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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897020102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897020102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-01
- Monat1897-02
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Wahrend am Freitag im Reichstage die social- dcmokratischen Redner in sichtlich hoffnungsvoller Stimmung sich die größte Mühe gaben, durch uncontrolir- dare Beschwerden über schlechte Behandlung von Postunter- beamten durch Vorgesetzte die Zahl ihrer Anhänger in dieser Beamtenclasse zu erhöhen, standen die Herren am Sonnabend offenbar unter dem niederschlagenden Eindrücke der ihnen über den Stand deS Hamburger Streiks zugegangenen Nach richten, die eine schwere Niederlage der Verhörten und ihrer frivolen Verführer in sickere Aussicht stellten. Nachdem die Arbeitgeber jede weitere Verhandlung abgelehnt hatten, weil ein großer Theil der Streikenden die Arbeit wieder aus genommen bade, und die Rheder den zur Arbeit Zurück gekehrten Lohnerhöhungen zugestanden hatten, hielten eS die Führer für eine Pflicht der Selbsterhaltung, auch dem Reste der Streikenden Nachgiebigkeit anzuempfeblen, um nicht auch diesen Nest abfallea sehen zu müssen. Zn einer langen, bis in die Morgenstunden deS Sonn abends sich hinziehenden Versammlung beschlossen sie einstimmig, den noch im Streik Verharrenden die Wieder aufnahme der Arbeit dringend anzuempfehlen. In elf Arbeiterversammlungen, deren Besuchern auS Gründen der Vorsicht nur Stimmzettel mit Ja und Nein ausgehändigt worden waren, wurde dieser Rath ertheilt. Das Resultat dieser Versammlungen kannte die socialdemokratische Fraktion deS Reichstags während der Sonnabendsitzung noch nicht. Das aber mußte ihnen klar sein, daß dieses Resultat in jedem Falle ein der Socialdemokratie sehr ungünstiges sein werde. Wurde der Rath befolgt, so blieb auf den social- remokratischcn Hetzern der Vorwurf basten, die Arbeiter zu einem verderblichen Unternehmen angereizt zu haben; wurde er nickt befolgt, so lag darin der Beweis, baß den Führern die Zügel vollständig aus der Hand gefallen waren. Die niedergeschlagene Stimmung der socialdemokratischen Fraction war daher höchst begreiflich. Noch am Abend erhielten sie die Kunde, daß der zweite Fall eingetreten sei und daß 72 Proc. der Versammelten für das Beharren im Aus stande sich entschlossen habe. Nach den heute vorliegenden Nachrichten haben es die Führer an eindringlichen Mahnungen nicht fehlen lassen. So berichtet der „Hamb. Corr.": „In der in Äoppelmann's Salon, Altona, stattgehabten Ver- 'ammlnng der Schauerleute äußerte, wie wir erfahren, der Vor sitzende Döring u. a.: Man habe heute über eine wichtige Sache zu entscheiden. Bisher stehe man fest geschlossen da. Wolle man Len Kampf fortsetzen, so werde die „Munition" nicht in dem bisherigen Maße vorhanden sein. Er sür seine Person würde für die Fortsetzung des Streiks keine Verantwortung übernehmen. Jeder müsse sich bewußt sein, wofür er stimme. Man müsse sich der Majorität fügen. Bei einer Wiederaufnahme der Arbeit könne von einer Demüthigung nicht dir Rede sein. Anfgeschoben sei nicht aufgehoben. — Kundt behauptete, es gäbe neben der „Hauptregierung", der Streik-Commission, „Neben- regiernngeu"! — Dwinger entgegnete hieraus, man fasse den Be schluß unbeeinflußt durch die Streik-Commission. Jm Uebrigcn äußerte sich Dwinger im Siune der Ansprache von Döring. — Alsdann erhielt Timm das Wort zu einer Ansprache, in der er Folgendes anssührte: Der Wind wehe jetzt aus einer andern Rich tung. Er erkläre sich entschieden für die Aufnahme der Arbeit; ans diesem Grunde habe er es nicht für angebracht ge halten, in den letzten Versammlungen zu reden und der Dersamm- lung nochmals zuzurufen: „Jungens holt fast". Der Streik sei ein zweischneidige» Schwert. Man stehe bisher geschlossen da, und besser sei es, wenn man geschlossen dir Arbeit aufnehme; denn wenn später viele Männer absallen würden, würbe man sich die Frage vorlegen müssen, wer diese Leute zu Streikbrechern ge- macht habe. Man solle übrigen» dir Erklärung zum Fest halten an der Organisation, die einem Schwur gleich käme, aus recht erhalten." Aber diese Mahnungen waren fruchtlos. Die in den elf Versammlungen abgegebenen Stimmzettel ergaben, wie gesagt, daß 72 Proceut der Abstimmenden im Ausstande be harren wollen. Wie viele Arbeiter hinter diesem Beschlüsse stehen, wird allem Anscheine nach absichtlich verschwiegen, um nicht erkennen zu lassen, wie gering diese Zahl ist. Es läßt sich also auch noch nicht überseben, welche praktischen Folgen der Beschluß für die Arbeitsverhältnisse in Hamburg haben wird. Jedenfalls aber hat er eine politische Bedeutung und sogar eine doppelte. Er bedeutet eine schwere Niederlage der Socialdemokratie und zugleich einen „Sieg" ihrer platonischen national-socialen Freunde, speciell der Verfasser des bekannten Aufrufs zu Gunsten der Streikenden, dessen Erfolg die Letzteren überschätzten und überschätzen mußten. Die Herren, die den unwidersteh lichen Drang in sich verspürten, sich in Dinge zu mischen, von denen sie nichts verstanden, haben, wie das immer die Folge solchen Beginnens ist, geschadet statt genützt. Der Streik dauert wenigstens theilweise fort, und mit jedem weiteren Tage seiner Wetterführung vermindern sich die Aussichten der Streikenden für die fernere Zukunft. Dean je länger die zum Ersatz der Aus ständigen herangezogenen Leute thätig sind, desto tauglicher werden sie für die Hasenarbeiten und desto stärker wird der Antrieb der Arbeitgeber, sie nicht durch die in den Ausstand Getretenen zu ersetzeu. Das haben mit ihrem Debüt aus der Bühne deS Lebens die National-Socialen gethan. Die volle Wahrheit über eine Episode in dem Verfolgungszuge Stöckers gegen seinen Amtsbruder Witte ist auch m zweiter Instanz nicht Hu Tage getreten. Das Gericht hält es für möglich, daß Stocker den Schneider Grüneberg schriftlich zum Angriffe auf Witte aufgesordert habe, eS findet „daraus hin weisende Momente", aber die feste Uebcrzeugung von der Existenz eines solchen Briefes und daß Stöcker wider besseres Wissen gehandelt, hat es sich nicht zu bilden vermocht. Herrn Stöcker ist deshalb die Bestrafung wegen Verleumdung erspart und von der in erster Instanz verhängten Strafe von 600 eine kleine Summe nachgelassen worden. Er wird sich daraufhin ohne Zweifel der Welt als „gereinigt" vor stellen, nach gewöhnlichen SittlichkettSbegriffen und nach den Grundsätzen, nack denen Herr Stöcker bei der Beurtheilunz Anderer auSzugehen pflegt, ist indessen an dem Menschen und Geistlicken übergenug deS Häßlichen haften geblieben. Seine Absicht, den Mann, der ihm wirklich oder ver meintlich im Wege stand, zu Grunde zu richten, ihn ehrlos zu machen, wird auch im zweiten Urtheile bejaht, und die wiederholte Freisprechung Witte's, obwohl dieser Stöcker „niedrige Gesinnung" vorwarf, wird nur von Wenigen als eine Ehrenrettung des also Gekennzeichneten angesehen werden. Auch der „Kladderadatsch" hat keinen Anlaß er halten, den Trochäus, den er vor den Namen des Hof predigerS a. D. zu setzen pflegt, nunmehr Wegfällen zu taffen. Die Wahrheitsliebe de- Herrn Stöcker ist aufs Neue bell beleuchtet worden durch die Feststellung, daß er, um Stimmung für sich zu machen, den Berliner Rechts anwalt Kaufs mann, der ihm einmal unangenehm ge kommen war, als jüdischen Rechtsanwalt bezeichnet bat. Ein Jrrtbum ist da ganz und gar ausgeschlossen. Herr Kauffmann ist eine sehr bekannte Persönlichkeit und gerade neuerdings wieder häufig genannt worden: zuerst als zweiter Vorsitzender der ReichstagScommisfion für vaS Bürgerliche Gesetzbuch, über das er in erster Lesung eine viel beachtete Rede gehalten bat, dann in dem Streite zwischen Volkspartei und freisinniger Vereinigung. Ein alter Parlamentarier und Antisemit, wie Stöcker, weiß ganz genau, ob ein solcher Manu und Gegner Jude ist oder nicht, und er weiß auch, daß Herr Kauffmann ein Schwester sohn deS StaatssecretairS von Stephan ist, wa- nicht gerade für die Vermuthung jüdischer Abftammuug spricht. Eine sogenannte Brief - Affaire deS ungarischen Ministerpräsidenten Baron Bauffy beschäftigt gegen wärtig ziemlich lebhaft jenen Theil der öffentlichen Meinung Ungarns, welcher den gehässigen Kampf gegen bas liberale Re ime gern auch auf das persönliche Gebiet hinüberspielen möchte. Die Abgeordneten BlaScovitsch und Molnar haben, nachdem daS Abgeordnetenhaus ihre gegen den Minister präsidenten gerichteten MißbilligungSantrag abgelehnt, Straf- Antrag gegen Banfsy wegen Verletzung deS gesetzlich ge schützten Briefgeheimnisses eingereicht und außerdem nock die an dieser Affaire betheiligten Rado (Rosenberg) und Chef redakteur Joseph Dcszi strafgerichtlich belangt. Der genannte Nato (Rosenberg) hatte nämlich im Mai v. I. beim Be ziehen einer neuen Wohnung, welche vordem von der Central- Kanzlei der „Volkspartei" benutzt wurde, ein Packet Schriften dieser Kanzlei vorgefunden, bei deren Durchsicht ihm auch ein Brief deS jetzigen Abgeordneten BlaScovitsch an den Präses jener Central-Kanzlei, Abt Johann Molnar, jetzt ebenfalls Reickstagsabgeordneter, in die Hände fiel. Der In halt deS Briefes schien ihm von politischer Wichtigkeit zu sein; er übergab den Brief dem Redacteur des „Pesti Naplo" und dieser seinem Chefredactenr Joseph Veszi; diese Beiden kamen darin überein, daß dieser Privatvrief trotz seines interessanten politischen Inhaltes in der Oeffentlickkeit nickt benützt werden könne. Nichtsdestoweniger glaubte Veszi seiner Partei (der liberalen Regierungspartei) einen Dienst zu erweisen, wenn er daS fremde Privatschreiben dem Ministerpräsidenten als dem Chef der Partei mittheilte. Da Baron Banfsy in seinem Burean nicht anwesend war, übergab Veszi den Brief dem betreffenden politischen Referenten im Ministerpräsidium und dieser legte mit anderen Schriften auch diesen Bries dem Ministerpräsidenten zur Einsicht und Kenntnißnabme vor. Baron Banfsy behielt den Brief bei sich, nachdem ihm der Ministerialrath noch mitgetheill hatte, daß Hr. Veszi bemerkt habe, daß von dem Brief in der Öffent lichkeit kein Gebrauch gemacht werden könne. Aber als Baron Banffy für seine Budgetrede vom 20. v. M. den Stoff sammelte, fand er unter den Acten auch den Brief des Abg. BlaScovitsch und dieser sollte ihm als Beweis für die intimen Beziehungen der „Nationalpartei" zur „Volkspartei" bienen. Er benützte ihn also in öffentlicher Sitzung, obwohl er über die Provenienz dieses Briefes nicht mehr im Klaren war. Dieser Umstand erscheint, so wird der „Allgemeinen Zeitung"^aus Wien geschrieben, begreiflich, da ja der Brief vom 20. Sep tember 1895 datirt ist und dem Ministerpräsidenten im Mai 1896 in die Hände kam; wie sollte er im Januar 1897 sich dessen genau entsinnen, woher und wie der Brief ihm zu gekommen war? Daß der Brief für den besagten Zweck lein brauchbares Material bot, geht schon auS dem Datum seiner Absendung hervor. Im Herbst 1895 gab es weder eine Wahlbewegung, noch war Herr BlaScovitsch damals Mitglied der parlamentarischen Nalwnalpartei, noch bestand im Par lament die Volkspartei. Die neueste auS Lamu in Drrtisch-Ostasrika eingetrofsen; Post bringt Nachrichten über weitere Uebergriffe des dortigen britischen Vrrwaltungsbeamten NogerS gegen Deutsche. Wir theilten schon letzthin nach der Berliner „Post" mit, daß NogerS obne einen Schein von Berechtigung Elfenbein confi-cirte, das Deutschen gehörte. Es wird dem genannten Blatt darüber von dort noch geschrieben: ,Ms zu Abgang der heutigen Post aus Lamu (am 3. v. M.) hat Rogers das am 15. November v. I. beschlagnahmte Elfenbein des deutschen Handelshauses nicht freigegeben, obschon ihm durch den ihm unterstellten britischen Berwaltungebeamten in Ngao am Tona- Fluffe gemeldet worden ist, daß daS Elfenbein in aller Form Rechtens erworben worden ist. Rogers entgegnete auf die Reklamationen des deutschen Handelshauses kurz und bündig, er werde das Elfenbein erst daun frei geben, wenn er überzeugt sei, daß es rechtlich erworben sei. Diesem Uebergriffe ließ Rogers einige weitere folgen, indem er am 6. Decemder v. I. in Lamu und Lau anordnete, daß alles Elfenbein, welches der Deutsche Häßler an daS deutsche Handelshaus nach Lamu schicken würde, mit Beschlag zn belegen sei. Infolge besten wurden sieben Cenlnrr Elfenbein, mit denen Häßler am 7. Decemder v. I. in Lamu emtraf, confi-cirt. Gegen diesen Gewaltact haben die geschädigten Deutschen bei dem britischen Gcneralconjul in Mombassa und bei dem deutschen Consul in Zanzibar Protest erhoben und Herausgabe des Elfenbeins ver langt. Rogers ist zwar selbst der Meinung, daß seine Handlungs weise von seinem Vorgesetzten formell nicht gebilligt werben kann. Er tröstet sich aber damit, daß sie das deutsche Ansehen schädigt und den Eingeborenen gegenüber herabdrückt, das Aniehen nnd die Macht Großbritannien« aber in den Augen der Einge borenen hebt. Im Uebrigen rechnet er mit Bestimmtheit daraus, daß im Geheimen auch seine vorgesetzte Behörde seine Handlung»- weise gut heißt. Als er am 18. December v. I. eine Reise nach Mombassa und Zanzibar autrat, erklärte er ganz offen, wahrscheinlich werde er nicht nach Lamu zurückkehren, da er in Anerkennung seiner Verdienste befördert zu werden hoffe." DaS Vorgehen und die Denkweise des britischen Verwaltungs- beamten NogerS sind außerordentlich bezeichnend: er ist sich seiner Gewaltthaten bewußt, deren Gutheißung durch seine Vorgesetzten aber sicher, wenn diese vielleicht auch nach Außen hin als „Reckt-irrthum" hingestellt werden. „Wir wollen, bemerkt die „Post", gern die Tbatsachen abwarten; wenn diese sich aber gestalten, wie Rogers angedeutet bat, dann müssen wir darin einen Beweis dafür erblicken, daß wir es hier nicht mit dein Uebelwollen eiueS einzelnen Beamten zu thun haben, sondern mit einem systematischen Vorgehen britischer Behörden gegen deutsche Staatsbürger, um diesen den Aufenthalt in Britisck-Oslafrika, insonderheit in dem unter britischem Protektorate stehenden Sultanate Witu, zu verleiden. Demgegenüber können wir nur wieder- F-ttilleton. Die Kirdorfs. Roman von Hermann Hribrrg. NaLdnick errüoten. Zuletzt tbat der Mann völlig irrsinnige Dinge. Er ergriff den Hammer und schlug gegen da« mit Nägeln besetzte Elsentbor und forderte brüllend Einlaß: „Mach auf! Ick befebl's! Ich bin der oberste Teufel. Denn Du nickt öffnest, reiße ich Dir die Seele in Fetzen. Haba, haha. Da kannst Du denn am jüngsten Gericht mit den zerrissenen Lappen erscheinen und die Anklage gegen mich erheben, Du hockmüthiger Thor. Wie? Waö? Hast Du mir nicht daS Leben gegeben? und wagst doch Dein eigen Fleisch und Blut zu schmähen, herabzusetzen — zn einem AaS zu stempeln? Bat ich Dich, mich ins Dasein zu setzen? Nein, nein " Dazwischen wütbende Schläge, die abermals grausig durch die stillschlafende Nacht und in die Räume der einsamen Todtenkammer drangen. Jetzt setzte er wiederum das Beil an, aber wie er auch sich mühte, da- Schloß gab nicht nack, es saß unregbar. „Nun, so hol' Dick" — schrie Rudolf von Rixdorf brüllend, hielt aber plötzlich inne, starrte, wieder zur Ver nunft gelangt, ringsum, und schauderte zusammen, als jählings der Hengst ungeduldig den Erdboden scharrte und laut und abermals laut wieherte. Es war, als ob daS Thier mahne — „Still, Bestie!" hauchte der Mann. Und dann erhob er sich leise, schielte, schirr zitternd, nach dem mächtig sich aus dem Dunkel erhebenden Begräbniß- Vorbau, und fiel fast vor Angst in dir Knie, als er nun drinnen eine dumpfe Stimme zu vernehmen vermeinte, eine Stimme, die keine Sprach« batte, die klang wie geisterhaftes Rauschen, Aechzen und Sausen. Und Rauschen, Saufen und Aechzen war's auch! Aber eS warrn keine Geister, wie sein kranke« Gemüth solche Bor- stelluNI schuf. ES war die Natur. ES hatten sich Wetter und Sturm erhoben, die immer mehr zunahmen. Da« pfiff nnd beulte, und die Töne versetzten den Mann solchergestalt in Schrecken, daß er sich mit der Behendigkeit einer Katze auf den Gaul schwang, — und, in seiner Phantasie von bösen Dämonen umjagt und verfolgt — in Carritzre da- voarafte. Vornüber grbeugt, daß Angesicht fast auf die Mähne ge drückt, flog er dabin. Vorwärts! Vorwärts! Nur ent rinnen! Nur di« Angst loS werden, die tödtliche, gräßliche Angst, die eben mit der angebrochenen Nacht, nach dem wilden Austrotzen gegen Gott und Welt, sich wieder eingestellt, den Irrsinn abgelöst hatte, aber Seele und Gemüth bis zur Lebensverzweiflung marterte. „O, gnädiger Himmel, reiße mich in Deinen Schooß zurück, oder nimm die wahnsinnige Oual!" ächzte der Gefolterte, durch Wind und Sturm dahinfliegend. Nun war der Wille wieder so winzig klein, nun waren Racke, Trotz und Herrschsucht wieder völlig verflogen. Nun dünkte ihn, wenn nur diese entsetzliche Todesangst von ihm genommen. Alles, was ibm bleiben sollte an Besitz und Leben so namenlos herrlich, daß er nicht begreifen konnte, seinem Ich nochmals so nachgegeben, den Dämon nicht gleich bemeistert zu haben. Einen Ort gab es — einen Platz, wo er gesunden, auch diesmal noch der Krankheit Herr werden konnte! Und dahin wollte er, die letzten Kräfte zusammenraffend. An Martha wollte er niederstür^en, sie anfleben, die Furien zu bannen, und mit dem heiligsten Schwur versprechen, zu thun, was sie ihm gebieten würde. Wundrrherrlickes stieg vor ihm auf. Es war, so meinte er, die lebte Prüfung gewesen. Hoffnung erhellte noch einmal seinen Geist. Plötzlich — er hemmte gewaltsam den Lauf des ächzenden Tbieres — drängte eS ihn, die Hände zu erbeben, ein stille« Flehgebet emporzusenden. Er suchte die Sterne. Ueberall blitzten sie sanft. Drüben warf der Mond, beute gleichsam unwirsch in einem Winkel sich absondernd, ein grelles Licht auf seine nächste Umgebung. Einer schwarzen Wolke verlieb er silberne Ränder, und eine Insel durchleuchtete er mit wunderbarem Glanze. Aber jählings verschwand er wieder gänzlich. Der Sturm vertrieb ihn. Ein sckier Alle« verwüstender Nordost brauste über das Land, heulte, drohte und raste, und brachte noch stärker die Nerven deS ManneS in Aufruhr. Und nun eben war er wieder an der Wezbiegung nach Steinhorst angelangt. Steinborst! Steinhorst! Ein Besitz, nach dem schon Fürsten ihre Hand auSgestreckt, und er sollte eS bergeben! Noch einmal ergriffen ihn Habsucht und Gier trotz der Todesangst und der rasenden Sebnsucht nach Erlösung von der Qual. Aber jene wichen wie der Blitz. Und auch etwa« Anderes wich — die Kraft. Im Nu setzten die Muskeln au«, und der Angst folgte ein Gefühl von ohnmächtiger Schwäche, dir ihn völlig übermannte. Die Hand zog mit letzter Anstrengung den Zügel — da« Thier stand schnaubend, keuchend — Rudolf von Rixdorf aber fiel über den Hals de« Rappen wie eine leblose Puppe, und dann schwankte er — der Fuß entwich dem einen Bügel, und als das Thier, der Führung enlrathen, vorwärts trabte und nack alter Gewohnheit den Weg in den Park nabm, glitt Rudolf von Rixdorf völlig aus dem Sattel und stürzte, mit einem Fuß im anderen Steigbügel sich verwickelnd und hängen bleibend, rücklings auf den Erdboden. Noch eine Weile schleifte ihn der Gaul, von dem durch die Bäume rasenden Sturm umtobt, mit sich fort. Dann aber riß daS Lederband, und während das Thier, völlig be freit von der Last, wiehernd davon raste, blieb der Herrscher von Steinborst einsam, hilf- und besinnungslos in der Finsterniß liegen. Alles schlief in dem Städtchen Eutin. Nur eine wackle, da sie keine Ruhe fand, — Martha Witt. James hatte sie an diesem Abend an ihre Wohnung geleitet, nachdem sie noch Zeuge der Erörterungen gewesen, die stattgefunden nach Rudolfs Gewaltlhat und Fortgang. Keiner wußte, was nun folgen würde. Nachdem James letzter Versuch, den leidenschaftlichen Manu zur Vernunft zu bringen, gescheitert war, stand man wieder vor ver- tchloffenen Tbüren. Alles, was gewonnen, war zertrümmert. Das Testament hatte er zerrissen. Daß eine Abschrift existirte, entsprach nicht der Wahrheit. Nur in der Noth batte James, mit widerstrebendem Gefühl, aber List gegen Gewalt ausspielend und davon noch einen Erfolg hoffend, — die Worte hin geworfen. Und ganz entsprechend ihrem Charakter hatten sich die betheiligten Personen verhalten. Ulrike batte lediglich fick in Klagen ergangen, daß man nie zur Ruhe gelange, ja, in versteckter Weise batte sie JameS und Isabella für diese Vorfälle, die ihr Bebagen störten und ferner stören würden, zur Verantwortung gezogen. DeS gutherzigen, nack Ueberwindung der Eindrücke wieder der alten Milde und Versöhnlichkeit fick zuwendenden Axels Gedanken batten sich, trotz der Empörung über seines Bruders Benehmen, voll Sorge auf dessen Zustand, aber auch auf die arme Martha gerichtet. Er fühlte ihr nach, was sie empfand, suchte sie zu trösten und war darin von Isabella unterstützt worden. James hatte jegliches Hervortreten vermieden, er hatte gehört und geschwiegen. Er wollte prüfen und demgemäß bandeln! Er wußte, daß ihn nur eigene Kraft zum Ziele lührea konnte. Auch Axel neigte, da den Gerichten nun doch kein Testament zu prasentiren war, zu Vergleichen. Und ohne Testament war James nicht«. Aiso weshalb sich um ibn bemühen? urtheilt« die kaltherzige Ulcike. Auch Martha mußte naturgemäß in seiner Person daS Hinderniß zur Erfüllung ihrer Wünsche sehen, und Axel« nun wieder nuf Compromißabschlüsse dringendes Verhalten bewies, daß dieser sonst so gerechte Mann allezeit seinem allzu versöhnlichen Naturell unterlag, daß er eben auch nur rin Mensch war. Er trat JameS nicht mehr entgegen. Er war überzeugt, daß JameS wirklich ein Rixdorf sei, aber er gönnte ibm offenbar nickt so freudig Glück und Erbe, weil ibm instinctiv abnte, daß für ihn mit diesem unbedingt der Verzicht auf Jsabella's Besitz verbunden war. Ihm ahnte, daß sie fick liebten. Dennoch irrte sich James in einer Person. Martha Witt war nickt seine Gegnerin. Ihre Gedanken nahmen sogar in dieser Nacht einen ganz anderen Weg. Sie stand vor der Entscheidung, ob sie jetzt noch zu ihrem Vater zurückkehren, oder ob sie nun das ganze Kreuz ihrer Liebe auf fick nebmen solle. Sie sab, daß alle ihre zärtlichen Bitten nnd Mahnungen ohne Erfolg gewesen, sie batte nichts unterlassen, Rudolf zu einem Vergleich zu bewegen. In stundenlangem Beisammen sein batte sie nichts Anderes gesprochen — ihm vorgeslellt, daß doch Geld und Gut nicht Alles sei: sie batte sogar, das Atzte versuchend, die Wabl zwischen sich und einem ver ständigen Einlenken gestellt. Und immer, so sagte sie sich, würde eS so bleiben. So lange den Mann die Leidenschaft an sie fesselte, würde sie Einfluß auf ibn auSüben können, würde er nachgiebig sein. Aber sobald er den Dingen gegenüberstand, sobald er sich zn einem wirklichen Opfer entschließe,' sollie, wurde seine alt« Natur Besitz von ihm nebmen. Er konnte nicht, selbst wenn er wollte. Sein zweite« Ick war über ihm, und daran scheiterte aller Menickenwiy. Sie erinnerte sich seine« heutigen Verhaltens. Nur ein Sckurke konnte bandeln, wie er eS gethan. Er achtete nicht Reckt und Besitz. Er vernichtete, was ibm unbequem war, er züchtigte Ten, der ibm rntgegenzutreteu wagte, er würde gar —- vor Tvdlschlag nickt zurücksckrecken. Wie konnte man einen solchen Mann lieben? Und dennoch liebte sie ihn; e« blieben immer dieselben Gründe. Sie liebte ihn, weil sie der stillen Stunden seiner Hin gebung, seiner Zärtlichkeit, feiner Fügsamkeit gedachte, weil er gegen sie gut, rücksichtsvoll war, sie binstellte als ein Juwel. Weibliche Eitelkeit und Ebrgeiz fanden immer wieder Nahrung. Und so stählte di« Liebe die Hoffnung, nnd beid« batten bisher ihren Willen und ibre Kraft gehärtet. Nun fab sie aber in diesen dunklen Nachtstunden wie eine Seberin in die Zukunft. Sie verglich alle Eben, die besten! Befriedigung der Leidenschaft, Gewohnheit, die Wandel barkeit der menschlichen Seelen hoben Alles wieder auf, wenn nicht rin tiefe« geistige« Baad die Menschen verknüpft«
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