege rin« Institution herübergenommen werden soll, die sich in langen Jahren al« praktisch dewäort bat, da kommen sofort Cbauvinisten und zetern gegen die Nachahmung französiscver Einrichtungen. Werl sie nrcht etwa unpraktisch, sondern weil sie — französisch sind! Solchen Stimmen kann Gehör nicht geschenkt werden. Der Ein- aeweihle weiß, daß wir der französischen Rechtspflege schon Manche» verdanken und an Patriotismus nicht- erndüßea, wenn wir eine csturwdre äe reezukte» einführen. Berechtigter würbe der Einwand sein, daß in diesem vorprüfenden Senate nicht contradictorisch verhandelt werden würde. Auch über diesen Einwand spricht Stenglein sich au«: „ES kann zwar nicht geleugnet werden, daß ad und zu sich io derselben (contradictorischen Verhandlung) neue Gesichtspunkt» ergeben, welche außerdem dem Gericht« würden entgangen sein. Dies ist aber gewiß nickt der Fall bezüglich solcher RevistonSdrgrünkungen, wie diejenigen, welche nach obigem Vorschlag a limine abgewirsrn werbe» sollen. Dem Nev'sion-gericht« würde also an neuen Gedanken durch jene Abweisung kaum etwas entgehen." Einen Gegner bat vie ctmmbrs äs requvtss auch in einem hervorragenden Juristen, dem Oderreich » anwalt vr. Hamm, gefunden, der in einem Artikel der „Deutschen Juristenzeitung" eine Erhöhung der RevisionSsunimr befürwortet und sich von der Errichtung eines vorprüfenden Senate« nicht- verspricht. Mit Stenglein constatirt Hamm die Ueberbürdung unseres obersten Gerichtshofes und stellt in dieser Beziehung interessante Vergleiche mit dem französischen EassationSbose an. Nach vr. Hamm'S Berechnung würden nach Inkrafttreten des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs, weil dann auck cwilrechtliche Entscheidungen au« Bayern und Sachsen zufließcn werden, zur Bewältigung der Arbeitslast neun Civilsenate mit etwa 66 Näthen erforderlich sein, was, unter Hinzurechnung der Strafsenate, einen höchsten Gerichtshof von 13 Senaten mit 13 Präsidenten und 96 Näthen ergeben würde. Auch Hamm sieht darin eine Gefährdung der RechiSeinheit unv spricht sich ebenso gegen die nutzbringende Wirkung der Plenarbeschlüsse aus, weil schon die Zahl der Mitglieder de» Plenum- (50) einen lebendigen Meinungsaustausch über eine streitige Frage nicht zulasse. Nach erfolgter Bericht erstattung müsse einfach abaestimmt werden, ohne eingehende DiScussion und ohne daß der einzelne Stimmende seine Gründe angebe. DaS habe den Horror plaui erzeugt. Es muß also eine Aenderuug geschaffen werden, wenn das Ansehen de« Reichsgerichtes nicht unter da» Niveau sinken soll, da von einem höchsten Gerichtshöfe gefordert werden muß. Daß der Erfolg der cimmdrs äs reguetes in Frankreich rin günstiger gewesen ist, giebt Hamm zu. Sie bat die Zahl der EassatwnSgesuche in Eivilsacken, über welche auf Gründ mündlicher Verhandlung zu entscheiden ist, so niedrig ge halten, daß sie bequem von einer einzigen cluunbro oivils entschieden werden können. Hamm meint aber, daß diese Wirkung in Deulscklanv nicht eintreteu werde. In Deutsch land sei die Zahl der Revisionen eine ungemein größere, da die deutsche Bevölkerung immer geneigt sei, ihr Recht durch alle Instanzen zu verfolgen. Daher müßten mehrere Bor- prüfung-senate und niedrere Civilsenate zur Entscheidung am Reichsgericht eingesetzt werden, womit der Erfolg des franzö sischen Cassationshofe- verfehlt sei. Auch werde die Er ledigung der Sachen, in denen da- Rechtsmittel zugelassen wird, fast auf die doppelte Zeit hinau-geschvben, der Ent scheidung der vorprüfenden Kammer aber bafte nolbwenvigrr Weise etwa» Willkürliche- und Ungleichmäßige- an, weil eS sich in ibr nicht um die Frage Hankle, ob da« Rechtsmittel an sich begründet, sondern ob eS der Verhandlung und nochmaligen Prüfung wertb, ob eS nicht aussichtslos sei. Schließlich sei die Einrichtung auch in Frankreich selbst angefeindet worven. DaS letztere Bedenken dürfte wohl kaum stichhaltig sein, venn cS girbt in unserer Zeil überhaupt wenig Einrichtungen, die nicht eine abfällig« Kritik erführen. Vr. Hamm sieht das Heil, wie gesagt, >a der Erhöhung der Revisionssumme, unv zwar auf 8000 Daß diese Maßregel bei der gelammten Rechtsanwalt schaft und auch bei dem minder bemittelten Publicum aus Widerspruch stoßen wird, ist schon erwähnt worden. Man hat gesagt, baß dann die Revision ein Privilegium der reichen Leute würve. So lehnt denn auch LandgerichtS- rath Goldenring in einem Aufsatz der „Junstenzeitung" eine Erhöhung der Revisionssumme ad und tritt im Gezcn- tbeil für Unbeschränktheit der Revision ein. Er geht davon au-, daß daS Rechtsmittel der Revision nicht im Interesse der Proceßparteien, sondern in dem de« Staate» gegeben sei, der ein solche« Mittel nickt entbehren könne, wenn der Zweck seiner Gesetzgebung, Rechtssicherheit und RechtSeinheit, nicht vereitelt werken soll. Damit sei ka» Erforveraiß einer bestimmten Beschwervesumme unver einbar. In Folge der Festsetzung der RevisionSsumme komme der oberste Gerichtshof selten und zu spät zu einer Br- urtheilung von Streitfragen de- Pfandrechtes veS VermiethrrS, der Viebkäufe, Besitzstörungen, Grenzstreitigkeiten u. s. w , weil der Streitwertb dabei notorisch meist ein geringer sei. Das habe zu einer Gefährdung der RechtSeinheit geführt. Der Verfasser will lieber Mittel geschaffen wissen, welche vor der Einlegung aussichtsloser Revisionen abschrecken. Die nur noch durch Revision angreifbaren Urtbeile sollen vorläufig vollstreckbar sein und die Kosten der Rcvisionsinstanz -sollen vorschußweise erhoben werden u. s. w. Von dieser „Ab- schreckungstheorie" versprechen wir uns nichts. Ferner wünscht er eine Vereinfachung deS Revisionsverfahren- und die Ein führung eines Vorverfahrens, wie r» daS Verfahren der cliambrs äs roquetes ebenfalls ist. Wollte man die RevisionSsumme bcibebalten, so dürste die Erhöhung höchstens 2000 betragen, für Jmmobiliarprocesse 1000 Mark, auch müßte bei AmtSgericktSprocessen eine Revision an die OberlandcSgerichte da zulässig sein, wo das Amts gericht ohne Rücksicht auf den Streitwerth für zuständig erklärt worden ist. Auch Rechtsanwalt vr. Hugo Neu mann wendet sich gegen die Festsetzung einer Revisions summe. Die Revision soll unbeschränkt zugelassen werden, vorausgesetzt, daß das Revisionsgericht einstimmig die Re Vision für begründet erklärt. Offenbar unbegründete Re visionen sollen durch Einstimmigkeitsbeschluß vorweg zurück gewiesen werden können. Auck diese Einrichtung wurde auf eine cbLindle äs requvtes Hinweisen. Wenig Sympathien dürfte schließlich der Vorschlag des Privatdocenten vr. Themse n in Kiel finden, der eine bewegliche RevisionSsumme eingeführt wissen will, die dem fünften Theile des jährlichen Einkommens des Revisionsklägers gleich ist, oder bei einer RevisionSsumme von 3000 den Lanbesgeletzen nachlassen will, für die niederen Steuerclassen eine solche von 1500 festzusctzen. Das Verfahren würde ein zu complicirtcS werden. Man sieht, daß die verschiedenartigsten Vorschläge gemacht werden, aus denen so viel jedenfalls evident wirk, daß die Ueberbürdung de« ReickSgerichtS schwere Gefahren in sich birgt, welche beseitigt werden müssen. Deutsches Reich. -g- Leipzig, 29. December. Nach den Personalverzeichnifsen sämmtlicher deutschenUniversitäten und der Akademie Münster ist der Besuch der Universitäten in diesem Winter semester folgender (die in Klammern gesetzten Ziffern geben die Zahl dw nicht immatriculirten Hörer an): Berlin 6935 (4496), Bonn 1671 (114), Breslau 1513 (109), Erlangen 1068 (17), Freiburg 1073 (81), Gießen 674 (35), Göttingen 1154 (113), Greifswald 756 (24), Halle 1606 (124), Heidelberg 1084 (118), Jena 632 (52), Kiel 580 (46), Königsberg 684 (56), Leipzig 3277 (177), Marburg 908 (42), München 3817 (180), Münster 526 (12), Rostock 451 (18), Straßburg 1066 (53), Tübingen 1226 (31), Würzburg 1425 (19). — Eine Ver gleichung ergiebt, daß Leipzig der Besuchsziffer nach wiederum an dritter Stelle steht; ihm voraus gehen Berlin und München. an. Freiberg, 29. December. Gestern fand hier eine Be sprechung von national gesinnten Wählern des neunten Rrichstagswahlkrrises statt, welche außerhalb des Bundes der Landwirthe, des Handwerkervereins, des konser vativen und des deutsch-socialen Vereins stehen. Die Ver sammlung beschloß, die Eandidatur des Redakteurs der „Deutschen Tageszeitung" vr. Oertel in Berlin für un annehmbar und aussichtslos zu erklären, jedoch ihre Bereitwilligkeit, in neue Verhandlungen einzutrrten, auszu sprechen. LZ Berlin, 29. December. Die ehrenrührigen Angaben, die ter Abg. Bebel über den Berliner Journalisten Fink gemacht, sollen Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung werken und entziehen sich deshalb vorerst der Erörterung. Oeffent- licheS Interesse verleiht dem Streite der beiten Herren über haupt nur der Umstand, daß cS die Parlamentstribüne ge wesen ist, von der au- Bebel wieder einmal An- Feuilleton. Mollke über -en Krieg von 1866.*) „Sie wollen", so sagte der Feldmarschall, auf eine Stelle meine- Briefes Bezug nehmend, „unter Anderem Aufschluß erhalten, weshalb 1866 derAufmarschdeSprrußischen Heere- in getrennten Armeen, also eine an sich ge fahrvolle Operation, gewählt wurde. Aber es war keine andere Versammlung unserer Armeekorps alö in einer ausgedehnten Linie läng« der böhmisch-sächsischen Grenze möglich. Wohl hätte eine Concentration, und zwar bei Görlitz, verfügt werden können, aber bis an diesen Punkt führte damals eine einzige, eingeleisige Bahn, und der Aufmarsch hätte somit eine Verzögerung von mehreren Wochen herbtigeführt. Ich habe später einen Aufsatz über diese Verhältnisse veröffentlichen lassen, und dort sagte ich, daß wir die geographische Configuration Böhmens, da» tief in Norddeutschland rinschneidet, nicht ändern konnten und durch sie zu unserer weitgedehnten Aufstellung genöthigt wurden.**) Wenn Benedek sich im Norden Böhmens aufstellte, so hatte er immer die inneren Operationslinien zur Verfügung. Daraus folgte für unS da- Gebot, seinen Angriff nicht abzuwarten, sondern selbst in Böhmen einzudringen und unsere Heere in Feinde-land zu vereinigen. Ich kenne die Einwendungen, die man gegen unsere Anordnungen erhob; hätten wir uns aber concentrirt, so wäre Schlesien vollständig preisgegeben worden, was vermieden werden *) Wir entnehmen diese Unterredung Heinrich Fried jung'S mit Mollke dem mehrfach erwähnten Werk des Ersteren, „Ter Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland- (Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhanvlung Nachf. in Stuttgart). **) Traf Moltke meinte damit wohl den Aussatz im „Militair- loochW-latt" 18V7, Nr. 18. mußte. So mußten wir jene erste Aufstellung nehmen, die den anfänglichen Nachtheil besaß, daß unsere ArmeecorpS auf einer Linie von 70 Meilen ausgestellt waren. Ein anderer al» der Offensivkrieg war dann nicht möglich." Al» ich bemerkte, daß der italienische Bevollmächtigte, General Govone, vor dem Kriege Moltke selbst seine Bedenken geäußert habe, und, wie sein Bericht besagt, zur Antwort erhielt, die Ver einigung der preußischen Armeen bei Görlitz sei zu jeder Zeit möglich, erwiderte der Feldmarschall***): „Da» kann ich Govone nicht gesagt haben, denn r» ist rin Unsinn, und wenn ich e« gesagt habe, so geschah r- nur, um ihn über unsere Absichten im Dunkel zu lassen. Es wäre unmöglich gewesen, bei Görlitz rasch eine solche Heeresmacht zu vereinigen, und die Concentration unserer Kräfte war nur im nördlichen Böhmen möglich. Die Italiener hätten übrigen- besser gethan, unsere Operationen nicht zu kritisiren, sie hätten lieber den Krieg selbst besser führen sollen. Mein Rath war der, sie mögen da- Festung-Viereck und damit das österreichische Heer umgehen und die Oesterrricher somit zwingen, im Osten de« Vierecks aui den Festungen herau-zutreten, um ihre Heimath zu vertheidigen. Statt dessen marschirten sie in da« Festung-Viereck hinein und ließen sich darin von Erzherzog Albrecht schlagen, wiewohl sie an Zahl weit überlegen waren! Hatten sie meinen Rath befolgt, so besaßen sie alle Aussichten de« Siege« — außer wenn ihnen da» österreichische Heer so sehr an innerer Kraft überlegen war, daß jeder versuch mißlingen mußte. Nach ihrer Niederlage verfianden sie eS nicht einmal, den Erzherzog in Italien frfizuhalten; er konnte seinen Abzug nach Norden ungestört au-führrn und erschien mit einem großen Theile seiner Armee an der Dona«. Al» wir siegreich bi« an diesen Strom vordrangen, stand er un» bereit« gegenüber. So Hütter der Krieg auf« Neue beginnen müssen. Nun, unsere Si tuation war auch dann eine günstige, aber de« Lu«gange« eine« "*) So im Berichte Govone'« bei La Marmora, »Ein wenig mehr Sicht-, S. 82. Kampfes ist Niemand sicher. Die Italiener hätten, statt uni Rathschläge zu geben, besser daran gethan, den Krieg mit Kraft zu fuhren." Auf die Bemerkung, daß im Bericht Govone's nur erzählt sei, bei Görlitz könnten zu einer VertheidigungSschlacht sieben Armeecorps zusammengezogen werden, entgegnete Moltke: „Auch daS kann ich nicht gesagt haben. Meine Ansicht war stets, daß der Krieg nur offensiv zu führen sei; nur so tonnte der Nachtheil, der für uns durch die strategische Lage Böhmen gegeben ist, ausgeglichen werden. Die» hätte die österreichische Armee benützen sollen, aber es war der Fehler ihrer Aufstellung, daß sie zu weit rückwärts in Mähren stattfand. Der damalige GeneralstabSchef Benedek's, der, wie ich glaube, einen verhäng- nißvollen Einfluß übte, war zu furchtsam in seinen Voraus setzungen. Wenn Benedek sich sofort in Nordböhmen ausgestellt hätte, so hätte er allsogleich den Armeen des Prinzen Fnedrich Karl und Herwarths v. Bittenfeld entgegentreten können — der Kronprinz konnte nicht gleich zur Stelle sein. So aber wurde diese SiegeSmöglichkcit nicht ergriffen." Ueber die Frage, ob Prinz Friedrich Karl wirklich, wie manche nnlitairische Kritiker behaupten, rascher hätte Vor dringen und den Bereinigungspunct Jitschin schneller hätte er reichen können, äußerte Moltke: „Ich glaube, Prinz Friedrich Karl konnte nicht schneller auf Jitschin loSmarschiren. Es han delte sich nicht darum, daß er Jitschin früher erreiche al« der Kronprinz, sondern daß die Bewegungen beider Heere zusammen stimmten und sich unterstützten. Wohl ließ ich ihm in der Frühe de« 29. Juni ein Telegramm au» Berlin senden, möglichst rasch vorzudringen, aber ein Tadel kann gegen ihn nicht ausgesprochen werden. Al» er diesen Punct erreicht hatte, dachten wir nicht daran, den Kronprinzen zur Bereinigung sofort heranzuziehen, sondern zogen r« vor, diese Vereinigung erst am Tage der Schlacht selbst vorzunehmen. Sie fand denn erst vor dem Feinde statt und entschied in der Schlacht bei Königgrätz den Kampf. Daß der Kronprinz in der rechten österreichischen Flanke erschien, führte den preußischen Sieg herbei. Benedek hätte gewiß besser daran gethan, die Schlacht vor der Elbe zu vermeiden, sich hinter dem Flusse aufzustellen, mit einem Flügel an Joscphstadt,mit dem anderen an Königgrätz gelehnt. Das wäre eine sehr feste Stel lung gewesen. Dann hätten wir ihn mit der Armee des Prinzen Friedrich Karl in der Front angreifen müssen, der Kronprinz hätte die beiden Nebenflüsse der Elbe, die Aupa und Meltau, überschreiten und ihn in der Flanke fassen müssen. Das wäre für uns eine sehr schwierige Operation gewesen, zumal der An griff in der Front war dann sehr gefährlich. Aber Benedek gab ja, wie sein Telegramm an den Kaiser beweist, die Sache Oester reichs bereits verloren und rieth dem Kaiser, schon vor der Schlacht um jeden Preis Frieden zu schließen." Moltke erkundigte sich dann nach den letzten Lebensschicksalen Benedek'- und Krismanic', nannte Ersteren einen schrbraven Officier, der sich in Italien, besonders bei Solferino, aus gezeichnet hatte. Dann bemerkte er auf die Frage, wie es ge kommen sei, daß die Kunde des Anmarsches des Kronprinzen bei Königgrätz so spät ins Hauptquartier des Königs gelangt sei: „Der Kronprinz hatte eben mit seinem Heere an einem von unS entfernten Punct in die Schlacht einzugreifrn. Wir schickten ihm de- Nachts den Grafen Finckenstein mit dem bekannten Befehl. Seine Truppen lagen ja auch, wie es nicht anders sein konnte, sehr zerstreut und mußten von diesen entlegenen Positionen zur Schlacht herangezogen werden. Unterdessen ge riethen wir mit der Armee des Prinzen Friedrich Karl in eine schwierige Situation. Diese konnte wohl den Holawald, der vor der Artilleriestellung der Oesterrricher lag, besetzen, aber es war nicht möglich, von hier au- weiter vorzudringen. Die öfter reichische Artillerie, die sich vortrefflich hielt und alles Lob ver dient, hielt uns in Schach. Ich sprengte selbst einmal vor den Holawald vor, um den Ueberblick zu gewinnen; da aber hatten sich die Unsrigen bereit- nach einem nicht gelungenen Vorstoß in den Wald zurückgezogen. So fand ich Alles vor ihm leer von den Unsrigen; Leichname und Pferdecadaver bedeckten den Boden.
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